Rechtsextremismus - Christoph Schulze - E-Book

Rechtsextremismus E-Book

Christoph Schulze

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Beschreibung

Es ist keine verblassende, bedeutungslos werdende Spur der nationalsozialistischen Vergangenheit, sondern ein Teil unserer Gegenwart. Rechtsextremismus ist ein Problem der deutschen Gesellschaft. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich dieses radikale Lager in der Bundesrepublik und latent auch in der DDR halten können. Es hat sich immer wieder neu erfunden und so Wege gefunden, politischen Einfluss zu nehmen. Im Kern dieser Ideologie bleibt die Vorstellung einer fundamentalen Ungleichheit der Menschen, mit der strikte Hierarchien begründet werden. Sie zeigt sich als exkludierender Nationalismus, rassistisch und antisemitisch, und propagiert rigide Vorstellungen von Geschlechterrollen. Rechtem Terrorismus und rechter Straßengewalt fielen nach 1945 in Deutschland unzählige Menschen zum Opfer. Damit verbunden existiert ein verästeltes Netzwerk von Parteien, Organisationen, Medien und Subkulturen: einerseits als eigenes oppositionelles Milieu; andererseits mit anderen Teilen der Gesellschaft verbunden. Das Buch beschreibt anhand des aktuellen Forschungsstands den Rechtsextremismus in Deutschland: seine Akteure, Ideen, Kampagnen, Geschichte und gesellschaftlichen Berührungspunkte.

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CHRISTOPH SCHULZE

RECHTSEXTREMISMUS

GESTALT UND GESCHICHTE

INHALT

Ein Sommer in Deutschland

Begriffe und Dimensionen

Was ist Rechtsextremismus?

Ideologie-Kern und gesellschaftliche Grundvorstellungen

Geschichte und Gestalt

Geschichtliche Konjunkturen

Zur Geschichte rechtsextremer Parteien

Aktuelles Gravitationszentrum AfD

Traditionelle Kulturgemeinschaften und Jugendverbände

Publizistik

Neonazigruppen

Neonazistisch geprägte Jugend- und Subkulturen

Terrorismus und Gewalt

Rechtsextremismus in Interessengruppen und staatlichen Institutionen

Neue Fluidität: Internetmilieus, Verschwörungsgläubige und »Reichsbürger«

Kampagnen und Themen

Fallbeispiel Neue Rechte: Hintergründe, Strategie, Aufstieg und Bedeutungsverlust der »Identitären«

Verbreitung und Ursachen

Wie verbreitet ist rechtsextremes Denken?

Erklärungen, Bedingungen und Ursachen

Gegenmaßnahmen

Weiterführende Literatur

EIN SOMMER IN DEUTSCHLAND

»Widerstand! Widerstand!«, hallt es durch die Straßen von Chemnitz. Es herrscht ein mildes Wetter an diesem 1. September 2018, aber die Stimmung auf der Demonstration in der sächsischen Großstadt ist aufgeheizt.

Seit 2015, also seit drei Jahren, befindet sich die extreme Rechte republikweit im Kampagnenmodus. Mit aggressiver Rhetorik, wütenden Demonstrationen und flankiert von Gewalttaten macht das Spektrum mobil. Es geht gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, denen pauschal und abwertend ein Hang zur Kriminalität und invasorische Absichten unterstellt werden. An den Aufmärschen sind besonders am Anfang Menschen beteiligt, die vielleicht nur eine Unsicherheit angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen verspüren oder konkretere rassistische Ressentiments pflegen, die jedoch keine geschlossene rechtsextreme Ideologie vertreten. Später vereindeutigt sich das Bild: Die Proteste werden immer radikaler. Es gebe einen sinisteren Plan, ausgedacht von dunklen, volksfeindlichen Mächten, von der Merkel-Regierung: Mit dem »großen Austausch«, so die rechtsextreme Propaganda, soll mithilfe der Flüchtlinge die Abschaffung des deutschen Volkes erreicht werden. Diese Erzählung über eine deutschenfeindliche Verschwörung ist wirksam. Wer das apokalyptische Szenario für realistisch hält, sieht sich als befugt an, zu drastischen Gegenmaßnahmen zu greifen.

Der Ruf nach »Widerstand« steht im Rahmen der flüchtlingsfeindlichen Kampagne seit 2015 in einer politischen Tradition. Ab 1970 mobilisierte in der alten Bundesrepublik das rechtsextreme Milieu zur »Aktion Widerstand«, einem wichtigen Markstein auf dem Weg zum neueren rechten Terrorismus. Damals ging es noch nicht gegen Flüchtlinge, sondern gegen die Ostpolitik der Bundesregierung von Kanzler Willy Brandt, dem von rechts der Verrat an deutschen Interessen vorgeworfen wurde.

Bei einem gut besuchten Stadtfest in Chemnitz am 25. August 2018 kommt es wegen einer Nichtigkeit zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Personengruppen. Dabei wird Daniel H. mit einem Messer tödlich verletzt. Der schnell ermittelte und festgenommene Hauptverdächtige ist ein syrischer Flüchtling. Rechtsextreme Gruppen nutzen dieses Tötungsdelikt als willkommenen Anlass, um ihre Antiflüchtlings-Kampagne zu einem neuen Höhepunkt zu treiben. In den Sozialen Medien werden schon Stunden nach der Tat absurde Gerüchte und Lügen über das Geschehene verbreitet, wodurch die Stimmung in der Stadt angeheizt wird. Rechte Hooligans schreiten voran – hunderte marschieren am 26. August durch die Stadt: »Wir sind die Krieger, wir sind die Fans, Adolf-Hitler-Hooligans«. Menschen, die für Flüchtlinge gehalten werden, werden aus der Demonstration heraus verfolgt und angegriffen. Auch Polizeikräfte werden attackiert. Am nächsten Tag kommt es zu einem neuen Aufmarsch, etliche weitere sollten folgen. Abends wird das einzige jüdische Restaurant der Stadt unter antisemitischen Parolen überfallen und der Inhaber verletzt. Der Ehrenvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, erklärt die Ausschreitungen bei den Protesten ausdrücklich für normal: »Wenn eine solche Tötungstat passiert, ist es normal, dass Menschen ausrasten.«

Die Appelle der Familie des Erstochenen Daniel H., den Tod ihres Angehörigen nicht für rassistische Mobilmachung zu missbrauchen, interessieren die Rechtsextremen nicht. Daniel H., ein Deutschkubaner, war zu Lebzeiten selbst Rassismus ausgesetzt. Ein Justizbeamter verstößt derweil gegen seine professionellen Pflichten und stellt den Haftbefehl gegen den Hauptverdächtigen online. Weitere rechtsextreme Gruppen beginnen, nach Chemnitz zu mobilisieren und beteiligen sich an den Demonstrationen.

Am 1. September ziehen dann tausende Rechtsextreme durch Chemnitz, intensiv begleitet von den Kameras und Mikrofonen der ihnen nahestehenden »alternativen« Presseorgane. Zu diesem Aufmarsch haben Landesverbände der AfD, »Pegida« aus Dresden und »Pro Chemnitz« aufgerufen. Vorne stehen AfD-Funktionäre wie Björn Höcke und Andreas Kalbitz, weiter hinten versammeln sich die militanten Neonazis. Mit dabei ist der spätere Mörder des Kasseler CDU-Politikers Walter Lübcke. Nach dieser Demonstration, so der Attentäter später, »stand fest, dass wir das machen«. Auch die Gruppe »Revolution Chemnitz«, deren Mitglieder später wegen der Planung terroristischer Anschläge verurteilt werden, ist mit dabei. Erneut werden Menschen gejagt. Ein von Vermummten verprügelter Afghane muss im Krankenhaus behandelt werden. Aufgrund einer Blockade durch einen Gegenprotest kommt die Demonstration zwischendurch zum Stehen. Die Neonazis werden noch aggressiver – der Aufzug endet in Chaos und Randalen.

Die Gegenbewegung zu den rassistischen Aufmärschen wächst schließlich an und beginnt sich Tage später durchzusetzen. Am Konzert »Wir sind mehr« mit Bands wie den Toten Hosen und der Chemnitzer Band Kraftklub nehmen am 3. September Zehntausende teil, um gegen die rechtsextreme Eskalation Stellung zu beziehen. Derweil sorgen Äußerungen des amtierenden Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen für Irritationen, als er sich trotz der vielfachen und wohldokumentierten Gewalt festlegt, dass es in Chemnitz keine »Hetzjagden« gegeben habe. Schließlich wird der CDU-Mann in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Auch wenn seit den Ereignissen von Chemnitz mittlerweile einige Zeit vergangen ist: Was sich in diesen Tagen im Sommer 2018 abspielte, wirft Licht auf wichtige Facetten des gegenwärtigen Rechtsextremismus in Deutschland. Rechtsextremismus ist eine gewachsene, vielgestaltige und ausdifferenzierte politische Erscheinung. In immer wieder aufflammenden, mal machtvolleren und mal fehlschlagenden Kampagnen greift die extreme Rechte gesellschaftliche Entwicklungen und Diskussionen auf, und versucht so, die politischen Verhältnisse und die Regeln des sozialen Zusammenlebens zu beeinflussen und letztendlich zu kippen. Dem Rechtsextremismus stehen eigene oder mit ihm zumindest verbundene Medien und Mobilisierungskanäle zur Verfügung. Die Möglichkeiten des Internets allgemein und speziell die Stimmungsmache in Sozialen Medien werden massentauglich eingesetzt. Rechtsextremismus erscheint in Gestalt von politischen Parteien, in Straßenbewegungen, im Netz. Bei Anlässen wie in Chemnitz agieren Rechtsextreme gemeinsam, auch wenn sie sonst häufig genug über Fragen der Haltung, der Strategie und des Programms zerstritten sind. Ein radikaler, exkludierender Nationalismus und Rassismus sind die weltanschaulichen Säulen, und immer wieder tritt ein aggressiver Antisemitismus zutage. Rechtsextreme beschwören Krisenszenarien, rufen zur Tat, verherrlichen die Durchsetzungskraft – darum kommt es aus ihren Reihen heraus zur Anwendung von Gewalt, ja sogar zum Terrorismus. In seiner jahrzehntelangen Geschichte hat der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik eigene Traditionen entwickelt, die sich regelmäßig bemerkbar machen: In Chemnitz verwiesen die »Widerstands«-Rufe auf die »Aktion Widerstand« von 1970, also auf eine fast 50 Jahre alte Episode der eigenen Bewegung. Solche Traditionen werden aufrechterhalten, auch wenn sich der Rechtsextremismus in einer sich wandelnden Gesellschaft immer wieder selbst hat wandeln müssen. Viele Phänomene, die mit dem deutschen Rechtsextremismus verbunden sind, lassen sich auch in anderen europäischen und westlichen Ländern übereinstimmend oder in Varianten auffinden. Doch mit der Vergangenheit des Nationalsozialismus und dessen millionenhaftem Morden hat er im Land der Täterinnen und Täter besondere Bedingungen: Nach den konkreten Erfahrungen der deutschen Geschichte haben radikaler Nationalismus und Rassismus eigentlich doch jede legitimatorische Grundlage verloren.

Wie stark sich Rechtsextreme entfalten können, hängt von den politischen Gelegenheiten ab, die sich ihnen bieten, und auch davon, ob sie in der Lage sind, diese auszunutzen. Rechtsextreme agieren nicht in einem Vakuum, sondern sind in die Gesellschaft eingebettet. Ihnen schlägt vielfältiger Widerstand entgegen, der sich sozial, kulturell und politisch in Form von Gegenmaßnahmen und Gegendemonstrationen äußert und der ihre Handlungsoptionen begrenzt. Zu anderen politischen Strömungen hält er Kontakt und kann sich in seiner Agitation auf ein Reservoir an Vorurteilen und Diskriminierungsmustern in Teilen der Bevölkerung stützen. Der Staat wird durch den Rechtsextremismus herausgefordert, hat auf ihn zu reagieren und ihm Grenzen zu setzen. Allerdings gibt es auch – konstant über die Jahrzehnte – in den Behörden Trägerinnen und Träger rechtsextremer Ideen, Verharmlosungen oder sogar Mittun.

Der deutsche Rechtsextremismus hat einen Doppelcharakter. Er stellt einerseits ein zersplittertes, minoritäres Lager dar, das oft stark auf sich selbst bezogen ist und sich seit 1945 in der Opposition befindet. Andererseits ist das entsprechende Denken in vielen Teilen der Bevölkerung zu finden, zumindest in Fragmenten. Das rechtsextreme Lager vermochte es, sich am Leben zu halten und immer wieder Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. In der AfD hat es in den vergangenen Jahren wie bisher nie zuvor eine Partei gefunden, mit der Wahlerfolge erstritten werden und durch die es Einfluss und Finanzkraft generieren kann.

Weiter gehen vom Rechtsextremismus Gefahren für das gesellschaftliche Zusammenleben und die Demokratie aus – und, weniger abstrakt, sind durch ihn Freiheit, Leib und Leben von Menschen gefährdet.

Ein solides Wissen ist ein Rüstzeug, um den Gefahren des Rechtsextremismus begegnen zu können. Zu diesem Zweck bietet dieses Buch einen Überblick zur Gestalt und Geschichte dieses politischen Lagers. Es ist in drei Hauptkapitel gegliedert. Zunächst wird das Begriffsinstrumentarium diskutiert (»Begriffe und Dimensionen«). Die gängigen Definitionsansätze des Rechtsextremismus (bzw.: Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und ähnliches) werden besprochen und zudem werden die damit verbundenen Inhalte und Hauptideen skizziert.

Zweitens werden im Kapitel »Geschichte und Erscheinungen« das Gewirr der rechtsextremen Organisationen entknotet und die wichtigen Formationen genannt und eingeordnet – ob sie nun regelmäßiger Gegenstand von Presseberichterstattung sind oder weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit existieren. Die Perspektive, die dieses Kapitel einnimmt, betont also die Akteursebene und stellt somit die extreme Rechte und ihre Kampagnen selbst zentral. Die Parteien werden gemeinsam behandelt, ebenso Milieuorganisationen oder die subkulturellen Phänomene. Um ein vollständiges Bild anbieten zu können und um die Wirkmöglichkeiten der extremen Rechten verstehen zu können, müssen auch Übergangsbereiche beachtet werden. Darum wird der Blick – zumindest kursorisch – auch auf die rechtsextremen Anteile in Milieus und Organisationen gerichtet, die für sich genommen nicht oder nicht vollständig rechtsextrem sind. Genauso werden rechtsextreme Tendenzen, wie sie in staatlichen Institutionen vorkommen, eingeordnet. Derweil ist vieles, was in der Berichterstattung zum Rechtsextremismus als Neuigkeit erscheint, keinesfalls beispiellos. Darum werden die gegenwärtigen Phänomene historisch informiert anhand ihrer Entstehung und ihrer Entwicklung in der Zeitgeschichte Deutschlands ab 1945 dargestellt und hergeleitet. Als ein Fallbeispiel für das konkrete Agieren von Rechtsextremen wird die sogenannte »Neue Rechte« und deren jüngste Inkarnation in der »Identitären Bewegung« vorgestellt.

Im dritten Hauptkapitel »Verbreitung und Ursachen« wird der Blick von der Akteursebene gelöst und auf die Rahmenbedingungen gerichtet. Einerseits werden die Erkenntnisse zur Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in der Bevölkerung – also die potenzielle Nachfrage zu den Angeboten, die die extreme Rechte macht – diskutiert. Andererseits werden mehrere Ansätze dargestellt, die die Ursachen für den Rechtsextremismus identifizieren.

Als Quellen dienen Dokumente aus der extremen Rechten selbst, aber vor allem schöpfen sich die hier versammelten Informationen aus wissenschaftlicher und journalistischer Literatur über und gegen die extreme Rechte. Auch wenn dieses Buch nicht den Anspruch hat, einen vollständigen Verweisapparat anzubieten, werden einige der Forscherinnen und Forscher, die die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus prägten, genannt und wichtige Publikationen im Anhang aufgeführt.

Dieses Buch spiegelt notwendigerweise den Stand des Wissens zum Thema und kann darum nicht geeignet sein, bestehende Schwächen zu überwinden und Lücken zu schließen. Es handelt sich um ein Überblickswerk zum deutschen Rechtsextremismus, der in den hiesigen Traditionslinien des rechten deutschen Nationalismus steht. Darum ist es nicht leistbar, denjenigen Rechtextremismus in Deutschland, der sich primär auf den Nationalismus in anderen Ländern bezieht, erschöpfend einzubeziehen. Beispielsweise können die Präsenz der »Grauen Wölfe« in türkischstämmigen Communitys in Deutschland oder Gruppen, die mit der faschistischen Ustaša-Bewegung in Kroatien sympathisieren, hier nicht mitbehandelt werden. Ebenso wenig können andere Phänomene wie der islamistische Fundamentalismus – der mit dem Rechtsextremismus einige Gemeinsamkeiten teilt – diskutiert werden.

BEGRIFFE UND DIMENSIONEN

Worüber reden wir, wenn wir von Rechtsextremismus reden? Was ist damit gemeint und was nicht? Die Antwort auf diese Fragen ist diffiziler, als es zunächst erscheinen mag. Noch immer werden manche Presseberichte zum Thema mit Archivfotos von klobigen Skinhead-Springerstiefeln illustriert. Doch gerecht wird man dem Phänomen mit Stereotypen nicht. Anhand von Kleidung, Symbolen oder brachialen Parolen ist Rechtsextremismus selten identifizierbar. Nur kleinere Fraktionen der Rechtsextremen bekennen sich tatsächlich über die Mode nach außen zu ihrer Gesinnung. Ein Fokus auf Äußerlichkeiten vereinfacht zu stark und suggeriert irrtümlich, dass Rechtsextremismus ein Problem randständiger Schlägertypen sei: Rechtsextreme, das sind die anderen, die mit uns nichts zu tun haben.

In diesem Kapitel werden dem Begriff Rechtsextremismus und verwandten Bezeichnungen eine Kontur verliehen. Dafür werden die gängigen Herangehensweisen vorgestellt, eingeordnet und gegebenenfalls auf jeweilige analytische Vor- und Nachteile hingewiesen. Der Schwerpunkt liegt auf der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem Problem, doch auch das davon abzugrenzende behördliche Verständnis wird berücksichtigt. Vertiefend wird auf ausgewählte Elemente des rechtsextremen Denkens eingegangen und an Beispielen die Spannbreite der teils widersprüchlichen Positionen skizziert, die im Rechtsextremismus zu gesellschaftlichen Fragen zu finden sind.

Was ist Rechtsextremismus?

Kaum jemand bezeichnet sich selbst als »rechtsradikal« oder »rechtsextrem«. Sicherlich gibt es prominente Ausnahmen, wie das bis 2013 erschienene Magazin Hier & Jetzt, das sich an das NPD-Milieu wendete und den Claim »radikal rechte Zeitschrift« prominent im Untertitel führte. Die allermeisten Rechtsextremen hingegen weisen solche Einordnungen von sich und bestehen darauf, vielleicht seltener gewordene aber doch respektable, demokratische Inhalte zu vertreten. Schon die Rede von »Radikalität« wird von ihnen als aufgezwungener Platzanweiser in der politischen Landschaft verstanden. Selbst ihr Rechtssein weisen viele zurück und reklamieren stattdessen, einen soliden Konservatismus zu vertreten. Andere wollen für »gesunden Menschenverstand« jenseits von »rechts« und »links« und anderem »Schubladendenken« stehen. Durch die Geschichte der Bundesrepublik waren Eigenbezeichnungen wie »Nationale«, »nationales Lager«, »nationale Opposition« oder simpel »Patrioten« gängig und werden auch weiterhin verwendet.

Mit der »extremen Rechten« ist im Kern ein bestimmtes politisches Milieu gemeint. Es wird durch ein – manchmal enges, manchmal loseres – Wir-Gefühl zusammengehalten, das sich aus ideologischen und weltanschaulichen Grundüberzeugungen, aus der Geschichte und aus sozialen, personellen und organisatorischen Verbindungen nährt. Freilich grenzt die extreme Rechte an andere politische Milieus an und in bestimmten Bereichen sind Überlappungen zu finden. Manche Rechtextreme bewegen sich auch in nicht-rechtsextremen Organisationen. Obendrein ist rechtsextremes Denken als Einstellungsmuster in der Bevölkerung verbreitet, hat also auch eine unorganisierte und nicht notwendig mit konkreten Handlungen verknüpfte Dimension.

Folgt man dem italienischen Rechtsphilosophen Norberto Bobbio, dann können links und rechts als Pole verstanden werden, die einander entgegenstehende soziökonomische Vorstellungen betreffen. Der linke Pol des politischen Spektrums ist egalitär orientiert und strebt dementsprechend das Abfedern sozioökonomischer Schieflagen zwischen Menschengruppen oder gar das Erreichen sozialer Gleichheit an. Am rechten Pol wird die grundsätzliche Gleichheit von Menschen bestritten. Die Extremposition: Ungleichheit zwischen Menschen und Menschengruppen ist kein Unrecht und kein Produkt menschlichen Handelns, sondern ein Naturzustand, den es zu bejahen, zu bewahren und zu verwalten gilt. Für die Abbildung politischer Überzeugungen ist ergänzend zu diesen sozioökonomischen Polen eine zweite, politisch-kulturelle Achse hinzuzudenken. In der Frage nach den Grundvorstellungen bezüglich staatlicher und sozialer Ordnung bildet diese die Antagonismen Autoritarismus und Libertarismus ab, unterscheidet also zwischen strikter, pluralismusfeindlicher Herrschaft und größtmöglichen Handlungsfreiheiten.

Mit der extremen Rechten ist das politische Milieu gemeint, welches für eine scharfe Ablehnung des Gleichheitsgedankens einsteht und in aller Regel scharf autoritaristisch orientiert ist. Dabei ist es in politischen Einzelfragen, in ihren Strategien und sozial nuanciert. Generell aber will die extreme Rechte mit der Durchsetzung eines harten und ethnozentrischen Nationalismus dem Ungleichheitsgedanken in ihrer Weltanschauung die ihrer Ansicht nach gebührende politische Geltung verschaffen. Oft werden dafür die Ideen der Aufklärung und des Universalismus radikal verworfen, mindestens wird ihren Prämissen misstraut. Hierin liegt ein markanter Unterschied zwischen dem Rechtsextremismus und einem modernen, konstitutionellen und aufgeklärten Konservatismus.

Die grundsätzlich unterschiedlichen Menschen könnten laut den rechtsextremen Ideen ihr Potenzial zum Wohle der nationalen Gemeinschaft am besten entfalten, wenn diese an den ihnen qua Natur (oder: qua göttlichem Willen) zustehenden Positionen in der Gesellschaft lebten und arbeiteten. Eine soziale Mobilität der Volksangehörigen ist nur in einem geringen Maße vorgesehen. Ein Arbeiter ist Arbeiter und sollte Arbeiter bleiben. Identität ist hergebracht, den Individuen eingeschrieben und nur ihre Aufrechterhaltung und Entfaltung verspricht, die Ordnung zu bewahren. Staat und Gesellschaft werden oft als ganzheitliche Körper beschrieben, deren Fortexistenz davon abhänge, dass ihre Gliedmaßen die jeweiligen Funktionen erfüllen können und »Wucherungen« nicht zugelassen werden. Wenn alle Volksangehörigen an ihrem Platz wirkten, werde Harmonie erreicht. Ambivalenzen und gesellschaftlichen Interessenkonflikten wird tendenziell die Legitimität abgesprochen. Um den nötigen Zusammenhalt zu gewährleisten, seien Staat und Gesellschaft auf eine hierarchische Gliederung angewiesen, in der sich die Ungleichheit der Menschen organisch abbilde. Legitimen Anspruch auf Gleichheit gebe es nur unter Gleichrangigen – die sozialen Bindungskräfte, etwa bei der Pflichterfüllung im Militärdienst, gelten als kameradschaftliche Tugend. Dieses Grundprinzip von Ungleichheit und Hierarchie erstreckt sich auf die meisten gesellschaftlichen Felder, von der Arbeitswelt über das Geschlechterverhältnis bis hin zu politischen Mitspracherechten. Verbunden mit dem völkischen Nationalismus steht im Rechtsextremismus darum das Ansinnen im Zentrum, »Ordnungen der Ungleichheit« (so Stefan Breuer über die deutsche radikale Rechte von 1871 bis 1945) zu schaffen und zu sichern. Häufig blickt die extreme Rechte mit Bewunderung auf ausgewählte ältere und archaische Gesellschaften, von denen sie zu wissen glaubt, dass in ihnen eine »natürliche Ordnung« gewahrt war. Aus Sicht des Rechtsextremismus ist die eigene Politik gewissermaßen eine Art angewandte Anthropologie. Was den Menschen (bzw.: die Völker oder die »Rassen«) ausmacht, ist entweder unabänderlich oder das zu bewahrende und zu respektierende Produkt von gigantischen Werdungsprozessen. Aufgabe von Politik ist in diesem Verständnis weniger die Gestaltung von Gesellschaft, sondern eher die Gerechtigkeit gegenüber dem ohnehin Gegebenen. Die NPD etwa behauptet von sich, ein »lebensrichtiges Menschenbild« zu vertreten, das »auf der Natur des Menschen« aufbaue und die Naturgesetze in das politische Handeln einbeziehe. Das Menschenbild des Rechtsextremismus neigt zu einem starken Bezug auf vermeintlich verhaltensbiologisch bedingte Konstanten. Instinkte und Konkurrenzempfinden trieben menschliches Handeln an und Kampf und Auseinandersetzung seien darum zu bejahen. Sozialdarwinistisch wird das Recht des Stärkeren affirmiert: »Leben ist Kampf«, und wer sich durchsetzt, hat Recht.

Den hauptsächlichen Bezugsrahmen bildet für die extreme Rechte das Begriffspaar von Nation und Volk, verstanden als staatliche Formgebung bzw. als ethnisch weitgehend homogene Einheit. Wer sich zum Volk zählen darf, wird mit einer Mischung aus essenzialistisch-kulturellen und biologisch-rassistischen Argumenten begründet. Veränderungen und Verschiebungen, welche die vermeintliche Einheit des Volkes betreffen, werden von Rechtsextremen abgelehnt oder nur mit großer Trägheit und Verzögerung akzeptiert – das Deutschsein der Nachfahrinnen und Nachfahren der polnischen Einwanderung ins Ruhrgebiet im 19. Jahrhunderts wird auch von heutigen Rechtsextremen nicht mehr in Zweifel gezogen.

Rechtsextreme vertreten in Übereinstimmung mit ihren Ungleichheitsvorstellungen auf kultureller Ebene in aller Regel eine drastische Gegenwartskritik. Die von ihr als natürlich angesehene Ordnung sei aus den Fugen geraten und müsse darum restauriert werden – anders könne dem von ihr beständig diagnostizierten »Verfall« kein Einhalt geboten werden. Dass ausgerechnet die Nation das Fundament ist, auf der die vermeintlich natürliche Ordnung der Gesellschaft aufgebaut werden soll, ist eigentlich ein Paradoxon. Denn natürlich ist die Idee der Nation selbst keine übergeschichtliche Konstante, sondern ein vergleichsweise junges Produkt menschlichen Denkens und Handelns. Die heutigen Vorstellungen von Nationalstaatlichkeit sind erst im 18. Jahrhundert entstanden. Somit ist die extreme Rechte selbst ein modernes Phänomen – trotz ihrer Sehnsucht nach der Wiederherstellung alter Zustände. Im »Reichs«- und »Abendland«-Denken vieler Rechtsextremer gehen Nationalismus, idealistisch-mythische Vorstellungen und imperiale und auch kolonialistische Ideen ineinander über. Das Verhältnis von Rechtsextremen zur Moderne ist generell ambivalent. Bestimmte »Exzesse« bekämpft sie. Oft versteht sie ihr Tun selbst als »reaktionär«, als Verteidigung gegen die Zumutungen der heutigen Zeit. Nur in obskureren Varianten aber will sie alle Erscheinungen der Moderne wieder abschaffen. In gewisser Hinsicht ist die extreme Rechte sogar eine Meisterin in der Nutzung neuer Möglichkeiten – moderne Kommunikationstechnologie in der Propaganda werden von ihr nicht verschmäht, sondern vorbehaltlos eingesetzt.

In der öffentlichen und auch wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Themenfeld ist eine ausgesprochene Vielfalt von unterschiedlichen Bezeichnungen anzutreffen, die für Verwirrung sorgen kann. Heißt es nun Rechtsextremismus? Rechtsradikalismus? Wie steht es um andere Bezeichnungen wie Rechtspopulismus oder Neofaschismus? Meinen diese dasselbe Phänomen? Es lohnt, diese Fragen knapp zu diskutieren, da die Begriffe eine jeweils eigene Geschichte haben und ihre Verwendung Akzente setzen kann. Zunächst ist festzuhalten, dass diese Begriffe in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und somit auch in unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen angewendet werden. Zu nennen ist der Gebrauch zur Markierung der Illegitimität von Positionen in öffentlichen Debatten, der Gebrauch im staatlich-administrativen Bereich sowie, drittens, der Gebrauch in den Sozialwissenschaften.

Erstens ist die öffentliche Debatte zu beachten. Wenn von Rechtsextremismus oder Rechtsradikalismus die Rede ist, werden in der Regel Grenzen des Hinnehmbaren markiert. Hier geht es um die Assoziation zum geschichtlichen Erbe des historischen Nationalsozialismus, zu dem sich die Gesellschaft positionieren und mit dem sie sich kritisch auseinandersetzen sollte – je nachdem, wohin die Debatte pendelt, mittels Repression und Abgrenzung oder Dialog und Integration. Demzufolge handelt es sich um politische Begriffe, da mit ihnen die Legitimität eines politischen Akteurs bewertet wird. In ihren Diskursstrategien versuchen Rechtsextreme durch Provokationen und die ständige Wiederholung von Parolen, einerseits ihre Sichtweisen in die gesellschaftliche Diskussion einzubringen und so zu normalisieren (also: die Grenzen des »Sagbaren« und »Machbaren« zu ihren Gunsten zu erweitern). Andererseits betreiben sie, wenn es in der öffentlichen Selbstdarstellung als opportun erscheint, eine »Mimikry« (so der Rechtsextreme Karlheinz Weißmann) bzw. eine »Selbstverharmlosung« (Götz Kubitschek) und stellen sich selbst und ihre Forderungen als moderater dar, als sie tatsächlich sind. Der Einsatz solcher Mittel dient dem Zweck, einer Etikettierung als rechtsextrem in öffentlichen Debatten zu entkommen. Zudem versuchen Rechtsextreme mit gleicher Intention, Begriffe aufzuweichen, um sie zu entwerten. Etwa durch Retorsionen, das heißt vergeltende Erwiderungen: Kritikerinnen und Kritikern wird vorgeworfen, wie eine »SAntifa« zu agieren, oder die kritische Thematisierung von Rassismus wird als eigentlicher oder »antideutscher« Rassismus zu brandmarken versucht.

Zweitens handelt es sich um behördliche Termini. Als sich in der jungen Bundesrepublik Rechtsextreme wieder organisierten und zur Tat schritten, wurde 1952 die »Sozialistische Reichspartei« (SRP) durch das Bundesverfassungsgericht verboten. Das Gericht definierte in der Urteilsfindung die »freiheitlich-demokratische Grundordnung«, gegen dessen Feinde sich der Staat durch Verbote zur Wehr setzen dürfe. In Abkehr von der ursprünglichen »antifaschistisch-demokratischen Politik« der Alliierten wurde in diesem Zuge ein »antitotalitärer Grundkonsens« zur Norm. Als »wehrhafte Demokratie« müsse sich die Bundesrepublik gegen den Radikalismus sowohl von links als auch von rechts verteidigen. 1956 wurde die »Kommunistische Partei Deutschlands« (KPD) verboten. Ausführlich begründete das Bundesverfassungsbericht in diesem Urteil, dass für ein Parteienverbot eine Ablehnung der »freiheitlich-demokratischen Grundordnung« (»verfassungsfeindlich«) nicht genüge, sondern auch, dass diese Ablehnung mit einer konkreten, »aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung« einhergehen müsse (»verfassungswidrig«). Unterdessen gab es bisher nur die beiden genannten Verbote von Parteien in der Bundesrepublik. Zwei Verbotsverfahren gegen die NPD (2001–2003 und 2013–2017) wurden eingestellt. Das erste ausgerechnet aufgrund der hohen Durchsetzung der Partei mit V-Leuten des Verfassungsschutzes, das zweite mit der bemerkenswerten Begründung, dass diese Partei zwar verfassungswidrige Ziele verfolge, aber organisatorisch nicht in der Lage sei, diese umzusetzen. Auch Verbote gegen andere Gruppierungen wie etwa Vereine werden nicht häufig ausgesprochen, was aus der Perspektive politischer Grundrechte durchaus begrüßenswert sein kann. Dies heißt jedoch auch: Rechtsextremismus und auch Rassismus oder Nationalismus sind in der Bundesrepublik grundsätzlich keineswegs verboten. Entsprechende Bestrebungen sind gegebenenfalls lediglich unter Beobachtung gestellt. Die Geheimdienste, unter anderem die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, sprachen zur Bezeichnung ihrer Beobachtungsobjekte bis in die 1970er-Jahre von »Radikalismus« und schwenkten dann auf den Extremismusbegriff um. Sie unterscheiden dabei vorrangig Rechtsextremismus, Linksextremismus, Islamismus und »extremistische Bestrebungen von Ausländern«, die allesamt in fundamentalem Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stünden.

Der Begriff »Radikalismus« wird in den Publikationen des Verfassungsschutzes kaum mehr verwendet. Wenn doch, dann dient er als Bezeichnung für die Randbereiche des prinzipiell mit dem Grundgesetz vereinbaren politischen Spektrums, das also (noch) nicht extremistisch sei und darum nicht Beobachtungsgegenstand der Behörden sein darf. Zur praktischen Bestimmung der Aufgabenbereiche eines Geheimdienstes mag die Orientierung am Verhältnis der fraglichen politischen Erscheinungen zum Grundgesetz und diese Unterteilung in Teilbereiche Vorteile haben. Analytisch ergeben sich jedoch Leerstellen. Die Vorstellung etwa, dass es einen »Ausländerextremismus« gebe, wird der Realität nicht gerecht. Tatsächlich werden in dieser Rubrik Gruppierungen kategorisiert, die in ideologischer Hinsicht unterschiedlicher kaum sein könnten und von der kurdischen PKK bis zur rechtsextremen türkischen Ülkücü-Bewegung reichen. Bei großen Teilen der jeweiligen Anhängerschaft handelt es sich zudem mitnichten um »Ausländer«, sondern um deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit Migrationsgeschichte.

Drittens gibt es – in den letzten Jahren verstärkt – eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Themenfeld. Hier ist die Begriffsvielfalt besonders ausgeprägt. Auch durch seine Verbreitung in den Sicherheitsbehörden und seine öffentliche Nutzung ist »Rechtsextremismus« am häufigsten anzutreffen. Eine allgemein anerkannte Definition existiert aber nicht. Große Akzeptanz hat gleichwohl die Definition des Politikwissenschaftlers Hans-Gerd Jaschke aus dem Jahr 1994 gefunden, die weitgehend mit den eingangs angestellten Betrachtungen korrespondiert:

»Unter ›Rechtsextremismus‹ verstehen wir die Gesamtheit von Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen, organisiert oder nicht, die von der rassisch oder ethnisch bedingten sozialen Ungleichheit der Menschheit ausgehen, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und das Gleichheitsgebot der Menschenrechts-Deklarationen ablehnen, die den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum betonen, von der Unterordnung des Bürgers unter die Staatsräson ausgehen und die den Wertepluralismus einer liberalen Demokratie ablehnen und Demokratisierung rückgängig machen wollen.«

Daran schließt eine weitere, 2001 von elf Sozialforscherinnen und Sozialforschern erarbeitete Definition an, die etwas weniger sperrig formuliert ist und den Fokus auf Einstellungsmuster legt:

»Der Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen.«

Mithilfe solcher Definitionen lässt sich das Phänomen für die empirische Forschung hinreichend eingrenzen. Sie eint, dass sie im Rechtsextremismus eine Kombination verschiedener Teilelemente sehen – diesen also als Syndrom verstehen. Welche Teilelemente im Zentrum stehen, ist Gegenstand von anhaltenden Debatten über diesen – manchmal etwas flapsig als »shopping list approach« kritisierten – Ansatz. Der niederländische Politikwissenschaftler Cas Mudde zählte schon in der Mitte der 1990er-Jahre 26 Definitionen in der Forschungsliteratur, in denen insgesamt 58 verschiedene Teilelemente vorkamen.

Anders konstruiert ist das Modell, das von der generischen Extremismusforschung vorgeschlagen wird. Dieser kommt durch ihre Nähe zum und ihre Funktion für den staatlichen Sicherheitsapparat eine besondere Deutungsmacht zu. Die generische Extremismusforschung geht von der Existenz eines politischen Extremismus aus, der sich in verschiedene, miteinander konkurrierende Subspektren unterteilen lasse. Die Extremismen seien durch bestimmte übereinstimmende Merkmale gekennzeichnet, etwa dadurch, dass sie sich jenseits des normativen Rahmens der freiheitlich demokratischen Grundordnung befänden, einen Wahrheitsanspruch der eigenen Ideologie behaupten und Mehrdeutigkeiten nicht zuließen. Ein besonders in früheren Jahren häufig bemühtes Bild: Wie die Enden eines Hufeisens befänden sich die extremistischen Ränder der Gesellschaft nahe beieinander und in recht großer Distanz zur Mitte. Links- und Rechtsextremismus stünden zwar in Konkurrenz zueinander, seien sich aber in wichtigen Punkten strukturell ähnlich. Extremistisch seien, so der Politologe Steffen Kailitz, alle Bestrebungen, »die auf die Bewahrung oder Errichtung einer autoritären oder totalitären Diktatur zielen« und die sich in Gegnerschaft zu den Ideen des demokratischen Verfassungsstaats befinden, also »Kernmerkmale der Demokratie« wie freie Wahlen, Gewaltenteilung, den Rechtsstaat oder die Menschenrechte angreifen.

Kritisiert wird an der generischen Extremismusforschung, dass ihre Konzeption normsetzend und künstlich sei. Die Phänomene, die sie unter Extremismus subsummiert, seien in der Realität weit voneinander entfernt und verfolgten völlig entgegengesetzte Ziele. Ein radikaler linker Antikapitalismus und der Neonazismus beispielsweise haben kaum etwas gemein. Die einen beklagen, dass das Gleichheitsversprechen in liberalen kapitalistischen Systemen nicht eingelöst werde, während die anderen die Gleichheit als solche verneinen. Kaum zu bestreiten ist hingegen, dass gewisse Ideologeme sowohl bei radikalen Linken als auch bei Rechtsextremen zu finden sind – beispielsweise gibt es nicht nur rechten, sondern auch linken Antisemitismus. Aber mit dieser Feststellung ist – so die Kritik –, noch nichts über den Charakter, die Herkunft, Verbreitung und Wirkung des jeweiligen Antisemitismus gesagt und auch nicht darüber, wo Antisemitismus in der Gesellschaft jenseits von Linken und Rechten aufzufinden ist. Solche Probleme externalisiere die generische Extremismusforschung und erkläre sie zu Randerscheinungen, während die Mitte von ihnen freigesprochen werde. Als ein Hinweis auf die Stichhaltigkeit der generischen Extremismusforschung kann der Umstand gelten, dass es Beispiele für Menschen gibt, die von einem radikalen Lager ins andere wechselten. Tatsächlich sind Biografien wie die von Horst Mahler und seine Wandlung vom RAF-Mitglied zum neonazistischen Holocaustleugner erklärungsbedürftig. Andererseits sind solche Wechsel eher Ausnahmen. Viel mehr Rechtsextreme haben ihr politisches Engagement in demokratischen Organisationen begonnen. Frank Schwerdt, eine Schlüsselfigur im Neonaziumfeld der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund«, war über ein Jahrzehnt lang CDU-Funktionär, bevor er sich rechtsextremen Gruppen anschloss.

Es gibt in den Sozialwissenschaften somit zwei Hauptinterpretationen von »Rechtsextremismus«: das insgesamt breiter anerkannte, welches Rechtsextremismus als Syndrom verschiedener antiegalitärer Ideologeme in den Blick nimmt, und jenes der generischen Extremismusforschung, das näher an der Behördenpraxis ist. Teilweise werden in der ersteren Forschungsrichtung sprachliche Hilfskonstruktionen wie »extrem rechts« verwendet, um eine Abgrenzung zur generischen Extremismusforschung zu unterstreichen.

Gegen die Verwendung von »Rechtsradikalismus« wird eingewandt, dass dieses Wort fälschlicherweise impliziere, dass das besagte politische Spektrum gesellschaftliche Probleme grundsätzlich und von der Wurzel her lösen wolle, während es tatsächlich Probleme zuspitze und verschärfe. Der lateinische Wortstamm »radix« bedeutet »Wurzel«. Der marxistische Philosoph Ernst Bloch befand darum, dass die Rede von Rechtsradikalismus ein »Unding« sei: »radikal ist links«. Das Radikale am Rechtsradikalismus, so lässt sich der Begriff gegen diesen Einwand verteidigen, ist jedoch nicht in seiner Problemlösungskompetenz zu finden, sondern in seiner fundamentalen Verneinung des Gleichheitsgedankens. In der deutschsprachigen Forschung und auch international werden »Rechtsradikalismus« und »Rechtsextremismus« teilweise ergänzend zueinander genutzt. Der in den USA forschende Politikwissenschaftler Cas Mudde etwa schlägt den Übergriff »far right« (in etwa: »Äußere Rechte«) vor, die in die nicht vollständig systemfeindliche »radical right« und die offen demokratiefeindliche »extreme right« zu unterteilen sei. Der Politikwissenschaftler Michael Minkenberg wiederum sieht den Rechtsextremismus als besonders aggressive und demokratiefeindliche Variante des für ihn als Überbegriff fungierenden Rechtsradikalismus. Eine Beschränkung auf den Superlativ »Rechtsextremismus« erschwere es, die unterschiedlichen ideologischen Härtegrade und eingesetzten Mittel des politischen Kampfes im fraglichen Spektrum erfassen zu können.

Mit dem Rechtspopulismus kursiert derweil ein weiterer Begriff in den öffentlichen Diskussionen zum Themenfeld. Auch hier gibt es keinen Konsens über seine Bedeutung. Populismus kennzeichne allgemein, so definiert die große Mehrheit der Forschung das Minimalkriterium, dass er eine Kluft zwischen der herrschenden Politik und dem Volk beschwöre und abzuschaffen verspricht: »Die da oben tun nicht (mehr), was die Menschen wollen und brauchen.« Dazu gehört die – der komplexen und von Interessenkonflikten durchzogenen Realität der Gegenwart widersprechende – Idee eines »eigentlichen«, eines essenziellen Volkswillens. Populismus reklamiert für gewöhnlich für sich, demokratisch zu sein, da er die als korrupt dargestellten Eliten entmachten und den vorgestellten Volkswillen umsetzen wolle. Umstritten ist, ob die Existenz einer charismatischen Führungsfigur nötig ist, um von Populismus zu sprechen. Bei einigen unter dem Populismusparadigma diskutierten Erscheinungen liegt dies vor (etwa bei der Politik Geert Wilders in den Niederlanden), bei anderen scheint dies zu fehlen – je nachdem, wie Charisma definiert wird.

Teilweise wird in öffentlichen Debatten »Rechtspopulismus« gleichbedeutend mit »Rechtsextremismus« oder »Rechtsradikalismus« genutzt. Andere nutzen ihn als Scharnierbegriff, also als Bezeichnung für das Feld zwischen demokratischen Kräften und dem antidemokratischen Rechtsextremismus, etwa wenn die AfD nicht als rechtsextrem, aber als mit dem Rechtsextremismus in Berührung stehend porträtiert wird. Rechtspopulismus ist in diesem Verständnis eine Art Rechtsextremismus light.

In der Forschung sind zwei Strömungen in der Analyse des Populismus auszumachen. Einerseits wird in der »Wir gegen die da oben«-Logik des Populismus eine eigene Ideologie gesehen, die für sich genommen jedoch »schwach« oder »dünn« sei (»thin ideology«) und sich darum unweigerlich mit anderen Ideologien verbinden müsse. Spielarten des Populismus seien links und rechts zu finden: »Die Politik steht im Dienst der Banken und vernachlässigt das Volk« (Linkspopulismus) oder »Die Politik überschwemmt uns mit Einwanderern, obwohl dies dem Volk schadet« (Rechtspopulismus). Andererseits wird von anderen Forschenden infrage gestellt, ob es sich beim Populismus um eine eigene Ideologie handele. Stattdessen wäre Populismus ein kommunikativer Stil bzw. eine Strategie, eine Methode in der politischen Reklame. Mit populistischer Rhetorik ließen sich fast alle Inhalte verpacken, egal, wo sie auf einer Rechts-Links-Skala einzuordnen sind. Auch wirtschaftsliberale Positionen könnten populistisch beworben werden: »Die Regierung gängelt uns, weil sie uns überhöhte Steuern abpresst.« Das Verständnis von Populismus als Stil ermöglicht eine Differenzierung zwischen Ideologie bzw. Inhalten sowie dem öffentlichen Auftreten von politischen Akteurinnen und Akteuren. Auch die neonazistische Weltanschauungspartei NPD setzt schlichte und populistische Parolen in ihrer Wahlwerbung ein. Populismus sei in der gesamten Historie rechtextremer Politik zu finden und darum sogar als »genuiner Kernbestandteil des Rechtsextremismus« zu verstehen, so die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Richard Stöss. Nicht selten sind inzwischen auch Varianten anzutreffen, in denen verschiedene Begriffe kombiniert werden, wenn beispielsweise von einer »populist radical right« gesprochen wird.

Faschismus (oder für Nachkriegserscheinungen: Neofaschismus) ist derweil ein weiterer Begriff, der in den gegenwärtigen Diskussionen anzutreffen ist. Von der marxistisch-leninistischen Lesart, die im Faschismus ein Instrument der Bourgeoise und einen durch Krisen zugespitzten Kapitalismus sieht, hat sich der Terminus dabei größtenteils gelöst. Manchmal wird Faschismus auf die konkrete historische Bewegung unter Benito Mussolini in Italien reduziert. Häufiger werden darunter verschiedene internationale Bewegungen gefasst, die ihren Anfang in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatten. Der Nationalsozialismus kann als eine deutsche Spielart des Faschismus aufgefasst werden, der sich durch das Spezifikum eines besonders radikalen und eliminatorischen Antisemitismus auszeichnete. Der britische Historiker und Faschismusforscher Roger Griffin sieht es als gerechtfertigt an, einen generischen Faschismusbegriff zu nutzen. Faschismus sei eine populistische und antiliberale Ideologie, die nach einer Palingenese (Neugeburt) der Nation strebe und sich dabei revolutionärer Mittel bediene. Die Nation werde, so Griffin, mythisch überhöht und als organische Einheit betrachtet. Faschismus und Neofaschismus eignen sich begrifflich, um eine Subkategorie des aktuellen Rechtsextremismus zu bestimmen. Dies trifft beispielsweise auf Gruppierungen zu, die sich auf den historischen Nationalsozialismus beziehen, ist aber auch auf einige weitere rechtsextreme Spektren anwendbar. So kann es in Anbetracht seiner palingenetischen Äußerungen nicht nur im juristischem Sinne legal, sondern auch analytisch sinnvoll sein, den AfD-Politiker Björn Höcke einen »Faschisten« zu nennen. Am Faschismusbegriff Griffins wird zuweilen kritisiert, zu sehr den sakralen Charakter des Faschismus (»politische Religion«) zu betonen und Ideologieelemente wie Rassismus zu wenig zu berücksichtigen.

Ideologie-Kern und gesellschaftliche Grundvorstellungen

Rechtsextremismus basiert in weiten Teilen nicht auf einem geschlossenen, in sich logischen und systematischen Denksystem. Auf eine theoretische Unterfütterung, die versucht, bestehende Defizite und Lücken zu schließen und Widersprüche aufzulösen, wird im Vergleich zu anderen politischen Strömungen wenig Wert gelegt.

Trotz der Theoriearmut gibt es hervorstechende Kernelemente rechtsextremer Ideologie. Welche Formen von Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus im Rechtsextremismus zusammenwirken, wird im Folgenden skizziert. Nur für sich genommen handelt es sich bei solchen Erscheinungen um keine Alleinstellungsmerkmale des Rechtsextremismus. Nationalismus und Rassismus gibt es in zahlreichen Varianten. Ein Rechtsextremismus ohne Nationalismus hingegen oder einer, der auf Rassismus zugunsten eines universalistischen Menschenbildes verzichtet, sind kaum denkbar. Auch in weiteren bedeutenden politischen und sozialen Feldern sind im Rechtsextremismus Positionen zu finden, die im Einzelnen je nach Subspektrum variieren, sich aber immer in einer bestimmten Richtung zuspitzen. Dies gilt etwa für die rechtsextremen Vorstellungen in Hinsicht auf Geschlechterrollen und Familien, die in rechtsextremen Gesellschaftsideen zentral gesetzt und rigide ausgelegt werden. Es ließen sich weitere Beispiele nennen: Betreffend der inneren Sicherheit beschwören die meisten Rechtsextremen die Gefahr einer ausufernden Kriminalität und befürworten deshalb autoritäre Ordnungsvorstellungen, eine strenge Strafverfolgung und erweiterte Befugnisse für die Polizei.

In anderen Bereichen hingegen sind die rechtsextremen Positionen je nach Subspektrum unterschiedlich ausgeprägt. Einer Demokratisierung der Gesellschaft im Sinne der Schaffung von umfassenden Partizipationsmöglichkeiten aller Menschen steht die extreme Rechte unisono ablehnend gegenüber. Zur Demokratie allgemein existieren jedoch Meinungsverschiedenheiten: Manche wollen explizit die Demokratie und das bestehende System revolutionär stürzen und eine Führerdiktatur errichten; andere streben eine Systemtransformation an und sehen die von ihr präferierte Herrschaft als »wahre Demokratie« an. Analog im Bereich der Wirtschaft: Prinzipiell werden Leistungs- und Konkurrenzprinzip bejaht, doch manche Rechtsextreme sehen sich selbst als vehement antikapitalistisch und andere wiederum als explizit »Mittelstands-« oder »wirtschaftsfreundlich« an. Sehr weit reicht die Vielfalt der rechtsextremen Positionen in der Religionsfrage: von Indifferenz und Opportunismus über die Betonung eines christlichen Charakters von Deutschtum und Abendland bis zur heidnischen Position, in der dem Christentum ein verwerfliches universalistisches Menschenbild vorgeworfen wird.

Nationalismus

Rechtsextremes Denken ist das Denken in starr gefassten Gemeinschaften, deren Priorität gegenüber Individuen und ihren Rechten betont wird. Als zentrale Makrokategorien von Gemeinschaften werden von Rechtsextremen »Rasse«, »Volk« und »Nation« betrachtet, die je nach Subströmung unterschiedlich gewichtet werden. Der Beschwörung dieser Großgemeinschaften kommt die Aufgabe zu, die kollektive Identität eines übergeordneten »Wir« herzustellen und zu erhalten. In der Form einer Nation erhalte das Volk einen Modus, in dem es geeint agieren und sich entfalten könne: alle Volksangehörigen trügen an den jeweils ihnen zustehenden Positionen zum gemeinsamen Wohlergehen bei. Dieser idealisierte Zustand wird von vielen Rechtsextremen als »Volksgemeinschaft« bezeichnet. Neben der integrativen Funktion nach innen soll die Nation auch nach außen wirken, also helfen, als »eigene Interessen« markierte Forderungen gegenüber anderen Nationen durchzusetzen.

Allgemein bezeichnet Nationalismus die politische Forderung nach Schaffung oder Erhaltung eines Nationalstaates und kann auch mit linken, liberalen oder religiösen Inhalten verknüpft werden. Nationalismus kann beispielsweise als Mittel zur Befreiung von Unterdrückung verstanden werden oder expansionistische und imperialistische Ziele haben. Nationen sind immer gewachsene Gebilde, also das Ergebnis historischer, menschengemachter Prozesse. Im Rechtsextremismus wird die Nation als ganzheitliche Über-Idee behandelt und als zentraler Bezugspunkt politischen Handelns überhöht. Zumeist wird die geschichtliche Nationswerdung stärker noch als in anderen politischen Richtungen mit Gründungsmythen ausgestattet.

Historisch dominierten im deutschen Nationalismus bis zur Reichsgründung 1871 liberale, national-freiheitliche Elemente. Bald begannen sich aber ein konservativ-autoritärer, illiberaler und aggressiver Reichsnationalismus und schließlich der radikal-rassistische, antisemitische und expansionistische völkische Nationalismus zu entwickeln. An diese beiden letztgenannten, anti-emanzipativen Traditionen knüpft der rechtsextreme Nationalismus an. Die Fortführung des Reichsgedankens – mit mythischen Bezügen auf die Geschichte, Blut und Boden – war für den frühen Nachkriegsrechtsextremismus ein ursprüngliches und leitendes Konzept. Eine besondere Faszination geht zudem für viele Rechtsextreme vom historischen Vorbild des Preußentums aus. Dem Reichsdenken weiter verbunden blieben auch später alt-nationalistische Formationen (wie Neonazis und Deutschnationale). Andere Rechtsextreme aktualisierten das nationalistische Vokabular und entwickelten neu-nationalistische Positionen, in denen die veränderte geopolitische Konstellation nach dem Zweiten Weltkrieg Widerhall fand.

Aufgabe von »nationaler« Politik ist es aus Sicht von Rechtsextremen, die Nation zur Blüte zu bringen und das, was ihnen als »nationale Interessen« gilt, zum Maßstab der Politik zu machen. Geschichte und Politik erscheinen Rechtsextremen als Ringen zwischen Völkern, »Rassen« und eben von Nationen. Auf der Ebene der Nationalstaaten können je nach aktuellen Erfordernissen auch Bündnisse mit anderen Nationen eingegangen werden, generell wird jedoch von einer Überlegenheit der eigenen gegenüber anderen Nationen ausgegangen (Chauvinismus). Im deutschen Rechtsextremismus wird Deutschland wenig überraschend der Anspruch auf eine führende Rolle in Europa und der Welt zugedacht.

Die Nation befindet sich nach Ansicht von Rechtsextremen in einer permanenten Krise, da sie von äußeren wie von inneren Feinden bedroht sei. Von außen kommend bedrohen andere Nationen oder Zuwanderer die eigene Nation, von innen gilt es, Angriffe durch Linke und den Feminismus, durch »schmarotzende« Gesellschaftssegmente und andere Gefährdungen abzuwehren. Bevölkerungspolitische, »rassenhygienische« und eugenische Maßnahmen zur vermeintlichen Sicherung und Aufwertung der Qualität des Volkes sind nicht selten Bestandteil rechtsextremer Ideen. Ausgegrenzt und bekämpft werden von Rechtsextremen alle, die von vornherein nicht zum nationalen »Wir« gezählt werden, und zudem auch jene, die sich den in der nationalen Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben durch abweichendes Verhalten als unwürdig erweisen (»Volksverräter«).

Deutschland, so die anhaltende Analyse des deutschen Rechtsextremismus seit 1945, sei eine durch fremde Mächte am Boden gehaltene, unterdrückte und nicht-souveräne Nation. Als geschichtliche Bezugspunkte dienen, je nach Spektrum, mystische Vorstellungen von Germanentum oder des mittelalterlichen Reiches, des Kaiserreiches oder des Nationalsozialismus, deren grundsätzliche Gesellschaftskonfiguration auf nationaler Ebene wiederhergestellt werden solle. Bei wachsender zeitlicher Distanz wird auch auf die Gesellschaft der frühen Bundesrepublik positiver Bezug genommen. Der Prozess der Globalisierung und übernationale Institutionen wie die Europäische Union oder die Vereinten Nationen werden von Rechtsextremen negativ bewertet, da in ihnen eine Gefahr für den Bestand und die Handlungsfähigkeit der Nation bzw. ein »globalistischer« Ungeist gesehen wird.

Rassismus