Romantische Bibliothek - Folge 40 - Elsa Schmiede - E-Book

Romantische Bibliothek - Folge 40 E-Book

Elsa Schmiede

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Beschreibung

Gundula ist nicht wie andere junge Frauen in ihrem Alter: Mit den breiten Hüften und den vielen Sommersprossen im Gesicht übersehen sie die Männer. Vater Hartmann Wolff kann es nicht ertragen, wie seine geliebte Tochter leidet, und bezahlt in seiner Not den Studenten Michael Vollmer dafür, den Kavalier für Gundi zu mimen.

Als Vollmer erfährt, dass Gundi aus reichem Hause stammt, wittert er seine Chance, ein großes Vermögen zu erben, und macht dem unbeholfenen Mädchen den Hof.

Tatsächlich verliebt sich Gundula Hals über Kopf in den zwielichtigen Burschen, dessen Plan damit aufzugehen scheint. Doch dann schlägt das Schicksal gnadenlos zu ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Das verkaufte Herz

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Oleg Gekman

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3708-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das verkaufte Herz

Unvergleichlicher Roman um ein hartes Mädchenschicksal

Von Elsa Schmiede

Gundula ist nicht wie andere junge Frauen in ihrem Alter: Mit den breiten Hüften und den vielen Sommersprossen im Gesicht übersehen sie die Männer. Vater Hartmann Wolff kann es nicht ertragen, wie seine geliebte Tochter leidet, und bezahlt in seiner Not den Studenten Michael Vollmer dafür, den Kavalier für Gundi zu mimen.

Als Vollmer erfährt, dass Gundi aus reichem Hause stammt, wittert er seine Chance, ein großes Vermögen zu erben, und macht dem unbeholfenen Mädchen den Hof.

Tatsächlich verliebt sich Gundula Hals über Kopf in den zwielichtigen Burschen, dessen Plan damit aufzugehen scheint. Doch dann schlägt das Schicksal gnadenlos zu …

„Sie wird wieder Mauerblümchen spielen.“ Irmgard seufzte aus tiefstem Herzensgrunde.

Ihr Mann, Hartmann Wolff, zuckte resigniert die Schultern. Gundula tat auch ihm leid. Er liebte sein Kind genauso sehr wie die Mutter.

„Dass die Männer immer nur nach Äußerlichkeiten schauen“, fuhr Irmgard bekümmert fort. „Kein Mann könnte eine bessere Frau finden als unsere Gundula, aber weil ihre Taille nicht so schlank ist, wie es die Mode vorschreibt …“

Wieder zuckte ihr Mann die Schultern. Es war nicht nur Gundulas Taille, die dem Schönheitsempfinden der jungen Männer nicht ganz entsprach. Ihr Gesicht war auch mit Sommersprossen übersät.

Leider wusste Gundula nur zu genau, wie sie aussah, und das Gefühl, mitleidig belächelt zu werden, hatte im Laufe der Zeit einen starken Minderwertigkeitskomplex in ihr gezüchtet, der sie in Gesellschaft ungelenk und tollpatschig wirken ließ.

„Ich wünschte, wir könnten dieses verdammte Fest abblasen“, knurrte Hartmann Wolff vor sich hin.

„Es geht nicht.“

Auch Irmgard hätte gern auf die Erfüllung der repräsentativen Pflichten verzichtet, die mit der Stellung ihres Mannes verbunden waren. Man musste einen Tischherrn für Gundula bestimmen.

„Kavaliere sind heutzutage ausgestorben“, meinte Irmgard, und ihr Mann konnte ihr nicht einmal widersprechen.

Nach allem, was Gundula erlebt hatte, schien die Behauptung mehr als gerechtfertigt zu sein. Die Männer glaubten, ihr gegenüber die einfachsten Pflichten der Höflichkeit vernachlässigen zu können, weil man sie nicht ganz ernst nahm. Dass auch in ihrer Brust ein Herz schlug, das sich nach Liebe und Zärtlichkeit sehnte, wer wusste es schon außer ihr?

„Ob wir Doktor Kersten für sie einladen?“

Irmgard sprach den Namen des Mannes nur zögernd aus, und Vater Hartmann schüttelte sofort ablehnend den Kopf.

„Den arroganten Menschen?“

„Und wen sonst?“

An und für sich gab es junge Männer genug, aber es war schwierig, einen von ihnen zu Gundulas Tischherrn zu bestimmen. Fast alle hatten schon einmal die Ehre gehabt, die Tochter des Hauses einen Abend lang unterhalten zu dürfen.

Und alle hatten sich irgendwie gedrückt, den Pflichttanz mit ihr getanzt und sich dann nach anderen, hübscheren Mädchen umgeschaut.

„Wie schön wäre es, hätte Gundula einen Kavalier, der sie … also … Du verstehst, was ich sagen will?“

„Sie wird niemals solch einen Mann finden“, seufzte Gundulas Vater. „Es sei denn … es ist natürlich eine absurde Idee … immerhin … Sie braucht es ja nicht zu wissen … Das Studentenhilfswerk könnte uns vielleicht für morgen Abend einen Tischherrn für Gundula schicken, der sich verpflichtet, ihr ein wenig den Hof zu machen.“

„Du willst ihn dafür bezahlen?“, fragte Irmgard entsetzt. „Das geht nicht, Hartmann!“

„Wie würde Gundula sich freuen, einen Tischherrn zu haben, der sich ganz ihr widmet, ihr Komplimente sagt und ihr das Glas füllt, wenn sie es leer getrunken hat, und zum Büfett geht und ihr etwas zu essen besorgt …“

Es war eine Vision, die ihren Eindruck auf Irmgard nicht verfehlte.

„Es wäre schön, aber …“

Es gab viele Aber dabei. Vater Hartmann kannte sie genauso gut wie seine Frau. Doch wichtiger war ihm Gundulas Zufriedenheit. Wenigstens einmal sollte sein Kind so glücklich sein wie die schönen Frauen, die vom Schicksal bevorzugt worden waren.

„Ich mache es, Mutter.“

„Sie darf es nur niemals erfahren, Hartmann“, stimmte Irmgard ihm zu. „Ich werde noch heute mit Gundula in die Stadt fahren und ihr ein neues Kleid kaufen. Sie soll den Eindruck haben, wirklich hübsch auszusehen. Hoffentlich ist der junge Mann nett, den das Studentenhilfswerk uns schickt.“

„Ich werde ihn mir vorher selbst ansehen“, beruhigte Vater Hartmann sie.

Gundula ahnte nichts von den Plänen ihrer Eltern, als sie am Nachmittag mit der Mutter in die Stadt fuhr. Im Gegensatz zu anderen Mädchen machte es ihr keine Freude, Kleider zu kaufen. Es war, wusste sie, doch ein vergebliches Unterfangen, anziehender zu wirken.

Uninteressiert probierte sie an, was die Mutter vorschlug.

In allen Kleidern sah sie gleich aus, kein Stoff, kein geschickter Schnitt nahm ihr die Sommersprossen aus dem Gesicht und gab ihrer Nase die gerade, edle Form, die ein Gesicht attraktiv erscheinen ließ.

Irmgard seufzte. Selbst die Mutter sah, dass ihre Tochter nicht schöner wurde, auch wenn die Kleider ein Vermögen kosteten.

„Ich denke, wir nehmen das rote und dieses dunkle Kleid, Gundula“, schlug Irmgard vor.

Das Mädchen nickte uninteressiert.

„Die beiden Kleider stehen Ihnen entzückend“, schmeichelte die Verkäuferin.

Gundula Wolff verzog geringschätzig lächelnd den Mund, und die Verkäuferin errötete prompt. Aus langer Berufserfahrung wusste sie, dass man Schmeicheleien nie zu dick auftragen konnte, sie wurden immer geglaubt.

Dieses seltsame Mädchen stellte jedoch eine Ausnahme dar. Sie schien zu wissen, wie sie aussah, und in ihrer Wut über das geringschätzige Lächeln gönnte die Verkäuferin ihr die Unscheinbarkeit.

Sie hat ja Geld genug, dachte sie, was braucht sie auch noch hübsch zu sein?

„Also, das Kleid steht dir wirklich gut, Kind“, behauptete Irmgard im Wagen, der sie nach Hause brachte. „Es ist erstaunlich, wie sehr Kleider Menschen verändern können.“

„Ich danke dir für deine gut gemeinten Worte, Muttchen, aber du brauchst dich nicht zu bemühen. Ich bin nicht in mein Spiegelbild verliebt.“

Gundula freute sich nicht auf das Fest und die geladenen Gäste. Sie hatte noch keinen Mann getroffen, der ihr Herz hätte höherschlagen lassen.

Und sie war auch überzeugt, dass es keinen Mann auf der ganzen Welt gab, der ihr gefallen würde. Sie wusste, dass sie alle gleich waren, diese sogenannten Herren der Schöpfung, oberflächlich und blind.

Gundula Wolff glaubte, auf die Liebe der Männer verzichten zu können. Es war der letzte Tag, an dem sie davon überzeugt war. Etwa vierundzwanzig Stunden später lernte sie nämlich Michael Vollmer kennen.

***

„Herr Vollmer … meine Tochter Gundula“, stellte Vater Hartmann ihr den Tischherrn für diesen Abend vor. „Ich hoffe, ihr unterhaltet euch gut.“

Er ging weiter, Gastgeberpflichten riefen ihn an die Tür. Aber als er dort stand und zurückschaute, sah er, dass dieser Vollmer seine Sache anscheinend gut machte. Gundula lächelte.

„Ich bin glücklich, dass der Zufall ausgerechnet mich zu Ihrem Tischherrn bestellt hat“, hatte Michael Vollmer Gundula versichert.

Er schaute sie mit einem langen Blick an, und Gundula erwiderte ihn, ohne die Lider zu senken, wie es sonst die Art der jungen Mädchen war.

Sie galt als burschikos und schlagfertig. Jetzt konnte sie nichts sagen.

Was für eine Gans, dachte Michael Vollmer.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken besorgen, Fräulein Wolff?“, erkundigte er sich dennoch. „Man hat mir gesagt, dass später getanzt werden soll. Ich freue mich darauf. Wollen Sie oft mit mir tanzen, gnädiges Fräulein?“

Hoffentlich klingt meine Stimme echt, dachte der Student.

Aber dieses dumme Ding mit dem sommersprossigen Gesicht wusste ja nicht, dass er für diesen Abend bezahlt wurde und eine Prämie bekam, falls der sympathische alte Knabe mit dem weißen Haar mit ihm zufrieden sein würde.

Fünfzig Mark für einen Abend, und bei Erfolg – Michael grinste unwillkürlich, als er daran dachte, wie Hartmann Wolff seine Forderung formuliert hatte – und bei Erfolg das Doppelte.

Von hundert Mark konnte er einen Monat leben, wenn er sich einschränkte, und er war es durchaus gewöhnt, mit wenig Geld lange auszukommen.

Was sagt ein Mädchen jetzt in meiner Lage?, fragte sich Gundula.

Sie kam sich sehr töricht vor, als sie mit niedergeschlagenen Augen neben ihm stand. Sie fühlte ihr Herz glücklich und schnell pochen.

Am liebsten hätte sie dankbar seine Hand gedrückt. Sie schaute flüchtig zur Seite, ihre Augen begegneten sich, und sie errötete erneut.

Es fiel Michael schwer, einen Seufzer zu unterdrücken. Er ahnte, dass er die fünfzig Mark schwer verdienen musste. Dass er hundert bekommen würde, hoffte er nicht mehr.

Was soll man zu einer Stummen sagen, die nichts weiter konnte als zu erröten?

„Ich hole uns etwas zu trinken, gnädiges Fräulein.“

Sein Lächeln war echt, eine Erleichterung, die vom Herzen kam.

Ich werde dafür sorgen, dass sie etliche Gläschen hinunterkippt, vielleicht lernt sie dann das Reden, dachte der Student.

Er sieht gut aus, wie gut sieht er aus, schwärmte Gundula.

Ihre Hände wurden feucht vor Erregung, als sie ihm nachschaute. Er trug den Frack mit eleganter Lässigkeit, sein schmales, etwas zu mageres Gesicht war tiefgebräunt, und seine schwarzen Augenbrauen gaben ihm ein verwegenes Aussehen.

„Lassen Sie uns auf einen recht schönen und hoffentlich auch recht langenAbend trinken, gnädiges Fräulein“, bat Michael.

Gundula schluckte.

„Ich bin so froh“, stieß sie plötzlich hervor, und Michael senkte den Kopf.

Er schämte sich. Ganz plötzlich begriff er, was er für dieses Mädchen war. Ihr Vater hatte ihm kurz und knapp erklärt, was er von ihm erwartete. Er solle seine Tochter gut unterhalten.

„Tanzen Sie mit ihr, machen Sie ihr ein paar Komplimente, und … tun Sie so, als seien Sie ein wenig verliebt. Wenn Sie Erfolg haben, bekommen Sie das doppelte Honorar.“

Michael spürte Mitleid mit diesem Geschöpf, das sich über jedes nette Wort so rührend freute. Es fiel ihm leicht, ihr etwas Nettes zu sagen – er fand sie plötzlich sympathisch.

„Trinken Sie aus, gnädiges Fräulein, mir zuliebe.“

Gundula leerte gehorsam das Glas. Sie protestierte nicht, als Michael es erneut füllen ließ. Auch das zweite Glas schmeckte gut, besser noch als das erste, aber nicht so gut wie das dritte.

Vater Wolff bemerkte, dass Michael seine Tochter zum Trinken animierte. Es gefiel ihm nicht, aber bevor er einschreiten konnte, hörte er Gundula lachen.

Sie ist glücklich, dachte er und blieb stehen. Sie lacht! Wie lange habe ich sie nicht mehr lachen hören auf einem Ball!

Er war bereit, Michael Vollmer gewähren zu lassen. Er beobachtete ihn und beschloss, sein Erfolgshonorar zu verdoppeln. Was kam es ihm schon auf einen Fünfzigmarkschein an, er wollte, dass Gundula glücklich war, dass sie sich wenigstens einmal im Leben umworben fühlte.

„Wie kommt es, dass ich Sie noch nie gesehen habe?“, erkundigte sich Gundula eine Stunde später.

„Ich bin noch nicht lange in der Stadt. Ich studiere an der Universität Volkswirtschaft.“

Es gelang Gundula, den Mann zum Erzählen zu bringen. Er sprach gern von seiner Arbeit, und das Mädchen hörte interessiert zu und stellte kluge Zwischenfragen, die bewiesen, dass sie ihm durchaus folgen konnte.

„Endlich.“

Vater Wolff hatte den Plattenspieler in Gang gesetzt, und Michael und Gundula waren das erste Paar, das die Gelegenheit nutzte.

Sie tanzten viel. Anfangs hatte Gundula erwartet, dass Michael auch sie sitzen lassen würde, denn es gab sehr viel hübschere Mädchen an diesem Abend, aber nach jedem Pflichttanz kehrte er zu ihr zurück.

„Mit keiner tanze ich so gern wie mit Ihnen, Fräulein Wolff. Hoffentlich falle ich Ihnen nicht lästig, wenn ich Sie immer bitte. Es gibt bestimmt bessere Tänzer als mich …“

„Diese Bescheidenheit glaubt Ihnen niemand, Herr Vollmer“, erwiderte Gundula. „Sie wissen genau, dass Sie der beste Tänzer des Abends sind.“

Michael hörte ihre Feststellung keineswegs ungern. Die kleine Wolff war zwar kein hübsches Mädchen, aber die einzige Tochter eines reichen Vaters. Michael Vollmer war der Meinung, dass ein paar Millionen Mark mehr wert waren als entstellende Sommersprossen in einem Mädchengesicht.

Seine Tänzerinnen hatten ihn über Gundula und die finanziellen Verhältnisse der Wolffs ausreichend informiert, und der ganze Zuschnitt des Hauses bewies ihm schon, dass man hier nicht zu sparen brauchte.

Wer die einmal heiratet, hat keine Sorgen mehr, dachte Michael. Weshalb soll ich eigentlich nicht derjenige sein, der keine Sorgen mehr hat?

„Haben Sie auch solch einen Durst, Fräulein Wolff?“

Michaels Lächeln war einschmeichelnd. Er hatte seinen Arm unter ihren geschoben und drückte ihn leicht an sich.

„Ich fürchte, ich hab schon etwas zu viel getrunken.“

„Das glaube ich nicht. Lassen Sie uns anstoßen, Fräulein Wolff!“

Zum ersten Mal erlebte Gundula das, was hübschere Mädchen so oft erfuhren: im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, Komplimente zu hören, die ehrlich klangen, und begehrt zu werden.

„Er macht seine Sache wirklich ganz ausgezeichnet“, flüsterte Hartmann Wolff seiner Frau zu.

„Meinst du?“, fragte Irmgard skeptisch. Sie war der Meinung, dass dieser Student seine Aufmerksamkeit übertrieb. Er sollte Gundula gut unterhalten – sie aber nicht in sich verliebt machen, und offensichtlich legte der Mann es darauf an.

Was würde sein, wenn ihr Kind diesen Mann ernster nahm, als sie es durfte? Es war doch ausgeschlossen, ihr jemals reinen Wein einzuschenken und ihr zu sagen, dass der Vater Vollmers Komplimente bar bezahlte.

Schweißperlen traten auf ihre Stirn. Jetzt erst bemerkte sie, wie leichtsinnig Hartmann und sie gehandelt hatten, wie unüberlegt.

Dieser Vollmer gefiel ihr nicht mehr. Am liebsten hätte sie ihn zur Seite genommen und ihm kräftig ihre Meinung gesagt. Dabei tat er nur das, wozu er verpflichtet worden war: Er umwarb Gundula.

Nicht vorgesehen war, dass das Mädchen auf ihn hereinfiel. Ein Habenichts, ein Student ohne Vermögen und Herkommen, gehörte nicht in ihr Haus.

Vater Hartmann war sehr zufrieden. Er ahnte nichts von der Gefahr, in die Gundula hineingeriet. Er sah sie mit diesem Vollmer tanzen, ihr Gesicht war erhitzt, der Mann sagte etwas zu ihr, und seine Tochter nickte bejahend.

Dann gingen die beiden hinaus: Im Park war es kühler, sie waren keineswegs die einzigen, die die frische Luft und die Dunkelheit der Hitze im Saal vorzogen.

Sie hielten sich in einer entfernten, einsamen Ecke des Parks auf. Vollmer rauchte, das glühende Ende der Zigarette leuchtete ab und zu auf und erhellte sein markantes Gesicht.

Er schwieg. Sein Arm lag wie zufällig um Gundulas Schultern. Das Mädchen machte keine Anstalten, ihn von dort fortzustoßen. Ihr war, als gehöre er auf ihre Schulter und sie an seine Brust. Es war das erste Mal, dass sie mit einem Mann im Park stand.

Sie fand es sehr schön, Gundula hätte ewig so stehen mögen.

„Wird es Ihnen nicht zu kalt?“, fragte Michael.

Seine Stimme klang belegt. Er war aufgeregt, denn schließlich stammte er aus kleinen Verhältnissen, und Gundula war die Tochter eines reichen Mannes.

Sein geliehener Frack bedrückte ihn. Niemand ahnte, dass er ihn für zwanzig Mark Leihgebühr tragen durfte und morgen wieder abliefern musste.

„Woran denken Sie, Herr Vollmer?“, fragte Gundula.

Der Mann lächelte, und es war gut, dass das Mädchen vor ihm stand und sein Lächeln nicht sehen konnte. Es war verbissen und ohne jede Wärme.

Er zog sie fester an sich, und das Mädchen sträubte sich nicht.

„Ich darf es nicht sagen …“, flüsterte er.

Gundulas Herz raste. Seine Hand glitt von ihrer Schulter über ihre Arme und blieb an der Taille liegen.

„Müssen wir nicht wieder ins Haus?“, flüsterte Michael ihr zu. „Man wird uns vermissen.“

„Wenn Sie wollen, können wir noch bleiben. Die Luft ist so schön.“

Sie sagte Luft, meinte aber etwas anderes. Es war schön, dass er neben ihr stand, dass seine Hände sie umfassten und sein Atem ihr Gesicht streifte.

„Was werden Ihre Eltern denken?“

„Ist es nicht gleichgültig, Herr Vollmer?“, fragte Gundula leise. „Oder macht es Ihnen etwas aus?“

Ob ich jetzt ihr Haar küssen darf?, fragte sich Michael. Es duftete, ihr Haar war wirklich schön. Er beugte den Kopf und drückte seine Lippen in die blonde Pracht.

„Gundula“, hauchte er.

„Ich glaube, wir müssen ins Haus.“

Sie machte aber keine Anstalten, ihm voranzugehen. Hartmann Wolffs Tochter wusste nicht, wie man mit Männern kokettierte, wie man sie ermutigte, wie man sie zurückstieß und gleichzeitig aufforderte, sich weiter um sie zu bemühen.

„Müssen wir es wirklich?“, fragte der Mann.

Er drehte sie an den Schultern herum. Das Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Sie hatte schöne Augen, man konnte ihr Gesicht vergessen, wenn man in ihre Augen schaute.

Sie küssten sich, und beide wussten später nicht, ob es ihre Arme gewesen waren, die sich zuerst um seinen Hals geschlungen, oder seine Hände, mit denen er sie fest an sich gepresst hatte.

Ihre Lippen teilten sich unter seinem Kuss. Etwas in Gundula wurde frei, das vorher durch tiefe Enttäuschungen gefesselt gewesen war: ihr Vertrauen zu einem Mann, ihr Vertrauen zu seiner Liebe und zu seiner Ehrlichkeit.

„Ich weiß gar nichts von dir, Michael, und ich liebe dich trotzdem“, flüsterte Gundula. „Ist das nicht seltsam? Ich weiß, dass du mich nie enttäuschen wirst.“

„Nie“, gelobte der Mann, und als er es aussprach, meinte er es ehrlich. Sie war wirklich ein nettes Mädchen, und solange er es im Arm hielt und küsste, wusste er, dass es auf das bisschen äußerliche Schönheit gar nicht ankam, die man sonst für so wichtig hielt.

„Wann werden wir uns wiedersehen, Liebste?“, fragte er.

„Wann du willst, Michael. Ich will alles tun, was du willst.“

Eigentlich hätte der Mann auf das, was er heute erreicht hatte, stolz sein müssen, aber ein unbehagliches Gefühl blieb in ihm zurück, als er sich als einer der letzten Gäste verabschiedete.

Sein Gewissen mahnte ihn, ein unehrliches Spiel getrieben zu haben. Er wusste, dass er Gundula nicht beachtet hätte, wäre sie nicht zufällig die Tochter eines reichen Mannes gewesen.

Vater Hartmann steckte ihm unauffällig zweihundert Mark in die Hand.

„Sie haben Ihre Sache ausgezeichnet gemacht, Herr Vollmer.“ Er zwinkerte dem jungen Mann vergnügt zu. „Ich bin sehr froh, dass Sie es geschafft haben.“

Hoffentlich bleibst du es auch, alter Herr, dachte Michael, als er in seinem geliehenen Frack durch die schlafenden Straßen der Großstadt ging. Seine Studentenbude war klein, die Einrichtung erdrückend schäbig nach den eleganten Räumen, in denen er die letzten Stunden zugebracht hatte.

Wenn dieses Mädchen mich tatsächlich heiraten will, dann werde ich es geschafft haben, dachte Michael Vollmer.

Als er die Frackweste auszog und über den altmodischen Rohrstuhl legte, fiel sein Blick auf das Foto eines Mädchens. Er stutzte und krauste die Stirn.

Dann nahm er das Bild aus dem Rahmen heraus. Einen Augenblick schwankte er, ob er das Foto zerreißen oder fortwerfen oder doch lieber aufheben sollte.

Hilde war ein hübsches Mädchen. Hübsch und charmant und klug.

Und arm. Genauso arm wie er selbst.

Ich werde es in die Brieftasche tun, beschloss er, ich kann es ihr gelegentlich einmal zurückgeben.

Michael Vollmer war sich selbst gegenüber ehrlich genug, um zu wissen, dass es falsch war, jetzt mit der Vergangenheit einen Kompromiss zu schließen. Wenn er sich für Gundula Wolff entschied, dann durfte es keine anderen Mädchen in seinem Leben geben.

Hilde ist nur eine Kollegin, versuchte er sich einzureden.

Es war die halbe Wahrheit. Hilde war eine Kollegin – und außerdem seine Freundin.

Gundula braucht es nicht zu erfahren, dachte er, als er die Bettdecke über sich zog.

Mitten zwischen den beiden Hundertmarkscheinen, die er heute verdient hatte, lag das Foto eines hübschen Mädchens.

***

„Was ist nur mit Gundula los?“, fragte Vater Hartmann ein paar Tage später seine Frau, seine Stimme klang sehr zufrieden.

Irmgard krauste die Stirn. Sie wusste auch nicht ganz genau, wo sich ihre Tochter aufhielt, denn seit jenem Abend verließ sie häufig das Haus unter den nichtigsten Vorwänden.

Wahrscheinlich traf sie sich mit diesem Studenten. Irmgard überlegte, ob sie ihrem Mann gegenüber ihre Bedenken aussprechen sollte, unterließ es aber, als sie sah, wie zufrieden Hartmann Wolff vor sich hinlächelte.

„Sie ist jetzt immer so fröhlich“, fuhr der Mann fort. „Direkt hübsch geworden ist sie, findest du nicht auch, Irmgard?“

„Ja“, bestätigte seine Frau ohne jede Überzeugungskraft.

Gundula war nicht hübsch, sondern anziehend, ein Unterschied, den sie begriff, aber Hartmann natürlich nicht.

Gundula war auf dem Weg zu ihrem Rendezvous. Jeden Tag traf sie sich mit Michael Vollmer, und jeden Tag liebte sie ihn mehr. Der Mann hatte ihr das Gefühl zu geben verstanden, dass sie ein Mädchen sei wie alle anderen, begehrenswert und sympathisch.

Heute hatte Michael eine steile Falte auf seiner hohen, tiefbraunen Stirn, und sein Lächeln fiel etwas mühsam aus. Er hatte sich geärgert, dachte aber nicht daran, zu Gundula darüber zu sprechen.

Hilde hatte ihm Vorwürfe gemacht. Er vernachlässige sie, weiche ihr aus, und ob er etwa eine andere habe. Sie hatte ihn zur Rede gestellt, als gäbe ihr das, was zwischen ihnen vorgefallen war, ein Recht auf ihn.

Ich lasse mich nicht einfangen, hatte Michael gedacht.

Es war ihm schwergefallen, das erzürnte Mädchen nicht in den Arm zu nehmen. Sie war wirklich ungewöhnlich hübsch.

„Erzähl mir von deinen Vorlesungen“, bat Gundula.

Seit einiger Zeit beschäftigte auch sie sich mit volkswirtschaftlichen Fragen, um seinen Gesprächen folgen zu können.

Wie die meisten Männer sprach Michael gern von dem, was ihn augenblicklich beschäftigte. Er war Gundula für ihre Anteilnahme dankbar, aber heute fiel es ihm schwerer als sonst, sie an einer einsamen Stelle des Stadtparks in den Arm zu nehmen und zu küssen.

Hilde war schlank und temperamentvoll. Gundula aber war schüchtern und unerfahren.

„In einem Vierteljahr werde ich mein Examen machen.“

„Du schaffst es bestimmt spielend.“