Romantische Bibliothek - Folge 5 - Elsa Schmiede - E-Book

Romantische Bibliothek - Folge 5 E-Book

Elsa Schmiede

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Beschreibung

Nein, alles nur das nicht! Als die Gräfin Asta von Trattenberg erfährt, dass sie und ihr Mann das Schloss, in dem sie leben, verkaufen müssen, fühlt es sich an, als habe ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Dabei sorgt sie sich allerdings nicht um sich selbst. Sie selbst könnte auch in einfacheren Verhältnissen glücklich sein, solange sie nur ihren Mann Paul und ihren Sohn Emil bei sich hat. Doch sie weiß, dass Paul ohne das Schloss seiner Väter niemals glücklich sein könnte. Und auch der kleine Emil träumt von einer Zukunft als Graf von Trattenberg.

Schweren Herzens wendet sich Asta noch einmal an ihren Gläubiger Benno Zadeck und fleht ihn an, Paul seine Heimat zu lassen. Der wohlhabende Bankier ist tatsächlich dazu bereit, allerdings nur unter einer Bedingung: Asta muss sich von Paul scheiden lassen und anschließend ihn, Benno Zadeck, heiraten ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Das herrenlose Schloss

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Kateryna Yakovlieva

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1261-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das herrenlose Schloss

Eine junge Gräfin kämpft um ihr Zuhause – und um ihre Liebe

Von Elsa Schmiede

Nein, alles nur das nicht! Als die Gräfin Asta von Trattenberg erfährt, dass sie und ihr Mann das Schloss, in dem sie leben, verkaufen müssen, fühlt es sich an, als habe ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Dabei sorgt sie sich allerdings nicht um sich selbst. Sie selbst könnte auch in einfacheren Verhältnissen glücklich sein, solange sie nur ihren Mann Paul und ihren Sohn Emil bei sich hat. Doch sie weiß, dass Paul ohne das Schloss seiner Väter niemals glücklich sein könnte. Und auch der kleine Emil träumt von einer Zukunft als Graf von Trattenberg.

Schweren Herzens wendet sich Asta noch einmal an ihren Gläubiger Benno Zadeck und fleht ihn an, Paul seine Heimat zu lassen. Der wohlhabende Bankier ist tatsächlich dazu bereit, allerdings nur unter einer Bedingung: Asta muss sich von Paul scheiden lassen und anschließend ihn, Benno Zadeck, heiraten …

Graf Pauls sorgenvolles Gesicht erhellte sich, als er das Esszimmer betrat. Der Frühstückstisch war hübsch gedeckt wie immer, aber heute standen zusätzlich wundervolle dunkelrote Rosen in einer kostbaren Vase auf dem weißen Damasttischtuch.

„Du hast es also nicht vergessen“, sagte der Mann und beugte sich tief über die schmale, gepflegte Rechte seiner Frau.

Asta von Trattenberg lächelte liebevoll zu ihm auf.

„Wie könnte ich diesen Tag wohl jemals vergessen?“, fragte sie. „Es ist der Tag, an dem ich das große Glück gefunden habe. Sieben Jahre ist es nun her, und doch ist mir, als wäre es erst gestern geschehen.“

Graf Trattenberg hatte Platz genommen und führte die Tasse mit dem aromatisch duftenden Kaffee zum Munde.

„Bist du wirklich glücklich geworden?“, fragte er nachdenklich.

„Ja, Paul. Sehr glücklich. Ich wüsste nichts, was mir noch fehlte, was ich mir noch wünschen könnte. Ich habe alles, wovon eine Frau nur träumen kann. Vor allem dich und Emil.“

„Du bist eine gute Frau“, sagte der Mann schwer.

Er setzte die Tasse auf den Tisch zurück, ohne getrunken zu haben. Die tiefen Falten, die Gräfin Asta in letzter Zeit oft auf seiner Stirn beobachtet hatte, schienen ihr heute noch tiefer geworden zu sein.

„Bist du nicht glücklich?“, fragte sie bang und legte ihre Hand leicht auf seinen Arm.

Paul von Trattenberg stieß ein abwehrendes Lachen aus.

„Ich bin glücklich“, sagte er entschieden, aber es klang gar nicht so. Es hörte sich vielmehr so an, als versuchte er, jemanden zu überzeugen, der Grund hatte, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln.

Sie hatten jung geheiratet, und auch heute noch, mit fünfundzwanzig Jahren, wirkte die Gräfin durch und durch mädchenhaft. Niemand, der sie nicht kannte, hätte ihr einen sechsjährigen Sohn zugetraut.

„Schrecklich heiß heute, findest du nicht auch? Fast hätte ich es vergessen …“ Der Graf griff in die Jackett-Tasche und zog ein schmales, längliches Etui hervor. „Für dich. Mein Dank für all die Liebe und Güte, mit der du mich überschüttest. Ich hätte dir so gern mehr geschenkt …“

Es war eine Uhr, ein sehr schönes Stück, wenn auch sicherlich nicht besonders teuer. Astas Augen wurden feucht vor Rührung, als sie das Geschenk betrachtete. Nicht dessen Wert bedeutete ihr etwas, nur die Tatsache, dass Paul ihren Hochzeitstag nicht vergessen hatte.

„Ich danke dir“, sagte sie schlicht.

„Ich hätte dir so gern etwas Kostbares geschenkt. Der Juwelier hat herrlichen Schmuck. Aber wir können uns solche Sachen nicht erlauben.“

„Das macht doch nichts“, beruhigte ihn seine Frau. „Oder glaubst du, meine Zufriedenheit hinge vom Schmuck ab? Für mich ist nur eins wichtig: dass du mich liebst.“

„Du weißt, was du mir bedeutest, und gerade deshalb … es ist manchmal so schwer für mich. Ich möchte dich verwöhnen, dir jeden Wunsch von den Augen ablesen, doch stattdessen … Was kann ich dir schon bieten? Nicht einmal eine Zofe.“

Jetzt musste Gräfin Asta doch lachen. „Das ist allerdings tragisch“, stellte sie vergnügt fest. „Du glaubst gar nicht, wie sehr ich eine Zofe vermisse. Allein kann ich mich ja nicht anziehen …“

Der Mann schaute sie misstrauisch an. „Als wir heirateten, konntest du dir eine Zofe erlauben, auch ein Mädchen, das beim Essen servierte. Und jetzt …“

„Jetzt haben wir nur noch unser altes, treues Mienchen“, führte Frau Asta seinen Satz zu Ende. „Meinst du nicht, dass das genug ist?“

„Nicht für dich, du bist von Haus aus verwöhnt. Du bist es gewohnt, Ansprüche zu stellen.“

„Nein, du irrst dich. Meine Eltern haben keineswegs auf großem Fuß gelebt. Wir waren verhältnismäßig genügsame Leute. Und wie viel wir besitzen, hast du ja an der Mitgift gesehen, die Vater dir gab. Es war wenig genug …“

Der Mann starrte vor sich hin. „Du hängst sehr an Schloss Trattenberg, nicht wahr?“, fragte er.

„Ja“, bestätigte sie. „Aber du bist heute so seltsam, was ist denn nur los mit dir? Hast du irgendwelche Sorgen, Paul? Sprich offen mit mir, bitte. Was bedrückt dich?“

Der Mann schob den Kaffeelöffel auf dem Tischtuch nervös hin und her.

„Es ist alles nicht so schlimm. Vorübergehende Geldschwierigkeiten. Du weißt, dass die Ernte in den letzten Jahren nicht gut war. Es reichte immer gerade so zum Leben. Aber die Belastungen … Es ist alles so teuer geworden.“

„Dann schränken wir uns eben etwas mehr ein, was für eine Rolle spielt das denn schon? Kannst du nicht ein Darlehen aufnehmen?“

Der Mund des Mannes wurde schmal, so fest presste er die Lippen zusammen, als er verneinend den Kopf schüttelte.

„Brauchst du denn so notwendig Geld?“

„Ja“, sagte Graf Trattenberg schwer. „Ich werde Land verkaufen müssen. Wieder einmal. Diesmal den Buchenwald. Viel bringt er nicht, aber es hilft wenigstens etwas.“

„Den Buchenwald willst du verkaufen?“ Die junge Frau zeigte ungewollt deutlich, wie entsetzt sie darüber war. „Aber er ist doch so schön. Er gehörte doch schon immer zu Trattenberg.“

„Ja, aber ich brauche Geld. Asta, vielleicht sollte ich es dir nicht sagen, aber einmal muss ich es doch tun. Es besteht die Gefahr, dass wir …“

Er brachte den Satz nicht zu Ende. Tiefe Bewegung malte sich auf seinen Zügen.

„Dass wir Trattenberg verlieren?“, fragte die junge Frau mit belegter Stimme. „Meinst du das?“

Paul nickte. „Ich weiß keinen Ausweg mehr. Die Landwirtschaft bringt heutzutage nicht mehr genügend ein. Ja, könnten wir wirtschaften wie die drüben in Amerika, hätten wir große Flächen und entsprechend Maschinen …“

„Aber Gut Trattenberg ist doch groß!“

„Moderne Maschinen kosten sehr viel Geld. Das haben wir nicht, und niemand wird es uns leihen. Es ist die Schwierigkeit, vor der alle Landwirte stehen.“

Asta schloss gequält die Augen. Paul spielte mit der Absicht, den alten Familienbesitz zu verkaufen. Was sollte dann aus ihm werden?

Es schien, als spüre der Mann ihre unausgesprochenen Gedanken.

„Ich müsste versuchen, mir eine Stellung zu besorgen. Als Vertreter oder Inspektor, vielleicht auch als landwirtschaftlicher Berater bei der Regierung. Aber es wird nicht leicht sein, das weiß ich jetzt schon. Und Ackerland darf ich nicht verkaufen, sonst wird Trattenberg noch unrentabler. Wir haben zu viel Schulden auf dem Gut.“

„Aber du hast sie doch nicht gemacht!“, stieß die junge Frau hervor.

„Das spielt keine Rolle. Sie sind da, müssen verzinst und amortisiert werden. Niemand fragt danach, woher wir das Geld schaffen sollen. Es muss eben da sein.“

„Und wie lange … ich meine, seit wann fällt es dir schwer, das Geld aufzubringen?“, fragte die junge Frau zaghaft.

„Praktisch, seitdem ich aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause gekommen bin. Du weißt, dass keine Arbeitskräfte mehr da waren, kein Trecker, keine Maschinen. Sogar die Scheune hatten sie uns angesteckt! Ganz von vorn musste ich anfangen, ohne einen Pfennig Geld. Trattenberg ist nicht rentabel.“

„Aber für einen Käufer auch nicht. Wer würde ein unrentables Gut kaufen?“, fragte die junge Frau heftig.

„Die Bank würde es übernehmen, das Land aufteilen und an Kleinbauern verkaufen. Die wirtschaften ihren Lebensunterhalt heraus. Und unser Schloss … nun, vielleicht wird Zadeck es für sich behalten. Für den ist es ein gutes Geschäft, Asta. Der wartet nur auf solch eine Gelegenheit. Oder was meinst du, weshalb er mir so viel Geld geliehen hat? Aus Freundschaft bestimmt nicht.“

„Kein schönes Thema für unseren Hochzeitstag, findest du nicht auch?“

Paul senkte den Kopf. „Ich weiß auch nicht, weshalb ich davon angefangen habe. Ich hätte besser schweigen sollen. Es genügt, wenn einer Sorgen hat. Weshalb soll ich dich auch noch damit belasten? Verzeih mir, Asta.“

„Man heiratet, um seine Sorgen gemeinsam zu tragen, Liebster.“ Die junge Frau stand auf und schmiegte sich an seine Seite. „Und mach dir um die Zukunft nicht zu viele Gedanken, irgendwie wird sich schon ein Ausweg finden.“

„Sicherlich“, stimmte Paul ihr zu, aber Asta hörte, dass er es nur aus Höflichkeit sagte. Er sah wohl keinen Ausweg mehr. „Ich will wieder aufs Feld. Die Arbeit geht weiter, auch wenn wir die Ernte vielleicht für andere einbringen. Wenn sich das Wetter hält, kann es ja sein, dass wir dieses Jahr mehr herauswirtschaften als sonst.“

„Und dann reicht es?“, fragte Gräfin Asta schnell.

„Nein. Nur ein Wunder kann uns noch retten. Und an Wunder glaube ich nicht mehr.“ Paul hatte sich gleichfalls erhoben und den Arm um Astas Schultern gelegt. „Du hast dir einen feinen Mann ausgewählt. Einen Mann, der nicht einmal imstande ist, dir deine Heimat zu erhalten.“

„Unsinn, du wirst es schaffen! Außerdem liebe ich dich, ganz gleich, was geschehen wird. Lass den Kopf nicht hängen, Paul, das passt nicht zu dir! So schnell geht ein Trattenberg nicht unter.“

„Du hast recht. Wird es nicht Zeit, den Jungen zu wecken?“, lenkte Paul ab.

Asta nickte. „Er muss heute erst eine Stunde später in die Schule. Ich wünschte, ich könnte dir helfen.“

„Das kann niemand. Höchstens Zadeck, und der denkt gar nicht daran.“ Der Mann drückte einen Kuss auf Astas Mund, riss sich los und ging eilig davon.

Tränen im Blick schaute Asta ihm nach.

Das also ist es, was ihn seit Langem bedrückt, dachte sie. Wie schlimm muss es in ihm aussehen, wenn er heute mit mir so offen über seine Schwierigkeiten gesprochen hat.

Bis eben hatte Asta tatsächlich nicht geahnt, wie es um ihre Heimat stand. Deshalb konnte sie einfach nicht glauben, dass sie Schloss Trattenberg eines Tages verlassen musste.

Sie ging hinaus und schaute das Schloss von außen an, diesen trutzigen, alten Bau, der einen so wehrhaften Eindruck machte. Die Türme trugen noch die Schießscharten, und Paul hatte ihr von Kämpfen erzählt, die vor langen Zeiten um Schloss Trattenberg ausgefochten worden waren.

Das Mauerwerk zeigte noch Einschüsse von Gewehrkugeln, und der Schlossteich, auf dem jetzt die Seerosen blühten, hatte früher einem ernsthaften Zweck gedient. Er schützte das Schloss nach Süden gegen Feinde.

Die Grafen von Trattenberg und dieses Schloss gehörten untrennbar zusammen. Die junge Frau konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Paul irgendwo anders leben konnte. Er war ein geborener Herr, der sich niemandem beugen würde.

Und wenn er es musste, dann nur ihretwegen und des Kindes wegen. Aber er würde innerlich daran zugrunde gehen.

Es kann gar nicht sein, dass er ernsthaft glaubt, das Gut und Schloss aufgeben zu müssen, versuchte Gräfin Asta gegen die Stimme anzureden, die sie beunruhigte. Es gelang ihr nur nicht.

Wenn Paul hier fort musste … Sie war seine Frau, sie musste ihm helfen, mit all dem fertigzuwerden. Aber weil sie seine Frau war und ihn so gut kannte, sah sie voraus, wie alles kommen würde.

Paul würde verbittert werden und nie wieder lachen. Dafür würde er vom frühen Morgen bis spät in den Abend hinein schuften, weil er niemandem etwas schuldig bleiben wollte. Er würde sich sein Gehalt doppelt verdienen – und dabei vielleicht zugrunde gehen.

Asta fuhr sich über die Augen. Es durfte nicht so weit kommen!

Aber auch sie glaubte nicht an Wunder.

***

Emil gähnte mit weit aufgerissenem Mund, als seine Mutter ihn weckte.

Asta konnte sich an dem kleinen Kerlchen gar nicht sattsehen. Er hatte das Haar seines Vaters, dieses wirre, helle Haar, das sich keinem Kamm fügen wollte. Und auch die Augen waren wie die des Vaters: blau, strahlend und selbstsicher.

Im Moment war allerdings nichts von diesen Augen zu sehen, denn Emil rieb sich mit den Händen verschlafen die Lider.

„Aufstehen, du Faulpelz! Es wird Zeit, dass du dich fertig machst“, schalt sie liebevoll.

„Immer die olle Schule“, murrte Emil, erhob sich aber gehorsam. „Ich kann ja schon lesen und schreiben und auch rechnen, was soll ich denn da?“

„Du musst noch ganz viel lernen, damit du einmal so tüchtig wirst wie dein Vati“, sagte Asta liebevoll. „Marsch, ins Badezimmer, ich mache dir unterdessen dein Schulbrot fertig.“

„Streich aber die Butter nicht so dick wie sonst immer“, rief Emil ihr zu. „Oder doch. Gibst du mir heute mal eine Schnitte mehr mit?“

„Selbstverständlich, gern.“ Asta freute sich immer, wenn ihre Männer tüchtigen Hunger hatten. Und gerade Emil brauchte kräftiges Essen, denn er war noch im Wachsen.

Zehn Minuten später saß sie ihrem Jungen am Frühstückstisch gegenüber. Frisch gewaschen und gekämmt, machte Emil einen bestechenden Eindruck. Er hatte das schmale Gesicht seines Vaters, aber die Anmut seiner Mutter geerbt.

Er wurde von allen verwöhnt, ohne dass es seinem Charakter geschadet hatte. Manchmal hatte Asta schon Angst gehabt, wenn sie sah, wie beliebt er überall war, ohne etwas dafür tun zu müssen.

„So, dann will ich jetzt gehen. Hast du an die doppelten Frühstücksschnitten gedacht, Mutti?“

„Ja, habe ich. Vergiss den Apfel nicht.“

„Danke.“ Der Junge beugte sich vor und gab seiner Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor er sich schnell abwandte und hinauslief. Er war in einem Alter, in dem er sich für seine Zärtlichkeitsäußerungen schämte.

Stolz schaute Asta ihm nach, bevor sie den Tisch abräumte und das Geschirr in die Küche brachte.

Mienchen, das alte Faktotum des Hauses, strahlte die verehrte junge Herrin an.

„Hat er Ihnen heute auch eine zweite Frühstücksschnitte abgeluchst?“, fragte sie verschmitzt.

„Ja. Aber wieso? Wollen Sie damit sagen, dass er Sie ebenfalls um eine Schnitte gebeten hat?“

„Hat er“, sagte die rundliche Frau und nickte stolz. „Schon seit ein paar Wochen geht das so, und ich habe mich gefragt, woher plötzlich sein Appetit kommt. Morgens will er sonst ja immer nicht so viel essen. Mienchen, hab ich gedacht, da stimmt doch etwas nicht. Und wissen Sie, was ich rausgekriegt habe?“

Sie warf Asta einen fröhlichen Blick zu.

„Das erraten Sie nicht, und ich wollte es ja auch erst gar nicht glauben: Er isst das Brot gar nicht selbst, das verschenkt er. Sie kennen doch den Jochen, den Jungen der Schlurtrine, die im letzten Haus im Dorf wohnt. Die gibt ihm ja nie was zu essen mit, dem armen Kerl, und unser Emil hat das gemerkt und Jochen seine Schnitten gegeben. Soll man darüber nun schimpfen?“

„Nein“, sagte Gräfin Asta spontan. „Aber weshalb hat er uns nicht die Wahrheit gesagt?“

„Er hat ja nicht gelogen. Oder hat er Ihnen gesagt, dass er die Schnitten selbst essen will?“, fragte die alte Getreue streng.

„Nein, ich hielt es nur für selbstverständlich. Also mit Jochen teilt er sein Brot …“

„Kein Umgang für einen Grafen Trattenberg“, sprach Mienchen das aus, was in Astas Worten mitschwang. „Stimmt genau. Aber unser Emil weiß, was er wert ist, und deshalb macht es nichts, wenn er mit Jochen spricht. Und dass Jochens Mutter nicht viel taugt, ist ja nicht die Schuld des Jungen.“

„Was hat die Schlurtrine sich denn zuschulden kommen lassen?“, fragte Asta.

„Mit Männern rumgetrieben hat sie sich.“ Mienchen machte ein verbiestertes Gesicht. „Und dabei war sie so gut verheiratet …“

„So?“ Asta war erstaunt.

„Sie haben den Fritz nicht mehr gekannt, aber das war eine Seele von Mann. Er war viel zu gut für sie, und das hat die Trine ausgenutzt. Immerzu hatte sie andere, bis es dem Fritz zu dumm wurde und er abgehauen ist. Schade um den Jungen. Was soll aus dem mal werden, bei solch einer Mutter?“ Mienchen wiegte den Kopf voller Anteilnahme hin und her. „Aber das geht uns ja gottlob nichts an.“

Asta räumte die Zimmer auf und half dann Mienchen beim Kochen. Anfangs hatte die treue Seele sich dagegen gewehrt, weil sie meinte, solch eine Arbeit sei nichts für die Gräfin, aber allmählich musste sie sich mit Astas Hilfe abfinden.

Und sie tat es gern, denn die Herrin spielte niemals die Überlegene, sondern ließ ihr in ihrem Reich freie Hand. Dass Asta sie dennoch unauffällig leitete, merkte sie in ihrer Harmlosigkeit nicht.

***

Pünktlich wie immer kamen Paul und Emil zum Essen. Der Junge entwickelte einen Appetit, als hätte er seit Tagen nichts mehr zu beißen gehabt, während sein Vater nicht viel aß.

„Nun, hat Jochen dein Brot geschmeckt?“, fragte Asta beim Essen harmlos.

Emils Kopf ruckte hoch und wurde rot. „Hat Mienchen es dir erzählt?“

Asta nickte.

„Jochen tut mir leid. Und ich dachte, weil wir doch genügend zu essen haben … Bist du mir böse, weil ich ihm was abgegeben habe, Mutti?“

„Nein, ich bin stolz auf dich.“ Asta strich ihm leicht über sein strubbeliges Haar. „Aber nächstes Mal kannst du ruhig mehr Vertrauen zu mir haben.“

„Ja, Mutti.“ Der Kleine strahlte sie an, und es wurde Asta ganz warm ums Herz.

Als sie zur Seite schaute, sah sie, dass Emils Vater sie nachdenklich und zufrieden beobachtete. Als er ihren Blick auffing, lächelte auch er.

„Heute Abend werden wir eine Flasche Wein zusammen trinken“, schlug Paul beim Kaffee vor, den er stets nach dem Essen trank.

Er schaute nachdenklich auf seine Pfeife, die er beim Sprechen aus dem Mund genommen hatte.

„Unser siebenter Hochzeitstag … Es wird Zeit für die erste Ehekrise. Eigentlich seltsam, dass wir uns in all den langen Jahren noch niemals gezankt haben.“

„Mit dir kann man sich nicht zanken“, verriet Asta ihm. „Du bist gerecht, du gibst einem einfach keinen Anlass. Du bist eine ganz große Ausnahme, Paul, weißt du das?“

„Nein, aber ich werde es mir merken.“ Der Mann schmunzelte. „Du bist jetzt vollkommen zufrieden, nicht wahr? Ich habe dich glücklich gemacht. Aber wie wird es sein, falls wir einmal nicht mehr auf Trattenberg leben? Dann kommen auch in unserer Ehe die Krisen.“

„Nein, bestimmt nicht, das weiß ich. Glaubst du wirklich, dass meine Liebe von Äußerlichkeiten abhängig ist?“

„Das nicht.“ Paul schüttelte den Kopf und zog an seiner Pfeife. „Aber das Leben in kleinen Verhältnissen, die Abhängigkeit von anderen … Es wird sehr schwer sein, sich nach anderen richten zu müssen. Manche Menschen sind recht kleinlich, weißt du? Sie schikanieren andere gern. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie müssen sie wohl Freude daran empfinden. Vielleicht werden wir eines Tages zu denen gehören, die man schikanieren darf.“

Graf Trattenberg klopfte die Pfeife im Aschenbecher aus. Sein Gesicht wirkte wieder sehr besorgt.

„Wenn ich mir vorstelle, dass irgendjemand dich anmeckert oder dir Befehle gibt …“

„So weit wird es ja nicht kommen. Mal den Teufel nicht an die Wand, Paul. Noch leben wir hier, und so Gott will, werden noch unsere Enkelkinder Trattenberg bewohnen.“

„Schön wäre es. Aber vielleicht wird Emil eines Tages vor mir stehen und mich fragen, was ich mit seinem Erbe getan habe. Manchmal glaube ich, seine Stimme zu hören. Und was werde ich ihm antworten?“

Paul von Trattenberg senkte den Kopf.

„Ich habe früher nie mit dir darüber gesprochen, weil ich immer noch hoffte, es würde irgendeinen Ausweg geben“, bekannte er. „Aber ich sehe jetzt keinen mehr. Ich kämpfe jeden Tag gegen das Schicksal an. Aber ich kann es nicht regnen lassen, wenn wir Regen brauchen, ich kann keine Sonne herbeizaubern, damit das Korn schneller reift. Ich kann nur arbeiten. Und das ist nicht genug.“

Asta setzte sich auf die Lehne seines Sessels und legte den Arm um ihn. „Wir drei werden es schon schaffen. Auch wenn wir Trattenberg aufgeben müssen.“

***

Am Nachmittag wurde Asta der Besuch von Herrn Zadeck gemeldet.

„Er hat nach dem Grafen gefragt. Als ich ihm sagte, dass der draußen zu tun hat, da meinte er, ob er Sie wohl sprechen dürfe. Soll ich ihn reinführen?“ Mienchens Gesicht verriet, wie wenig sie Zadeck schätzte. „Und Blumen hat er Ihnen mitgebracht, einen ganzen Arm voll. Er will wohl zeigen, dass er Geld hat.“

Ein blasses Lächeln huschte über Astas Züge. Eine spitze Zunge kannte sie bei Mienchen eigentlich nicht, und sie glaubte nicht, dass Bankier Zadeck es für nötig hielt, seinen Reichtum zur Schau zu stellen.

Eine Minute später trat der Besucher ein.

„Verzeihen Sie die Störung, Gräfin.“ Zadeck führte Astas Rechte ungeschickt an die Lippen, und fast hätte die Gräfin ihm die Hand entrissen. „Die Blumen sind für Sie. Hübsch, nicht wahr?“

Selbstgefällig betrachtete Zadeck den Strauß, den er Asta in den Schoß gelegt hatte.

„Ich habe drei Geschäfte abgefahren, bis ich endlich etwas fand, das zu Ihnen passt. Schäbigen Kram mag ich einer Dame wie Ihnen nicht anbieten.“ Benno Zadeck nahm Platz und zog die Hosenbeine pedantisch hoch, um die Bügelfalte nicht zu gefährden. „Sie werden von Woche zu Woche schöner, Gräfin.“

Unwillkürlich hob Asta abwehrend den Blumenstrauß in die Höhe, wie um sich hinter den bunten Blüten zu verstecken. Es war ihr, als habe sein Blick sie körperlich berührt.

„Mein Mann wird erst gegen siebzehn Uhr zurückkehren. Es tut mir leid, dass Sie den Weg hierher vergeblich gemacht haben. Möchten Sie vielleicht auf ihn warten?“

„Nein. Aber vergeblich gemacht habe ich den Weg nicht. Es ist mir ein unendliches Vergnügen, mit Ihnen plaudern zu dürfen, Gräfin.“

Asta wusste auf dieses plumpe Kompliment nichts zu erwidern. In seiner Art war Zadeck sicherlich ein netter Mann, nur lag ihr sein Gebaren nicht. Paul war ihm zu Dank verpflichtet, das wusste sie, denn Zadeck hatte ihm häufiger kleine und größere Darlehen gegeben.

„Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten? Kaffee, Tee oder vielleicht ein Gläschen Kognak?“

„Bitte, machen Sie sich meinetwegen nur keine Umstände“, wehrte Zadeck heftig ab. Sein Haar war schütter, und eine beginnende Glatze suchte er sorgfältig durch geschicktes Kämmen zu verbergen.

Sicherlich steht er jeden Morgen lange vor dem Spiegel, dachte Asta.

„Trinken Sie keinen Kognak mit?“, fragte der Bankier. Er hatte keinen Blick von Asta gelassen, während sie das Schwenkglas für ihn eingoss. Ein sehnsüchtiger Ausdruck lag dabei auf seinem Gesicht. Er hatte seine Züge allerdings sofort wieder unter Kontrolle, als die Gräfin zurückkam.

„Ich mache mir nicht viel aus Alkohol“, erklärte Asta.

Benno Zadeck nippte nur an seinem Glas und stellte es wieder auf den Tisch zurück.

„Sie haben ein schönes Heim, Gräfin“, stellte er fest.

„Ja, wir hängen sehr an Trattenberg.“ Asta fragte sich, ob Zadeck seine Bemerkung nur so gesagt hatte oder ob er sich etwas Bestimmtes dabei dachte. Von Paul wusste sie, dass dieser Mann sehr gefährlich war.