Romantische Bibliothek - Folge 2 - Ursula Stoll - E-Book

Romantische Bibliothek - Folge 2 E-Book

Ursula Stoll

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Beschreibung

Mit leuchtenden Kinderaugen schaut die kleine Anna zu ihrer Erzieherin Edith auf. Heute ist es wieder so weit: Anna darf zu Nikolaus Sahlmann, der sich bereit erklärt hat, an den Wochenenden auf ein Waisenkind aufzupassen. Auf diese Weise sollen die Heimkinder - die sonst rund um die Uhr von Frauen betreut werden - lernen, wie es ist, eine Art Papa zu haben. Oh, wenn Nikolaus doch nur ihr richtiger Papa sein könnte! Wie gerne würde Anna für immer in seinem schönen Haus leben, am liebsten zusammen mit Tante Edith. Doch das geht leider nicht, denn Onkel Nikolaus ist schon mit der garstigen Frau Annett verheiratet. Zum Glück ist die fast nie zu Hause ...

Die kleine Anna ahnt nicht, dass ihrer Erzieherin Edith ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf schwirren. Auch sie freut sich bereits sehr auf das Wiedersehen mit Nikolaus Sahlmann, und auch sie würde gerne für immer bei ihm bleiben. Doch genau wie Anna weiß auch sie, dass dieser Wunsch für immer ein Traum bleiben wird ...

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Seitenzahl: 190

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Inhalt

Cover

Impressum

Ein Waisenkind sehnt sich nach Liebe

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Anneka

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1028-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ein Waisenkind sehnt sich nach Liebe

Ein ergreifender Schicksalsroman

Von Ursula Stoll

Mit leuchtenden Kinderaugen schaut die kleine Anna zu ihrer Erzieherin Edith auf. Heute ist es wieder so weit: Anna darf zu Nikolaus Sahlmann, der sich bereit erklärt hat, an den Wochenenden auf ein Waisenkind aufzupassen. Auf diese Weise sollen die Heimkinder – die sonst rund um die Uhr von Frauen betreut werden – lernen, wie es ist, eine Art Papa zu haben. Oh, wenn Nikolaus doch nur ihr richtiger Papa sein könnte! Wie gerne würde Anna für immer in seinem schönen Haus leben, am liebsten zusammen mit Tante Edith. Doch das geht leider nicht, denn Onkel Nikolaus ist schon mit der garstigen Frau Annett verheiratet. Zum Glück ist die fast nie zu Hause …

Die kleine Anna ahnt nicht, dass ihrer Erzieherin Edith ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf schwirren. Auch sie freut sich bereits sehr auf das Wiedersehen mit Nikolaus Sahlmann, und auch sie würde gerne für immer bei ihm bleiben. Doch genau wie Anna weiß auch sie, dass dieser Wunsch für immer ein Traum bleiben wird …

Nikolaus Sahlmann hob unmutig den Kopf, als er das Dröhnen eines starken Automotors hörte. Der Lärm war für seinen Geschmack geradezu unverschämt und fiel in der vornehmen Villengegend, in der sein Haus stand, besonders unangenehm auf.

Es war Sonntagvormittag. Er saß auf der Terrasse in einem Liegestuhl, ein Buch in der Hand und ein Glas eisgekühlte Limonade neben sich auf dem niedrigen Beistelltisch.

Die Terrassentür wurde mit einem quietschenden Geräusch geöffnet.

Ich muss unbedingt die Scharniere einmal ölen, fiel dem Architekten Sahlmann dabei ein. Er wandte träge den Kopf und schaute in Trinas rundes, gutmütiges Gesicht.

„Ihr Herr Bruder ist eben angekommen“, meldete sie, und man sah ihr an, wie sehr der Besuch ihr behagte.

Schade um den schönen Tag, dachte der Hausherr und unterdrückte nur mühsam einen Seufzer. Er verstand sich an und für sich mit seinem Bruder Pit ganz gut, aber manchmal ging ihm der Jüngere in seiner lärmenden Art doch auf die Nerven.

„Führen Sie Herrn Pit gleich zu mir“, bat er Trina.

„Nicht nötig, er ist schon da“, meldete sich eine vergnügte Stimme.

Pit kannte sich im Hause aus und betrat die Terrasse. Er wirkte durch und durch sportlich. Ein Mann, dem die Frauen gern nachschauten.

„Wie schön, dass Sie uns mal wieder besuchen, Herr Pit.“ Trina strahlte. „Und so schöne Blumen, die Sie da wieder mitgebracht haben.“ Ihre blassblauen Augen himmelten den vergnügten Pit Sahlmann an.

Der Mann gab ihr Lächeln übermütig zurück und zwinkerte ihr zu. Trina wurde über und über rot und zog sich stolpernd ein paar Schritte zurück.

Mit festem Handschlag begrüßten sich die Brüder.

„Wo steckt Annett?“, erkundigte sich Pit. „Ich möchte nämlich gern mein Gemüse loswerden.“

„Dann leg es in den Kühlschrank. Annett ist nämlich verreist, und wahrscheinlich wird sie wieder einige Wochen unterwegs sein.“

Pit warf einen bedauernden Blick auf die teuren Blumen, zuckte dann die Achseln und drehte sich um.

„Dann nimm du sie, Trina“, bat er das Hausmädchen. „Sie haben dir ja gut gefallen.“

„Aber die sind doch viel zu schön für mich, junger Herr“, stammelte Trina, presste aber nichtsdestoweniger den Strauß an sich. Sie war ein dralles Kind vom Lande und erst seit Kurzem in der Stadt.

„Nimm sie nur, sie sind genauso schön wie du“, meinte Pit schmunzelnd. „Und sei ein gutes Mädchen und bring mir etwas zu trinken. Ich bin schon halb verdurstet.“

„Aber gern, Herr Pit.“ Trina glühte förmlich vor Eifer. „Was soll es denn sein?“

„Du weißt doch, das Übliche. Niemand kann einen Gin mit Orangeade so gut mixen wie du. Ich freue mich schon immer darauf. Aber nun geh.“

„Ich fliege schon“, hauchte Trina und stapfte davon.

Pat schüttelte nur den Kopf. Stämmig war sie ja, die Trina, und auch gar nicht übel gebaut, aber so schrecklich einfältig! Na ja, es musste auch solche Mädchen geben.

Er zog sich einen zweiten Liegestuhl heran und ließ sich mit einem wohligen Seufzer unter dem Schatten des Sonnenschirms nieder.

„Hier kann man es aushalten“, stellte er anerkennend fest. „Als Architekt scheint man nicht schlecht zu verdienen. Und du hast Annett wieder allein losfahren lassen?“

„Ja. Ich habe keine Zeit, sie wochenlang zu begleiten. Außerdem wird sie mich nicht sonderlich vermissen, glaube ich. Ihr fehlt es niemals an Bewunderern und Verehrern.“

Pit warf seinem Bruder einen merkwürdigen Blick zu.

„Aber dir fehlt es offensichtlich an Eifersucht“, stellte er fest. „Eins kannst du mir glauben: Wenn ich solch eine aparte Frau wie Annett hätte, ich würde sie keinen Schritt unbeobachtet gehen lassen. Es wäre mir einfach zu gefährlich.“

„Du hast eben schlechte Erfahrungen mit Frauen gemacht“, gab Nikolaus seelenruhig zurück. „Eine anständige Frau betrügt ihren Mann nicht. Ich verlass mich auf Annett.“

Pit nahm das Glas von dem Tablett, das Trina ihm reichte. Er nickte dem Mädchen verabschiedend zu, aber so schnell konnte sich Trina nicht von seinem Anblick losreißen. Der Herr Pit sah heute mal wieder ganz großartig aus, fand sie.

„Mein Bruder wird Ihnen gelegentlich einmal ein Bild von sich schenken“, sagte Nikolaus gelassen.

Trina zuckte zusammen und errötete noch mehr. „Ich dachte nur, ich wollte nur …“

„Ist schon gut, Sie können gehen“, sagte Sahlmann kurz, und Trina ging eilig davon.

„Es gibt keine Frau, auf die man sich verlassen kann“, setzte Pit das unterbrochene Gespräch fort.

„Ich habe eben nicht so viel schlechte Erfahrungen gemacht wie du“, erwiderte Nikolaus mit freundlicher Nachsicht. „Oder vielleicht verkehre ich auch nur in anderen Kreisen.“

Sein Bruder schluckte diesen Seitenhieb, ohne auf sein Lächeln zu verzichten.

„Mag sein, aber Frau bleibt Frau. Wo steckt sie denn jetzt, die schöne Annett?“

„Ich weiß es nicht.“ Sahlmann zuckte die Achseln. „Vor vier Tagen war sie in San Remo, die letzte Ansichtskarte kam von dort. Aber du kennst ja ihre Unruhe, sie ist sicherlich schon weitergefahren. Ich gönne ihr die Abwechslung.“

Pit trank sein Glas leer und seufzte zufrieden, als er es auf den Tisch zurückstellte.

„Du solltest eigentlich nicht schon am Vormittag Alkohol trinken.“

„Sprach der ältere Bruder.“ Pit lachte. „Die Rolle des Erziehers steht dir nicht, Niko. Du bist kein Erziehungsberechtigter. Übrigens, warum schafft ihr euch eigentlich keine Kinder an?“

„Der Klapperstorch hatte noch keine Zeit, uns welche zu bringen“, gab Sahlmann zurück und machte plötzlich ein verschlossenes Gesicht. „Möchtest du noch ein Glas Orangeade trinken?“

„Meine Frage ist dir unbequem, also stimmt da etwas nicht. Annett will keine Kinder, wie? Niko, du musst sie verstehen. Sie ist jung und schön, sie will ein bisschen was von der Welt sehen. So ein schreiendes Baby bindet sie ans Haus, und welcher vernünftige Mensch hat schon Lust, sich freiwillig Fesseln anzulegen?“

„Jeder redet, wie er es versteht. Es hat keinen Zweck, mit dir über ernste Dinge diskutieren zu wollen. Eines Tages, wenn du etwas älter und reifer geworden bist, wirst du schon merken, worauf es im Leben wirklich ankommt.“

„Das weiß ich jetzt schon. Man muss an Vergnügen mitnehmen, was man kriegen kann. Und das größte Vergnügen ist der Flirt mit schönen Frauen.“

„Wann wirst du endlich einmal vernünftig werden?“, fragte Nikolaus besorgt. „Denkst du wirklich noch nicht daran, eine ernsthafte Bindung einzugehen?“

Pit schmunzelte. „Ich bin ewig ernsthaft gebunden“, versicherte er verschmitzt. „Nur nicht immer an dieselbe. Abwechslung ist amüsanter, glaube es mir. – Sag mal, ich schneie hier einfach so unangemeldet herein, ich störe doch hoffentlich nicht?“

„Bestimmt nicht.“

Pit schaute seinen Bruder zweifelnd von der Seite an.

„Du kannst ruhig ganz ehrlich mit mir sprechen“, sagte er und meinte es auch aufrichtig. „Falls du heute noch ein nettes Mädchen erwartest, das dir das Warten auf Annett verkürzt, dann ziehe ich Leine. Für so etwas habe ich Verständnis.“

„Aber ich nicht. Pit, ich muss dich sehr bitten, solche Redensarten in meiner Gegenwart zu unterlassen.“ Ein verträumter Zug glitt über Nikos sonnengebräuntes, scharf geschnittenes Gesicht. „Ich erwarte allerdings noch Besuch, das stimmt.“

„Kenne ich sie?“ Pit war sofort sehr interessiert und beugte sich vor. „Nun lass schon die Katze aus dem Sack, Niko. Ist sie denn wenigstens hübsch?“

Nikolaus schüttelte den Kopf. „Ich erwarte ein kleines Mädchen.“

„Ein Kind?“ Pit tippte sich mit dem Zeigefinger bezeichnend an die Stirn. „Bist du denn noch ganz bei Trost? Was willst du denn mit dem? Im Sandkasten Kuchen backen?“

„So ähnlich. Ich bitte dich, nett zu dem Mädchen zu sein. Und vor allem, Pit, führe nicht solche Redensarten in Gegenwart des Kindes. Ich bin für Anna verantwortlich, solange sie bei mir ist.“

„Ich werde ganz brav sein und nur reden, wenn ich gefragt werde“, versprach der unverbesserliche Pit. „Wer leiht dir denn das Mädchen? Mein großer Bruder spielt Babysitter, also das wirft mich um. Trina!“, schrie er ins Haus. „Bring mir noch mal deine Spezialmischung, aber mit ordentlich Gin.“

„Das Mädchen kommt aus dem Waisenhaus“, kam Nikolaus auf ihr Thema zurück. „Ich finde deine Heiterkeit höchst unangebracht.“

„Aus dem Waisenhaus? Wie kommst du denn an so eine? Du hast vielleicht merkwürdige Bekanntschaften …“

Pit lachte, brach aber ab, als er merkte, dass sein Bruder begann, ernsthaft böse zu werden.

„Tut mir leid, aber du kennst ja meinen Hang zu blöden Witzen“, entschuldigte er sich. „Nun erzähl mal, was hat es mit diesem Mädchen auf sich?“

Nikolaus Sahlmann zögerte einen Moment. Er wusste schon im Voraus, dass Pit ihn höchstwahrscheinlich nicht verstehen würde.

„Die Kinder wachsen im Waisenhaus unter der Aufsicht von Frauen auf. Bis zu ihrem vierzehnten, fünfzehnten Lebensjahr kommen sie praktisch nur mit Frauen zusammen. Deshalb ist die ‚Mutter’ des Waisenhauses – eine Frau Hagemeister – auf die Idee gekommen, ihre Zöglinge über das Wochenende in eine Familie zu geben, damit sie sich an den Umgang mit Männern gewöhnen.“

„So.“ Pit machte ein übertrieben ernsthaftes Gesicht. „Darauf Trinas Spezialmischung. Prost!“

Nikolaus bedauerte immer mehr, dass sein Bruder ihm dieses Wochenende verdarb. Er hatte sich wirklich auf Anna gefreut, aber Pit würde in seiner leichtfertigen Art bestimmt alles in Unordnung bringen.

„Sag mal, wann holst du deine holde Maid eigentlich?“

„Anna wird gebracht. Aber dein Ton gefällt mir nicht. Versteh doch, dass die Kinder im Waisenhaus eine schreckliche Jugend haben. Sie leben zwar nicht schlecht, was Essen und Trinken angeht, aber die Liebe fehlt ihnen. Diese Kinder haben niemanden, der Zeit für sie hat. Die Tanten im Waisenhaus sind sehr nett, aber sie müssen zu viele betreuen, und sie dürfen vor allem niemanden vorziehen. – Ach, ich glaube, da kommt sie schon.“

Über Nikos Gesicht glitt ein freudiges Lächeln, als er die helle Kinderstimme erkannte. Bevor er allerdings noch sein Wohnzimmer betreten konnte, lief ihm Anna Wenzel schon entgegen. Sie war ein blasses, mageres Mädchen von etwa acht Jahren, dessen Augen jetzt vor Freude leuchteten.

„Guten Tag, Onkel Niko. Ich bin es nur. Was machen wir heute? Wollen wir wieder im Schuppen an meinem Schaukelpferd basteln?“

„Wenn du Lust dazu hast …“ Niko Sahlmann strich ihr über das helle Haar.

Dann verneigte er sich vor einer jungen Dame, deren dunkles Kleid, am Halse hochgeschlossen, einen uniformierten Eindruck machte.

„Ich danke Ihnen sehr, Fräulein Schubert, dass Sie mir Anna gebracht haben. Aber es wäre wirklich nicht nötig gewesen, ich kann das Mädchen gut selbst abholen.“

„In deinem Auto, Onkel Niko?“, fragte Anna aufgeregt. „Tante Edith, nächstes Mal holt mich Onkel Niko selbst ab, nicht? Bitte, sag doch Ja, bitte!“

Gerührt schaute Nikolaus in das blasse Kindergesicht, auf das sich jetzt ein zartrosa Schimmer gelegt hatte.

Das Mädchen kommt nicht genügend an die frische Luft, dachte er. Es braucht ein Haus, wie ich es habe, mit Garten und Platz zum Spielen.

„Darf ich denn nicht?“ Anna Wenzel senkte den Kopf, als die Tante nicht gleich antwortete. „Nie dürfen wir das, was wir gern wollen“, sagte sie leise. „Na gut, sprechen wir nicht mehr davon.“

Es gab Nikolaus einen Stich ins Herz, als er dieses Kind so verständig reden hörte. Das passte doch gar nicht zu Annas Alter! Sie müsste aufbegehren, anstatt sich so ergeben in ihr Schicksal zu fügen.

Unwillkürlich legte er den Arm um die schmalen Schultern des Mädchens.

„Und wenn ich Sie nun ganz herzlich bitte, Fräulein Schubert?“, fragte er und lächelte charmant. „Sagen Sie dann auch noch Nein?“

„Wir haben unsere Vorschriften … ich muss die Kinder selbst in den Häusern übergeben. Und ich kann Ihnen ja nicht zumuten, vier Kinder erst zu ihren Wochenendeltern zu fahren.“

„Warum nicht?“, fragte Nikolaus und lachte. „Wenn es weiter nichts ist … es bleibt also bei unserer Abmachung. Ich darf Sie, Anna und die anderen am nächsten Sonnabend im Waisenhaus abholen?“

„Gern, wenn Sie sich die Mühe machen wollen …“

„Hei, wer ist denn das?“

Nikolaus drehte sich herum und runzelte die Stirn, als er sah, dass sein Bruder Pit sich gegen die Terrassentür gelehnt hatte und Fräulein Schubert recht ungeniert musterte.

„Sie sind die Waisenhaustante?“, fragte Pit lässig. „Ich habe nicht geahnt, dass die armen Kinder heute von so hübschen jungen Mädchen betreut werden. Nur Ihr Kleid ist nicht hübsch. Können Sie sich nicht etwas anderes anziehen? Sie haben doch dieses Wochenende frei, denke ich mir. Wie wäre es, wenn Sie sich hier bei uns persönlich überzeugten, wie es Anna geht?“

Dann wandte er sich an das Mädchen.

„Du kannst schon Schaukelpferde bauen? Das finde ich allerhand!“

Anna nickte. „Onkel Niko baut mir eines, und ich darf ihm dabei helfen. Verstehst du auch was davon?“

„Ein bisschen“, sagte Pit vage, dann wandte er sich wieder an Edith Schubert. „Nun, Fräulein, wie wäre es mit meinem Vorschlag?“

„Ich danke Ihnen, aber das geht selbstverständlich nicht. Ich werde Sonntag zur üblichen Zeit kommen und Anna bei Ihnen abholen, Herr Sahlmann. Vorerst herzlichen Dank.“

„Nicht so eilig, junge Dame.“ Pit machte ein paar Schritte auf sie zu und fasste ungeniert ihren Arm. „Es ist heiß, Sie müssen unbedingt ein Gläschen Orangensaft mit uns trinken. So viel Zeit werden Sie ja wohl haben. Ihre Haarfarbe ist echt? Wundervoll. Ich verstehe nur nicht, dass so etwas wie Sie sich in einem Waisenhaus vergräbt. Ich denke, wir werden etwas aus Ihnen machen, mein Bruder und ich. Was meinst du, Niko, ist diese bezaubernde junge Dame nicht wirklich zu schade, um bei einer Horde ungezogener Kinder zu verkümmern?“

„Unsere Kinder sind nicht ungezogen, und von Verkümmern kann nicht die Rede sein. Ich liebe meinen Beruf!“

„Sie sind sehr streng“, stellte Pit fest. „Was muss ich tun oder sagen, um Ihnen zu gefallen? Wie heißen Sie? Mein Name ist Sahlmann, aber das werden Sie sich schon gedacht haben.“

„Das ist Tante Edith, und sie gehört zu uns, zu unserem Zimmer“, mischte sich Anna eifrig ein. „Gehen wir dann bald in den Schuppen?“

„Tante Edith! Nun, Sie dürfen Onkel Pit zu mir sagen. Und weil das beides so lang und umständlich ist, lassen wir die Verwandtschaftsbezeichnungen fort. Einverstanden, Edith?“

„Nein.“

„Ich kann nur für meinen Bruder um Entschuldigung bitten“, sagte Nikolaus Sahlmann nun ganz energisch. „Er ist verwöhnt und weiß nicht, was sich gehört.“

Pit grinste unbekümmert. „Mir scheint eher, Niko weiß nicht, was er einer so bezaubernden jungen Dame wie Ihnen schuldig ist. Kommen Sie, trinken wir ein Glas zusammen und seien wir lieb zueinander. Bei diesem herrlichen Sonnenschein darf man doch nicht so ernst ausschauen wie Sie, Edith. Da bekommt die Sonne ja direkt Angst und versteckt sich hinter Wolken. Und Sie sind dann schuld daran.“

„Er redet immer so viel“, warf Nikolaus unmutig ein. „Nehmen Sie es ihm bitte nicht übel, Fräulein Schubert.“

„Ich bin den Umgang mit Kindern gewohnt“, meinte Edith Schubert freundlich.

Pit bekam einen roten Kopf. Ihre Worte klangen zwar scherzhaft, aber er hörte deutlich den Ernst hindurch, der dahintersteckte. Sie hielt ihn also für einen dummen Jungen!

Na, an sich war sie auch gar nicht sein Typ. Er mochte diese tüchtigen blonden Mädchen im Grunde nicht.

„Komm, Anna, wir beschäftigen uns mit dem Schaukelpferd. Wir stören hier ja doch nur.“ Er verneigte sich knapp und ging dann über die Terrasse davon, ganz ein trotziger Junge, der sich zu Unrecht gekränkt fühlt.

„Hoffentlich nehmen Sie es ihm wirklich nicht übel“, äußerte Nikolaus nach kurzem Schweigen. „Mein Bruder ist sonst ein netter Kerl, nur im Umgang mit jungen Damen vergreift er sich manchmal im Ton.“

Edith lächelte, und Nikolaus staunte sie einen Moment verwundert an. Sie war ja wirklich eine Schönheit, die junge Erzieherin aus dem Waisenhaus! Er hatte sich bisher noch nie die Mühe gemacht, sie genauer anzuschauen, denn für ihn war sie ja nur das Fräulein, das Anna brachte.

„Und wenn ich Sie nun zu einem kühlen Trunk einlade, geben Sie mir auch einen Korb?“, fragte er.

„Nein.“ Edith Schubert schüttelte leicht den Kopf. „Dann nehme ich dankend an. Bei dieser Hitze wird man durstig, und Anna ist bei Ihrem Herrn Bruder ja sicher gut aufgehoben.“

Nikolaus rückte den Liegestuhl zurecht und ging dann schnell in die Küche, um Trina zu bitten, ein eisgekühltes Erfrischungsgetränk hinauszubringen.

Als er wiederkam, hatte Edith den Liegestuhl so zur Seite gezogen, dass Kopf und Hals der vollen Sonne ausgesetzt waren. Die Augen hielt sie geschlossen.

Nikolaus verharrte ganz still und schaute sie nur an. Wie jung war ihr Gesicht, wie sympathisch wirkte es! Ihr Haar war kurz geschnitten, und es glänzte in der Sonne wie gesponnenes Gold.

Es war Trina, die mit ihrem schweren Schritt Edith Schubert aus ihren Träumen weckte.

Verwirrt strich sich das junge Fräulein über die Stirn und lächelte verlegen.

„Ich komme Ihnen mit meiner Sonnenanbeterei sicherlich sehr albern vor“, meinte sie scheu. „Aber ich liebe die Sonne so sehr! Leider habe ich kaum Gelegenheit, sie zu genießen. Sie kennen ja unser Waisenhaus: Es ist ein dunkler, unfreundlicher Bau.“

„Und wenn Sie freihaben?“

Edith schüttelte leicht den Kopf. „Freizeit gibt es für uns erst, seitdem Mutter Ursula einen Teil der Kinder in die Wochenendfamilien gegeben hat. Es fehlt uns an Personal.“

„Haben Sie denn dieses Wochenende frei?“, fragte Nikolaus.

„Ja, alle vierzehn Tage habe ich frei. Wie glücklich müssen Sie sein, dass Ihnen solch ein prächtiger Garten gehört! Ich könnte hier stundenlang liegen und nur schauen.“

„Tun Sie es doch“, platzte Nikolaus heraus. „Ich meine, wenn Sie nichts Besseres vorhaben, dann leisten Sie uns heute und morgen Gesellschaft. Wir werden uns sehr freuen. Meine Frau ist allerdings verreist.“

Hierbleiben, einen halben Tag und dann noch einen ganzen hindurch! Diese Vorstellung war überaus verlockend, fand Edith. In der Sonne liegen, barfuß über den Rasen laufen, einmal nichts zu tun haben …

„Wir würden uns sehr freuen, Fräulein Schubert“, hörte sie die sympathische Stimme wiederholen. „Bitte, bleiben Sie.“

„Dann muss ich mich ja noch umziehen“, stellte Edith mit halbem Lächeln fest.

„Unsinn, das war nur ein Scherz meines Bruders. Er macht manchmal solche Scherze. Ich werde Trina gleich sagen, dass sie heute Mittag ein Gedeck mehr auflegt.“

„Meinen Sie es wirklich ernst? Wollen Sie wirklich, dass ich hierbleibe? Ich falle Ihnen doch nur lästig …“

„Sie nicht, genauso wenig wie Anna. Also dann ist es abgemacht, Fräulein Schubert.“

„Danke schön, Herr Sahlmann, Sie sind sehr liebenswürdig.“

Das Fräulein hatte beim Sprechen den Kopf ein wenig zur Seite gedreht. Und wieder meinte Niko, niemals etwas so Reizendes gesehen zu haben wie dieses Fräulein Schubert.

„Darf ich mich denn ein wenig nützlich machen bei Ihnen? Vielleicht etwas im Garten tun?“

„Wenn Sie es gern möchten … Ich selbst bin manchmal etwas faul, muss ich zugeben. Und meine Frau …“ Nikolaus zuckte die Achseln. „Gartenarbeit verdirbt ihre Hände.“

„Meine nicht“, erklärte Edith lachend und zeigte ihm ihre Hände. „An denen ist nichts mehr zu verderben.“

Wie schön sind ihre Hände, dachte der Mann. Auch wenn die Nägel nicht rot lackiert sind. Ihre Form ist so zierlich, so schlank.

Nikolaus Sahlmann hatte nicht gewusst, dass ein Mensch imstande sein konnte, sich in die Hände einer Frau zu verlieben. Jetzt wusste er es.

***

„Falle ich Ihnen auch bestimmt nicht lästig?“, fragte Edith ein paar Minuten später befangen. „Sicherlich wären Sie doch lieber mit Ihrem Herrn Bruder und Anna allein.“

„Nein, ich freue mich, dass Sie bleiben wollen. Für mich ist der Tag dadurch gleich noch sehr viel schöner geworden. Möchten Sie noch etwas trinken?“

„Bitte, bemühen Sie sich nicht“, wehrte das Fräulein ab, aber Nikolaus hatte schon ihr Glas genommen und trug es ins Haus.

Ein wirklich netter Mann, dachte Edith Schubert, und ein versonnenes Lächeln legte sich über ihr Gesicht.

Vom Schuppen her hörte sie Annas Lachen, für ihre Ohren ein ganz ungewohnter Klang. Im Waisenhaus hatten die Kinder nur selten Gelegenheit, so richtig aus sich herauszugehen.

Und dann knatterte etwas los. Edith schreckte hoch und zwinkerte verwirrt mit den Lidern. Es war ein Höllenlärm, und unwillkürlich erhob sie sich, um der Ursache des Krachs nachzugehen.

Nikolaus, der in diesem Augenblick wieder auf die Terrasse trat, runzelte unmutig die Stirn.

„Das ist der Wagen meines Bruders“, erklärte er. „Pit liebt den Krach. Er hat extra die Schalldämpfer umbauen lassen, nur damit sein Auto möglichst viel Lärm verursacht. Ich glaube, er hat überhaupt keine Nerven.“

Davon war Edith allerdings auch überzeugt, denn ein normal veranlagter Mensch musste bei diesem Radau ja einfach verrückt werden! Der Lärm verstärkte sich noch einmal, dann wurde er allmählich schwächer.

Nikolaus runzelte die Stirn.

„Sollte Pit etwa …“, murmelte er, stellte im Vorbeigehen Ediths eben gefülltes Glas auf das Tischchen und schlenderte nach vorn.

Tatsächlich, die Garagentüren – Nikolaus hatte zwei Garagen direkt neben dem Schuppen – standen weit offen, und von Pits rot lackiertem Sportwagen war nichts mehr zu sehen.

„Mein Bruder ist mit Anna fortgefahren“, teilte er Edith mit. „Es ist unverantwortlich! Ich kenne seine Fahrweise. Er ist wagemutig bis zur Tollkühnheit. Solange er nur sein eigenes Leben riskiert, mag es ja angehen, aber für das Mädchen bin ich schließlich verantwortlich.“

In diesem Augenblick wurde er Edith noch sympathischer, denn sie sah ihm deutlich an, welch ernsthafte Sorgen er sich um ein ihm doch völlig fremdes Kind machte.

Er wird einmal ein guter Vater werden, dachte sie, und seltsamerweise spürte sie bei dieser Vorstellung einen Stich in ihrem Herzen.

„Uns bleibt nichts übrig, als abzuwarten und zu hoffen, dass Pit diesmal etwas vernünftiger ist“, knurrte Nikolaus und ließ sich in seinem Liegestuhl nieder. „Ist Ihr Kleid für dieses Wetter eigentlich nicht zu warm?“

Edith schüttelte verneinend den Kopf, aber es war offensichtlich, dass sie schwindelte. Ihr Kleid mochte sehr praktisch sein, aber schön war es bestimmt nicht, und es wärmte wirklich sehr.

„Sie haben ungefähr die gleiche Figur wie meine Frau. Ich werde einmal nachschauen, ob ich nicht ein Kleid für Sie finde, Fräulein Schubert. Oder noch besser, kommen Sie doch gleich mit.“

Er hatte seinen Vorschlag so nett vorgebracht, dass Edith einfach nicht ablehnen konnte. Sie hatte zwar ein schlechtes Gewissen, als sie ihm ins Haus folgte, aber ihre Neugierde überwog.

Sie hatte noch nie solch ein schönes Haus von innen gesehen! Bewundernd flog ihr Blick über die geschmackvolle Einrichtung.

„Sicherlich wird etwas Passendes darunter sein“, murmelte Nikolaus, als er mit Edith das Schlafzimmer seiner Frau betreten hatte.