Reiseziel Weltraum - Ulrich Walter - E-Book + Hörbuch

Reiseziel Weltraum Hörbuch

Ulrich Walter

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Beschreibung

Wird Urlaub im Weltraumhotel schon bald Realität? Und wie weit ist es von dort zum nächsten Strand? Wie reist man am besten an … und wie wieder zurück? Wie sieht er aus, der Reisealltag im All, und warum sollte man eine Reise zum Mond am 9. Juni 2123 nicht verpassen? Der Ex-Astronaut und Bestseller-Autor Ulrich Walter hat den ersten Reiseführer zum Trend kommerzielle Raumfahrt geschrieben. Er stellt Raumflug-Anbieter vor und verrät, welches Wissen, Training und Reisegepäck für einen Trip in den Weltraum unerlässlich sind, inklusive aller Top-Highlights vor Ort und allem, was man für eine gelungene Reise ins All wissen muss. »Warum in den Weltraum reisen, statt etwa nach … Australien? Weil die Raumfahrt den Menschen verändert. Der Weltraumreisende sieht sich selbst in Zusammenhang mit der Schöpfung: Welche Rolle spiele ich in der Unendlichkeit unseres Universums?« Informativ, spannend und philosophisch – aber auch mit einem guten Schuss Augenzwinkern macht Ulrich Walter Ihre Reise ins All mit diesem Guide garantiert zu einem unvergesslichen Erlebnis. Und am Ziel der gemeinsamen Weltraumreise steht die Erkenntnis:  »Dadurch, dass wir nie gekannten Abstand gewinnen, sehen wir unser Leben anders – Dinge, die wir miteinander teilen, werden wertvoller als jene, die uns trennen.« »Ulrich Walter kann uns alles zum Thema Weltraum sagen (...). Er ist unser Mann am Mond.« Markus Lanz

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Zeit:4 Std. 15 min

Sprecher:Stefan Kaminsky

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Impressum

© eBook: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Film, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeglicher Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Text: Prof. Dr. Ulrich Walter

Redaktion und Projektmanagement: Benjamin Happel

Lektorat: Kai Wieland, Julia Rietsch, Verlagsbüro Wais & Partner, Stuttgart

Verlagsbüro Wais & Partner, Stuttgart Bildredaktion: Dr. Nafsika Mylona, Prof. Dr. Ulrich Walter

Schlusskorrektur: Michaela Franke

Covergestaltung: Favoritbuero Gbr

eBook-Herstellung: Maria Prochaska

ISBN 978-3-8464-0978-7

1. Auflage 2023

GuU 4-0978 05_2023_02

Bildnachweis

Coverabbildung: Shutterstock/ledokolua

Illustrationen: Frederik Jurk (Kapitel-Aufmacher), Martina Frank, Favoritbuero Gbr (Umschlag, innen)

Fotos: Alamy Stock Photo, Blue Origin, Geopix, NASA Photo, SpaceX, UPI; Association of Space Explorers (ASE); Cpg100/CC BY-SA 3.0; ddp, abaca press, INSTAR; elysiumspace.com; European Space Agency; gemeinfrei; imago: Cover-Images, Danita Delimont, piemags, ZUMA Wire;INTERFOTO: Mary Evans/AF Archive/Bildarchiv, Sammlung Rauch, UIG/Sovfoto; laif: UPI; mauritius images: Collection Christophel, dcphoto/Alamy, History and Art Collection/Alamy, Judd Irish Bradley/Alamy, NASA Photo/Alamy; NASA; picture alliance: AP Photo, Cover Images, dpa, EPA-EFE, PictureLux/ e Hollywood Archive, ZUMAPRESS.com, RIA Nowosti; rawpixel.com: SpaceX Launch & Exploration Images; Shutterstock.com; e Mega Agency: Blue Origin; Ulrich Walter Archiv

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»Warum in den Weltraum reisen, statt etwa nach … Australien? Weil die Raumfahrt den Menschen verändert. Der Weltraumreisende sieht sich selbst in Zusammenhang mit der Schöpfung: Welche Rolle spiele ich in der Unendlichkeit unseres Universums?«

Informativ, spannend und philosophisch – aber auch mit einem guten Schuss Augenzwinkern macht Ulrich Walter Ihre Reise ins All mit diesem Guide garantiert zu einem unvergesslichen Erlebnis. Und am Ziel der gemeinsamen Weltraumreise steht die Erkenntnis:

»Dadurch, dass wir nie gekannten Abstand gewinnen, sehen wir unser Leben anders – Dinge, die wir miteinander teilen, werden wertvoller als jene, die uns trennen.«

Die 10 Top-Highlights

Unvergesslich – Der Blick auf die Erde

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Zu Gast im Weltraumhotel

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Space Traveller oder Astronaut – der feine, aber wichtige Unterschied

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Kulinarik im All

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Etwas fürs Alter – Reisen zum Mars

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Panorama pur – die Cupola auf der ISS

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Der Count-down läuft

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Faszination Schwerelosigkeit

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Zentrifugefahren wie die Profis

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Orbital oder suborbital – was darf’s sein?

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Höllenritt ins All

Kennedy Space Center, Florida/USA, Launch Pad 39A, Koordinaten: 28°36’32’’N, 80°36’14’’ W

Da liegt man nun, auf dem Rücken, mit angewinkelten Beinen, in einem an den Körper angepassten Schalensitz, 65 Meter über der Startrampe in der Kapsel der Crew Dragon – der Raumfähre von SpaceX, die uns vier Besatzungsmitglieder in wenigen Sekunden in den Weltraum befördern soll. Dies sind der Ort und der Zeitpunkt, auf die man jahrelang hingefiebert hat. Man schließt das Visier und nimmt nur noch den aufs Notwendigste reduzierten, stakkatoartigen Funkverkehr des Air-to-Ground wahr, als wäre man von der Außenwelt abgeschnitten. Das Einzige, was man vor Augen hat, sind die drei riesigen Touchdisplays, über die das Raumfahrzeug vom Commander und Piloten bedient werden kann – was hoffentlich nicht der Fall sein wird, weil der Aufstieg ins All vollständig rechnergesteuert erfolgt.

Nach dem Zünden dauert es 2,5 Sekunden, bis die Antriebe hochgelaufen sind und Maximalschub erzeugen. Dann hebt die Rakete ab – Lift-off!

Lift-off!

Dann ist es so weit! Zweieinhalb Sekunden vor dem Abheben werden die neun Flüssigkeitstriebwerke der Unterstufe gezündet. Verbrennungswellen der noch treibstoffreichen Abgasstrahlen, die in den Düsen der Antriebe nachverbrennen, treffen von innen nach außen laufend auf die Düsenwände und erzeugen transversale Schockwellen, die blitzartig bis in die Kapsel hochlaufen, wo man kurz durchgeschüttelt wird. Draußen setzt ein ohrenbetäubendes Donnern ein, das noch in zwei Kilometern Entfernung einen Schalldruckpegel von 139 Dezibel erzeugt, weit über der Schmerzgrenze von 134 Dezibel. Drinnen hört man nichts von dem ganzen Inferno, das draußen den Zuschauern das Zwerchfell beben lässt. Stattdessen hört man über Funk nur: »Ignition, and Lift-off!«

Die Falcon 9 hat abgehoben … und was spürt man? Von den 4–5 g, der berüchtigten starken Beschleunigung von der vier- bis fünffachen Stärke der Erdanziehung, noch keine Spur! In den ersten drei Minuten entwickelt die Falcon 9 zwar eine Leistung von knapp zehn Gigawatt, also rund 13 Millionen PS, und der entsprechende Schub von 770 Tonnen übersteigt die 550 Tonnen der ganzen Rakete um großzügige 40 Prozent; aber die Beschleunigung ist zunächst kaum stärker als bei einem rasanten Flugzeugstart – 2,4 g. Pro Sekunde werden aber 2,8 Tonnen Treibstoff mit einer Geschwindigkeit von rund 10.000 Kilometer pro Stunde nach unten ausgestoßen, was das Gewicht der Rakete schnell verringert. Bei konstantem Schub wächst daher die Beschleunigung schnell und merklich. Nach zwei Minuten und 40 Sekunden würde das Raketengewicht auf 120 Tonnen abnehmen und man würde mit 7,5 g in den Sitz gedrückt, was der menschliche Kreislauf nur wenige Sekunden aushielte. Daher werden nach genau zwei Minuten die Antriebe mehr und mehr gedrosselt und die Beschleunigung so auf 4,5 g begrenzt, was gerade noch erträglich ist. Der Brustkorb ist jetzt so schwer geworden, dass es schwerfällt, gegen ihn anzuatmen. Doch genau das hat man in der Zentrifuge geübt: Mit gezielter Lungenatmung den Brustkorb anheben und durch kurzzeitige Anspannung der Bauchmuskeln das in den Bauchraum versackende Blut wieder zurück nach oben pressen, damit man klar im Kopf bleibt. Diese Situation, zusammen mit dem Wissen, dass man dieser Gewalt ohnmächtig ausgeliefert ist, macht das Ganze zu einem Höllenritt, der für immer in Erinnerung bleibt.

Anfangs noch steil, dann zunehmend flacher biegt die Rakete in den Erdorbit ein.

In der Zwischenzeit ist die Rakete langsam von einem fast senkrechten Aufstieg in einen seitlichen Flug übergegangen, wovon man aber nicht das Geringste bemerkt. Man steht unter der Beschleunigungslast, wird dabei immer nach unten in den Sitz gepresst und versucht einfach nur, die Situation im Griff zu behalten.

Die Crew Dragon dockt an die Internationale Raumstation an.

Ab jetzt kein Zurück mehr

Nach genau 162 Sekunden ist die Unterstufe ausgebrannt und der Schub geht auf null zurück – man ist nun kurzzeitig schwerelos und wird zum Glück durch die Gurte im Sitz gehalten. Die Unterstufe wird abgesprengt, was einen kurzen, alles durchdringenden Stoß erzeugt. Nach diesem befreienden Schubloch von genau 20 Sekunden setzt der Schub der zweiten Stufe mit nur einem Antrieb ein. Das Spiel geht von vorne los: Anfangs eine kaum merkbare Beschleunigung, die erst nach zwei Minuten auf 1 g, nach weiteren zwei Minuten auf 2 g, dann aber rasant bis Brennschluss nach sechs Minuten auf 5 g anwächst. Auch dabei muss man sich zwingen zu atmen, weil es – trotz Atemnot – einfach angenehmer ist, nicht zu atmen, als durch die Atmung den Brustkorb mitsamt dem schweren Anzug nach oben zu stemmen. Die letzten 30 Sekunden bei 5 g sind wohl die schwierigsten, aber auch beeindruckendsten des ganzen Aufstiegs.

Dann, kurz bevor der Tank vollkommen entleert ist, lässt die Missionskontrolle wissen: »In 10 seconds we have MECO [Main Engine Cut-off ]«, und innerhalb nur weniger Sekunden wird der volle Schub auf null heruntergefahren. Genauso plötzlich entlädt sich der Andruck von 5 g in die Schwerelosigkeit – man ist im Weltraum!

Nach rund 22 Stunden und etwa 14 Erdumrundungen hat man die ISS erreicht und dockt an. Aber wegen Druck- und Leck-Checks zwischen der Crew Dragon-Kapsel und der ISS dauert es noch anderthalb Stunden, bis die Luke zur ISS geöffnet und man von der dortigen Besatzung freudig empfangen wird.

Der herzliche Empfang »der Neuen« durch die ISS-Besatzung

Weltraumreisen – eine andere Sicht auf die Welt

Space rocks!

Was Weltraumreisen so besonders macht

Man könnte meinen: Warum in den Weltraum reisen, statt etwa nach … Australien? Für eine Antwort möchte ich der Frage nachgehen: Warum reisen wir überhaupt? Zum Beispiel, weil wir einfach mal ausspannen, die Seele baumeln lassen wollen. Oder wir möchten die Welt in all ihren Facetten erfahren, nicht mehr das tagtägliche Einerlei von zu Hause, sondern eine ganz andere Welt des Erlebens, der landschaftlichen Formen, Düfte und menschlichen Kulturen. Weltraumreisen bieten, wie viele andere Reisen auch, beides – jedoch mit einem ganz entscheidenden Unterschied. Wenn man auf der Erde reist, ist es, als würde man als Zootier von einem Tiergehege ins nächste wechseln, um andere Tierwelten zu erleben. Bei einem Weltraumflug wird man hingegen zum Besucher des Zoos, der die Tiere mit Abstand aus einer anderen Perspektive sieht, sie miteinander vergleicht und somit die ganze Fülle der Lebensformen, aber auch ihre Unterschiede auf einmal bestaunt. Die erlebte Welt sind nicht mehr die vielen einzelnen Gehege, sondern der ganze Zoo. Hinter dem Zaun befindet sich nicht die vermeintliche Wildnis, sondern man erkennt, dass man bisher selbst hinter einem Zaun gelebt hat.

Doch Weltraumreisen unterscheiden sich von herkömmlichen Reisen in noch mach anderen Dingen. Bei meinem Besuch einer Grundschule im südschwedischen Växjö im Jahre 2015 fiel mir eine besonders engagierte neunjährige Schülerin namens Nancy auf. Auf die Frage, was sie an Raumfahrt denn so toll fände, donnerte sie mir mit vollem Enthusiasmus entgegen: »Space rocks!« Das blieb bei mir für immer hängen, denn das englische Verb »to rock« bedeutet auch »mitreißen«, und das trifft die Faszination haargenau: Raumfahrt ist einfach mitreißend, wenn man sich ihr einmal öffnet. Für Space-Tekkies ist Raumfahrt rockig, weil sie wissenschaftlich-technisch betrachtet umwerfend ist. Aber auch all die, die nichts davon verstehen oder sogar nichts verstehen wollen, können eine Reise ins All machen und die überwältigende Raumfahrt mit all ihren Sinnen erleben.

Was viele Menschen am Weltraum zudem »rockt«, ist der Zauber der »Final Frontier«: Raumfahrt als Archetypus des Narrativs Abenteuer, einer Grunderzählform der abendländischen Literatur. Abenteuer ist einerseits das Genre von der Bewältigung unbekannter Herausforderungen, aber gleichzeitig auch die symbolische Repräsentation der Entwicklung einer Person, die sich diesen Herausforderungen stellt. Ich denke, beides spielt bei der Faszination Raumfahrt eine tragende Rolle. Daher werden Weltraumtouristen eher keine Hawaiihemden tragende Touris mit einer Kamera um den Bauch sein, sondern Personen, die das besondere Abenteuer suchen.

Gott näherkommen

Tatsächlich hat Raumfahrt aber auch etwas Spirituelles. Mehr noch, in unserem Kulturkreis ist Raumfahrt ein Stück Religion. Dieser Gedanke mag für so manchen neu sein und abstrus klingen, aber je länger man darüber nachsinnt, umso überzeugender wird er. Ich selbst wurde von einem japanischen Freund darauf aufmerksam gemacht. Es war im Jahre 1994, als ich auf Einladung der Japanischen Raumfahrtagentur Japan besuchen durfte. Für diese Agentur hatte ich ein Jahr zuvor auf meiner Shuttle-Mission wissenschaftliche Experimente durchgeführt. Einer der japanischen Wissenschaftler, mit dem ich mich während des Trainings zu den Experimenten angefreundet hatte, hieß Tsuyoshi Kano. Ich nannte ihn Kano-san, denn mit dem Anhängsel »-san« drückt man im Japanischen die freundschaftliche Beziehung zueinander aus – er nannte mich daher Walter-san. Gemeinsam besuchten wir beide auch einen Shintō-Schrein in der Nähe von Tokio. Als wir davorstanden, wies er mich auf die flache Bauweise von Schreinen hin und machte dabei mit seinen beiden Händen eine ausladende, seitliche Bewegung. »Für uns Shintoisten«, so Kano-san, »ist Gott in der Natur.« Daher seien Japaner in ihren Gedanken sehr mit der Natur verbunden. Es sei ihm auf seiner Reise nach Deutschland aufgefallen, dass dies in Europa ganz anders sei: »Eure Kathedralen sind aufsteigend, himmelwärts gerichtet, und die Seelen steigen in den Himmel auf. In den fernöstlichen Religionen hingegen ist die Seele mit der Natur verbunden, insbesondere mit den Bergen und Bäumen. So gibt es keinen tieferen Grund ›nach oben‹ zu steigen. Euer Gott ist im Himmel, unserer hier unten bei uns!« Und er fügte hinzu: »Ich glaube, das ist der tiefere Grund, warum in der westlichen Welt Raumfahrt so populär ist. Ihr wollt damit Eurem Gott näherkommen. Wenn ihr in den Himmel fahrt, glaubt ihr, damit eine höhere Einsicht in die Welt zu erhalten.« Als er das sagte, erinnerte ich mich an die Frage, die mir nach meiner Mission wohl am häufigsten gestellt wurde: »Herr Walter, sind Sie bei Ihrer Mission Gott nähergekommen?« Kano-san hatte eine tiefer gehende Wahrheit ausgesprochen, die uns unbewusst bewegt. Was uns auch in den Himmel treibt, ist die Hoffnung auf höhere göttliche Einsicht.

Diese Haltung findet man in allen christlich geprägten Nationen. Als die NASA am 9. April 1959 ihre ersten sieben Astronauten in einer groß angelegten Pressekonferenz vorstellte, interessierte sich die Presse nicht für deren Flugerfahrung als Jetpiloten in der Air Force noch deren Flugrekorde, die sie dabei gesammelt hatten, noch für deren Einsätze bei den kommenden Mercury-Raumflügen. Die Fragen, auf die keiner der Astronauten und die NASA vorbereitet waren, lauteten: »Glauben Sie an Gott und praktizieren Sie Ihren Glauben? Was glauben Sie, ist die langfristige Rolle der Raumfahrt in der menschlichen Perspektive? Sind Sie dem amerikanischen Staat ergeben? Sind Sie verheiratet, haben Sie Kinder?« Dazu passend lautete die Antwort des berühmten amerikanischen Schriftstellers Norman Mailer auf die Frage nach seiner Meinung zur ersten Apollo-Mondlandung:

»Was wir in dieser Zeit der Menschheitsgeschichte suchen, ist eine Erweiterung des menschlichen Bewusstseins, eine Wiederentdeckung spiritueller Werte, an denen wir festhalten können, weil sie uns vertiefen.«

Noch packender drückte es der Schriftsteller Ray Bradbury aus:

»Wenn die Explosion eines Raketenstarts dich gegen die Wand schmettert und der ganze Staub von Deinem Körper abgeschüttelt ist, wirst Du den großen Schrei des Universums und das freudige Weinen von Menschen hören, die durch das, was sie gesehen haben, verändert wurden.«

Und schließlich die beiden deutschen Philosophen Rainer Zimmermann und Ernst Sandvoss in ihrem Buch »Philosophische Aspekte der Raumfahrt«:

»Ich kenne keinen Zweig moderner Wissenschaften und Technologien, der in höherem Grade bewusstseinsbildend und bewusstseinsverändernd wirken kann, als die Raumfahrt.«

Selbst in unserer heutigen zunehmend atheistischen Kultur besteht diese Vorstellung nach wie vor. Für Robert Todd Carroll, Professor für Philosophie am Sacramento City College in Kalifornien, ist »UFOlogie die Mythologie des Weltraumzeitalters« und der große Physiker Paul Davies drückte es in seinem Buch »Sind wir allein im Universum?« so aus:

»Außerirdische spielen ihre Rolle als Engel, als Vermittler zwischen der Menschheit und Gott, die uns verschlüsselte Wege zu okkultem Wissen über das Universum und die menschliche Existenz weisen.«

Abstand gewinnen und die Dinge anders sehen: Norddeutschland, aufgenommen von der ISS aus 400 Kilometern Höhe

Der »Overview-Effekt«

Sicherlich ist jedem, allein schon intuitiv, klar: Eine Weltraumreise muss etwas ganz anderes sein als eine Reise nach Italien oder selbst eine Weltreise. Was ist der entscheidende Unterschied? Ich vergleiche es gerne mit der Situation, wenn man zum ersten Mal seine Heimatstadt für längere Zeit verlässt und in eine Großstadt zieht. Die Heimatstadt war bis dahin der Nabel der Welt. Wenn man nach einem Jahr oder zwei Jahren zurückkommt, empfindet man das aber ganz anders. Sie ist viel kleiner als in der Erinnerung – irgendwie puppiger. Ihre Bedeutung muss sich nun an der anderer Städte messen lassen. Natürlich bleibt sie meine Heimatstadt und das ein Leben lang, aber man ist nun ein Bürger Deutschlands geworden. Mehr noch, jeder, der einige Jahre im Ausland gelebt hat, wird nach Deutschland zurückkommen und so manches an den Deutschen nicht mehr verstehen. Man hat andere Kulturen kennengelernt, die in ihrer Art faszinierend sind. Doch warum vertreten Deutsche oft eine moralisch überhebliche Haltung gegenüber anderen Kulturen? Nehmen wir Esskulturen: Das Bio-Öko-Sonnenblumenkern-Bauernbrot aus Dinkel mag zwar das Nonplusultra der deutschen Ernährung sein, aber ein kulinarischer Hochgenuss ist doch etwas anderes. Und ein ernährungsphysiologisch wertvolles Brot allein macht noch keine Esskultur aus.

Das Zauberformel lautet »Abstand gewinnen«. Wer Abstand gewinnt, sieht die Dinge des Lebens anders. Der ultimative Abstand und somit auch Erkenntnisgewinn ist ein Flug ins All. Es reichen bereits 400 Kilometer über der Erde, wie es heute bei der Internationalen Raumstation oder in naher Zukunft bei einem Weltraumhotel der Fall ist. In dieser Höhe umrundet man die Erde alle 90 Minuten ein Mal und sieht dabei die Erdoberfläche in einem Streifen von etwa 2000 Kilometern Breite. Innerhalb von zwei Tagen hat man – wenn die wenigen Wolken es zulassen – alle bewohnten Erdteile einmal gesehen.

Wenn man zum ersten Mal dort oben aus dem Fenster schaut, ist die typische Frage: »Wo wohne ich?« Man muss dann schon ganz genau hinsehen, um dort unten in diesem graugrünen Einerlei Nordeuropas einen kleinen, unscheinbaren, hellgrauen Punkt als Heimatstadt auszumachen. Dann schweift der Blick in die unmittelbare Umgebung und man versucht, Deutschland zu erkennen. Aber ein derartiges Deutschland gibt es von dort oben nicht, denn Staaten haben keine optischen Grenzen, jedenfalls nicht aus der Entfernung. Staatliche Grenzen existieren nur in unserem Kopf. Sie wurden uns im Schulunterricht mithilfe von Weltkarten und Globen eingetrichtert, auf denen jedes Land eine andere Farbe hat. In der »echten Welt« existieren all diese Trennungen nicht, doch man versteht das erst jetzt, wenn man das grenzenlose Europa mit eigenen Augen sieht.

Schließlich passiert etwas, womit auch ich nicht gerechnet hatte. Keiner hat den nun einsetzenden Mind Shift besser beschrieben als Sultan Bin Salman al-Saud aus Saudi-Arabien (genau genommen ist er der erste Weltraumtourist gewesen) nach seiner Space-Shuttle-Mission im Juni 1985:

»Am ersten Tag deutete jeder von uns auf sein Land.

Am dritten oder vierten Tag zeigte jeder auf seinen Kontinent.

Ab dem fünften Tag gab es für uns nur noch eine Erde.«

Diesen Ausspruch kennt jeder Astronaut. Er wurde weltberühmt durch das Buch von Frank White aus dem Jahre 1987 mit dem Titel »The Overview Effect«.

Inzwischen ein Ikone der Raumfahrt: Das erste Bild der Erde, aufgenommen vom Mond von der Apollo 8-Mission am 24. Dezember 1968

Der Ich-Findungs-Effekt

Diese Neuordnung der Erde im Bewusstsein des Betrachters ist aber nur ein wichtiger Aspekt eines Raumfluges. Ein mindestens ebenso wichtiger ist der, den ich mit dem Ausdruck Ich-Findungs-Effekt beschreiben möchte. Der dänische Wissenschaftsjournalist Tor Nørretranders drückte ihn einmal so aus:

»Auf den aufrüttelnden Anblick des Planeten von außen folgt ein Bewusstwerdungsprozess, der sich in seiner Intensität durchaus mit jenem messen lässt, der einsetzte, als die Menschen sich selbst im Spiegel zu betrachten begannen.«

Er münzte diese Erfahrung auf das, was ihn veränderte, nachdem er die Bilder der Erde, aufgenommen vom Mond während der Apollo-Mondmissionen, gesehen hatte. Lassen Sie mich das mit eigenen Worten so beschreiben: Die Essenz der menschlichen Erforschung des Weltraums ist der Versuch, das Selbst im Zusammenhang mit der Schöpfung zu sehen. Wer bin ich? Welche Rolle spielen ich und die Menschheit in dieser Unendlichkeit des Universums, dessen Nichts sich vor mir mit seiner erschreckenden Schwärze, nur punktiert mit Sternen wie Nadelstiche, ausbreitet? Oder im Sinne meines Apollo 8-Astronautenkollegen William Anders:

»Wir waren aufgebrochen, um den Weltraum zu erkunden, doch wir entdeckten uns selbst.«

Selbst-Verständnis ist für jeden eine wichtige Erkenntnis. Raumfahrt trägt dazu bei. Aber es reicht nicht, wenn diese Erkenntnis auf Einzelne beschränkt bleibt. Das wäre wie eine wissenschaftliche Erkenntnis, die man für sich behält. Solcherart Erkenntnisse gilt es, mit anderen zu teilen. Erst das erzeugt ein Wir-Gefühl und das Gefühl, dass wir alle im selben Boot »Erde« sitzen, das friedlich, aber verletzlich durch das All treibt. Wir steuern es und bestimmen unsere Zukunft selbst – kein anderer kann uns dabei helfen. Dazu müssen alle diese »Wir-sitzen-in-einem-Boot«-Erkenntnis gewinnen. Jeder muss dazu hinausfahren. Diese Situation gab es im 16. Jahrhundert schon einmal in ähnlicher Form. Der Nabel der Welt war seinerzeit Europa. Die ersten Seefahrer brachten Kunde von anderen Kontinenten, die Welt war weit größer und anders als gedacht. In dieser geistigen Aufbruchstimmung der Renaissance schrieb der englische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon im Jahre 1620:

»Multi pertransibunt et augebitur scientia.«

(»Viele werden hinausfahren und die Erkenntnis wird wachsen.«)

So ist es auch heute. Weltraumtouristen werden hinausfahren, ihre Erkenntnis wird wachsen. Indem sie allen Zuhausegebliebenen davon erzählen, wird die Erkenntnis Allgemeingut. Neben dem persönlichen Wow-Effekt einer Weltraumreise ist das der tiefere Sinn der Raumfahrt.

Angesichts dieser historischen Dimension der Raumfahrt empfinde ich es als ein Privileg – und ich denke, jeder Weltraumtourist wird dem zustimmen –, auf der Erde gelebt zu haben, als die Menschheit sie erstmals verließ, und sagen zu können: »Wir waren dabei!«

Horn von Afrika und Golf von Aden

Berieselungsfelder in der Wüste Ägyptens

Kamtschatka, der Vulkan Kronozkaja Sopka

Antarktis, Aurora australis

Nordamerika, Salzgewinnung am Großen Salzsee

Ausbruch des Kljutschewskoi-Vulkans auf Kamtschatka im Jahre 1994

Sonnenaufgang

Australien, Lake Mackay

Wolken über der Sahara

Alaska, Unimak Island

Madagaskar, Mündungsdelta des Betsiboka

Nordamerika, Marschland der Adair Bay

Bahamas, Crooked island

Italien, Ausbruch des Ätnas im Oktober 2002

Australien, Lake Eyre

Indonesien, Insel Yeina

Weltraumreisen … ein Blick zurück

Ein uralter Menschheitstraum

Der Traum, den Weltraum zu bereisen, ist uralt. Bereits in der Antike glaubte der Naturphilosoph Anaxagoras (ca. 499–428 v. Chr.), die Sonne und die Sterne seien glühende Steine und der Mond ein bewohnter erdartiger Himmelskörper mit »Gebirge, Hügel, Schluchten und Häusern, genau wie bei uns«, etwa von der Größe der griechischen Insel Peloponnes. Man darf Anaxagoras zudem als ersten Kosmopoliten des Abendlandes bezeichnen, denn nach seinem Vaterland gefragt, soll er mit erhobenen Armen auf den Himmel gedeutet und so den Kosmos als das wahre Vaterland des Menschen bezeichnet haben.

In nachchristlichen Zeiten wuchs das Interesse der Griechen am Mond und nährte ihre Spekulationen über außerirdische Lebewesen auf diesem Erdbegleiter. Das zufällige Erscheinungsbild der Mondoberfläche als Mondgesicht inspirierte den griechischen Priester Plutarch (46–120 n. Chr.) in seinem Buch »De facie in orbe lunae« (»Das Mondgesicht«) zu Überlegungen, ob ein Leben auf dem Mond überhaupt möglich wäre. Er kommt zu der Überzeugung, dass dem so sein müsste, weil sonst der Mond ohne Sinn und Zweck geschaffen sei, wenn er nicht »Früchte wie ein irdisches Leben« hervorbrächte. Dieses Buch von Plutarch war der Auslöser für den Mythos des Mannes im Mond, der sich im Mittelalter in vielen Kulturen, insbesondere aber im englischsprachigen Raum verbreitet hat. Eine spätere griechische Quelle, bekannt als »Pseudo-Plutarch« (etwa 3. oder 4. Jh.n.Chr.), bezieht sich auf die angeblich pythagoräische (Pythagoras ca. 570–510 v. Chr.) Annahme, dass

»… der Mond terraner Natur ist, bewohnt ist wie unsere Erde und größere Tiere und Pflanzen mit seltenerer Schönheit beheimatet als unsere Erde es sich leisten kann. Die Tiere in ihrer Art und Stärke sind uns um 15 Grade überlegen, geben keine Exkremente von sich, und die Tage sind fünfzehn mal länger.«

Der Mond war also schon seit jeher Gegenstand von Fantasien. Mehr als Fantasien konnten es damals aber nicht sein, denn wissenschaftliche Erkenntnisse gab es noch nicht. Aber diese Fantasien beflügelten die nachfolgenden Generationen, darüber nachzudenken, wie man zu dem erdähnlichen Mond mit seinen Bewohnern reisen könnte.

Diese Fantasien beflügelten die nachfolgenden Generationen, darüber nachzudenken, wie man zu dem erdähnlichen Mond mit seinen Bewohnern reisen könnte.

Lukian von Samosate (120–180 n. Chr.)

Erste Raumfahrtromane