Rheinische Sagen - Wilhelm Ruland - E-Book

Rheinische Sagen E-Book

Wilhelm Ruland

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Das Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Die Nibelungen Heinrich Frauenlob Bischof Willigis Der Schelm von Bergen Die Weinzungen Der Johannisberger Eginhard und Emma Die Brömserburg Der Mäuseturm Die Brautwerbung Der blinde Schütz Die Pfalz Die Loreley Die feindlichen Brüder Das Hochzeitsfest auf Burg Brubach Die Tempelritter von Lahneck Genoveva Der töchterreiche Ritter Ritter Roland Die Sage vom Drachen Der Mönch von Heisterbach Richmodis von Aducht Die Heinzelmännchen Jan und Griet Der Ring der Fastrada Der Schwanenritter Siegfried

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Rheinische Sagen – Kleine Ausgabe

Wilhelm Ruland

Inhalt:

Bibliographie der Sage

Die Nibelungen

Heinrich Frauenlob

Bischof Willigis

Der Schelm von Bergen

Die Weinzungen

Der Johannisberger

Eginhard und Emma

Die Brömserburg

Der Mäuseturm

Die Brautwerbung

Der blinde Schütz

Die Pfalz

Die Loreley

Die feindlichen Brüder

Das Hochzeitsfest auf Burg Brubach

Die Tempelritter von Lahneck

Genoveva

Der töchterreiche Ritter

Ritter Roland

Die Sage vom Drachen

Der Mönch von Heisterbach

Richmodis von Aducht

Die Heinzelmännchen

Jan und Griet

Der Ring der Fastrada

Der Schwanenritter

Siegfried

Rheinische Sagen, Wilhelm Ruland

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849603403

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Bibliographie der Sage

Eine Sage ist im allgemeinen alles, was gesagt und von Mund zu Mund weiter erzählt wird, also soviel wie Gerücht; im engeren Sinn eine im Volke mündlich fortgepflanzte Erzählung von irgendeiner Begebenheit. Knüpft sich die S. an geschichtliche Personen und Handlungen, indem sie die im Volke fortlebenden Erinnerungen an geschichtliche Zustände, Persönlichkeiten, dunkel gewordene Taten zu vollständigen Erzählungen ausbildet, so entsteht die geschichtliche S. und, sofern sie sich auf die alten Helden des Volkes erstreckt, die Heldensage; sind aber die Götter mit ihren Zuständen, Handlungen und Erlebnissen Gegenstand der S., so entsteht die Göttersage oder der Mythus (s. Mythologie) und auf dem Gebiet monotheistischer dogmatischer Religion die Legende (s. d.). Hastet die Erzählung an bestimmten Örtlichkeiten, so spricht man von örtlichen Sagen. Noch eine Sagengattung bildet endlich die Tiersage, die von dem Leben und Treiben der Tiere, und zwar fast ausschließlich der ungezähmten, berichtet, die man sich mit Sprache und Denkkraft ausgerüstet vorstellt. Ost hat sich um eine besonders bevorzugte Persönlichkeit, wie z. B. König Artus, Dietrich von Bern, Attila, Karl d. Gr. etc., und deren Umgebung eine ganze Menge von Sagen gelagert, die nach Ursprung und Inhalt sehr verschieden sein können, aber doch unter sich in Zusammenhang stehen, und es bilden sich dadurch Sagenkreise, wie deren im Mittelalter in germanischen wie romanischen Ländern mehrere bestanden und zahlreiche Epen hervorgerufen haben (vgl. Heldensage). Die echte S. erscheint somit als aus dem Drang des dichterischen Volksgeistes entsprungen. Wie alle Volkspoesie blüht sie am prächtigsten in der älteren Zeit, aber auch bei höherer Kultur verstummt sie nicht ganz; vielmehr ist der Volksgeist noch heute tätig, bedeutende Vorgänge und Persönlichkeiten mit dem Schmuck der S. zu umkleiden. Die Anknüpfung an ein gewisses Wirkliches ist hauptsächlich das Merkmal, das die S. vom Märchen (s. d.) unterscheidet. Wie das Märchen, liebt sie das Wunderbare und Übernatürliche, obwohl es ihr nicht unentbehrlich ist. Am häufigsten heftet sie sich an Burg- und Klosterruinen, an Quellen, Seen, an Klüfte, an Kreuzwege etc., und zwar findet sich ein und dieselbe S. nicht selten an mehreren Orten wieder. Um die Erhaltung der deutschen S. haben sich zuerst die Brüder Grimm verdient gemacht durch ihre reiche Sammlung: »Deutsche Sagen« (Berl. 1816–18, 2 Bde.; 3. Aufl. 1891). Nächst diesen sind die Sammlungen von A. Kuhn und Schwartz (»Norddeutsche Sagen«, Leipz. 1848), J. W. Wolf (»Deutsche Märchen und Sagen«, das. 1845), Panzer (»Bayrische Sagen«, Münch. 1848, 2 Bde.), Grässe (»Sagenbuch des preußischen Staats«, Glogau 1871) und Klee (Gütersloh 1885) als besonders reichhaltige Quellen zu nennen. Als Sammler von Sagen einzelner Länder, Gegenden und Örtlichkeiten waren außerdem zahlreiche Forscher tätig, so für Mecklenburg: Studemund (1851), Niederhöffer (1857) und Bartsch (1879); für Pommern und Rügen: U. Jahn (2. Aufl. 1890), Haas (Rügen 1899, Usedom u. Wollin 1903); für Schleswig-Holst ein: Müllenhoff (1845); für Niedersachsen: Harrys (1840), Schambach und Müller (1855); für Hamburg: Beneke (1854); für Lübeck: Deecke (1852); für Oldenburg: Strackerjan (1868); für den Harz: Pröhle (2. Aufl. 1886); für Mansfeld: Giebel hausen (1850); für Westfalen: Kuhn (1859) und Krüger (1845), Weddigen und Hartmann (1884); für die Altmark: Temme (1839); für Brandenburg: Kuhn (1843) und W. Schwartz (4. Aufl. 1903); für Sachsen: Grässe (1874) und A. Meiche (1903); für das Vogtland: Köhler (1867) und Eifel (1871); für das Erzgebirge: J. A. Köhler (1886); für die Lausitz: Haupt (1862) und Gander (1894); für Thüringen: Bechstein (1835, 1898), Börner (Orlagau, 1838), Sommer (1846), Wucke (Werragegend, 1864), Witzschel (1866), Richter (1877); für Schlesien. Kern (1867), Philo vom Walde (1333); für Ostpreußen etc.: Tettau (183f) und Reusch (Samland, 1863); für Posen: Knoop (1894); für den Rhein: Simrock (9. Aufl. 1883), Geib (3. Aufl. 1858), Kiefer (4. Aufl. 1876), Kurs (1881), Schell (Bergische S., 1897), Hessel (1904); für Luxemburg: Steffen (1853) und Warker (1894); für die Eifel: P. Stolz (1888); für Franken etc.: Bechstein (1842), Janssen (1852), Heerlein (Spessart, 2. Aufl. 1885), Enslin (Frankfurt 1856), Kaufmann (Mainz 1853); für Hessen: Kant (1846), Wolf (1853), Lynker (1854), Bindewald (1873), Hessler (1889); für Bayern: Maßmann (1831), Schöppner (1851–1853), v. Leoprechting (Lechrain, 1855), Schönwerth (Oberpfalz, 1858), Sepp (1876), Haushofer (1890); für Schwaben: Meier (1852) und Birlinger (1861–1862), Reiser (Algäu, 1895); für Baden: Baader (1851), Schönhut (1861–65), Waibel und Flamm (1899); für das Elsaß: August St ob er (1852, 1895), Lawert (1861), Hertz (1872); für die Niederlande: Wolf (1843), Welters (1875–76); für Rumänien: Schuller (1857); für die Schweiz: Rochholz (1856), Lütolf (1862), Herzog (1871, 1882); für Tirol. Meyer (2. Aufl. 1884), Zingerle (1859), Schneller (1867), Gleirscher (1878), Heyl (1897); für Vorarlberg: Vonbun (1847 u. 1890); für Österreich: Bechstein (1846), Gebhart (1862), Dreisauff (1879), Leed (Niederösterreich, 1892); für Mähren: Schüller (1888); für Kärnten: Rappold (1887); für Steiermark: Krainz (1880), Schlossar (1881); für Böhmen: Grohmann (1863), Gradl (Egerland, 1893); für die Alpen: Vernaleken (1858), Alpenburg (1861) und Zillner (Untersberg, 1861); für Siebenbürgen: Müller (2. Aufl. 1885), Haltrich (1885). Die Sagen Islands sammelten Maurer (1860) und Poestion (1884), der Norweger: Asbjörnson (deutsch 1881), der Südslawen: Krauß (1884), der Litauer: Langkusch (1879) und Veckenstedt (1883), der Esten: Jannsen (1888), der Lappländer: Poestion (1885), der Russen: Goldschmidt (1882), der Armenier: Chalatianz (1887), die der Indianer Amerikas: Amara George (1856), Knortz (1871), Boas (1895); indische Sagen Beyer (1871), japanische Brauns (1884), altfranzösische A. v. Keller (2. Aufl. 1876); deutsche Pflanzensagen Perger (1864), die deutschen Kaisersagen Falkenstein (1847), Nebelsagen Laistner (1879) etc. Die Sagen bilden mit den im Volk umlaufenden Märchen, Legenden, Sprichwörtern etc. den Inhalt der Volkskunde (s. d.), die seit neuerer Zeit Gegenstand reger wissenschaftlicher Forschung ist. Vgl. L. Bechstein, Mythe, S., Märe und Fabel im Leben und Bewußtsein des deutschen Volkes (Leipz. 1854, 3 Tle.); J. Braun, Die Naturgeschichte der S. (Münch. 1864–65, 2 Bde.); Uhland, Schriften zur Geschichte und S., Bd. 1 u. 7 (Stuttg. 1865–68); Henne am Rhyn, Die deutsche Volkssage im Verhältnis zu den Mythen aller Völker (2. Aufl., Wien 1879); v. Bayder, Die deutsche Philologie im Grundriß (Paderb. 1883); Paul, Grundriß der germanischen Philologie, Bd. 2, 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901) und die Bibliographie in der »Zeitschrift des Vereins für Volkskunde«; Grünbaum, Gesammelte Aufsätze zur Sprach- und Sagenkunde (Berl. 1901).

Worms

Die Nibelungen

Die älteste der Rheinstädte, in vorrömischer Zeit gegründet, darf sich rühmen, in ihrem Dom eines der bedeutendsten Baudenkmäler Deutschlands zu besitzen. Sie kann weiter daran erinnern, daß die fränkischen und deutschen Könige oftmals in ihren Mauern Hof hielten. Weil Worms während der großen Völkerwanderung Herrschersitz des mächtigen ostgermanischen Volksstammes der Burgunden wurde, ist es zugleich der Mittelpunkt des Schönsten geworden, was die deutsche Heldensage zu bieten vermag.

Ruhmreich haben die burgundischen Könige, von der Weichsel kommend, an den Ufern des Mittelrheins regiert. Dann hat hunnische Kriegslust römischer Ländergier den starken Arm geliehen und dem aufblühenden Reich ein unverdientes Ende bereitet.

König Gundikar war mit dem größten Teil seines Kriegsvolkes auf blutiger Walstatt gefallen. Der Rest der Besiegten wurde von den Römern im südlichen Gallien angesiedelt, während am Rhein die Franken in die von den Burgunden verlassenen Wohnsitze einrückten. Kaum einundeinhalbes Jahrhundert hatten die burgundischen Könige am Main und Mittelrhein geherrscht; aber so tief war ihr Andenken im Herzen der rheinfränkischen Völker verwurzelt, daß ihr tragischer Ausgang von dort aus als die bedeutendste deutsche Sagendichtung in die Weltliteratur übergegangen ist.

Dazwischen haben weitere Heldensagen, die dem Boden von Worms entsprossen sind, sich dadurch Jahrhunderte lang im Volk lebendig erhalten, daß sie die edelsten Tugenden deutscher Männer und Frauen mit unbestechlicher Treue schildern. Solcher Art ist das tausendjährige Waltharilied: von dem unerschrockenen Herrn Walter von Aquitanien, der mit Hildegunde von König Attilas Hof heimkehrt, unterwegs im Wasgenwald den Überfall des Frankenkönigs Gunthari und seiner Mannen in furchtbarem Kampf abwehrt und dann als siegreicher Held in seine Heimat gelangt.

Wahrhaft volkstümlich wurden vor allem jene Sagen, in welche die Heldengestalt Siegfrieds hineinverwoben ist. Wo liegen ihre Uranfänge? War dieser Siegfried, oder Sigurd, der Lichtheros aller Weltreligionen, der von den Mächten der Finsternis überwunden wird –, oder nur ein blonder, schlank und hochgewachsener Märchenheld oder gar eine geschichtliche Persönlichkeit? Überlassen wir die Frage den Gelehrten. Uns ist und bleibt der sonnenhafte Siegfried die Lieblingsgestalt der deutschen Heldensage.

Wo immer die Helden vom Rhein in ungestümer Kampfbegier mit den streitbaren Mannen des Ostens sich messen, da ist Siegfried an der Spitze seiner Kampfgenossen. Also erklingt sein Lob in der alten Mär von dem ritterlichen Dietleib, der ausging, seinen Vater Biterolf zu suchen. Also rühmt ihn der Sang vom Wormser Rosengarten, obwohl dessen oberdeutschen Verfasser die eifersüchtige Absicht leitet, den rheinischen Recken in ihren zwölf Einzelkämpfen mit den gotisch-hunnischen Helden den Ruf der Überlegenheit abzusprechen.

In mancherlei Überlieferungen und Umbildungen hat die Geschichte von den burgundischen Königen Günther, Gernot und Giselher, die zugleich die letzten Schicksale des Volkshelden Siegfried umschließt, vom Rhein aus durch fahrende Sänger von Burg zu Burg zu den nieder- und oberdeutschen Stämmen bis hinüber ins Donautal den Weg gefunden, wobei ihr ursprünglich heidnischer Geist sich allmählich verflüchtigte.

Dadurch, daß ein ungenannter sagenkundiger Spielmann, den man wohl kaum jemals ausfindig machen wird, um die Wende des zwölften Jahrhunderts die alten Einzelsagen, zu einem großen Heldengedicht vereinigt, in Liedform niederschrieb, ist das Lied von der Nibelungen Not als kostbares Überbleibsel germanischer Volksdichtung bis auf unsere Zeit erhalten worden. Mit Schauern rieselt es uns heute wie ehedem unseren Altvorderen durch das Gemüt, wenn das Nibelungenlied uns erzählt von der großen, ungebändigten Leidenschaft jener Männer und Frauen und der erschütternden Verkettung von Sünde und Sühne in deren Leben.

Ein gewaltiges Lied von Schuld und Strafe, das die Seele mächtig ergreift, emporgesprossenaus der Tiefe des Volkes und einer Welt entsprechend, wie der jugendlich starke Sinn des deutschen Volkes sie wünschte. Als liebliche Idylle beginnend, um als abschreckende Tragödie auszuklingen. Am Hof des Königs Günther von Burgund in Worms erscheint, angelockt durch den Liebreiz Kriemhildens, der Schwester des Königs, ein junger blonder Held, Siegfried mit Namen. Er selber ist eines Königs Sohn. Sein Vater Siegmund regiert in Xanten "niedenby dem Rine".

König Gunther nimmt den schlanken und sehnigen Recken als Lehnsmann in seine Dienste. In jener schönen Vasallentreue, die alle Helden ziert, erkämpft Siegfried unerkannt dem König die stolze Königin des isländischen Inselreiches, Brünhilde, zur Gattin. Als Lohn empfängt er dafür Kriemhildens Hand. Hochherzig schenkte er Kriemhilden als Brautschatz den Nibelungenhort, den er in jungen Jahren von den Söhnen des Königs der Nibelungen und dem Hüter Alberich erstritten hat.

Eitel Freude herrscht am Königshof in Worms. Doch nicht bei allen. Außer Kriemhilde ist noch eine andere dem Helden Siegfried heimlich gewogen: Brünhilde. Das bräutliche Glück Kriemhildensläßt den Neid in ihrer Seele wachsen, und sie findet kein freundliches Wort mehr für jene. So meiden die beiden Frauen einander entfremdet. Eines Tages versteigt die MißgunstBrünhildens sich zu harter Rede. Da weiß Kriemhilde ihre Zunge nicht zu zügeln. In hitzigem Wortgefecht hält sie der Schwägerin vor, nicht Gunther, sondern Siegfried sei es gewesen, der sie dazumal im Brautbett gebändigt habe. Zum Beweis dessen hält sie ihr Ring und Gürtel vor, den Siegfried in jener Nacht der starken Brünhilde genommen und der Kriemhilde geschenkt hat. Hochfahrend kränkt sie Brünhilde mit einem häßlichen Namen und weigert ihr den Vortritt ins Münster.

Weinend berichtet Brünhilde dem König Gunther von dem ihr angetanen Schimpf. Der beleidigte König grollt, und sein Dienstmann Hagen sinnt darauf, Siegfried zu verderben. Äußerlich, um seine Herrin zu rächen, insgeheim wohl um des Nibelungenschatzes willen.

Bei einer Jagd im Odenwald wurde Siegfried, als er gebückt aus einer Quelle trank, von Hagen heimtückisch erstochen. Man ward Rates, es solle verbreitet werden: Als Siegfried allein jagen ging, da erschlugen ihn die Räuber. So fuhren die Könige und ihr Gefolge am andern Tag über den Rhein nach Worms zurück.

Vor Kriemhildens Kemenate ließ Hagen in der Nacht den Toten niederlegen. Frühmorgens, als Kriemhilde mit ihren Frauen sich anschickte, zur Messe in den Dom zu gehen, gewahrte sie die teure Leiche. Da erscholl vielstimmiges Jammern. Weinend warf sich Kriemhilde auf den ermordeten Gemahl. "Wehe mir," rief sie, "dein Schild ist mit Schwertern nicht zerhauen. Du fielst durch Meuchelmord. Wüßte ich, wer es getan, ich schüfe ihm den Tod."

Prunkvoll ließ sie den königlichen Helden aufbahren und bestimmte, daß ein Gottesgericht an der Leiche gehalten werde. Denn es ist ein großes Wunder, und noch immer geschieht's: wenn der Mörder seinem Opfer naht, dann bluten dessen Wunden aufs neue. So zogen denn alle die Fürsten und Edlen von Burgund an Siegfrieds Leichnam vorbei, den das Bildnis des gekreuzigten Welterlösers beschattete, und siehe, als der finstere Hagen vorüberschritt, da begannen die Wunden des Toten neuerlich zu fließen. Angesichts der bestürzten Männer und der entsetzten Frauen bezichtigte Kriemhilde Hagen des Meuchelmordes an ihrem Gemahl.

Trüglich und kümmerlich war die Sühne um diese große Schuld: der Nibelungenhort, der vorwiegend Anlaß zu der schmählichen Untat gewesen war, solle im Rhein versenkt werden, um künftig Habsucht und Hader aus den Herzen der rauhen Recken zu bannen. Aber Kriemhildens unendlicher Jammer war damit nicht gestillt, nicht minder ihr heißer Drang nach Rache.

Vergeblich bat König Siegmund nach der Bestattung des Helden, Kriemhilde möge nach der Königsburg von Xanten ziehen. Sie blieb zu Worms in ständiger Nähe des heißgeliebten Toten und lebte dreizehn Jahre an dessen Grabstätte. Dann siedelte die Jammerreiche nach der Abtei Lorch über, die ihre Mutter, die Herzogin Ute, gegründet hatte. Dorthin nahm sie auch die Leiche Siegfrieds mit.

Als dann Etzel, der Herrscher der Hunnen, um sie warb, reichte Kriemhilde, das verlassene Weib, dem Heiden die Hand. Nicht von Liebe, wohl aber von ihren Racheplänen geleitet. Sie zog mit jenem ins Ungarland. Dort hat sie dem Mörder Siegfrieds, nachdem sie diesen mit zahlreichen Dienstmannen arglistig zu sich geladen, in aufschäumender Rache ein Verderben bereitet, das uns mit wahrem Grausen erfüllt. Auch die mitschuldigen Burgundenkönige, seit der Hort zu ihnen gekommen, die Nibelungen geheißen, haben in der Etzelburg unter den Streichen der Hunnen ihre Treulosigkeit an Siegfried mit dem Tode gebüßt.

Erbarmungslos ließ Etzels Gattin ihre ganze Verwandtschaft niedermetzeln. Dem grimmen Hagen schlug sie selber mit Siegfrieds Schwert das Haupt ab. Darauf wurde die Rasende von dem erzürnten Kampfgenossen Hildebrand getötet.

Hier hat die Mär ein Ende. Das Lied von der Nibelungen Not ist die berühmteste Heldensage deutscher Zunge geworden. Von den alten Nationalsagen anderer Völker kann ihr nur das trojanische Heldengedicht Homers an die Seite gestellt werden.

Der geschichtliche Untergang der letzten burgundischen Könige von Worms ward durch diese Volksdichtung für alle Zeiten dichterisch verklärt.

Mainz

Heinrich Frauenlob

Ein würdiger Domherr im alten Mainz ist er gewesen, zugleich auch ein gottbegnadeter Sänger, der zahlreiche fromme Weisen verfaßte zu Ehren der reinsten aller Frauen. Hat nebenher der weltlichen Minne manchen klingenden Harfenton gewidmet, und weil er in zarter Huldigung, im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Dichtern, die Benennung Frau d. i. Herrin höher stellte als Weib, was nur Ehegattin bezeichnet, hat ihm die Nachwelt den Namen Frauenlob gespendet, und unter diesem ist er bekannter als unter seinem eigentlichen Namen Heinrich von Meißen.

Groß war die Verehrung, welche die Frauen des goldenen Mainz dem Sänger zollten. Dies zeigte sich während seines Lebens, noch mehr bei seinem Tode. Unsagbar war die Trauer des dankbaren Geschlechtes, als die Kunde sich verbreitete, daß des vielgeliebten Minnesängers Mund für immer verstummt sei. Es ward vereinbart, dem Toten eine Ehrung zu bezeugen, wie sie weder vorher noch nachher einem Dichter widerfahren ist. Zahllos war das Gefolge, überaus zahlreich die Frauenschar, die in wallenden Trauergewändern Herrn Heinrich geleitete und für sein Seelenheil betete. Acht der Schönsten trugen den Sarg, der überschüttet war mit duftenden Blumen. Aus Frauenmund klangen an des Minnesängers offener Gruft die Grabgesänge, und köstlichen Rheinwein, der ihn gar oft zu herrlichen Liedern begeistert, gossen zarte Frauenhände auf seine Ruhestätte. Köstlicher noch als jene Gaben trauernder Verehrung sind die Tränen gewesen, die an jenem Tage viele schöne Augen um den toten Sänger vergossen haben.

Noch heute erblickt der Wanderer im alten Mainzer Dom des liederkundigen Meisters Grabmal. Eine edle Frauengestalt aus milchweißem Marmor legt einen Kranz nieder auf den Sarg des Sängers, der Frauenlob in unvergessenen Liedern gesungen hat.

Mainz

BischofWilligis

Um das Jahr Eintausend hatten die Mainzer einen frommen Kirchenfürsten, das war Bischof Willigis