Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 491 - Ursula Stoll - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 491 E-Book

Ursula Stoll

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Beschreibung

Leise haucht die bildhübsche Mara ihr "Ja", als der Priester sie in der kleinen Kirche mit Paul von Gerhaldes vermählt. Für sie ist es nicht der schönste Tag in ihrem Leben, obwohl sie den Grafen mehr liebt als alles auf der Welt. Schon als Backfisch hat der gut aussehende, hochgewachsene Mann ihr Herz höherschlagen lassen. Und nun ist sie tatsächlich seine Frau. Wie glücklich könnte sie sein! Doch für Paul ist sie nichts weiter als eine standesgemäße Partie, wie er sie seinem Rang und seinen zukünftigen Kindern schuldet. Von Liebe gibt es bei ihm keine Spur ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Das Jawort der Gräfin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: digitalienspb / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9373-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Jawort der Gräfin

Warum sie am Altar dunkle Vorahnungen hatte

Leise haucht die bildhübsche Mara ihr „Ja“, als der Priester sie in der kleinen Kirche mit Paul von Gerhaldes vermählt. Für sie ist es nicht der schönste Tag in ihrem Leben, obwohl sie den Grafen mehr liebt als alles auf der Welt. Schon als Backfisch hat der gut aussehende, hochgewachsene Mann ihr Herz höherschlagen lassen. Und nun ist sie tatsächlich seine Frau. Wie glücklich könnte sie sein! Doch für Paul ist sie nichts weiter als eine standesgemäße Partie, wie er sie seinem Rang und seinen zukünftigen Kindern schuldet. Von Liebe gibt es bei ihm keine Spur …

Mara flüsterte ihr „Ja“ kaum hörbar, und der Ton dieses inhaltsschweren Wortes verschwand fast ganz unter der sieghaften Kraft, mit der Paul von Gerhaldes vor dem Traualtar das Treuegelöbnis zu seiner liebreizenden jungen Frau ablegte.

In der kleinen Kirche von Gerhaldes, die im Schmuck Tausender von Blüten prangte, sahen die geladenen Gäste und die Dorfbewohner andachtsvoll auf das schöne, stolze Paar, das hier den Bund fürs Leben schloss.

Die zierliche junge Frau wirkte fast ein wenig zerbrechlich neben dem hochgewachsenen Grafen von Gerhaldes, der sie von nun an, wie er vor dem Altar schwor, beschützen und behüten wollte.

Die Augen des blonden Mannes strahlten, und er sah mit heißer Liebe auf die schmale, feingliedrige Hand der Geliebten, als er ihr den Ring auf den Finger schob.

Jetzt war Mara von Gerstorf seine Frau. Es war der glücklichste Tag seines Lebens.

Mara hatte den Kopf gesenkt und lauschte den Worten des Pfarrers, der von Liebe und Glück sprach. Er konnte ja nicht ahnen, wie es in ihrem Herzen aussah.

Für sie gab es auf dieser Welt kein Glück, denn der einzige Mann, den sie wirklich liebte, erwiderte ihre Gefühle nicht.

Unwillkürlich begann ihre Hand zu zittern, als sie den Druck von Pauls Hand spürte. Ihre Ehe war doch nur ein Geschäft, und die ganze Szene in der Kirche nur eine Täuschung.

Als der Priester seine Predigt beendet hatte, drängten sich Gäste und Dorfbewohner um sie, um ihre Glückwünsche auszusprechen.

Jeder, der Mara kannte, wünschte ihr alles Gute auf Erden, denn die Tochter des Barons von Gerstorf war ihres sonnigen Wesens wegen überall beliebt und geachtet. Es gab keine Hütte im Dorf, die sie nicht schon in Zeiten der Krankheit oder Not aufgesucht hatte.

Und nun war Mara, die einem der ältesten und vornehmsten Geschlechter des Landes entstammte, die Frau des stolzen und unnahbaren Grafen Paul von Gerhaldes, des größten Gutsbesitzers der ganzen Umgebung.

Die Miene der reizenden Braut erhellte sich jedoch auch bei der anschließenden Mittagstafel, die im Schloss stattfand, nicht.

„Was ist dir, Marakind?“, fragte Paul und beugte sich zu seiner jungen Frau hinüber. „Du siehst so blass aus, fühlst du dich nicht wohl?“

„Danke, Paul, es geht mir ganz gut.“

„Ich bin froh, wenn wir den Trubel dieses Festes bald verlassen und uns auf unsere Hochzeitsreise begeben können.“

Eine Glutwelle überflutete Maras bleiches Gesicht. Verwirrt beschäftigte sie sich mit dem Essen, das die geschulten Diener servierten. In ihrem Herzen tobte ein wilder Sturm.

Die Worte des Mannes erregten sie bis in die tiefsten Tiefen ihrer Seele. Noch nie war er so besorgt gewesen, und sein Blick ließ sie erbeben. Als Bräutigam hatte er nie die Grenzen der Korrektheit überschritten, war zu jeder Zeit und Stunde der kühle und unnahbare Majoratsherr von Gerhaldes geblieben.

Sie verstand seine Wandlung nicht und sah ihn unsicher an.

„Rehlein, ich bin so glücklich“, flüsterte ihr der Mann zu, bevor er sich wieder zurückbeugte.

Seine Nachbarin zur Linken, die verwirrend schöne Sibylle von Morallio, hatte das kleine Intermezzo mit spöttisch zusammengezogenen Augen verfolgt.

„Du scheinst ja ganz weg zu sein, wenn du in die Augen deiner jungen Frau siehst. So kennt man dich alten Schwerenöter gar nicht. Ich bin gespannt, wie lange du deine Rolle als balzender Auerhahn durchhalten wirst.“

Graf Paul lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück und erwiderte ihren Blick mit vernichtendem Hochmut.

„Meine liebe Sibylle, der Mensch soll sich ja manchmal ändern, und verschiedene Menschen müssen eben auch verschieden behandelt werden.“ Seine Stimme war voll beißender Ironie. Die schöne Frau zuckte leicht zusammen, denn sie verstand die Anspielung des Mannes sehr gut, war sie doch eine Zeit lang seine Geliebte gewesen.

„Mein lieber Paul, ich werde mich überraschen lassen und mich an eurem Glück in der Stille erfreuen. Es wird ein schönes Bild sein, wenn der stolze Weltmann Paul Graf von Gerhaldes ein Kind auf seinen Knien reiten lässt und sich über sein Krähen freut.“ Neid sprach unverhüllt aus ihren flimmernden Augen, als sie den Satz herauszischte.

„Ich werde dich einladen, damit du das schöne Bild gebührend bewundern kannst.“ Noch ein spöttischer Blick, und als der Graf sich dann wieder seiner jungen Frau zuwandte, strahlte in seinen Augen heiße Liebe.

„Schau dir nur einmal meinen hochgräflichen Bruder an, was für verliebte Augen er macht!“ Fenja von Gerhaldes stieß ihren Tischherrn, Harder von Spendlingen, burschikos in die Seite.

Harder folgte ihrem Blick und fand die Worte bestätigt.

„Aber lassen wir uns durch meinen Bruder nicht beim Essen stören, es wäre tatsächlich zu schade um diesen fabelhaften Rehrücken. Johann, geben Sie mir noch einmal davon“, wandte Fenja sich an den hinter ihr stehenden Diener, der keine Miene verzog, als er ihr zum dritten Mal den Braten reichte.

„Verdirb dir nicht deine schlanke Linie, teuerste Komtess“, flüsterte Harder.

„Ich kann nichts dafür, es schmeckt einfach zu gut“, erwiderte Fenja.

Am oberen Ende der Tafel, wo die älteren Herrschaften saßen, herrschte ein steiferer Ton.

„Uff, ich bin satt“, stöhnte Fenja, nachdem sie das Bratenstück vertilgt hatte. „Gut, dass hier nicht jeden Tag Hochzeit gefeiert wird.“

Lachend sah der schlanke, hochgewachsene Vetter auf sein Cousinchen herab, das wirklich aus tiefstem Herzensgrunde gestöhnt hatte.

„Das kommt davon, wenn man nicht auf die Weisheit des Alters hören will“, drohte er scherzhaft mit dem Finger und spielte auf den Altersunterschied von etwa zehn Jahren an, der ihn von seiner Cousine trennte.

Fenja war ein Nachkömmling, noch ein ganzer Backfisch mit ihren achtzehn Jahren, während der dreißigjährige Majoratsherr einen sehr gereiften und energischen Eindruck machte. Wo war er überhaupt?

Suchend sah sich Harder um, ohne ihn zu entdecken.

Paul hatte sich mit seiner jungen Frau im Durcheinander, das bei der Aufhebung der Tafel entstanden war, unbemerkt in seine Wohnräume zurückgezogen.

„Ich bin froh, dass wir beide jetzt endlich allein sind“, sagte er, als er seine wunderhübsche Frau an seine Brust zog. „Freust du dich auch?“

Paul wartete gar keine Antwort ab und küsste Maras marmorbleiches Gesicht.

„Du mein Ein und Alles, du mein Glück“, flüsterte er dann leise. „Ich bin so glücklich!“

Willenlos duldete Mara seine Berührung. Was sollte sie schon darauf sagen? Kannte sie doch die Beweggründe ihres Mannes nur zu genau. Nie würde sie die entwürdigende Szene vergessen können, da sie durch Zufall ein Gespräch ihres Mannes gehört und daraus seine Einschätzung erkannt hatte. Sie war für ihn die standesgemäße Mutter seiner Kinder, von Liebe keine Spur.

Mara schloss die Augen und wünschte sich weit fort. Fort von dem Mann mit der betörenden Stimme, der sie nicht liebte, der nur die Pflicht seinem Hause und seinem Namen gegenüber erfüllte.

Fast unbemerkt entzog sich ihm seine junge Frau nun und machte sich an ihrem Schleier zu schaffen.

„Rufe doch bitte Grete, damit sie mir beim Umkleiden behilflich ist. Das Tragen dieses Kleides ist doch recht anstrengend.“ Mit niedergeschlagenen Augen stand Mara vor ihm, und wieder huschte eine leichte Röte über ihr Gesicht. Wie schwer war es doch zu lügen!

Wie fürchtete sie sich vor den kommenden Wochen und Monaten, in denen sie den ganzen Tag und die ganze Nacht mit ihm zusammen sein musste!

Gehorsam eilte Paul zur Tür und rief nach der Zofe, die auch sofort kam und ihrer jungen Herrin behilflich war. Mit einer kurzen Verbeugung verabschiedete sich der Graf und ging in sein Ankleidezimmer, um den feierlichen Frack mit einem eleganten Reiseanzug zu vertauschen.

Der Wagen, der sie in die Welt führen sollte, stand schon vor dem Portal bereit, auch die Koffer waren bereits eingeladen.

Mara hätte am liebsten geweint. Wie schön hätte alles sein können, wenn Paul sie tatsächlich geliebt hätte. Schon als Backfisch hatte sie von ihm geträumt, der ihr kleines Herz hatte höherschlagen lassen. Wie selig war sie gewesen, als er dann um ihre Hand angehalten hatte!

Jetzt aber fürchtete sie sich vor der Zukunft an der Seite dieses Mannes, der nie von ihrer Liebe erfahren durfte. Sie sah schon im Geiste sein spöttisches Gesicht, wenn er bei ihr wirkliche Zuneigung feststellen würde.

Ihre wahren Gefühle durfte er noch nicht einmal ahnen. Sie würde das ganze Leben lang Theater spielen müssen. Eine treue Gattin und Mutter seiner Kinder würde sie sein – nicht mehr!

Graf Paul ahnte nichts von ihren Gedanken und wäre zutiefst erschrocken gewesen, wenn er in das Köpfchen seiner Frau hätte hineinsehen können. Er liebte sie aufrichtig, ahnte nicht, dass seine Frau ihm mit ganz anderen Gefühlen gegenüberstand. Hass gemischt mit Liebe – keine ideale Grundlage für eine Ehe.

♥♥♥

Im großen Saal ging das Fest ungetrübt weiter. Hier herrschten ausgelassene Stimmung und Fröhlichkeit. Am lustigsten war natürlich das junge Volk, das diese Gelegenheit zum Tanzen und Flirten einmal richtig ausnutzen wollte.

Besonders Fenja von Gerhaldes und ihr Vetter taten sich hervor. Die kleine Komtess wusste sich vor Übermut gar nicht zu lassen. Immer wieder wiegte sie sich lachend im Tanze und war wegen ihrer Schönheit der gefeierte Mittelpunkt des Balles. Wen ihre strahlenden Augen anlachten, der war in ihrem Bann.

Gerade hatte der schon ältere Baron Lody sie zum zweiten Male über das Parkett geführt. Als die Komtess nun wieder mit ihrem Vetter tanzte, schmiegte sie sich besonders fest in seinen Arm.

„Beschütze mich bitte vor der Tanzwut dieses Lody!“, bat sie ihn flüsternd. „Der Mann dreht sich wie ein Nilpferd.“

Lächelnd sah ihr der Vetter ins Gesicht.

„Kleines, du bist selbst schuld daran, warum bist du auch so schön! Ich billige jedem Mann, der sich in dich verliebt, mildernde Umstände zu. Man muss sich ja in dich verlieben.“

Mit strahlenden Augen sah das entzückende Mädchen den Tröster an und schmiegte sich noch enger an ihn.

„Harder, du bist wirklich der netteste Mensch unter der Sonne!“

„Lass uns ein wenig an die frische Luft gehen“, schlug Harder vor, als die Kapelle eine kleine Pause einlegte.

Nur zu gern folgte Fenja seinem Wunsch und sog die klare Nachtluft in tiefen Zügen ein.

„Das tut gut“, sagte sie, während der Mann sie halb unbewusst näher an sich heran zog.

Fenja ließ ihn gewähren. Ein kleines Lächeln umspielte ihre reizenden Züge. Wie schön war das Leben! Lag es an der Luft, lag es am Alkohol, dem sie heute mehr als sonst zugesprochen hatte, jedenfalls lag sie plötzlich in den Armen ihres Vetters. Sie fühlte den Druck seiner heißen Lippen auf ihrem Mund – und erwiderte den Kuss.

Die Welt versank um sie, nur die Nähe des geliebten Mannes und die zärtlichen Küsse zählten.

„Komm, Liebste, wir müssen zur Gesellschaft zurück, unser Fehlen fällt sonst auf“, sagte der Mann, als er wieder in die Wirklichkeit zurückfand.

Fenja beachtete nicht die Sorgenfalten, die plötzlich auf der Stirn des Mannes aufgetaucht waren, und sie ahnte auch nichts von seinen Bedenken. Harder bereute es nämlich, dass er sich hatte hinreißen lassen, seine Cousine in den Arm zu nehmen.

Zu viel stand zwischen ihnen, wovon die kleine Fenja nichts ahnte. Er war nur ein kleiner Krautjunker, dessen Klitsche kaum genug abwarf, um leben zu können. Doch wie sollte er das der kleinen Fenja klarmachen, die in ihrem ganzen Leben noch nie den Wert des Geldes kennengelernt hatte?

Zum Prinzgemahl fehlten ihm alle Voraussetzungen. Nie würde sein Stolz den Verdacht ertragen, das Mädchen nur ihres Geldes wegen geheiratet zu haben.

Gequält schloss Harder die Augen. Er wusste jetzt, dass die reizende Fenja ihn liebte, und dieses Wissen war schwerer zu ertragen als jeder Zweifel.

Sie schmiegte sich fest an seine Seite und schaute mit Augen, aus denen die echte und reine Liebe strahlte, zu ihm auf.

„Ich denke, es ist besser, wir geben den Leuten nicht zu viel Anlass zum Klatsch.“ Er war jetzt nicht in der Stimmung, dem geliebten Mädchen zu sagen, dass an eine Verlobung und Heirat nicht zu denken war.

Dann gingen beide in die Festräume zurück. Bei Musik und Tanz gaben sie sich ganz dem Zauber der Stunde hin.

Am meisten tanzte Fenja mit Harder, der alle Gedanken über Bord geworfen hatte und sich wie sie ohne Bedenken der schönen Stunden erfreute. Sein Plan stand fest. Es gab für ihn nur eine Möglichkeit, und die hieß, das geliebte Mädchen zu verlassen und es nie wiederzusehen.

Der Gedanke an eine Auswanderung tauchte in ihm wieder auf. Schon mehrfach hatte er das Projekt erwogen, denn er konnte sich ohne Schwierigkeiten den Zeitpunkt ausrechnen, wo er sein kleines Gut nicht mehr würde halten können.

♥♥♥

Paul saß weit zurückgelehnt im Sessel und betrachtete mit leicht emporgezogenen Augenbrauen die Gäste in der Halle des vornehmen Hotels, die mehr oder weniger offen Mara bewunderten.

Das elegante Abendkleid, dessen Dekolleté die vollendet geformten Schultern sehen ließ, hob das Aparte ihrer Erscheinung ganz besonders hervor. Niemals zuvor war Graf Paul von Gerhaldes mit einer Frau zusammen gewesen, die einen solchen Seelenadel mit so vollendeter Schönheit vereint hatte.

Und dennoch war er nicht zufrieden. Das seltsame Benehmen seiner jungen Frau im Auto war ihm rätselhaft und unverständlich.

Sie hatte jeden Annäherungsversuch von seiner Seite sanft, aber entschieden abgewehrt. War Mara tatsächlich so kühl, wie sie sich gab?

Sinnend wandte er den Kopf seiner Frau zu und schaute sie an. Als Frauenkenner hätte er schwören mögen, dass Mara bestimmt so viel Temperament besaß wie die anderen Frauen, die vorher in seinem Leben eine Rolle gespielt hatten.

Wieder schlug die junge Frau vor seinem durchdringenden Blick die Augen nieder. Sie fürchtete sich vor dem ersten Alleinsein mit ihrem Mann und versuchte es so lange wie möglich hinauszuzögern.

„Wir werden noch eine Flasche Wein trinken“, sagte Paul und winkte dem Kellner, der dienstbeflissen herbeieilte. „Vielleicht muntert der Alkohol dich wieder auf.“

Mara ließ es zu, dass er den Wein kommen ließ, und nippte dann an ihrem Glas, das Paul zuvorkommend gefüllt hatte.

„Ich danke dir, Paul“, flüsterte sie, und echte Wärme klang aus ihrer Stimme.

„Hallo, Liebling, sieht man dich auch einmal wieder?“, rief eine extravagant angezogene, auffallend geschminkte Frau, die plötzlich neben dem Manne stand. „Wo warst du denn die ganze Zeit? Du hast dich doch bestimmt schon zwei Monate lang nicht mehr bei mir sehen lassen.“

Sie streifte die wie versteinert dasitzende Mara mit einem Seitenblick.

„Du hast wohl Ersatz gefunden für mich?“, fügte sie dann noch hinzu. „Na ja, du bist ja dafür bekannt, dass es bei dir recht schnell geht.“

Pauls Gesicht hatte alle Farbe verloren, als die Frau so unvermutet neben seinem Tisch aufgetaucht war.

„Ich glaube, der Zeitpunkt für eine Aussprache ist etwas unglücklich gewählt. Du siehst ja, dass ich nicht allein bin.“

Mara hatte mit erschrockenem Gesicht der Unterhaltung zugehört und erhob sich jetzt abrupt.

„Du entschuldigst mich wohl, Paul, ich gehe auf unser Zimmer, ich habe Kopfschmerzen.“

Paul sprang auf, um seine Frau zu begleiten, aber Mara winkte ab.

„Lass dich bitte nicht stören, ich finde den Weg schon allein.“

Glühende Röte schoss dem Grafen ins Gesicht, und mit einer knappen Verbeugung sah er der Hinauseilenden nach.

„Das hast du fein gemacht“, sagte er mit eisiger Kälte, als er sich der Frau wieder zugewandt hatte.

„Was … was hast du denn, du warst doch sonst nicht so“, murmelte sie und schlug die Augen nieder. „Die Mädchen, mit denen du dich sonst zu amüsieren pflegtest, sind doch in der Regel keine Mimosen. Warum also das Theater?“

Paul ballte unwillkürlich die Hand zur Faust.