Reden ist Silber, Küssen ist Gold - Susan Mallery - E-Book
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Reden ist Silber, Küssen ist Gold E-Book

Susan Mallery

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Beschreibung

Skye Titan dachte immer, aller guten Dinge sind drei ... Ihr Vater will sie erneut an einen reichen Mann verheiraten, der es aber auch auf ihre Schwester abgesehen hat. Über ihre Stiftung werden üble Gerüchte gestreut, die ihr Lebenswerk zerstören könnten. Und Mitch, der einzige Mann, den sie je geliebt hat, kehrt nach neun Jahren endlich wieder in seine Heimat zurück. Nur leider erkennt sie ihn in dem verbitterten Mann überhaupt nicht wieder. Wäre da nicht ihre achtjährige Tochter Erin, hätte Skye überhaupt nichts mehr zu Lachen. Also beschließt Skye, ihr Leben endlich wieder selbst in die Hand zu nehmen - für Erin, für sich und für ihre große Liebe.

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Seitenzahl: 439

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MIRA® TASCHENBUCH

Copyright © 2010 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe: Lip Service Copyright © 2009 by Susan Macias Redmond erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V/S.ar.l

Coverabbildung: Paul Bradbury/GettyImages Lektorat: Stefanie Kruschandl E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783745750843

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1. KAPITEL

Ich möchte, dass Sie meine Tochter heiraten.“

Skye Titan hatte schon genügend Schwierigkeiten damit, ein kleines Tablett mit zwei Getränken sowie einen Teller mit Häppchen in einer Hand zu balancieren, während sie die andere nach dem Griff der Bibliothekstür ausstreckte. Die plötzlich einsetzende Atemnot erleichterte das Vorhaben nicht gerade.

Noch vor dreißig Sekunden hätte sie es nicht für möglich gehalten, dass irgendeine Äußerung ihres Vaters sie noch überraschen könnte. Aber da hatte sie sich geirrt.

So viel zum Thema Erniedrigung, dachte sie und überlegte, ob Jed Titans Aussage bedeutete, dass er einen Schwiegersohn kaufen oder eine Tochter verkaufen wollte. Bei ihm konnte man nie sicher sein.

„Izzy?“, fragte der andere Mann, dessen Stimme trotz der dicken Tür zwischen ihnen klar zu verstehen war.

„Nein. Skye.“

„Oh.“

Skye wartete ungeduldig.

Oh? War das alles? Ihr Ärger wuchs, je mehr Sekunden verstrichen.

„Ich denke, das könnte auch funktionieren“, sagte die andere Stimme endlich.

Skye gab ein ärgerliches Schnauben von sich. Das waren mal Worte, die ihr Herz schneller schlagen ließen. So unglaublich charmant. Wie sollte sie es bloß schaffen, sich T.J. Boone nicht sofort an den Hals zu werfen, sobald sie die Bibliothek betrat?

Wäre sie eine etwas weniger gut erzogene Gastgeberin und pflichtbewusste Tochter gewesen, hätte sie jetzt die Tür aufgestoßen, ihnen beiden die Drinks ins Gesicht geschüttet und danach das Haus auf Nimmerwiedersehen verlassen.

„Egoistischer Bastard“, murmelte sie vor sich hin. Sie war selbst nicht sicher, ob sie damit T.J. oder ihren Vater meinte. Verdient hatten es beide.

Sie zwang sich, ruhig durchzuatmen, stellte sich dann vor, wie sie in der großen Badewanne in ihrem ans Schlafzimmer angrenzenden Badezimmer versank. Schaum bis zum Kinn, ein Glas Weißwein dazu, um ihre Nerven ein bisschen zu beruhigen. Sie war gelassen und hatte sich unter Kontrolle. Sie würde das Richtige tun, weil sie nun einmal so war. Das brave Mädchen, verdammt. Diejenige, die Leuten wie ihrem Vater und T.J. Getränke servierte.

Skye öffnete die Tür zur Bibliothek und trat ein. Die beiden Männer standen neben dem Billardtisch. Jed machte sich gar nicht erst die Mühe, ihre Ankunft zu bemerken, während T.J. sich nicht ganz wohl in seiner Haut zu fühlen schien. Als überlege er, ob sie wohl gehört habe, wie wenig begeistert er über sie gesprochen hatte.

Sie lächelte, als sie dem erfolgreichen Geschäftsmann seinen Drink anbot, und wünschte sich, vorher noch einmal hineingespuckt zu haben.

„T.J.“, sagte sie.

„Skye.“

Mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen war er ein durchaus attraktiver Mann. Groß und sehr gut gekleidet. Er war ein echter Texas-Boy und bestimmt sehr charmant, aber das war schwer festzustellen, solange dieses völlig ohne Begeisterung geäußerte „Ich denke, das könnte auch funktionieren“ noch in ihrem Kopf rotierte.

Sie stellte die Appetithäppchen auf den kleinen Tisch in der Ecke. „Kann ich noch etwas für euch tun, Daddy?“, fragte sie.

„Danke, das ist alles, Skye.“

„Dann wünsche ich eine gute Nacht.“

Damit hatte sie ihren Gastgeberpflichten Genüge getan. Während ihre Wut – wenn auch unhörbar – immer noch in ihr tobte, verließ sie die Bibliothek und ging die Treppen hinauf. Im zweiten Stock begab sie sich in den letzten Raum auf der linken Seite. Tagsüber war es ein helles, offenes, in Grundfarben gehaltenes Zimmer. Ein großes Bett stand vor dem Fenster, aus dem man einen ungestörten Ausblick über die Weiden hatte. Nachts kamen die Schatten hervor, doch die sieben Jahre alte Erin hatte keine Angst vor der Dunkelheit. Sie hatte vor gar nichts Angst. Eine Eigenschaft, die sie von ihrem Vater geerbt haben musste, dachte Skye neidisch.

Zusammengerollt wie ein kleines Kätzchen lag Erin schlafend unter ihrer Bettdecke. Skye setzte sich auf den Bettrand und betrachtete ihr Kind.

„Ich liebe dich, mein Mäuschen“, flüsterte sie.

Erin rührte sich nicht.

Skye stand auf und ging die paar Schritte hinüber zu ihrem eigenen Schlafzimmer. Ihre ein Jahr jüngere Schwester Izzy lag ausgestreckt auf dem großen Bett und schaute fern. Sie stellte den Ton ab, als Skye den Raum betrat.

„Hast du in deinem Zimmer keinen Fernseher?“, fragte Skye.

„Doch, aber es bringt mehr Spaß, deinen zu benutzen. Wer ist der Mann?“

„T.J. Boone. Und er will dich.“

Izzy setzte sich auf, ihre dunklen Locken umrahmten ihren Kopf wie ein Heiligenschein. „Wovon redest du?“

Skye ging ins Badezimmer und ließ Wasser in die Badewanne laufen. Während der heiße Strahl sich in die Wanne ergoss, fügte sie ein nach Jasmin duftendes Badeöl hinzu, das sofort einen herrlichen Schaum erzeugte.

„Jed hat T.J. eröffnet, dass er es gerne sähe, wenn dieser eine seiner Töchter heiraten würde. T.J. dachte, es ginge um dich, aber Jed hat ihn informiert, dass ich diejenige bin, auf die er bietet. T.J. hat eine sehr lange Pause gemacht, bevor er zustimmte, dass es mit mir wohl auch in Ordnung ginge.“ Skye kehrte ins Schlafzimmer zurück und fluchte leise. „Hab ich daran gedacht, eine Flasche Wein mit heraufzubringen? Natürlich nicht.“

Izzy sprang auf die Füße. „Wovon redest du? Natürlich will er dich. Du bist wunderschön.“

Nun, das war wohl ein bisschen übertrieben, aber Skye hatte nicht vor, das Kompliment zurückzuweisen.

„Es ist egal“, seufzte sie. „Ich werde nicht zulassen, dass Jed mir einen Ehemann aussucht. Den Trip hab ich schon hinter mir.“

„Und du hast das T-Shirt gekauft“, ergänzte Izzy hilfreich.

Sie hatte mehr als das getan. Sie hatte den fraglichen Mann geheiratet, weil ihr Vater es so gewollt hatte. Weil es das Richtige war oder damals zumindest zu sein schien.

„Ich habe Rückgrat“, behauptete Skye; sie war unzufrieden mit ihrem Leben, wusste aber nicht genau, warum. „Da bin ich mir sicher. Wenn ich kein Rückgrat hätte, könnte ich ja nicht aufrecht gehen. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt, Witwe und alleinerziehende Mutter. Sollte ich nicht diejenige sein, die über ihr Leben bestimmt?“

„Bist du doch auch.“ Izzy zuckte mit den Schultern. „Also irgendwie zumindest.“

„Wie wunderbar. Ich bin das Vorbild für Fußabtreter auf der ganzen Welt.“

„Du bist kein Fußabtreter.“

Skye schüttelte den Kopf. „Entschuldige. Ich sollte alleine in meinem Selbstmitleid schwelgen und dich da nicht mit hineinziehen. Warum gehst du nicht nach unten und flanierst ein wenig vor T.J. auf und ab? Zeig ihm, was er niemals haben wird.“

Izzy runzelte die Stirn. „Geht es dir gut? Ich bleibe gerne hier und leiste dir Gesellschaft.“

„Nein, danke. Ich werde jetzt in die Badewanne gehen und mich in dem Meer der Verleugnung treiben lassen.“ Denn T.J.s offensichtliche Zurückweisung war nicht der einzige Grund für ihre schlechte Laune. Es war ihr Vater, der wieder einmal annahm, er könne ihr Leben kontrollieren. Weil sie ihn gelassen hatte … und zwar mehr als einmal.

„Sky-ye.“ Izzy dehnte das Wort in zwei Silben. „Lass es nicht so weit kommen, dass ich ,The Sun Will Come Out Tomorrow‘ singe, bis du um Gnade bettelst. Denn glaub mir, das werde ich tun.“

Skye lachte. „Okay. Ich reiße mich zusammen. Und nun ab mit dir, sorge für ein bisschen Unruhe da unten. Danach werden wir uns beide besser fühlen. Es geht mir gut, wirklich. Ich brauche nur ein wenig Schlaf. Morgen früh wird alles schon wieder anders aussehen.“

„Versprochen?“

„Großes Indianerehrenwort.“

Izzy zögerte noch einen Moment, dann ging sie. Skye kehrte ins Badezimmer zurück und stellte das Wasser ab. Ihre Haare steckte sie hoch, zog sich aus und ließ sich ins heiße Wasser gleiten. Aber so fest sie auch die Augen schloss und versuchte, ihren Atem zu beruhigen, hörte sie doch immer wieder das Gespräch zwischen T.J. und Jed. Und wurde wieder wütend. Vor allem auf sich. Darauf, dass sie jemand war, der immer das tat, was man ihr sagte.

Weil sie die brave Schwester war. Diejenige, die die Regeln befolgte. Die das tat, was von ihr erwartet wurde.

„Ich hasse solche Leute“, sagte sie laut in den leeren Raum hinein. Also warum war sie eine von ihnen geworden?

Izzy wartete, bis T.J. die vordere Veranda des Hauses betrat. Sie war damit aufgewachsen, im Schatten zu lauern, ihre älteren Schwestern heimlich zu beobachten, die immer den ganzen Spaß zu haben schienen. Sie war es gewohnt, unsichtbar zu sein.

Als sie sicher war, dass er sie nicht bemerkt hatte, schlich sie sich von hinten an und sagte laut „Hi“. Es fiel ihr schwer, nicht zu lachen, als er vor Schreck zusammenzuckte.

„Meine Güte“, rief er und drehte sich zu ihr um. „Sie haben mich zu Tode erschreckt.“

„Gut. Wenn ich es richtig verstanden habe, werden wir bald Bruder und Schwester sein. Sehr cool. Ich wollte schon immer einen älteren Bruder haben. Sie können mir dann alle möglichen Sachen beibringen.“

T.J. überragte sie um gute fünfundzwanzig Zentimeter, aber Izzy ließ sich davon nicht einschüchtern. Sie war nicht hier, um fair zu kämpfen, und sie würde jeden Vorteil nutzen, um diesen Idioten zu Fall zu bringen. Ihn zu erschrecken war nur ein netter Bonus gewesen.

„Bruder und Schwester?“

„Sie werden doch Skye heiraten, oder nicht? Zumindest hat sie mir das erzählt.“

Dieses Mal fielen T.J.s Flüche weitaus deftiger aus. „Sie hat es gehört. Das sollte sie nicht.“

Er stand auf der obersten Stufe, und Izzy überlegte kurz, ihm einen kleinen Stoß zu versetzen, nur um ihn die Treppe hinunterfallen zu sehen. „Sie haben gezögert, als Jed Ihnen Skye angeboten hat. Ich kann es nicht fassen, dass Sie den Nerv hattest, auch nur eine Sekunde nachzudenken. Sie ist zehnmal so viel wert wie Sie.“

„Warten Sie. Mein Zögern hatte nichts mit Skye zu tun. Sie ist eine wunderschöne Frau.“

„Also haben Sie sich Gedanken über Ihre Ausstattung gemacht?“, unterbrach ihn Izzy mit einem maliziösen Lächeln.

„Ich habe versucht, Ihrem Vater meinen Standpunkt klarzumachen.“ Er lehnte sich an den Balken neben der Treppe. „Und nur fürs Protokoll, es hat noch keine Beschwerden über meine Ausstattung gegeben.“

„Die meisten Frauen sind zu höflich, sich darüber direkt zu beschweren. Wir erzählen es uns nur gegenseitig, wenn wir enttäuscht worden sind.“

Er hob eine blonde Augenbraue. „Sie haben eine ganz schön scharfe Zunge.“

„Ich habe eine ganze Menge Dinge, die Sie niemals zu sehen bekommen werden.“

„Wollen Sie wetten?“

Izzy gefiel es, dass er genauso gut austeilte, wie er einsteckte. Aber ihr gefiel nicht, dass er mit Jed Umgang hatte, über eine Hochzeit mit Skye sprach und mit ihr flirtete.

„Es wird Jed nicht sehr gefallen, dass Sie versuchen, seine Töchter gegeneinander auszuspielen. Glauben Sie mir, er ist kein Mann, den man verärgern will.“

„Vielleicht ist es ihm egal, welche seiner Töchter ich heirate.

„Mich könnten Sie niemals einfangen, und wenn doch, wären Sie mit mir vollkommen überfordert.“

„Das klingt nach einer Herausforderung.“

Sie ignorierte diese Aussage. „Lassen Sie mich eins klarstellen: Wenn Sie meine Schwester noch einmal verletzen, T.J., wird Ihnen der direkte Augenkontakt mit einer Schlange wie eine Wohltat vorkommen.“

Er starrte einen Augenblick auf ihre Füße und ließ dann seinen Blick langsam an ihr hinaufgleiten. „Sie glauben, Sie können es mit mir aufnehmen?“

„Sogar an einem schlechten Tag. Ich kämpfe mit harten Bandagen.“

„Ich auch, kleines Mädchen.“

Sie beschloss, sich das für spätere Zwecke gut zu merken. „Ich werde meiner Schwester von unserer kleinen Unterhaltung berichten. Die Titan-Schwestern sind untereinander sehr loyal. Das sollten Sie immer im Kopf behalten.“

„Sie stecken voller Ratschläge. Warum glauben Sie, dass ich sie brauche?“

„Weil man Ihnen den Amateur vom Schiff aus ansieht.“

Mitch Cassidy hielt am Tor zur Ranch an. Er war zwar hier aufgewachsen, aber seit über neun Jahren nicht mehr hier gewesen. Er hatte ein paar Veränderungen erwartet – das Leben hatte so eine Art, weiterzugehen, ob man es nun wollte oder nicht –, aber das hier war denn doch eine Überraschung.

Er starrte auf die Wörter über den offenen Metalltoren. Die Tore waren mit keinem Zaun verbunden, sondern standen nur zur Zierde dort. „Cassidy Ranch. Heimat von zertifiziertem organischem Rindfleisch und frei laufendem Geflügel.“

„Was zum Teufel …“

Er wusste nicht, was ihn am meisten ärgerte. Der Ausdruck „zertifiziert“ oder „organisch“ oder „Geflügel“.

„Hühner? Wir haben gottverdammte Hühner?“

Er hasste Hühner. Sie waren laut und dreckig. Und das hier war Texas. Seine Familie züchtete Rinder, und das schon seit fast hundert Jahren. Sie waren die Quelle des Cassidy-Vermögens. Wenn irgendeine Rancherfrau für ein paar Eier oder ein Mittagessen Hühner züchten wollte, wurden die dummen Vögel irgendwo auf der entferntesten Ecke des Grundstücks gehalten, damit man sie nicht sah. Und nun posaunte man sie hier groß auf dem Eingangstor heraus.

Sein linker Fuß schmerzte. Er streckte die Hand aus, um ihn zu reiben, nur um sich eine halbe Sekunde später daran zu erinnern, dass er keinen linken Fuß mehr hatte. Die Unterschenkelamputation war der Grund dafür, dass er kein SEAL mehr war. Der Grund dafür, dass er nun endlich wieder nach Hause kam.

Er fluchte noch einmal, legte einen Gang ein und nahm den Weg zum Haupthaus. In einer perfekten Welt würde er still und leise auf die Ranch zurückkehren, sich einfach wieder in das Leben einfügen, und niemand würde es bemerken. Leider konnte man dem Leben zwar vieles nachsagen, aber nicht, dass es perfekt war.

Er fuhr den fast eine Meile langen Weg entlang. Rechts und links weiße Zäune, so weit das Auge reichte. Pferde zur Rechten, Preisbullen zur Linken. Reichtum und Wohlstand auf vier Hufen.

Als er an einer Baumgruppe entlang um eine Kurve fuhr, sah er das Haus, in dem er aufgewachsen war. Es war ein ausgedehntes zweistöckiges Gebäude mit einer umlaufenden Veranda. Hüfthohe Blumen bewegten sich im leichten Wind. Ein Bild wie von einer Postkarte. Mitch wünschte sich fast, es wäre so.

Fidela stand auf der Veranda, leicht nach vorne gebeugt, als wolle sie die genaue Sekunde seiner Ankunft abpassen. Dann rannte sie los, seinem Truck entgegen, und zwang ihn, kurz vor dem Haus anzuhalten.

Sie ging zwar schon auf die fünfzig zu, aber sie hatte die Schnelligkeit einer Sechsjährigen und erreichte seine Tür, bevor er umständlich aus der Fahrerkabine geklettert war. Er landete auf Schotter und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren, als seine Beinmuskeln sich bemühten, ihn auf der neuen und schmerzhaften Prothese aufrecht zu halten.

„Du bist wieder da!“ Tränen füllten Fidelas braune Augen. „Endlich! Seit du weggegangen bist, habe ich gebetet und gebetet. Gott ist es schon leid, dass ich ihn immer wieder um deine Sicherheit anflehe. Du hättest mich auch ein bisschen unterstützen können, weißt du. Zum Beispiel, indem du nicht so gefährliche Aufgaben übernimmst. Aber nein, du musstest ja unbedingt meinen Glauben auf die Probe stellen.“

Sie umfasste sein Gesicht mit ihren Händen, strich ihm dann über die Schulter und seine Arme entlang, als wollte sie sichergehen, dass er wirklich da war.

„Du bist größer als damals, aber so dünn. Mitch, in deinen Augen liegt so viel Traurigkeit. Aber jetzt bist du zu Hause, ja? Zu Hause bei mir und Arturo. Die Ranch wird dich heilen, und ich werde dir alle deine Lieblingsgerichte kochen, bis du zu dick bist, um auf einem Pferd zu reiten.“

Sie lächelte durch ihre Tränen, dann umarmte sie ihn mit einer Kraft, die ihm die Luft aus den Lungen quetschte.

Sie war schon Teil seines Lebens, bevor er geboren worden war. Arturo hatte sie als junge Braut auf die Ranch gebracht. Sie hatte seiner Mutter geholfen, und Arturo hatte sich um die Ranch gekümmert. Seine Eltern waren nie lange an einem Ort geblieben, und wenn sie zu einer ihrer vielen Reisen aufgebrochen waren, hatten sich Arturo und Fidela um ihn gekümmert.

Er erwiderte ihre Umarmung, langsam, zögernd, erinnerte sich und wünschte sich gleichzeitig, vergessen zu können. Vorsichtig versuchte er, die Balance zu halten, seinen Schwerpunkt dahin zu verlagern, wo er hingehörte. Alles so einfache Dinge, die er früher für selbstverständlich gehalten hatte.

„Ich habe Enchiladas und Bohnen gemacht, so wie du sie am liebsten magst. Außerdem gibt es Kuchen und Flan und alle deine Lieblingsspeisen. Ich habe dir auch schon ein Zimmer im Erdgeschoss gerichtet. Natürlich nur für den Moment. Das hat der Arzt gesagt, als er anrief. Es ist nur für den Moment.“

Mitch fragte sich, was der Arzt wohl noch alles gesagt hatte. Er wusste, dass er ein schwieriger Patient gewesen war. Das ganze Gerede darüber, dass alles aus einem bestimmten Grund passierte und, wenn Gott eine Tür schloss, er irgendwo ein Fenster öffnete, hatte ihn nicht interessiert. Mitch wollte kein Fenster. Er wollte sein Leben zurück, so wie es war, bevor die Explosion ihm die untere Hälfte seines Beins genommen hatte.

„Ich muss los.“ Er löste sich aus Fidelas Umarmung und wandte sich wieder seinem Truck zu. „Ich bin bald wieder da.“

Sie schaute ihn an, ihre Lippen zitterten unter einem Gefühl, das er lieber nicht bestimmen wollte. Mitleid, sehr wahrscheinlich. Und warum auch nicht?

Er zog die Fahrertür hinter sich zu und ließ den Motor an. Er hatte kein bestimmtes Ziel – er wollte nur weg von hier.

Er umrundete den Stall und folgte dem Schotterweg zu den Weiden. Die Zäune waren neu und in gutem Zustand. Zu seiner Rechten sah er etwas, das verdächtig nach einer ganzen Menge Hühner aussah, also schaute er stur geradeaus, bis er auf eine kleine Anhöhe kam. Von hier aus konnte er das gesamte Cassidy-Land sehen, getupft von dunklen Schatten – den Rinderherden. Aus dieser Entfernung wären die Veränderungen nicht ganz so offensichtlich.

Er stieg aus dem Truck und stöhnte kurz auf, als er einen Schritt tat. Sein Stumpf tat weh. Er hatte zu viel zu schnell gemacht und den Rat seines Arztes und seines Therapeuten ignoriert, sich langsam an die Prothese zu gewöhnen, anfangs Krücken oder eine Gehhilfe zu benutzen. Aber das kam für ihn einfach nicht infrage.

Er humpelte zu einem großen Stein und setzte sich darauf. Dann zog er das Hosenbein hoch und nahm den Ersatz aus Metall und Plastik ab, wo einmal ein Bein aus Fleisch und Blut gewesen war.

Sein Knie war geschwollen, vernarbt und an einigen Stellen immer noch rot. Der Chirurg im Feldlazarett in Afghanistan hatte sein Bestes gegeben, um Mitchs Bein zu retten, oder zumindest das, was davon übrig war. Dafür würde Mitch ihm immer dankbar sein. Nicht glücklich darüber, aber dankbar.

Alles tat ihm weh, und an Tagen, wo er nicht aufstehen mochte, erinnerte er sich daran, dass er im Vergleich zu anderen Soldaten nur einen Kratzer abbekommen hatte und sich endlich zusammenreißen sollte. Sein Kumpel Pete hatte sein Leben riskiert, um Mitch in Sicherheit zu bringen, und war für seine Anstrengungen angeschossen worden. Also war Mitch ihm auch etwas schuldig. Da waren …

Das gleichmäßige Getrappel von Hufen erregte seine Aufmerksamkeit. Er wollte aufstehen, bemerkte zu spät, dass er ja nur einen Fuß hatte, und fiel beinahe hin. Er griff nach dem Stein und schaffte es, stehen zu bleiben. Aber bevor er die Prothese wieder anlegen konnte, gesellten sich ein Pferd und Reiter zu ihm auf den felsigen Hügel.

Mitch sah sich der Person gegenüber, die er als einzige auf der Welt nie wieder hatte sehen wollen. Musste es denn gerade jetzt sein? Wo er mit seinem falschen Bein in der Hand hier stand? Musste er ausgerechnet jetzt aussehen wie der Krüppel, der er war?

Er spürte, wie die Wut in ihm hochkochte. Lebendige, heiße Wut, die explodieren und verbrennen und zerstören wollte.

„Verlass auf der Stelle mein Land“, schäumte er. „Du bist hier nicht willkommen.“

„Hallo, Mitch“, ignorierte sie seine Aufforderung. „Ich habe gerade gehört, dass du wieder zurück bist.“

Skye Titan zügelte ihr Pferd und glitt vom Sattel auf den Boden herab. Sie nahm ihren Cowboyhut ab.

Trotz all der Jahre, die vergangen waren, sah sie noch genau so aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihre dunkelroten Haare bildeten einen scharfen Kontrast zu ihrer hellen Haut. Ihre Augen hatten die Farbe von frischem Frühlingsgras – und schauten direkt in seine. Sie sah gut aus. Zu gut. Eine Menge Kurven und Versuchung.

„Wie geht es dir?“, fragte sie.

Er deutete auf seine Prothese. „Was glaubst du, wie es mir geht? Verschwinde einfach. Ich will nicht mit dir reden.“

Sie trug Jeans und ein langärmliges T-Shirt, das ihre Brüste auf eine äußerst irritierende Art umspannte.

„Ich glaube nicht, dass ich schon gehen will.“

Sein Blick fiel auf ihre linke Hand. Er sah keinen Ring. „Was ist mit Ehemann Nummer eins passiert? Hat Daddy dir gesagt, dass du ihn abservieren sollst?“

„Ray ist gestorben.“ Sie schaute ihm weiter unverwandt in die Augen.

„Also lebst du das Leben einer reichen Witwe? Oder hat Jed dich schon wieder verheiratet? Wer ist es dieses Mal, Skye, ein alter Tycoon oder ein internationaler Bankier?“

Der Mitch Cassidy, an den Skye sich erinnerte, war ein lustiger, entspannter Kerl, der reiten konnte wie der Wind und ihr mit seinen Küssen innerhalb von Sekunden alle Sinne raubte. Er lachte so gerne, wie er spielte, und Mitch liebte es, zu spielen. Sie wusste, dass der Krieg einen Mann veränderte, aber sie hatte nicht erwartet, auf einen kalten, bösartigen Fremden zu treffen. Seine Anspielung auf eine zweite Heirat war der Wahrheit sehr nahegekommen. Zu nahe. Sie trat einen Schritt zurück.

„Es tut mir leid, dass du verletzt wurdest“, sagte sie.

„Das wird mich sicher besser schlafen lassen.“

„Ist diese Rolle als sarkastischer Fiesling speziell für mich, oder führst du sie jedem vor?“

Er drehte ihr den Rücken zu.

Das ist wohl auch eine Antwort, dachte sie, auch wenn sie sie nicht genau entschlüsseln konnte.

Ich habe ihn vermisst, dachte sie traurig, als sie auf seine breiten Schultern starrte. Sein dunkles Haar war militärisch kurz geschnitten, was ihm sehr gut stand. Sie konnte sich nicht erinnern, die Narbe an seinem Kiefer schon einmal gesehen zu haben, und sie erinnerte sich an alles an Mitchs Körper.

Er war ihre erste Liebe, ihr erster Liebhaber, und es gab eine Zeit, da wäre sie durchs Feuer gegangen, nur um bei ihm sein zu können. Aber sie war nicht bereit gewesen, sich ihrem Vater zu widersetzen. War das ein Fehler gewesen?

„Ich wünschte, dass die Dinge anders gelaufen wären.“ Die Worte waren ausgesprochen, bevor sie sich zurückhalten konnte. Sie meinte die Vergangenheit, aber als er sich mit zusammengekniffenen Augen zu ihr umdrehte, seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst, wurde ihr klar, dass er glaubte, sie spräche von seinem Bein.

„Ich brauche dein Mitleid nicht“, knurrte er. „Ich brauche einen Seh…“

Er verlor das Gleichgewicht, und Skye reagierte instinktiv, sprang zu ihm und umfasste ihn an der Taille, während er nach dem Fels tastete. Die Prothese fiel zu Boden.

Er war schwerer, als sie gedacht hatte, und sein Gewicht drückte sie zur Seite. Ihr Fuß glitt ab, sie versuchte, sich zu halten, doch kurz darauf fielen sie beide zu Boden.

Der Boden war hart. Sie landete auf dem Rücken, er auf ihr drauf. Steine drückten ihr in den Rücken, doch das war egal. Sie bekam keine Luft mehr.

Innerhalb von Sekunden war Mitch von ihr herunter. „Atme“, sagte er. „Alles ist gut. Du musst nur atmen.“

Sie tat einen Atemzug, dann noch einen.

„Was ist los mit dir?“, wollte er wissen, das Gesicht ärgerlich verzogen. „Du bist viel zu klein, um mich halten zu können. Was hast du dir nur dabei gedacht?“

Er sah wütend aus, was seltsamerweise besser war als der kühle und sarkastische Ausdruck vorher.

„Ich bin nicht schwach“, widersprach sie. „Ich könnte dir so unglaublich in den Hintern treten.“

„Auf welchem Planeten?“

„Zorgon.“

Es zuckte um seinen Mundwinkel. „Nicht, Skye. Versuch nicht so zu tun, als sei alles in Ordnung.“

Weil es nicht in Ordnung war, oder weil er es nicht wollte? „Ich habe dich vermisst, Mitch.“

Das Lächeln verschwand, und die Kälte kam wieder. „Daran hättest du denken sollen, bevor du mich verlassen hast.“

„Ich hatte keine Wahl.“

„Natürlich hattest du die. Daddy hat dich gebeten, zu springen, und du hast das Maßband herausgeholt, um sicherzugehen, dass du es auch hoch genug schaffst.“

Sie setzte sich auf. „Du weißt ja nicht, wovon du da redest.“

„Wie viel davon war falsch?“

Nichts, und das nervte sie am meisten. „Mitch, bitte.“

„Bitte was?“

Sie saßen einander gegenüber. Sie konnte alle Farben in seinen Augen sehen, die kleinen Haare, die seine Wimpern bildeten. Sein Duft war so vertraut wie die Hitze, die in ihr aufstieg.

Er war so anders, und doch erkannte sie jedes Detail von ihm. Es war, als würden die neun Jahre zwischen ihnen einfach verschwinden und es gäbe nur noch diesen Moment und den Mann, den sie einst so verzweifelt geliebt hatte, dass es sie ganz schwach machte.

„Mitch“, sagte sie, fasste dann die Vorderseite seines Hemdes, verringerte den Abstand zwischen ihnen und küsste ihn.

Für einen Moment passierte nichts. Nur das Gefühl von seinen Lippen an ihren, aber keine Reaktion. Sie drückte sich stärker an ihn, wollte, dass er sie wollte, wollte, dass er reagierte. Als er es nicht tat, wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Dass sie mit dem, wonach auch immer sie sich gesehnt hatte, alleine dastand. Er hatte sie nicht im Geringsten vermisst.

Sie zog sich zurück.

Hitze stieg in ihre Wangen. Sie ließ ihn los und begann aufzustehen.

Er umschlang ihre Hüfte mit seinem Arm und zog sie neben sich. Dann lehnte er sich über sie, bis sie flach auf dem Rücken lag.

„Das hier wird auf gar keinen Fall passieren“, sagte er ihr.

Und dann küsste er sie. Sein Mund bewegte sich auf ihrem, nahm sie voller Verzweiflung, brandmarkte sie als sein Eigentum.

Er küsste sie mit einer Intensität, die ihr den Atem weit eindrucksvoller raubte als ihr vorangegangener Sturz. Seine Arme umfingen sie, und als sie sich an ihn klammerte, war alles so, wie sie es in Erinnerung hatte. Es war leidenschaftlich und hungrig und perfekt.

Er stieß seine Zunge in ihren Mund, und sie empfing sie mit sanften Liebkosungen. Sie neckten sich und tanzten zusammen, lernten sich kennen, entdeckten einander aufs Neue.

Ihre Hände fuhren an seinem Rücken auf und ab. Er war stärker als früher, die Muskeln ausgeprägter. Sein schlanker Körper schien jetzt perfekt ausgefüllt zu sein. Er drängte sich näher an sie, und als sie sich an ihn schmiegte, konnte sie seine Erregung fühlen.

Der Beweis seines Verlangens erregte sie. Seit Ray war sie mit keinem Mann mehr zusammen gewesen. Eine ganze Zeit lang hatte sie gedacht, dass dieser Teil von ihr gestorben wäre. In den letzten Wochen hatte er zwar ab und zu mal wieder versucht, an die Oberfläche zu kommen, aber sie war eine alleinerziehende Mutter mit vielen Pflichten. In ihrer Welt war Sex einfach nicht möglich.

Aber jetzt, mit Mitch, flammte ihre Lust wieder auf. Flüssiger Schmerz ergoss sich in ihren Bauch, floss immer weiter hinunter, als sie sich daran erinnerte, wie es sich anfühlte, von ihm ausgefüllt zu werden, von ihm aus dieser Welt entführt und an Orte gebracht zu werden, in denen es nur das reine Vergnügen gab.

Er küsste sie weiter, umkreiste ihre Zunge mit seiner. Dann zog er sich gerade so weit zurück, dass er zarte Küsse auf ihre Wangen setzen konnte. Mit einem Ruck schob er ihr T-Shirt hoch und eine Seite ihres BHs hinunter. Er beugte sich über die bloße Brust und umspielte ihren Nippel, sog ihn ein, neckte ihn mit seiner Zunge.

Sie stöhnte auf und bog sich ihm entgegen. Ihre Haut verlangte nach mehr, und ihr Körper pulsierte vor Begehren. Tief grub sie die Finger in seinen Rücken, rutschte dann ein wenig nach unten, sodass sie seinen Po umfassen konnte. Seine Erregung drückte sich gegen ihre Hüfte.

Er legte sie auf den Rücken, öffnete die Knöpfe an ihrer Jeans und schob seine Hand in ihren Slip.

Sie waren im Freien, mitten am Tag, mit dem Pferd neben und dem Himmel über ihnen. Sie sollte schockiert oder verlegen sein, aber sie konnte nur ihren Atem anhalten, bis seine Finger endlich ihre sehnsüchtig wartende Hitze berührten.

Er enttäuschte sie nicht. Während er mit dem Daumen ihren sensiblen Punkt berührte, glitt er mit zwei Fingern in sie hinein. Sie war nur zu bereit für ihn. In dem Moment, wo er begann, seine Finger sanft zu bewegen, verlor sie jegliche Kontrolle.

Das geht zu schnell, dachte sie, als er sie streichelte, mit seinen Fingern immer wieder in sie glitt. Zu schnell und zu viel und so unglaublich perfekt, dass sie nicht wollte, dass es jemals wieder aufhörte. Sie bog ihm die Hüften entgegen, stöhnte und wand sich. Wollte von ihm ausgefüllt werden.

Er löste seine Lippen von ihrer Brust und schob sich ein wenig nach oben, damit er sie wieder küssen konnte. Sie umfing seine Zunge mit ihren Lippen, sog daran, bis er an der Reihe war, zu stöhnen.

Seine Hand bewegte sich immer schneller, brachte sie immer näher und näher an den Höhepunkt. Als sie kurz davor war, sich fallen zu lassen, zog er seine Hand zurück.

„Du musst oben sein“, sagte er.

Was?

Er rollte sich auf den Rücken und öffnete seine Jeans. Ihr rationales Denken kehrte gerade lange genug zurück für die Überlegung, dass er sehr wahrscheinlich nicht wusste, wie er oben sein konnte, zumindest im Moment noch nicht. Aber wen interessierte das schon?

Sie zog einen Stiefel aus, schob die Jeans und ihren Slip herunter, befreite einen Fuß und setzte sich rittlings auf ihn.

Er füllte sie komplett, perfekt aus, und ihr Körper reagierte darauf mit einem Seufzen. Sie bewegte die Hüften, genoss das Gefühl, wieder mit einem Mann zusammen zu sein. Mit diesem Mann, der ihr beigebracht hatte, was für Vergnügungen es zu erfahren gab.

„Beug dich ein bisschen nach vorne“, bat er sie rau.

Sie folgte seiner Bitte. Er griff unter ihr T-Shirt und öffnete ihren BH, dann nahm er ihre Brüste in seine Hände.

Steine drückten sich in ihre Knie und Handgelenke, doch sie spürte nichts. Während er ihre Brüste liebkoste, bewegte sie sich in sicherem Rhythmus auf und ab, ließ sich von ihm ausfüllen. Die Hitze zwischen ihnen stieg, und alles verschwamm um sie herum, bis nichts mehr da war außer den Gefühlen, die sie ineinander weckten.

Sie spürte, wie er sich dem Höhepunkt näherte. Die Sonne brannte auf ihrem Rücken. Ihre Muskeln spannten sich an, sie lehnte sich nach vorne. Dann glitt er mit einer Hand zwischen ihre Körper und begann, sie zu streicheln.

Sie kam mit einem scharfen Schrei, der die Vögel zum Verstummen brachte. Der Orgasmus brach über sie herein, ließ sie sich schneller und schneller bewegen, als wollte sie die Erfahrung so lange wie möglich auskosten. Seine Oberschenkel spannten sich an, ihre Hüften stießen auf und ab. Es gab nichts außer der Perfektion, wieder mit ihm zusammen zu sein.

Unter ihr erwiderte Mitch ihre Bewegungen mit heftigen Stößen, die jede Zelle in ihrem Körper befriedigten. Er umfasste ihre Hüfte und gab den Rhythmus vor, dann hielt er kurz inne, bevor auch er sich in ihr verlor. Als sie sicher sein konnte, dass er auch befriedigt war, wurden ihre Bewegungen langsamer, bis sie schließlich ganz aufhörten. Und dann gab es nur noch ihren Atem in der Luft, als beide versuchten, sich von dem Erlebten zu erholen.

Die Wirklichkeit kehrte in Form einer Ameise zurück, die ihren Arm entlangkrabbelte. Skye blies sie fort und stand dann auf. Sie fühlte sich entblößt und unbehaglich, mit nur einem Stiefel an, die Jeans um ihren Knöchel hängend, den BH lose unter dem T-Shirt. Mitch zog seinen Reißverschluss zu und war innerhalb von fünf Sekunden angezogen. Und sie stand hier vor der ganzen Welt mit nacktem Po.

Während sie versuchte, sich wieder anzuziehen, stand er auf und lehnte sich an den Stein, beobachtete sie.

Zwar war sein linkes Hosenbein ab dem Knie nicht mehr ausgefüllt, aber sie war diejenige, die herumhüpfte und versuchte, die Balance zu halten. Endlich war sie wieder vollständig bekleidet und zog noch ihren zweiten Stiefel an. Dann richtete sie sich auf, wusste nicht, was sie sagen sollte.

Tausend Dinge lagen ihr auf der Zunge. Wie „Das hätte nicht passieren dürfen“ oder „Ich schlafe normalerweise nicht mit Fremden“. Nur dass Mitch kein Fremder war. Alles andere als das.

Seine dunklen Augen verrieten nichts von dem, was in ihm vorging. Sie konnte ihn nicht lesen. Endlich hob sich sein einer Mundwinkel ein wenig.

„Danke, Baby. Das habe ich gebraucht. Wenn du das nächste Mal das Bedürfnis hast, flachgelegt zu werden, ruf mich einfach an, und ich werde sehen, ob ich dich irgendwo zwischenschieben kann.“

Die verbale Ohrfeige landete mit perfekter Präzision. Schamesröte stieg ihr in die Wangen. Sie ging zu ihrem Pferd, nahm ihren Hut, setzte ihn auf und schwang sich in den Sattel. Ohne einen Blick zurück ritt sie davon.

Erst als sie ungefähr eine Meile entfernt war, erlaubte sie sich, den Tränen freien Lauf zu lassen, die in ihren Augen brannten. Sie weinte den ganzen Weg zurück zum Stall – um sich, um Mitch, aber hauptsächlich darum, wie jung und verliebt sie einst gewesen waren und wie viel sie beide verloren hatten.

2. KAPITEL

Nachdem er die Prothese wieder angelegt hatte, stieg Mitch in den Truck und fuhr zum Haus zurück. Eine halbe Meile vor dem Gebäude, das das Herzstück der Ranch war, hielt er an. Er war noch nicht bereit, Fidela gegenüberzutreten. Oder irgendjemandem.

Nach seinem Unfall war er auf einem Lazarettschiff der Marine aufgewacht. Als er realisierte, was geschehen war, hatte er nur an eines denken können: Es war an der Zeit, nach Hause zu fahren. Nach beinahe neun Jahren war er bereit, dahin zurückzukehren, wohin er gehörte. Aber jetzt, wo er hier war, merkte er, dass es nicht mehr sein Zuhause war. Alles hatte sich verändert – einschließlich seiner selbst.

Er stellte den Motor ab und lehnte sich im Sitz zurück. Ihm tat alles weh, aber der schlimmste Schmerz kam von dem Teil des Beines, den es nicht mehr gab. Man hatte ihn darauf vorbereitet und ihm seitenlange Anleitungen mitgegeben, die ihm helfen sollten, damit umzugehen. Vom Massieren des Stumpfes bis zu irgendeinem „Heilende Energie durch Aneinanderreihen der Hände erzeugen “-Hokuspokus, den er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte zu lesen. Er war stark. Er würde den Schmerz alleine durch Willenskraft besiegen. Irgendwann. Bis dahin würde er versuchen, irgendwie damit klarzukommen.

Die Sonne hatte ihren Abstieg vom Himmel begonnen, und lange Schatten krochen über das Land. Die Zeit verging, allerdings für seinen Geschmack nicht schnell genug. Er wollte bereits ein Jahr in der Zukunft sein, oder fünf, sodass er sich nicht mehr an alles gewöhnen musste. Das sollte bereits alles hinter ihm liegen.

Ohne dass er es wollte, spannte sich sein Körper bei dem Gedanken an, wie es sich angefühlt hatte, mit Skye vereint zu sein. Sie hatte sich ihm mit einer Leidenschaft hingegeben, die er nie mehr vollständig würde vergessen können. Sie hatte sich weder um sein fehlendes Bein noch um die sie trennenden Jahre gekümmert. Sie wollte nur das, was er ihr schon immer hatte geben können – was sie sich gegenseitig gegeben hatten. Dann hatte er ihr wehgetan, weil sie es verdient hatte.

In ihren Augen war Schmerz aufgeblitzt, aber er bedauerte nicht, ihn verursacht zu haben. Er konnte nur hoffen, dass er sie nachts am Schlafen hindern würde, dass sie nicht mehr atmen konnte, weil sie ihn so stark fühlte. Er wollte, dass sie bedauerte. Das wäre vielleicht der erste Schritt, um den Punktestand auszugleichen.

Aber alle Rache der Welt würde seine Sehnsucht nach ihr einfach nicht stillen können. Sogar jetzt, keine dreißig Minuten später, verzehrte er sich nach ihr. Wollte in ihr sein, sie berühren, sie schmecken. Die Küsse waren gut gewesen, aber sie hatten nicht lange genug gedauert. Er wollte alles an ihr auskosten, sie mit seinen Lippen am ganzen Körper verwöhnen, bis sie schrie und er kurz davor wäre, die Kontrolle zu verlieren.

Er sagte sich, dass es nie mehr so sein würde. Aber er wusste, dass er sich belog. Was auch immer zwischen ihnen geschehen war, das Feuer brannte noch immer. Es war …

In den Schatten bewegte sich etwas.

Er richtete sich auf und beugte sich ein wenig vor, versuchte, die Form und Geschwindigkeit auszumachen. Ein Kojote, dachte er angewidert. Aasfresser.

Instinktiv griff er hinter seinen Sitz, aber er hatte nicht daran gedacht, ein Gewehr mitzubringen. Dann sah er, wohin der Kojote unterwegs war, und stellte fest, dass es egal war.

Der dünne Räuber bewegte sich mit einer Selbstsicherheit, die von viel Erfahrung oder extremem Hunger zeugte. Er schlüpfte durch ein Loch im Zaun. Die verhassten Hühner gackerten und versuchten, ihm zu entkommen, aber sie waren nicht annähernd so schnell wie der Kojote, und der Zaun behinderte ihre Flucht zusätzlich. Der Kojote nutzte seinen Vorteil. Er schnappte sich ein Huhn, brach ihm mit einem schnellen, heftigen Schütteln das Genick und zog sich zurück, sein Abendessen schlaff im Maul hängend.

Mitch ließ den Motor wieder an und fuhr weiter. Als er am Haus ankam, sah er Arturo mit einem Gewehr in der Hand auf der Veranda stehen.

„Hast du das gesehen?“, fragte der ältere Mann. „Ich habe erst gestern die Zäune überprüft, also müssen sie heute Morgen beschädigt worden sein. Die verdammten Kojoten streifen hier andauernd herum, suchen nach einer schwachen Stelle. Ich wünschte, ich wäre eher hier gewesen, dann hätte ich ihn erschossen.“

Mitch hatte Arturo beinahe neun Jahre lang nicht gesehen, aber außer ein paar grauen Haaren hatte sich sein Verwalter nicht sehr verändert. Er war immer noch groß, mit einer breiten Brust und permanent zusammengekniffenen Augen, als ob ihn die Sonne ständig blenden würde. Als Kind hatte Mitch mit Vorliebe alte Western im Fernsehen angeschaut und gedacht, dass Arturo die Latino-Version von John Wayne sei – groß, mutig und in der Lage, die bösen Jungs entgegen aller Wahrscheinlichkeit zu schlagen.

„Schön, dich zu sehen, mein Alter“, sagte Mitch.

Arturo legte das Gewehr auf die Bank neben der Eingangstür und fasste Mitch bei den Oberarmen. „Ich bin froh, dass du zurück bist. Wir haben dich vermisst. Fidela hat jeden Abend für deine sichere Heimkehr gebetet.“

„Ja, das hat sie mir erzählt.“

„Sie hat sich Sorgen gemacht. Wir beide.“

In den Augen des alten Mannes sah Mitch Liebe aufblitzen. Er war immer viel mehr für Mitch da gewesen als sein eigener Vater. Alles, was Mitch über das Leben wusste, hatte Arturo ihm beigebracht.

Vorsichtig das Gleichgewicht haltend, umarmte er ihn. Arturo drückte ihn fest, dann gab er ihm einen Klaps auf den Rücken.

„Du siehst gut aus. Wie fühlst du dich?“

„Ungefähr so, wie man es erwarten würde.“

„Fidela wird dich mästen. Bereite dich schon mal drauf vor, ordentlich zu essen. Du weiß, wie sie ist.“

„Sag mir bitte nur, dass es kein Hühnchen gibt“, grummelte Mitch. Er hasste die Viecher.

„Wir haben genügend davon, sogar nachdem der Kojote sich eins geschnappt hat.“

„Der Kojote kann sie meinetwegen alle haben.“

Arturo trat einen Schritt zurück. „Warum sagst du das? Das sind deine Hühner.“

„Ich will sie nicht. Wir züchten hier Rinder. Das haben wir schon immer getan. Wann hast du das verändert? Hühner? Und organisches Fleisch? Was kommt als Nächstes? Fangen wir alle an, den Fleckenkauz zu schützen und Bäume zu umarmen?“

Arturo runzelte die Stirn, dann verschränkte er die Arme vor seiner breiten Brust. „Ich habe dir schon vor sieben Jahren erzählt, was ich hier vorhabe. Ich habe alles erklärt und dich gebeten, mir Bescheid zu geben, wenn du mit den Veränderungen nicht einverstanden bist.“

Was vermutlich der Wahrheit entsprach. „Ich habe keinen deiner Berichte gelesen“, gab Mitch zu. Er wünschte, es gäbe einen beiläufigen Weg, wie er sich hinsetzen könnte, um sein Bein zu entlasten. Es brannte wie Feuer.

„Und die Kontoauszüge?“ Arturo klang mehr neugierig als verärgert.

„Ab und zu mal.“ Er hatte genug gesehen, um zu wissen, dass ausreichend Geld vorhanden war. In der Zeit seiner Abwesenheit war die Ranch noch profitabler und größer geworden.

„Die Rinderbranche verändert sich“, sagte Arturo. „Die Kunden wollen heutzutage andere Dinge. Sie machen sich Sorgen, dass Rindfleisch nicht mehr sicher ist. Sie wollen keine Antibiotika mehr. Sie wollen gesunde Hühner, die nicht in Käfigen aufwachsen. Auf diese Weise vermeiden wir all diese Probleme. Zertifiziertes organisches Rindfleisch bedeutet …

Arturo sprach weiter, aber Mitch hörte ihm nicht mehr zu. Eine jahrhundertealte Tradition war innerhalb eines Herzschlags Geschichte geworden. Nichts war mehr so, wie es sein sollte. Nichts war mehr richtig.

Er machte sich auf den Weg zur Tür. Jeder Schritt schickte einen weißglühenden Schmerz durch seinen Oberschenkel bis zur Hüfte. Sein Rücken pochte.

„Du musst darüber Bescheid wissen“, sagte Arturo.

„Du kümmerst dich schon darum.“

„Aber du bist der Boss. Das hier ist alles für dich, Mitch. Darum habe ich es gemacht. Für dich.“

Mitch drehte sich langsam um. Er war sich sicher, dass der alte Mann es genau so meinte. Dass er es nur gut gemeint hatte. „Ich will es nicht“, sagte er. „Nichts davon. Nicht die Hühner oder das organische Fleisch. Ich will alles so haben, wie es einmal war.“

Damit meinte er sich selber. Er wusste das. Und Arturo würde es auch wissen. An seiner Aussage war nichts Subtiles gewesen.

Er betrat das Haus und stolperte, als er mit der Prothese an der Schwelle hängen blieb. Arturo griff nach ihm, um ihn zu stützen. Doch Mitch schüttelte ihn ab und ging so sicher, wie es ihm möglich war, in das Zimmer, das Fidela zu seinem Schlafzimmer gemacht hatte. Drinnen schloss er die Tür und setzte sich aufs Bett.

Seine Zehen zuckten, sein Knöchel bewegte sich, sein Unterschenkel spannte sich an. Er konnte es fühlen. Alles. Es war so real wie der Schmerz … und der Verlust.

Nichts war, wie es sein sollte. Alles war durcheinandergebracht worden und zerbrochen. Sogar er. Ganz besonders er.

Skye rieb ihr Pferd trocken und ging dann hinüber zum Haus. Zum ersten Mal konnte der Anblick des sich stolz in den texanischen Himmel reckenden Glory’s Gate sie nicht aufmuntern. Sie kämpfte mit zu vielen Gefühlen, die meisten davon schlechte, um die Architektur oder die beeindruckenden Säulen würdigen zu können. Sie war hin und her gerissen zwischen dem Kribbeln, das immer noch in ihrem Körper tobte, und Scham.

Im Hauswirtschaftsraum zog sie ihre Stiefel und Socken aus und schlüpfte in ein Paar Sandalen. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass der unverbindliche Sex im Freien sie weit hinter ihren Zeitplan zurückgeworfen hatte.

Heute Nacht sollte eine Party stattfinden. Ein paar Hundert von Jeds engsten Freunden würden zwischen achtzehn und zwanzig Uhr auf einen Cocktail vorbeischauen. Ein gutes Dutzend der Mächtigen war mit einer Einladung zum anschließenden Dinner geadelt worden. Aber das Essen war nicht ihr Problem. Er würde mit ihnen in ein Restaurant gehen.

Doch davor musste sie sicherstellen, dass alles an seinem Platz war. Die Party musste perfekt werden, alles andere wäre nicht akzeptabel. Die Titans machten ihre Sache anständig oder gar nicht.

Sie ging in ihr Büro im Erdgeschoss, das sie dazu nutzte, die gesellschaftlichen Ereignisse, die Glory’s Gate fünf- oder sechsmal im Monat zum Funkeln brachten, zu organisieren. Weiße abwischbare Tafeln bedeckten zwei der Wände. Das aufgedruckte Gitternetz erleichterte es ihr, die Details aller Veranstaltungen aufzuschreiben. Mit einem Blick hatte sie die Übersicht über vier verschiedene Festlichkeiten.

Ihr Schreibtisch war sehr einfach gehalten – eine breite, schlichte Platte mit einem Computer und vielen Ablagekästen für ihre Unterlagen. In ihrem Rolodex waren alle Floristen, Cateringunternehmen, Musiker und Partyplaner im Umkreis von zweihundert Meilen verzeichnet.

Die Schränke beherbergten Kopien von allen Feiern, die sie je in diesem Haus gegeben hatte. Mit einem Schnitt von fünf Veranstaltungen pro Monat über acht Jahre brauchte sie bald mehr Platz. Denn die Ordner enthielten mehr als nur die Menüfolge. Sie enthielten eine Gäste- und Getränkeliste, Dekorationen, Musikauswahl, Caterer und Personal sowie notierenswerte Besonderheiten wie Presseausschnitte und neu geknüpfte Kontakte.

Die gleichen Informationen befanden sich auch auf ihrem Computer und konnten nach jeglichem Kriterium sortiert werden. Vor zwei Jahren war die Veranstaltungsbeauftragte des Weißen Hauses für einen zweitägigen Besuch vorbeigekommen und hatte sich ununterbrochen Notizen gemacht, als Skye ihr ihr System erklärte.

Das ist nun wirklich kein Hexenwerk, dachte Skye, als sie in den Stuhl sank und sich dem Computer zuwandte. Es war noch nicht mal besonders interessant. Es war einfach das, was sie tat. Skye Titan – Meisterin der Partyplanung.

„Das ist nicht fair“, murmelte sie laut. Sie wusste, dass ihr Job wichtig war. Wenn Jed noch einmal geheiratet hätte, hätte seine Frau diese Arbeit übernommen, aber er hatte nicht geheiratet, und so war es nur sinnvoll, dass eine seiner Töchter in die Bresche sprang. Weder Lexi noch Izzy waren im Geringsten interessiert gewesen, und hinzu kam, dass Skye beinahe zwei Jahre ein Schweizer Pensionat besucht hatte.

Nichts davon ist wirklich wichtig, dachte sie, aber immerhin lenkte es sie ab. Denn wenn sie nicht über Serviettenfarben und Dekorationsideen nachdenken könnte, würde sie eventuell wieder anfangen, über Mitch nachzudenken.

Sie wusste, dass er sie verletzen wollte. Und sie wusste sogar, warum. Diese Runde hatte er gewonnen. Na und? Sie würde es überleben. Irgendwann würden die harten Worte nicht mehr so sehr brennen. Und der Sex? Den würde sie einfach als „Willkommen zu Hause “-Geschenk betrachten. Einfach nur ein bisschen persönlicher als ein Strauß Blumen.

Was ihre Gefühle anging, stand sie auf Messers Schneide. Auf der einen Seite lag der zynische Humor, auf der anderen ein emotionaler Zusammenbruch. Sie versuchte ihr Bestes, sich in sarkastischen Witz zu flüchten, denn Tränen wären überhaupt keine Lösung.

Oh, aber sie hatte ihn so vermisst. Sie wusste, dass er das nicht glauben würde, und falls doch, würde es ihn nicht interessieren. Immerhin war sie diejenige gewesen, die ihn verlassen hatte, um einen anderen Mann zu heiraten. Einen, den sie nicht liebte. Sie war diejenige, die ihrer beider Herzen gebrochen hatte.

„Genug“, schalt sie sich laut und stand auf. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass der Partyservice jede Sekunde eintreffen würde. Sie erreichte die Küche gerade rechtzeitig, um die drei Lieferwagen vorfahren zu sehen.

Sie begrüßte die Ankommenden und plauderte noch ein wenig mit Diane, der Managerin. Sie hatte schon bei einem Dutzend Veranstaltungen mit ihr gearbeitet und wusste, was zu tun war. Zehn Minuten später stieg Skye die Treppe hinauf, um sich fertig zu machen.

Mit jedem Schritt fühlte sie einen Schmerz in sich – eine körperliche Erinnerung an das, was sie und Mitch getan hatten.

Sex im Dreck? Am helllichten Tag? Das war sie nicht. Sie war vorsichtig und reserviert, sich ihrer Position als Vorsitzende einer Wohltätigkeitsorganisation und als alleinerziehende Mutter stets bewusst. Ihre letzte Verabredung musste noch vor ihrer Hochzeit mit Ray gewesen sein. Ganz sicher nicht nach seinem Tod. Sie würde sich niemals erlauben, zu …

Aber sie hatte es sich erlaubt. Sie hatte sogar noch mehr getan. Sie hatte genommen und gegeben und sich selbst in einer Welle des Vergnügens verloren, wie sie sie seit fast neun Jahren nicht erlebt hatte. Bei Mitch hatte das Feuer stets gebrannt, und es würde weiterschwelen.

„Was habe ich mir nur dabei gedacht?“, fragte sie sich, als sie den Treppenabsatz erreichte. Es gab keine Antwort darauf, vielleicht, weil sie gar nicht gedacht hatte.

In ihrem Schlafzimmer hatte Izzy es sich schon wieder auf ihrem Bett gemütlich gemacht und schaute fern.

„Wenn du dein Zimmer nicht magst, können wir dir gerne ein anderes suchen“, schlug Skye vor.

Izzy setzte sich auf. „Mit meinem Zimmer ist alles in Ordnung. Ich wollte nur vor der Party noch mit dir sprechen.“

„Die Party, zu der du nicht kommst?“

Izzy grinste. „Nicht für Geld und gute Worte. Komm schon, Skye, Jeds Partys sind langweilig. Er verlangt immer, dass ich mich benehme.“

„Und das ist kein Bereich, in dem du dich besonders hervortust, oder?“

„Genau.“

Izzy sprang auf die Füße.

Skye betrachtete ihre Schwester. Izzy war das wilde Kind – körperlich frei, emotional flatterhaft. Sie hatte vor nichts Angst, außer davor, angebunden zu werden. Da sie gerade so eben die Highschool geschafft hatte, waren ihre Jobs so zahl- wie abwechslungsreich. Sie war mal Skilehrerin gewesen, und derzeit arbeitete sie als Unterwasserschweißerin auf einer Ölplattform im Golf von Mexiko.

„Gestern Abend habe ich T.J. kennengelernt“, sagte Izzy.

Skye schlüpfte aus ihren Sandalen. „Nachdem wir darüber gesprochen haben, was passiert ist?“ Sie stöhnte. Izzy hatte einen ausgeprägten Beschützerinstinkt und ließ sich nicht immer von rationalen Überlegungen leiten.

„Sag mir bitte, dass du nichts getan hast, was mich noch mehr erniedrigt.“

„Würde ich so etwas tun?“

„Nicht absichtlich.“

„Ich war sehr wohlerzogen. Du wärst beeindruckt gewesen.

„Das bezweifle ich“, murmelte Skye und fragte sich, welcher Teil dieser Unterhaltung sie würde zusammenzucken lassen. „Was ist passiert?“

„Wir haben uns unterhalten. Du hast ganz vergessen zu erwähnen, wie gut er aussieht.“

„Kann sein. Er ist nicht mein Typ. Und deiner auch nicht. Er ist an der Grenze zu langweilig, und du weißt doch, dass du das nicht leiden kannst.“

Izzy ging quer durch den Raum und betrachtete sich in dem Spiegel über der Kommode. „Ist er hier aus der Gegend? Ich habe das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben.“

„Ja. Er ist ein paar Jahre älter als Lexi. Wir sind alle auf die gleiche Schule gegangen.“

„Interessant.“ Izzy drehte sich zu Skye um. „Ein reicher Junge von hier, der noch reicher werden will. Und Jed Titan kann ihm dabei helfen. Das ist zwar eine bekannte Geschichte, aber ich könnte sie mir immer wieder anhören. Er hat mich angemacht.“

Vorsichtig öffnete Skye den Reißverschluss ihrer Jeans, schob die Hose über die Hüften und zog sie aus. In Izzys Welt machte jeder Mann sie an.

„Vielleicht willst du nach der Party in der Küche vorbeikommen“, sagte sie auf dem Weg ins Badezimmer. „Als Appetithäppchen haben wir diese Minipizzen, die du so magst. Da bleiben bestimmt welche übrig.“

Izzy folgte ihr. „Er hat mich angemacht, Skye. Ehrlich. Er will mich.“

Skye sagte sich, dass sie zu erwachsen war, um mit den Augen zu rollen, so gerne sie es jetzt auch tun würde. „Okay. Danke für die Information.“

„Ich erzähle dir das nur zu deinem Besten. Dein Pflichtbewusstsein würde es dir doch nie erlauben, den Kerl in den Wind zu schießen. Er ist ein Idiot. Also sei vorsichtig.“

Für Skye war ihr Nachmittag eine emotionale Achterbahnfahrt gewesen. Die Aufregung darüber, Mitch wiederzusehen, das Vergnügen, mit ihm Liebe zu machen, die Demütigung beim Abschied. Sie war müde, verwirrt, beschämt und hatte es satt, das Gefühl zu haben, alles wäre ihre Schuld.

„Sei vorsichtig?“, wiederholte sie. „Warum? Oh, lass mich raten. Weil T.J. total verrückt nach dir ist, denn du bist so wundervoll, während er an mir nur interessiert ist, weil Jed ihm Geld anbietet?“

Izzy trat einen Schritt zurück. „Das habe ich nicht gesagt.“

„Das musstest du auch nicht. Ich verstehe schon. Ich bin ein Niemand. Ein nicht sexuelles Wesen. Ein Mann muss schon bestochen werden oder sehr verzweifelt sein, um mit mir ins Bett zu gehen.“

War Mitch verzweifelt gewesen? Oder nur wütend?

„Das habe ich nicht gemeint“, rief Izzy, „und das weißt du auch. Ich war verärgert, weil er dich abgelehnt hat, und deshalb wollte ich ihn zur Rede stellen. Wir haben uns ein bisschen unterhalten, und er fand mich anziehend. Das ist alles.“

Skye wurde ungehalten. „Du bist losgezogen, um mich zu verteidigen, und bist mit einer Verabredung zurückgekommen? Wow, danke. Deine Unterstützung überwältigt mich.“

„Als ob du dich jemals verabreden würdest“, gab Izzy zurück. „Du bist nicht gerade erfahren, was Männer wie ihn angeht. Ich will dir doch nur helfen.“

„Ich brauche deine Hilfe nicht.“

„Offensichtlich. Fein. Triff dich mit ihm. Spiel das Spiel. Tu, was Daddy sagt. Darin bist du doch besonders gut.“

Wütend stapfte Izzy aus dem Badezimmer. Sekunden später fiel die Schlafzimmertür mit einem lauten Knall ins Schloss.

Skye schaute sich nach etwas um, mit dem sie um sich werfen könnte, aber sie hatte nichts Zerbrechliches im Badezimmer. Nicht mit einem Kind im Haus. Dafür war sie zu vernünftig.

Izzy mochte zwar zu selbsteingenommen sein, um den Standpunkt eines anderen Menschen zu verstehen, aber eine Sache hatte sie richtig erfasst: Skye tat, was immer ihr Vater sagte. Sie war die gute Mutter, die gute Schwester, die gute Tochter. Das gute Mädchen. Wenn sie allerdings noch einmal Freiluftsex mit Mitch haben würde, wäre sie auf dem besten Weg, ihren guten Ruf zu zerstören.

Und sie hätte überhaupt nichts dagegen.

„Was für eine interessante Musikauswahl“, sagte die Frau des Kongressabgeordneten und schaute unverwandt auf die vier Collegestudenten, die Skye für den Abend engagiert hatte. „Diese Art von Musik nennt man …?“

„Hip-Hop“, ergänzte Skye. „Ich habe etwas über die Gruppe gelesen, sie studieren an der Texas A&M und verdienen sich mit ihrer Musik etwas hinzu. Ich war letzten Monat auf einem Konzert von ihnen und war beeindruckt.“

Sie hatte sich auf eine Studentenparty geschlichen, um die Band zu hören, aber das wollte die Frau des Kongressabgeordneten bestimmt nicht wissen. In den zwanzig Minuten, die Skye in dem Studentenwohnheim verbracht hatte, war sie von drei verschiedenen Männern angesprochen worden. Dass sie alle gerade mal der Highschool entwachsen und zudem betrunken waren, hatte das Kompliment allerdings etwas verwässert.

„Interessant“, sagte die Frau.