Romantische Weihnachten mit Susan Mallery - Susan Mallery - E-Book
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Romantische Weihnachten mit Susan Mallery E-Book

Susan Mallery

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Beschreibung

LEIDENSCHAFT UND PFEFFERKUCHEN

Es gibt keine Probleme, nur Lösungen, findet die quirlige Darcy und stürzt sich voller Elan auf ihr vorweihnachtliches Gute-Laune-Projekt: den attraktiven, aber viel zu ernsten Detective Mark Kincaid. Dessen Melancholie hat keine Chance gegen den Charme - und die unwiderstehlichen Pfefferkuchen - der hübschen Nachbarin. Zwischen den beiden funkt es geradezu explosionsartig. In der Hoffnung, dass mehr aus der leidenschaftlichen Affäre wird, verschweigt Darcy jedoch ein wichtiges Detail ihres Lebens. Was sie nicht ahnt: Mark hat aus schmerzlicher Erfahrung gelernt, sich von Frauen mit Geheimnissen fernzuhalten …

LEIDENSCHAFT UND WEIHNACHTSKÜSSE

Ein Schlag auf den Kopf - und ihre Vergangenheit ist wie ausgelöscht. Als Angela aufwacht, hockt ein verführerisch starker Mann neben ihrem Bett, vorgeblich Deputy Sheriff Shane McBride. Der hält sie zwar sicher für keine Mörderin, aber doch irgendwie für verdächtig. Jedenfalls stellt er ihr viele Fragen, die sie nicht beantworten kann. Stattdessen gibt Angela sich dem Traum hin, jetzt ein ganz neues Leben zu beginnen. Womöglich kann sogar dieser starke Mann dazugehören, den sie sich gern als Geschenk unter dem Tannenbaum wünschen würde …

MISTELZWEIG UND WEIHNACHTSKÜSSE

Von wegen "Oh du fröhliche"! Die Adventsstimmung ist Feuerwehr-Captain Jordan Haynes gründlich verhagelt. Denn bei dem Versuch, eine Katze zu retten, hat er sich so übel verletzt, dass er das Bett hüten muss. Immerhin hat die kratzbürstige Mistletoe überlebt, und ihre ebenso dankbare wie hübsche Besitzerin Holly tut alles, um ihm den Krankenstand mit Keksen und netten Plauderstunden zu versüßen. Der geborene Herzensbrecher ist bezaubert von ihrer offensichtlichen Unerfahrenheit im Umgang mit Männern und nimmt sich fest vor, Holly nicht zu nahe zu treten. Wie sich herausstellt, ist das aber leichter gesagt als getan. Und bald flammt heiße Leidenschaft zwischen ihnen auf …

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Seitenzahl: 778

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Susan Mallery

Romantische Weihnachten mit Susan Mallery

Susan Mallery

Leidenschaft und Pfefferkuchen

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Tatjána Lénárt-Seidnitzer

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieser Ausgabe © 2013 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Christmas in Whitehorn

Copyright © 2001 by Harlequin Books S.A.

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Bettina Lahrs

Titelabbildung: Harlequin Enterprises, S.A., Schweiz

Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

ISBN epub 978-3-95576-323-7

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

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Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder

auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

1. KAPITEL

„Westernomelett mit extra Bacon, dazu Kaffee“, bestellte Mark Kincaid, ohne von seiner Morgenzeitung aufzublicken. Er hatte in der vergangenen Nacht nicht geschlafen und fühlte sich wie gerädert. Allerdings konnte er schon seit der Schießerei nicht mehr schlafen und sollte sich eigentlich nicht mehr darüber wundern. Vielleicht gewöhnte er sich ja irgendwann daran, stundenlang an die Decke zu starren und sich dabei vergeblich zu bemühen, die Ereignisse zu vergessen, die beinahe zu seinem Tod geführt hätten.

„Das glaube ich nicht.“

Zuerst dachte er, dass er sich die sanfte Stimme nur eingebildet hätte und es sich dabei um einen Kommentar hinsichtlich seiner Hoffnung, sich an die Schlaflosigkeit zu gewöhnen, handelte. Dann wurde ihm bewusst, dass sie von der zierlichen Blondine stammten, die an seinem Tisch stand.

Er sah zu der Kellnerin hoch. Sie schenkte ihm ein Lächeln. Er erwiderte es nicht. „Wie bitte?“

„Ich habe Nein gesagt. Sie können das nicht zum Frühstück bestellen. Sie essen jeden Tag dasselbe, und es ist ungesund. Vier Eier, Schinken, Käse und dazu auch noch Bacon! Das reicht, um ein Pferd umzubringen.“

„Zum Glück bin ich kein Pferd.“

Ihr Lächeln wurde breiter, und ihre Augen funkelten belustigt. „Gutes Argument, Detective. Okay, es ist genug Cholesterin, um die Arterien eines menschlichen Wesens zu verstopfen. Wie wäre es mit Haferbrei? Untersuchungen haben bewiesen, dass der regelmäßige Verzehr von Hafermehl den Cholesterinspiegel senken kann, in manchen Fällen sogar beträchtlich.“

Mark faltete seine Zeitung zusammen und richtete die ganze Aufmerksamkeit auf die Servicekraft. Sie trug eine weiße Schürze über einem pinkfarbenen Kleid. Zwei Schmetterlingsclips hielten ihr kurzes blondes Haar aus dem Gesicht. Sie war sehr hübsch anzusehen – für einen Mann, der an solchen Dingen interessiert war. Er war es nicht.

Er schob seine Kaffeetasse an den Rand des Tisches. Die Kellnerin verstand den Wink und schenkte aus der Thermoskanne in ihrer Hand nach.

Dann schlürfte er das heiße schwarze Gebräu und hätte beinahe vor Wonne geseufzt, als es ihm durch die Kehle rann. Kaffee verbesserte deutlich seine Weltanschauung. „Westernomelett“, wiederholte er entschieden. „Mit extra Bacon.“

Einen Moment lang presste sie die vollen Lippen zusammen, bevor sie vorschlug: „Wollen Sie nicht doch lieber Obst dazu nehmen? Es ist erntefrisch.“

Er fixierte sie mit jenem finsteren Blick, den er sehr erfolgreich gegenüber dem Abschaum dieser Welt eingesetzt hatte – damals während seiner Dienstzeit als Detective in New York.

Die Kellnerin – auf ihrem Namenschild stand Darcy – hätte eingeschüchtert die Flucht ergreifen sollen. Stattdessen murmelte sie vor sich hin, dass manche Leute starrsinniger seien, als es ihnen guttue. Dabei kritzelte sie etwas auf ihren Schreibblock. „Ich muss Ihnen sagen, dass ich diese Bestellung wider besseres Wissen aufnehme“, teilte sie ihm mit.

„Was ist aus der Maxime geworden, dass der Gast immer recht hat?“

„Recht zu haben, wird Ihnen nichts nützen, wenn Sie tot sind.“

Ihre Bemerkung klang entschieden zu fröhlich in seinen Ohren. „Es ist noch ein bisschen früh für einen philosophische Disput. Warum heben Sie sich Ihre Weisheiten nicht für den Mittagstisch auf?“

Sie grinste. „Lassen Sie mich raten – Sie kommen heute nicht zum Lunch, stimmt’s?“

Er zuckte mit den Schultern. Er hatte tatsächlich andere Pläne.

„Ich gebe das sofort weiter.“ Sie wedelte mit dem Block, drehte sich auf dem Absatz um und eilte in die Küche.

Mark wandte sich wieder der Zeitung zu, doch er begriff gar nicht, was er las. Denn seine Gedanken weilten immer noch bei Darcy. Unwillkürlich versuchte er, sich zu erinnern, was er über sie wusste. Sie war neu in der Stadt. Sie musste irgendwann im Laufe der acht Jahre, die er auswärts verbracht hatte, zugezogen sein. Sie war jung, Anfang zwanzig, attraktiv – nicht, dass es ihn kümmerte – und von Natur aus veranlagt, viel Wirbel um Dinge zu machen, die sie eigentlich nichts angingen. Sie triezte all ihre Stammgäste gleichermaßen, indem sie die Vorzüge von Orangensaft mit seinem hohen Gehalt an Vitamin C anpries, Kinder vor Karies durch Süßspeisen warnte, Salate anstatt Hamburger aufdrängte. Alle schienen diese besondere Aufmerksamkeit zu lieben. Alle außer Mark.

Er schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden, und befasste sich erneut mit der Zeitung vor ihm. Allmählich rückte die Umgebung in den Hintergrund, während er die Footballergebnisse vom Vortag studierte. Vielleicht schafften die Dallas Cowboys in diesem Jahr den Aufstieg. Vielleicht …

Ein kleiner Teller tauchte in seinem Gesichtsfeld auf. Darauf lagen halb übereinanderdrapiert drei Scheiben, die in seinen Augen seltsam und undefinierbar aussahen.

Er blickte zu Darcy hoch.

„Reißen Sie mir nicht den Kopf ab. Das ist eine Empfehlung des Hauses. Wir ziehen in Erwägung, den Lieferanten für unsere Backwaren zu wechseln. Das ist eine Kostprobe von einem der neuen Produkte. Was halten Sie davon?“

Die Scheiben stammten von irgendeinem großen Laib. Die Farbe war gelblich-orange. „Was ist das?“

„Kürbisbrot.“

Mark schob den Teller von sich. „Ich esse vormittags kein Gemüse.“

Sie starrte ihn an, als hätte er gerade den ersten Preis in einem Dummheitswettbewerb gewonnen. „In Ihrem Omelett sind Paprikaschoten. Außerdem ist Kürbis kein Gemüse.“

„Wollen wir wetten?“

„Okay, rein botanisch gesehen ist es Gemüse, wegen der Samen und so. Aber wir essen ihn in Kuchen. Das macht ihn zu Obst, ehrenhalber. Probieren Sie doch mal. Es schmeckt wirklich gut.“

Das wagte er zu bezweifeln. „Warum Kürbisbrot?“

„Wegen Thanksgiving. Das ist am Donnerstag. Haben Sie das vergessen?“

Er hatte es tatsächlich vergessen, weil er sich nicht um Feiertage scherte. Nicht mehr. Früher, als er sich ganz allein um Maddie gekümmert hatte, war es ihm wichtig erschienen, die Feiertage außergewöhnlich zu gestalten. Seine kleine Schwester war noch ein Kind gewesen, als sie ihre Eltern verloren hatten. Aber in letzter Zeit … Was hatte es noch für einen Sinn?

„Dann ist hier am Donnerstag wohl geschlossen“, stellte er fest. Er musste sich also sein Frühstück selbst zubereiten. Oder auch nicht. Kochen war ihm zu mühsam.

Darcy musterte ihn neugierig. „Sagen Sie, Detective, was haben Sie für den Feiertag geplant?“

„Ist meine Bestellung noch nicht fertig?“

Sie nickte bedächtig. „Wusste ich es doch. Sie sind der Typ Einzelgänger, stimmt’s? Sie werden den Tag ganz allein verbringen und den Kopf hängen lassen.“

Er starrte sie finster an. „Ich lasse den Kopf nicht hängen.“

„Aber Sie werden allein sein.“

Mit einer ausladenden Armbewegung umfasste er das halb volle Hip Hop Café. „Haben Sie keine anderen Gäste zu bedienen?“

Sie blickte um sich. „Eigentlich nicht, aber danke für den Hinweis. Ich bin der Meinung, dass niemand Feiertage allein verbringen sollte. Sie müssen ausgehen.“

Zu seinem Glück ertönte ein schrilles Klingeln, das Darcy zurück in die Küche rief.

Kaum eine Minute später kehrte sie mit seinem Frühstück zurück. „Ich meine es ernst. Einsamkeit macht die Feiertage schlimmer, als sie sein müssten. Haben Sie keine Familie in der Stadt?“

Mark dachte an seine Schwester, die das verlängerte Wochenende auf Reisen verbringen wollte. „Nein.“

„Dann kommen Sie doch zu mir. Es gibt Truthahn mit allem Drum und Dran. Alles ist selbst gemacht. Es kommen ganz viele Leute, es wird Ihnen gefallen. Sie müssen nicht mal reden, wenn Sie nicht wollen. Obwohl es Ihnen nicht schaden könnte, ein bisschen gesprächiger zu sein, wenn Sie mich fragen.“

Er stöhnte. Es hatte ihm gerade noch gefehlt, in die Fänge einer Gesundheitsfanatikerin und Weltverbesserin zu geraten. Vermutlich nahm sie Tofu als Füllung für den Truthahn und propagierte bei der Zusammenkunft ausschweifend die Wichtigkeit, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben. Er öffnete den Mund, um das Angebot abzulehnen, doch da wandte sie sich ab und verschwand in der Küche.

Sekunden später kehrte sie mit der Kaffeekanne zurück, schenkte ihm nach und eilte sofort wieder davon. In den nächsten zehn Minuten kümmerte sie sich um andere Gäste, diskutierte mit ihnen über die Bestellungen und mied Marks Nähe.

Ihm blieb also genug Zeit, um sich etwa fünfzig Gründe auszudenken, aus denen hervorging, dass er die Einladung ablehnen musste.

Als Darcy mit der Rechnung an seinen Tisch kam, brachte er es jedoch nicht über sich, etwas zu sagen, das ihr strahlendes Lächeln gedämpft hätte.

„Um welche Uhrzeit?“, fragte er, wobei der Versuch, liebenswürdig zu klingen, eindeutig fehlschlug.

Verwundert hakte sie nach: „Sie nehmen an?“

„Haben Sie es sich schon anders überlegt?“

„Nein. Ganz und gar nicht. Sagen wir um vier? Wir essen um fünf.“ Sie zögerte. „Wissen Sie, wo ich wohne?“ Im nächsten Moment errötete sie. „Blöde Frage.“

Zum ersten Mal an diesem Tag, womöglich zum ersten Mal seit mehreren Tagen, lächelte Mark. „Ja, Darcy. Ich weiß, wo Sie wohnen.“

Darcy Montague lehnte die Stirn an die Tür ihres Spinds und stöhnte. Die gute Nachricht war, dass sie sich als Idiotin des Monats nominieren lassen konnte. Was in aller Welt hatte sie sich nur gedacht?

„Bitte sag mir, dass du deinen Kopf nicht gegen die Wand knallst!“, flehte Janie Carson Austin, die Geschäftsführerin des Hip Hop, während sie den kleinen Lagerraum betrat. „Du bist meine verlässlichste Kraft, und wenn du durchdrehst, ist meine Feiertagslaune dahin.“

Darcy richtete sich auf und zwang sich, ihre Vorgesetzte anzulächeln. „Kein Kopfknallen. Das verspreche ich. Ich denke bloß über den Stand der Dinge in meinem Leben nach.“

„Und der wäre?“

„Großartig.“ Sie ignorierte die Stimme in ihrem Kopf, die ihr sagte, dass es unglaublich dumm gewesen war, Mark Kincaid zu sich nach Hause einzuladen. Ausgerechnet Mark Kincaid – Whitehorns Antwort auf Brad Pitt und Tom Cruise in einer Person!

Hatte sie ihm tatsächlich gesagt, dass er mit niemandem reden musste, solange er in ihrem Haus war, nur um sich praktisch im selben Atemzug darüber zu beschweren, dass er nicht gesprächig genug war? Du hast total wirres Zeug geplappert. Wie peinlich ist das denn.

Janie lehnte sich an den Türrahmen. „Dein Kürbisbrot ist ein großer Hit. Vielleicht sollten wir nächste Woche etwas Neues ausprobieren.“

Darcys Stimmung hob sich augenblicklich. „Danke. Ich lasse mir etwas ganz Besonderes einfallen. Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, dass du mir diese Chance gibst.“

Janie – hübsch, blond, dreißig Jahre alt – zuckte mit den Schultern. „Ich bin unseren langjährigen Lieferanten gern treu, aber ich schulde auch meinen Gästen das Beste. Wenn dein nächstes Produkt genauso gut ist wie dieses und der Preis stimmt, werde ich empfehlen, dass wir die Backwaren in Zukunft immer von dir beziehen.“

„Ich werde dich nicht enttäuschen.“

„Ich habe vollstes Vertrauen in dich“, erwiderte Janie, und damit ging sie hinaus.

Darcy machte einen kleinen Luftsprung und setzte sich auf die Bank vor den Spinden. Ich habe vollstes Vertrauen in dich. Wer hätte je gedacht, dass sie diese Worte einmal hören würde? Lange Zeit hatte sie nicht an sich selbst geglaubt. Doch inzwischen trafen verlässlich, ehrlich, ordentlich und all die anderen hübschen Bezeichnungen, die auf „-lich“ endeten, tatsächlich auf sie zu. Nicht schlecht für eine ehemalige Niete.

Sie freute sich beinahe so sehr über das Kompliment wie über die Chance, ihr Geschäft namens Darcy’s Delectables zu expandieren. Wenn sie einen Festvertrag mit dem Hip Hop Café an Land ziehen konnte, bedeutete das einen großen Schritt in die Richtung, ihr minimales Sparkonto aufzupolstern. Dann nahm ihr Leben eindeutig eine Wende zum Besseren.

Sie konnte sich wirklich selbst auf die Schulter klopfen. Oder aber sie kümmerte sich um dringendere Angelegenheiten wie die Tatsache, dass sie Mark Kincaid zu Thanksgiving eingeladen hatte.

Ihre gute Laune verflog augenblicklich. Es ging nicht darum, dass es ihr widerstrebte, den Mann in ihrem Haus zu haben. Wie auch? Er war eine wahre Augenweide. Das war natürlich auch ein Teil des Problems. Sie hatte seit fünf Jahren keinen näheren Kontakt zu Männern. Diese Tatsache trug sicher dazu bei, dass Mark ihr so gewaltig unter die Haut ging. Die Kombination aus toller Figur, tiefsinnigen grünen Augen und charmant-verwegenem Lächeln stellte eine unglaubliche Versuchung dar. Etwas, für das sie momentan so gar keine Zeit aufbringen konnte.

Zu allem Überfluss war er überzeugter Single. Ihres Wissens gab er sich überhaupt nicht mit Frauen ab. Nicht, dass sie ihn ausspioniert hatte, aber sie lebten nun einmal Tür an Tür. Sie teilten sich ein Duplex am anderen Ende der Stadt. Er war einige Monate nach ihr eingezogen, und da er so verdammt gut aussah, war es unmöglich gewesen, ihn zu übersehen. Sie verfolgte nicht unbedingt jede seiner Bewegungen, aber ein kleines bisschen wusste sie Bescheid darüber, wann er kam und ging.

Du bist verknallt in ihn. So, nun war es eingestanden. Sie schwärmte für ihn, und das machte ihr Angst. Was, wenn er es merkte? Die Demütigung würde ich nicht überleben, und momentan kann ich es mir nicht leisten zu sterben.

„Ich werde ja nicht mit ihm allein sein“, murmelte sie aufmunternd vor sich hin, während sie aufstand und in den Gastraum zurückkehrte. Acht weitere Personen waren an Thanksgiving zum Dinner in ihr Haus geladen. Da fiel Marks Anwesenheit sicherlich kaum ins Gewicht. Bei einem so großen Puffer aus anderen Leuten zwischen ihnen konnte sie womöglich sogar vermeiden, dass sie sich ihm gegenüber zum Affen machte.

„Tut mir echt leid, dass ich so kurzfristig absagen muss“, verkündete Millie Jasper am nächsten Morgen. Sie versuchte, betrübt zu klingen, aber stattdessen strahlte sie vor Freude.

„Ich verstehe“, erwiderte Darcy, weil sie wirklich Verständnis dafür aufbrachte. Es gefiel ihr nur nicht sonderlich. „Wenn deine Eltern möchten, dass du über die Feiertage nach Hause kommst, ist das viel besser, als hierzubleiben.“

Millie setzte sich den zweijährigen Ronnie von einer Hüfte auf die andere. „Ich hoffe, dass sie mir anbieten, wieder nach Hause zu ziehen“, gestand sie ein. „Seit Ron mit seiner hohlköpfigen Tussi durchgebrannt ist, habe ich ganz schön zu kämpfen. Deshalb kommt es mir fast wie ein Wunder vor.“

Darcy wusste, dass Wunder nicht oft passieren. Sie tätschelte ihrer Freundin den Arm. „Fahr nach Hause. Versöhn dich mit deinen Eltern, und sieh zu, dass du noch mal von vorn anfangen kannst. Ich werde dich an Thanksgiving vermissen, aber so ist es viel besser.“

„Danke. Du bist echt lieb.“

Millie umarmte sie, was Ronnie dazu verleitete, Darcy einen klebrigen Schmatzer auf die Wange zu geben. Dann winkten die beiden zum Abschied und verließen das Café.

„Keine Panik“, ermahnte Darcy sich. Sie griff nach einem Tuch und begann, die Theke abzuwischen. „Es kommen immer noch vier andere Leute zum Dinner.“

Vier Leute plus ihm, dachte sie. Inzwischen weigerte sie sich nämlich, namentlich an Mark Kincaid zu denken. Ihr Inneres verhielt sich in letzter Zeit sehr seltsam, wenn sie ihn im Geist vor sich sah oder seinen Namen sagte. Ihr Herz pochte, sobald sie an ihn dachte, und im Magen flatterte es. Das erschien ihr beängstigend und irgendwie bestürzend.

„Ich tue nur ein gutes Werk“, sagte sie sich entschieden. „Es ist absolut nichts Persönliches dabei.“

Und das ist eine verdammte erbärmliche Lüge.

Leichter Schnee fiel am Dienstagabend, als Mark über die Auffahrt joggte, die zum Duplex zurückführte. Er hatte sich übernommen, und es stach ihn in der Seite. Bei jedem Schritt ziepte und zerrte es in den noch nicht verheilten Muskeln. Er würde für die zusätzlichen Meilen am nächsten Morgen bezahlen, wenn er steif und unter Schmerzen aufwachte. Vorausgesetzt, dass er überhaupt Schlaf fand.

Zumindest kann ich joggen gehen und die Konsequenzen ertragen, rief er sich in Erinnerung, während er um eine Wegbiegung rannte. Eine ganze Zeit lang war er nicht einmal sicher gewesen, ob er überhaupt überleben würde. Jetzt wusste er, dass ihm eine vollständige Genesung bevorstand und sein Leben – abgesehen von einigen Narben und einer etwas zynischeren Einstellung zur Welt – wie vorher weitergehen würde. Oder etwa nicht? Konnte er nach allem, was Sylvia ihm angetan hatte, je wieder einer Frau vertrauen?

Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken an sie zu verscheuchen. Die Auffahrt verbreiterte sich und führte kreisförmig an dem einstöckigen Duplex vorbei. Gerade wollte er zu seiner Hälfte laufen, da sah er seine Nachbarin bei ihrem Auto stehen und sich mit einem großen Gegenstand auf dem Rücksitz abmühen.

Mark verlangsamte seinen Schritt. Das ist nicht dein Problem, ermahnte er sich. Tür an Tür mit jemandem zu wohnen verpflichtete ihn zu nichts. Er blieb etwa zehn Fuß von ihrem Auto entfernt stehen. Ihrem uralten Auto. Der ausländische Kleinwagen hatte schon bessere Zeiten erlebt und eindeutig zu viele Meilen gefressen. Stellenweise war die grüne Farbe abgeblättert, das Blech verrostet und die hintere Stoßstange verbeult. Aber die Winterreifen sahen recht neu aus. Zumindest war Darcy klug genug, angesichts des bevorstehenden Winters auf ihre Sicherheit zu achten.

Sie schlang die Arme um das, was auch immer auf dem Rücksitz klemmte, und versuchte, sich aufzurichten. Es gelang ihr nicht, stattdessen taumelte sie einige Schritte rückwärts.

Ohne nachzudenken eilte er zu ihr und nahm ihr das Ding ab. Es stellte sich als ein sehr großer, schwammig-weicher Truthahn heraus.

Darcy blinzelte ihn an. „Mark. Hi.“

Eine blaue Daunenjacke ließ ihre großen Augen so tiefblau leuchten wie den Sommerhimmel. Schneeflocken hingen an ihren blonden Locken. Ihr allgegenwärtiges Lächeln vertiefte sich.

„Danke für die Rettung.“ Sie deutete auf das monströse Federvieh, das er sich betreten an die Brust drückte. „Ich weiß, dass er viel zu groß ist, aber ich musste ihn extra bestellen – Sie wissen schon, um Frischware zu kriegen. Und ich konnte nur zwischen einem mickrigen Ding und einem Riesenvogel wählen, der für eine ganze Kompanie reicht. Mein Ofen ist riesig, also habe ich mich für dieses Ungetüm entschieden. Ich kenne ungefähr eine Million Arten, um übrig gebliebenen Truthahn zu verwerten. Deshalb macht es nichts, wenn wir zu Thanksgiving nicht alles aufessen.“ Sie hielt inne, um Luft zu holen. „Ich weiß, dass frische Truthähne viel teurer sind, und außerdem ist dieser im Freiland aufgewachsen, aber es ist ja schließlich nur ein Mal im Jahr, verstehen Sie?“

Der eisgekühlte Vogel musste über zwanzig Pfund wiegen. Mark spürte etwas Nasses an seinen Beinen hinunterrinnen. Na großartig! „Können Sie mir zeigen, wohin er soll?“

„Oh, Entschuldigung.“ Sie eilte zur Haustür und warf ihm einen Blick über die Schulter zu. „Ich könnte ihn tragen. Ich meine, Sie müssen ihn nicht hereinbringen, wenn Sie nicht wollen.“

Mark war fast einen Fuß größer und vermutlich siebzig Pfund schwerer als sie. Er wäre sich ziemlich schäbig vorgekommen, hätte er ihr die Schlepperei überlassen. „Ich glaube, ich schaffe es.“

Sie zog den Kopf ein. „Natürlich schaffen Sie es. Sie sind echt nett, und ich weiß es zu schätzen.“ Sie schloss die Tür auf und hielt sie für ihn offen. „Ich nehme an, Sie kennen den Weg.“

Während er eintrat, fiel ihm auf, dass ihre Wohnung genau spiegelbildlich zu seiner geschnitten war. Ein kleiner Vorraum führte in ein quadratisches Wohnzimmer. Seines befand sich auf der linken Seite, ihres demnach rechter Hand. Was bedeutete, dass die Küche in entgegengesetzter Richtung lag. Er drehte sich zum Esszimmer um, durchquerte es und fand sich in der Küche wieder.

Darcy öffnete den Kühlschrank und deutete auf einen Rost, auf dem nichts außer einem leeren Bratblech stand.

Er deponierte den Vogel im Bräter und sah hinunter zu den nassen Flecken auf seiner Jogginghose.

Sie folgte seinem Blick und stöhnte. „Oh, tut mir leid. Ich habe gar nicht gemerkt, dass er tropft.“ Sie griff nach einem Geschirrhandtuch und näherte sich ihm, blieb dann aber stehen und reichte es ihm.

Unwillkürlich wünschte er, sie hätte selbst Hand angelegt. Kaum kam ihm der Gedanke, da verdrängte er ihn auch schon entschieden. Auf gar keinen Fall wollte er sich wieder mit einer Frau einlassen. Schon gar nicht mit einer Nachbarin. Hatte er seine Lektion nicht gelernt?

Er rieb über die feuchten Flecken und warf ihr das Handtuch zu. „Wie viele Personen wollen Sie mit dem Ding sättigen?“

Sie öffnete ihre Jacke und hängte sie über die Rückenlehne eines Stuhls. Ihr Küchentisch aus weiß gekachelter Oberfläche und Eichengestell war von vier passenden Holzstühlen umringt.

Ihm fiel auf, dass in ihrer Küche alles anders aussah als in seiner. Seine abgenutzten Schränke waren von einem undefinierbaren Grün, das irgendwo zwischen Schimmel und Avocado anzusiedeln war, während ihre frisch gestrichen aussahen und strahlend weiß glänzten. Eine blaue Bordüre lief rings um die Wände, kurz unterhalb der Decke. Pflanzen hingen vor dem großen Fenster, wo die Spitzengardinen aufgezogen waren, um Licht hereinzulassen.

Da ihr Vermieter nach dem Nichteinmischungsprinzip vorging, wusste Mark, dass die Verschönerungen von Darcy selbst stammen mussten. Beide Wohnungen wiesen keine modernen Geräte wie Geschirrspüler auf, weshalb er überwiegend auf Papier und Plastik zurückgriff, wenn er sich überhaupt bequemte, zu Hause zu essen. Sie hatte einen Abtropfständer aus Metall neben der Spüle aufgestellt, auf dem mehrere Töpfe übereinandergestapelt trockneten.

Er richtete die Aufmerksamkeit wieder auf sie, nur um festzustellen, dass sie seinen Blick mied. Sie wirkte verlegen.

„Eigentlich sollten es insgesamt zehn werden, Sie eingeschlossen“, murmelte sie, während sie ihre Stiefelspitzen musterte. „Für Millie ist es eigentlich ein Glück, dass sie doch nicht kommen kann. Ihr Mann – bald Exmann – ist mit einem jungen Mädel durchgebrannt. Seitdem hat sie schwer zu kämpfen. Ihre Eltern haben sie zu Thanksgiving nach Hause eingeladen. Sie hofft, dass sie sich mit ihnen aussöhnen und wieder bei ihnen einziehen kann. Sie hat drei Kinder und will unbedingt ihren Collegeabschluss machen, damit sie sich einen anständigen Job besorgen kann. Also ist es für sie am allerbesten so.“

Mark verdaute die Flut an Informationen und überlegte, ob er fragen sollte, wer diese Millie war. Dann entschied er, dass es nicht wichtig war. „Also, wie viele werden jetzt noch kommen?“

Sie blickte ihn an. „Nur noch sechs, weil Millie ihre drei Kinder mitgebracht hätte.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Ich habe an Feiertagen gern viele Menschen um mich. Ich lade Leute ein wie Sie – die keine Familie in der Nähe haben und deshalb nicht wissen, wohin sie sollen. Wie ich schon mal gesagt habe ist es eine schwierige Zeit, um allein zu sein.“

Na, großartig! Ein Tisch voller Streuner.

Darcy klemmte sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr. Die Bewegung lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihre blonden Locken, die seidig aussahen, und auf ihre vollen Brüste, die sich auf reizvolle Weise unter ihrem Sweater abzeichneten. Auch wenn er die letzten Monate damit zugebracht hatte, sich von zwei Schusswunden zu erholen, waren gewisse Teile von ihm unverletzt geblieben. Sie suchten sich diesen Moment aus, um ihn daran zu erinnern, dass ein Mann gewisse Bedürfnisse hat.

Blut floss gen Süden mit einer Geschwindigkeit und Intensität, die ihn die Zähne zusammenbeißen ließen. Verdammt! Warum musste ihm plötzlich auffallen, wie attraktiv Darcy war? In den vergangenen zwei Monaten, die sie nun schon Nachbarn waren, hatte er es geschafft, diese Tatsache geflissentlich zu übersehen.

„Wo ist denn Ihre eigene Familie?“, fragte er, um sich von den quälenden Anzeichen der Erregung abzulenken. Mit schierer Willenskraft verdrängte er sein Verlangen.

„Meine Eltern sind vor fünf Jahren gestorben.“

Er sagte nichts dazu. Auch seine Eltern waren gestorben, aber wegen dieser Übereinstimmung wollte er sich noch lange nicht mit dieser Frau verbünden. Er wollte nichts mit ihr gemeinsam haben.

Lag es eigentlich an ihm, oder war es wirklich zu heiß im Zimmer?

„Kann ich Ihnen etwas anbieten?“, fragte Darcy. „Tee? Gebäck?“

„Aus Vollkornmehl und Tofu? Nein danke.“

Sie lachte. „Obwohl ich meine Kekse selbst backe, schwöre ich, dass ich ganz normale Zutaten verwende.“

„Wahrscheinlich betrachten Sie Tofu als normal.“

„Nicht, wenn ich backe. Obwohl ich schon mal Carubin benutzt habe, falls das zählt.“

Er hatte absolut keine Ahnung, was dieses Carubin war. „Ich muss allmählich nach Hause.“

Sie folgte ihm zur Tür. „Danke, dass Sie mir geholfen haben, Mark. Ich bin überzeugt, dass ich es allein geschafft hätte, Mister Truthahn hereinzuschleppen, aber es war schön, dass ich mich nicht mit ihm abplagen musste.“

Sie reichte ihm nicht einmal bis an die Schultern. Sie sah unschuldig und mustergültig aus. Er hatte nichts bei ihr zu suchen.

„Hören Sie, Darcy …“ Er hielt inne. Wie sollte er ihr beibringen, dass er lieber doch nicht zu ihrem Dinner zu Thanksgiving kommen wollte? Er war in letzter Zeit nicht gerade gesellig und konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als mit fünf Leuten, die er nicht kannte und nicht kennenlernen wollte, zusammen an einem Tisch zu sitzen und gemeinsam zu essen.

Sie starrte ihn aus ihren großen blauen Augen an. Die Winkel ihres vollen Mundes hoben sich ein wenig. Ihre Haut war makellos. Hell, rein und leuchtend. Doch das Schlimmste an allem war das blinde Vertrauen in ihrem Blick. Er fürchtete, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie eine Notlüge geäußert hatte, geschweige denn eine richtig gemeine Lüge. Er fühlte sich, als stünde er im Begriff, ein Hündchen zu treten.

Seine Schultern sackten hinunter. „Soll ich etwas mitbringen? Wein?“

„Wein wäre nicht schlecht. Ich verstehe nämlich absolut nichts davon.“

Mark nickte und ging, ohne sie noch einmal anzuschauen. Er wollte nicht sehen, wie sie ihn anlächelte, als hätte er gerade etwas Erstaunliches vollbracht.

Sobald er seine eigene Wohnung betreten hatte, dehnte er seine abkühlenden Muskeln. Dann lief er durch den kleinen Vorraum. Im Badezimmer angekommen, zog er sich T-Shirt und Thermounterhemd aus. Den Oberkörper entblößt, starrte er in den Spiegel.

Die Narbe von der Schusswunde an seiner Seite war noch immer rot und geschwollen. Er befühlte sie und dachte daran, dass die Ärzte ihm mitgeteilt hatten, dass er großes Glück gehabt hatte. Hätte die Kugel ihn nur wenige Millimeter weiter in der Mitte getroffen, hätte er zumindest ein lebenswichtiges Organ verloren. Sylvia hatte auf sein Herz gezielt. Bereits unter den gegebenen Umständen wäre er beinahe verblutet. Er beugte sich vor, um sein Bein zu massieren. Die Narbe dort bereitete ihm längst nicht mehr so viele Probleme wie noch vor einem Monat.

Während seines Aufenthalts im Krankenhaus hatten ihn viele Kollegen vom Kommissariat besucht. Die meisten hatten ihn damit gefoppt, dass „Narben von Schusswunden magnetisch auf Miezen wirken“. Doch irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass eine Frau wie Darcy sich für seine Verletzungen begeisterte. Eher würde sie nach einem Blick darauf in Ohnmacht fallen. Nicht, dass er beabsichtigte, ihr seinen lädierten Körper zu zeigen.

Mark richtete sich auf, öffnete den Wasserhahn in der Dusche und streifte sich die restliche Kleidung ab. Während er unter den dampfenden Strahl trat, rief er sich in Erinnerung, dass er nichts mit Darcy anfangen wollte, so attraktiv sie auf ihn auch wirken mochte. Wie er bereits am eigenen Leib erfahren hatte, konnte es sich als fatal erweisen, sich mit einer Frau einzulassen.

2. KAPITEL

Der große Saal in der Madison School maß fast vierzig Quadratmeter. An einer Wand befand sich ein riesiger steinerner Kamin. Mehrere Sofas bildeten Sitzgelegenheiten für Gesprächsrunden, während Kartentische ringsherum Platz für verschiedene Spiele boten. Die hohe Balkendecke trug zu der freizügigen, offenen Atmosphäre des Raumes bei. Der Duft von Popcorn mischte sich mit dem Geruch nach Holzkohle vom letzten abendlichen Imbiss.

Darcy saß auf dem Sofa in einer Ecke, die Füße unter sich gezogen, und lauschte, während ihr Bruder Dirk aufzählte, was er alles in seinen Koffer gepackt hatte.

Stolz verkündete er: „Ich habe sogar daran gedacht, dass ich Bürste und Kamm mitnehmen muss.“

Ihr Herz schwoll vor Liebe zu ihm, während sie sein vertrautes Gesicht musterte. Sie hatten beide blaue Augen und blondes Haar, aber Dirks Züge waren markanter. So sehr es sie auch wurmte, musste sie zugeben, dass er hübscher aussah als sie selbst. Mit vierzehn hätte er eigentlich an Akne und einer quieksenden Stimme leiden müssen. Stattdessen schien er den Übergang vom Kind zum Jugendlichen ohne Probleme zu meistern. Er wuchs stetig, statt in Schüben, wodurch er schlank blieb; seine Haut war rein. Sie bemerkte den Schatten eines Bartes auf seinem Kinn. Mein kleiner Bruder wird erwachsen …

„Ich bin beeindruckt, wie gut du packen kannst“, sagte sie aufrichtig. „Ich bin noch nie verreist, ohne etwas zu vergessen. Weißt du noch, als ich aufs College gekommen bin und mein Anmeldeformular zu Hause vergessen hatte?“

Dirk lachte. „Mom musste es dir bringen und war richtig sauer. Du hast gleich an deinem ersten Tag Schwierigkeiten gekriegt.“

Sie lächelte in Gedanken daran, während sie sich zu erinnern versuchte, wie es sich anfühlte, so verantwortungslos zu sein. Das Leben war leicht gewesen damals – die ganze Welt hatte ihr offengestanden. Doch das war schon lange nicht mehr so. „Du steckst ganz selten in Schwierigkeiten“, bemerkte sie.

Er strahlte. „Ich kann mir alle Regeln merken. Manche von denen sind doof, aber ich befolge sie. Mir gefällt es hier, Darcy. Ich will hierbleiben.“

„Ich weiß.“ Sie beugte sich vor und nahm seine Hand. „Du wirst so lange hierbleiben, bis du bereit bist, auf deinen eigenen Füßen zu stehen.“

Er wirkte skeptisch. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Eigenständigkeit war für ihn noch Jahre entfernt, aber die Madison School war eines der besten Internate im ganzen Land. Das hervorragend ausgebildete Personal war darauf spezialisiert, geistig behinderten Jugendlichen zu helfen, sich zu glücklichen leistungsfähigen Erwachsenen zu entwickeln. Der Prozess konnte sehr lange dauern, aber Darcy war bereit, sich in Geduld zu üben. Bisher waren alle Gutachten positiv ausgefallen. Außerdem war Dirk es ihr wert.

„Ich schätze, bis dahin wirst du die ganze Welt bereisen, stimmt’s?“, meinte sie.

Er grinste. „Ich kriege nicht die ganze Welt zu sehen. Bloß Chicago.“

Er ließ es so klingen, als wäre es keine große Sache für ihn, aber sie sah seine Augen vor Aufregung leuchten.

„Andrew sagt, dass es da ganz kalt ist, und deswegen nehme ich meine wärmste Jacke mit“, fuhr er fort. „Die, die du mir letzten Monat gekauft hast. Weißt du noch?“

Darcy nickte.

„Wir werden im Zug schlafen. Andrew sagt, dass es für uns Truthahn zum Abendbrot gibt, wenn wir im Hotel ankommen.“

„Darüber will ich alles wissen. Schreibst du alles in dein Tagebuch, damit du auch nichts vergisst?“

Er nickte. „Ich nehme den Fotoapparat mit, den du mir zum Geburtstag geschenkt hast. Ich will ganz viele Bilder machen.“

„Oh, dabei fällt mir was ein.“ Sie bückte sich, wühlte in ihrer Tasche und holte eine Packung mit einer Speicherkarte heraus. „Das ist für dich.“

Dirk starrte auf das Geschenk und dann in ihr Gesicht. „Darcy?“

Sie wusste, was er damit fragen wollte und welche Sorge ihn veranlasste, die Augenbrauen zusammenzuziehen und sie so eindringlich zu mustern. Ihr Bruder mochte das träge mühselige Auftreten eines Menschen haben, der sich nicht im Takt der etablierten Welt bewegt, aber er war kein Idiot. Er wusste, dass das Geld für sie beide seit langer Zeit knapp war. Er ahnte zwar nicht, wie viel sein Schulbesuch sie kostete oder wie viele Nächte sie wach lag, in die Dunkelheit starrte und betete, dass sie es schaffte, doch er erriet, dass sie es nicht leicht im Leben hatte.

Sie drückte ihn schnell an sich. „Das ist nur eine SD-Karte, Dirk. Die kann ich mir leisten.“

Er wirkte trotzdem besorgt, als sie ihn losließ. „Ich habe doch mein Taschengeld. Ich kann es dir wiedergeben.“

„Nein, das ist dein Geld. Gib es für dich selbst aus. Aber wenn du mir eine Ansichtskarte aus Chicago mitbringen willst, dann sage ich nicht Nein.“

Er nickte. „Ich bringe dir zwei.“

„Das wäre großartig.“

Er nahm die Filme, die sie ihm reichte, und drehte sie in den Händen. In Flanellhemd und verwaschenen Jeans sah er aus wie jeder andere Vierzehnjährige. Aber das war er nicht. Seine Schwierigkeiten waren schon in seinem ersten Lebensjahr hervorgetreten. Ihre Eltern waren daran verzweifelt, doch Darcy liebte ihn für seine Einzigartigkeit umso mehr.

„Ich werde dich morgen vermissen“, sagte sie, um das Thema zu wechseln. „Ich werde an dich denken.“

Es war das erste Thanksgiving, das sie voneinander getrennt verbringen würden. Sie versuchte, es mit Fassung zu tragen.

Die Heiterkeit kehrte in seinen Blick zurück. „Wir fahren mit dem Zug. Ich bin noch nie mit einem Zug gefahren.“ Sein Lächeln schwand. „Ich werde dich auch vermissen.“

„He, keine langen Gesichter! Nur glückliche Leute dürfen nach Chicago fahren“, verkündete eine männliche Stimme.

Darcy und Dirk blickten beide auf.

Andrew, einer der Therapeuten der Schule, gesellte sich zu ihnen. Er setzte sich in den Schaukelstuhl neben dem Sofa und erkundigte sich: „Wie geht es Ihnen, Darcy? Haben Sie viel zu tun?“

Sie dachte an ihre Schicht im Hip Hop Café. Im Anschluss daran pflegte sie jeden Nachmittag und Abend stundenlang zu backen. Außerdem musste sie die Zutaten für ihre Heimarbeit einkaufen und Zeit für die Auslieferung finden. Dazu kam nun auch noch die Zubereitung eines Thanksgiving-Dinners an einem ihrer seltenen freien Tage. „Ich schaffe es, mich beschäftigt zu halten“, erwiderte sie trocken.

„Das kann ich mir denken.“ Er deutete mit dem Kopf auf die Filme, die Dirk noch immer in den Händen hielt, und sagte zu ihm: „Du wirst ganz viele schöne Dinge in der Stadt sehen. Darcy wird sich sehr über deine Bilder freuen.“

Dirk grinste. „Ich will sie in mein Fotoalbum kleben und dazu schreiben, wo ich sie gemacht habe.“

„Ich freue mich darauf“, sagte Darcy aufrichtig. Sie wollte jedes Detail von seiner ersten Reise ohne sie erfahren.

„Er macht große Fortschritte in der Fotografie“, verkündete Andrew, „und er hat sogar bei einigen anderen Schülern Interesse dafür geweckt. Deshalb wird im neuen Jahr ein hiesiger Fotograf mehrmals in der Woche Unterricht geben.“

„Das klingt fabelhaft.“

„Wir tun alles, was Erfolg verspricht.“

Zufrieden lehnte Darcy sich zurück. Wann immer sie ihre Entscheidung infrage stellte, Dirk und sich selbst zu entwurzeln und ausgerechnet nach Montana zu ziehen, rief sie sich in Erinnerung, dass diese Schule zu den besten im ganzen Land zählte. Wo sonst bekäme ihr Bruder rund um die Uhr die Aufmerksamkeit von hervorragend ausgebildetem Personal?

Andrew, Doktor der Psychologie, war Mitte dreißig und lebte zusammen mit seiner Frau, die gerade ihr erstes Baby erwartete, auf dem Internatsgelände. Das Kollegium wohnte überwiegend auf dem weitläufigen Grundstück in Privathäusern. Experten auf verschiedenen Gebieten wurden hinzugezogen, um die Schüler zu unterrichten. Sämtliche Aktivitäten wurden interessant und praxisbezogen gestaltet.

Die Reise nach Chicago war ein gutes Beispiel dafür. Unter der sorgfältigen Aufsicht des Personals sollten die Schüler durch diese Unternehmung lernen, mit einem Zug zu fahren, in einem Hotel abzusteigen und eine Großstadt zu erkunden. Die Schule bot zwei oder drei solcher Reisen im Jahr an. Bevor Dirk ins Leben entlassen wurde, sollte er Erfahrung darin sammeln, per Zug oder Flugzeug zu reisen, ein Zimmer zu mieten, in einem Restaurant zu bestellen, ein Museum zu besuchen, nach dem Weg zu fragen und nach Hause zurückzufinden. Das waren Fertigkeiten, die Darcy ihm nicht einmal ansatzweise beibringen konnte.

„Dirk macht sich sehr gut.“ Andrew hielt – an Dirk gewandt – einen Daumen hoch. „Er hat viele Freunde gefunden.“

Das ist noch etwas, das ich ihm nicht bieten kann, dachte sie zufrieden: die Gelegenheit, mit Gleichaltrigen zu kommunizieren. „Das freut mich sehr.“

Andrew stand auf. „Kommen Sie bei mir im Büro vorbei, wenn Sie gehen. Dann zeige ich Ihnen den Bericht über Dirks jüngste Fortschritte.“

„Mach ich.“

Er hob die Hand zum Gruß und ging.

Darcy tätschelte Dirk den Arm. „Ich bin so froh, dass du hier glücklich bist. Es ist eine gute Schule.“

„Ich lerne hier ganz viel“, sagte er. „Und ich strenge mich ganz doll an. Wenn wir in den Supermarkt gehen, kann ich der Frau an der Kasse das richtige Geld geben, und weiß ich sogar schon vorher, wie viel Wechselgeld ich bekomme.“ Er kräuselte die Nase. „Aber das Bruchrechnen kann ich nicht. Das ist echt schwer.“

Sie lachte. „Weißt du was? Das kann ich auch nicht. Also liegt es nicht nur an dir.“

Er nahm ihre Hand. „Was machst du morgen, wenn Thanksgiving ist?“

„Ich werde dich vermissen.“ Sie drückte seine Finger. „Und ich brate einen Truthahn.“

„Ist er groß?“

„Er wiegt vierundzwanzig Pfund. Vielleicht mache ich nächste Woche Enchiladas und bringe sie dir, wenn ich dich besuchen komme.“

„Das wäre schön.“ Er beugte sich dicht zu ihr. „Wer kommt denn morgen so zum Essen?“

Über dieses Thema war sie nicht gerade begeistert. „Es werden immer weniger“, beklagte sie sich und versuchte dabei, ein Gefühl der Panik zu unterdrücken. „Meine Freundin Millie und ihre Kinder können nicht kommen. Sie fahren nach Hause zu ihren Eltern. Und ein anderes Paar hat entschieden, dass sie lieber allein feiern.“ Nur noch zwei weitere Personen und Mark waren übrig. Sie hatte auf eine größere Gesellschaft gehofft. „Mein Nachbar von nebenan kommt. Er heißt Mark und arbeitet im Büro des Sheriffs.“

Dirk wirkte beeindruckt. „Ist er nett?“

„Er ist sehr ruhig.“ Sie war sich nicht sicher, ob sie das Wort „nett“ jemals auf Mark Kincaid angewendet hätte. „Er hat früher in New York City gelebt. Er war Detective.“

Ihr Bruder runzelte die Stirn. „Er kennt bestimmt ganz viele schlechte Menschen. Das würde mir nicht gefallen.“

„Mir auch nicht.“

Jemand von einem anderen Tisch forderte Darcy und Dirk zu einem Kartenspiel heraus. Sie blieb lange genug, um mit ihrem Bruder zu Abend zu essen und zu bewundern, wie ordentlich er seinen Koffer gepackt hatte.

Kurz vor acht Uhr brach sie auf und versprach, gleich nach seinem Ausflug wiederzukommen, damit er ihr erzählen konnte, was er alles erlebt hatte.

Während der Rückfahrt nach Whitehorn ließ sie das Radio spielen und versuchte, nicht an den kommenden Tag zu denken. Sie war dummerweise nervös bei dem Gedanken, mehrere Stunden in Gegenwart von Mark Kincaid zu verbringen.

Wäre Dirk doch nur dabei! Sie hätte nicht nur die Zeit mit ihrem Bruder genossen, er hätte auch einen perfekten Puffer zwischen ihr und Mark gebildet. Andererseits gäbe es in Anwesenheit ihres Bruders gar kein Problem mit Mark Kincaid. In den vergangenen fünf Jahren war ihr kein einziger Mann untergekommen, der nicht die Flucht ergriffen hatte, sobald ihm klar geworden war, dass sie Dirks einzige Angehörige und deshalb persönlich wie finanziell für ihn verantwortlich war.

Also hatte es gar keinen Sinn, sich wegen ihres neuen Nachbarn aufzuregen. Sie unterhielten keine Beziehung, und daran würde sich nie etwas ändern. Ungeachtet ihrer Zuneigung zu dem Mann. Davon abgesehen konnte sie sich gar nicht mehr erinnern, was zu tun war, um ein Verhältnis zwischen Mann und Frau anzubahnen.

Der dunkle Highway zog sich kilometerweit vor ihr hin. Jenseits des Lichtkegels ihrer Scheinwerfer sah sie nichts außer vereinzelten Sternen am Himmel. An diesem Abend machte sie die Leere traurig und einsam. Meistens war sie zu beschäftigt, um groß darüber nachzudenken, dass in ihrem Leben keine engen Freunde, geschweige denn amouröse Verwicklungen vorkamen.

Es wäre nett, ein Einverständnis mit jemandem zu haben, der ihr emotional zugetan war. Oder zumindest sexuell. Manchmal schmerzte ihr Körper vor Sehnsucht. Seit fünf Jahren hatte sie kein richtiges Date mehr erlebt. Nicht, dass die Zusammenkunft mit Mark als Date bezeichnet werden konnte. Er war lediglich an Thanksgiving zum Dinner eingeladen. Das Ereignis hatte keinerlei emotionale Bedeutung. Wenn sie anders darüber dachte, machte sie sich nur selbst etwas vor.

Da Mark keine Ausrede eingefallen war, um die Einladung abzulehnen, klingelte er um Punkt vier Uhr an Darcys Tür. Im Laufe des Tages hatte er mehrmals seinen Pager kontrolliert, um sicherzugehen, dass er funktionierte. Leider schien sich in dem verschlafenen Städtchen Whitehorn kein Verbrechen zugetragen zu haben, denn Mark war nicht zum Dienst beordert worden. Also stand er nun mit einer Flasche Wein und einem Blumenstrauß vor der Tür und fühlte sich wie ein Idiot.

Darcy öffnete die Tür. Ihr Haar war wie üblich stark gelockt. Ihre Wangen glühten, und sobald sie ihn erblickte, plapperte sie wild drauflos.

„Es tut mir ja so leid, Mark. Ich habe das nicht geplant, aber ich weiß nicht, ob Sie mir das glauben werden. Es ist einfach einer von diesen unglückseligen Zufällen. Wer hätte gedacht, dass die Wilsons den Tag lieber allein verbringen? Als ob sie überhaupt kochen könnte! Oh, das meine ich nicht böse. Ich mag sie und so. Es geht bloß darum, dass sie nicht kommen. Von Millie und ihren Kindern habe ich Ihnen ja schon erzählt. Und Margaret wurde zum Dienst einberufen. Ich meine, sie ist Krankenschwester, sie kann nicht Nein sagen. Und Betty hat eine Erkältung und fühlt sich scheußlich. Außerdem will sie ihre Bazillen nicht verbreiten. Also konnte ich keinen von ihnen zwingen, oder?“

Sie sah betroffen und gleichzeitig eine Spur hoffnungsvoll aus. Mark fröstelte. Er hatte die kurze Strecke zwischen den beiden Wohnungen zurückgelegt, ohne sich damit aufzuhalten, sich einen Mantel anzuziehen. Er trug nur eine Hose und ein langärmeliges Hemd, und dabei betrug die Außentemperatur mindestens sechs Grad unter null. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Aber könnten wir das vielleicht drinnen klären?“

„Wie bitte?“ Sie starrte ihn verständnislos an. „Oh! Sie sind bestimmt am Erfrieren. Kommen Sie doch herein.“

Sie hielt ihm die Tür weit auf. Dann nahm sie die Flasche und die Blumen entgegen, die er ihr reichte. Sie musterte die gelben Rosen und orangeroten Gerbera, als hätte sie noch nie zuvor derartige Gewächse gesehen.

„Sie haben mir Blumen mitgebracht“, murmelte sie und schnupperte an den Blüten. „Wow! Das ist so nett.“ Sie blickte ihn an, als hätte er soeben das Feuer erfunden. „Ich meine, es ist wirklich nett.“

Er unterdrückte die Bemerkung, dass er sich nicht im Geringsten für nett hielt. „Ich dachte, der Strauß eigne sich vielleicht als Tischdekoration.“

„Natürlich. Er ist wunderschön.“ Sie ging voraus ins Esszimmer.

Ihm fiel auf, dass der große Tisch lediglich für zwei Personen gedeckt war. Ihr zusammenhangloses Geplapper kam ihm wieder in den Sinn. „Es kommt sonst niemand zum Dinner?“, fragte er vorsichtshalber nach.

Sie schüttelte den Kopf, während sie eine Vase aus dem Schrank an der hinteren Wand holte. „Nein. Sorry. Ich habe es nicht so geplant. Ich hoffe, Sie glauben mir das.“

Besorgt blickte sie über die Schulter, als ob sie erwartete, dass er vor Zorn explodierte. Mark dachte über die Alternative zu einem Dinner allein mit Darcy nach. Das war ein Dinner mit ihr und dazu einem halben Dutzend anderer Leute, die er nicht kannte und die unzählige unliebsame Fragen stellen würden. „Ich bin eigentlich kein geselliger Typ. Es macht mir nichts aus.“

Sie stellte den Wein auf den Tisch und drückte sich die Vase und die Blumen an die Brust. „Wirklich nicht? Ich möchte nicht, dass Sie denken, ich hätte es absichtlich so arrangiert.“

Was wie arrangiert? Es dauerte eine Weile, bis er begriff, worauf sie hinauswollte. Schließlich traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. Wie ein Date.

Er musterte ihre Erscheinung. Statt der üblichen Kellnerin-Uniform trug sie einen hellblauen Sweater und eine schwarze Hose. Beides betonte ihre weiblichen Kurven. Sie mochte nicht groß sein, aber ihre Gestalt wies sehr reizvolle Rundungen an genau den richtigen Stellen auf. Er vermied es, auf ihre Brüste zu starren, weil es ihn beim letzten Mal in ihrem Haus in Schwierigkeiten gebracht hatte. Allerdings war es nicht viel ungefährlicher, ihre Beine zu bewundern. Vielleicht war es ratsam, die ganze Aufmerksamkeit auf ihr Gesicht zu lenken.

„Ich verspreche, ohne weitere Indizien nicht das Schlimmste von Ihnen zu denken“, verkündete er ernst.

Sie grinste. „Gut. Würden Sie dann bitte den Wein öffnen? Oh, und ich hoffe sehr, dass Sie großen Hunger haben, denn ich erwarte, dass Sie Ihre Hälfte des Truthahns aufessen.“

„Nach Ihnen.“

Mark schnappte sich den Wein und folgte ihr in die Küche. Der Duft von gebratenem Geflügel mischte sich mit anderen Aromen. In drei Töpfen auf dem Herd brodelte es, und die Mikrowelle piepste ungeduldig.

„Gläser sind dort“, sagte sie und deutete zu einer Vitrine beim Esstisch.

Sie wandte sich dem Herd zu, hob die Deckel und rührte in den Töpfen. Währenddessen murmelte sie leise vor sich hin. Er wusste nicht, ob sie zu sich selbst oder dem Essen sprach, und beschloss, dass es ihm egal war. Frauen in der Küche waren ihm ein Rätsel, das er bisher nicht hatte lösen können.

Darcy hantierte ungeheuer geschickt und bewegte sich mit einer ungezwungenen Grazie. Er konnte sich nicht vorstellen, sich selbst jemals diese Expertise anzueignen. Vielleicht lag es daran, dass er es in seiner Kindheit und Jugend nicht oft gesehen hatte. Seine Mutter hatte nie viel mit der Küche im Sinn gehabt, und seine Schwester war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Rodeo-Queen zu spielen, um sich mit so banalen Dingen wie Essenszubereitungen abzugeben.

„Es riecht alles sehr gut“, stellte er fest, während er den Wein einschenkte.

Darcy nahm das Glas, das er ihr reichte, und lehnte sich an den Küchenschrank. „Ich rechne nicht mit einem größeren Missgeschick.“ Ihre Augen funkelten belustigt. „Das soll nicht heißen, dass ich in der Vergangenheit keines erlebt habe – als ich noch nicht wusste, was ich tue. Aber ich habe aus meinen Fehlern gelernt.“

Er stellte die geöffnete Flasche auf den Tisch. „Was für Fehler denn?“

„Ach, Kleinigkeiten. Wie die Erkenntnis, dass ein großer Truthahn mehrere Tage braucht, um aufzutauen. Das war, bevor ich mich darauf verlegt habe, Frischware zu bestellen. Damals habe ich versucht, ihn zu braten, während er noch gefroren war.“ Sie schüttelte sich. „Was bedeutet, dass es Stunden gedauert hat und der Plastikbeutel mitgekocht hat, in dem immer die Gurgel und all die ekligen Innereien stecken. Den Gestank können Sie sich nicht vorstellen. An jenem Thanksgiving mussten wir auswärts essen. Und lassen Sie sich gesagt sein, es haben nicht viele vernünftige Restaurants geöffnet. Und dann war da das eine Mal, als ich es echt eilig hatte und aus Versehen Salz statt Mehl genommen habe, um die Soße anzudicken. Das gab vielleicht ein Gewürge am Tisch an dem Abend!“

„Wann haben Sie mit dem Kochen angefangen?“

„Vor etwa fünf Jahren.“

„Was hat Sie dazu inspiriert?“

„Wir alle müssen irgendwann erwachsen werden.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Vor fünf Jahren hätte ich nicht mal Wasser ohne Anleitung kochen können. Seitdem habe ich viel gelesen und geübt. In Restaurants zu arbeiten hat mir ermöglicht, verschiedene Verfahrensweisen zu beobachten. Ich habe festgestellt, dass ich am liebsten backe.“ Sie deutete zu einem Teller mit verschiedenem Gebäck, der auf dem Tisch stand. „Das habe ich selbst gemacht. Heute Morgen.“

Mark musterte die drei Kuchen und vermutete, dass einer von ihnen Kürbis enthielt, der Farbe nach zu urteilen. „Muss ich davon auch die Hälfte essen?“

„Vielleicht. Mal sehen, wie weit Sie mit dem Truthahn kommen.“ Sie stellte ihren Wein auf den Küchenschrank und wandte sich wieder dem Ofen zu. „Ich habe angefangen, meine Backwaren in der Stadt zu verkaufen. Ich denke, ich habe eine gute Chance auf einen Vertrag mit dem Hip Hop Café. Dort teilen wir gerade Kostproben aus, um zu testen, wie mein Zeug bei den Leuten ankommt.“

„Also war das Kürbisbrot, das ich am Montag probiert habe, von Ihnen?“

„Ja, und es hat Ihnen geschmeckt. Obwohl Sie zuerst so ein Theater darum gemacht haben, zum Frühstück Gemüse zu essen.“

„Weil es nicht natürlich ist.“

„Müssen wir die Omelett-Diskussion noch mal führen?“

„Nicht, wenn Sie nicht wollen.“

Sie öffnete den Backofen und befühlte den Braten. „Er ist fast fertig.“ Sie schloss die Tür und richtete sich auf. „Es wird Sie freuen zu hören, dass unser Mahl heute Abend nichts Unnatürliches an sich hat.“

„Das hatte ich befürchtet.“

„Warum?“

„Weil Sie eine Gesundheitsfanatikerin sind. Ich bin beunruhigt wegen Ihrer Auswahl an Zutaten.“

Darcy lachte. „Tofu als Überraschungsfüllung?“

„Genau.“

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Was habt ihr Männer bloß für ein Problem mit Tofu? Ihr habt alle eine Heidenangst davor, dass wir Frauen versuchen, euch welches unterzujubeln.“

„Versuchen Sie das etwa nicht?“

„Vielleicht“, räumte sie ein.

Mark musste schmunzeln. Es erschien ihm seltsam und fremd. Er hatte sich groß Gedanken darüber gemacht, wie er den Abend mit Darcy hinter sich bringen sollte, aber sie war überraschend angenehm im Umgang. Und angenehm für das Auge. Als sie sich wieder zum Herd umdrehte, heftete er den Blick unwillkürlich auf ihren hübsch gerundeten Po. Er rief sich in Erinnerung, dass Zuneigung gefährlich war. Das Leben war besser, wenn er nichts empfand. Wie oft musste er noch angeschossen werden, bevor er diese Lektion lernte?

„Schneit es?“, fragte sie.

„Noch nicht, aber es ist schon den ganzen Nachmittag über ziemlich grau. Angeblich soll es am Abend anfangen.“

„Gut. Ich mag Feiertage mit Schnee. Oh! Findet heute Nachmittag nicht ein Footballspiel statt? Wollen Sie es sich ansehen gehen?“

„Im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Meinung über Männer bin ich durchaus fähig, einen ganzen Tag zu überstehen, ohne ein sportliches Ereignis zu verfolgen.“

In gespielter Verwunderung starrte sie ihn an. „Wirklich? Wie schaffen Sie das? Durch Atemübungen?“

„Durch übernatürliche Willenskraft.“

„Ich bin sehr beeindruckt.“ Sie trug einen Topf zur Spüle und goss das Wasser ab. „Da Sie nicht Football gucken, könnten sie vielleicht unseren kleinen Freund hier aus dem Ofen holen. Er müsste fertig sein.“

Er stellte sein Weinglas ab, holte den Truthahn heraus und trug ihn zum Tisch hinüber. Darcy wickelte den Braten in Alufolie und erklärte, dass er ruhen musste, bevor er tranchiert werden konnte. Mark war zwar nicht der Meinung, dass der Vogel besonders aktiv wirkte, aber was verstand er schon davon?

Sie ließ ihn Kartoffeln stampfen, während sie den Bratensaft zubereitete. Seit wann kommt so eine Soße denn nicht aus der Tüte? fragte er sich. Dann zerteilte sie fachmännisch das eindrucksvolle Getier und brachte schnell alle Gerichte auf den Tisch.

Sie setzten sich einander gegenüber. Einen Moment lang fühlte Mark sich unwohl. Die Situation war zu intim für seinen Geschmack. Instinktiv ging er in den Modus Kripobeamter über. Er gewann erfahrungsgemäß an Sicherheit, indem er Fragen stellte. „Wie lange leben Sie schon in Whitehorn?“, wollte er wissen, als sie ihm die Fleischplatte reichte.

„Seit Anfang Juni. Vorher habe ich ein paar Jahre in Arizona gewohnt, und davor in Chicago.“

„Kommen Sie von dort?“

„Ja. Ich bin in einem wohlhabenden Vorort aufgewachsen, von dem Sie wahrscheinlich noch nie gehört haben und wo die schwierigste Entscheidung darin bestand, wessen Einladung zum Abschlussball ich annehmen sollte. Der ausschlaggebende Faktor war natürlich die Coolness des jeweiligen Jungen.“

Er vermutete, dass sie sich zwar über sich selbst lustig machte, aber auch ein Körnchen Wahrheit in ihren Worten steckte. Seltsamerweise wirkte sie auf ihn nicht wie der Typ verwöhnte Prinzessin. „Sie haben zu den beliebten Mädchen gezählt?“

„Ich war sogar Cheerleader. Ich schäme mich bei dem Gedanken an mein oberflächliches Dasein.“ Darcy reichte ihm nacheinander Schüsseln mit grünen Bohnen und Süßkartoffeln. „Ich bin aufs College gegangen, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was ich einmal werden will. Deswegen habe ich andauernd die Fächer gewechselt und mehr gespielt als studiert. Beinahe hätte ich sogar einen Heiratsantrag angenommen, um mich nicht für eine Studienrichtung entscheiden zu müssen.“ Ihre blauen Augen verdunkelten sich in Erinnerung. „Das war nicht gerade meine Sternstunde.“

Es fiel ihm schwer, ihre Story mit der Frau in Einklang zu bringen, die ihm nun gegenübersaß. „Was ist dann passiert?“

Sie nahm einen Bissen Fleisch und kaute langsam, schluckte schwer und sagte dann tonlos: „Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ich war unvorbereitet, gelinde ausgedrückt.“ Sie zögerte, als ob es noch mehr gäbe, was sie dazu sagen wollte.

Mark wartete. Der Kriminalist in ihm wollte ihr nähere Informationen entlocken, aber er rief sich in Erinnerung, dass er Gast in ihrem Haus war, noch dazu an einem Feiertag. Er kostete vom Truthahn und verkündete: „Der schmeckt richtig gut.“

„Danke.“

„Wie alt waren Sie, als Ihre Eltern gestorben sind?“

„Zwanzig, aber ignorant, falls Sie wissen, was ich meine. Zusätzlich zu dem Schock über ihren plötzlichen Verlust habe ich zu meinem Entsetzen auch noch Anrufe von ihrem Anwalt bekommen, der mir alle möglichen furchtbaren Dinge erklären wollte.“

Sie seufzte leise, in Erinnerung versunken. „Meine Eltern haben einen dicken Stapel offener Rechnungen hinterlassen. Anscheinend waren sie schon seit Jahren getrennt, wollten es mich aber nicht wissen lassen. Mein Dad hatte ein Penthouse in der Stadt, wir alle hatten neue Autos. Nachdem alles abbezahlt war, ist nicht viel übrig geblieben. Ich musste das Studium aufgeben.“

Darcy stach mit der Gabel auf ihre Stampfkartoffeln ein. „Ich hätte die Nachricht von der bevorstehenden Scheidung verkraftet, wenn sie sich die Mühe gemacht hätten, mich davon zu unterrichten. Zumindest hätten wir ein ehrliches Gespräch führen können, bevor sie gestorben sind. Darüber hinaus haben sich die meisten meiner Freunde von mir zurückgezogen, als ich meine soziale Stellung und die finanziellen Ressourcen verloren hatte. Ich bin sehr schnell erwachsen geworden. Bevor sich die Wogen geglättet hatten, war ich fähig, auf eigenen Beinen zu stehen.“

Sie hat ein offenes Gesicht, dachte er, während er sie beobachtete. Sie wäre eine lausige Pokerspielerin. Jede Gefühlsregung blitzte in ihren Augen auf. „Es scheint Ihnen gut gelungen zu sein“, bemerkte er.

„Danke. Ich habe mich bemüht.“

Er strich über die Tischplatte. „Der sieht alt aus. Ist es ein Familienerbstück, das Sie retten konnten?“

Sie lachte. „Von irgendjemandem bestimmt, aber nicht von meiner Familie. Ich habe ihn vor ein paar Jahren bei einem Garagenverkauf erstanden. Zusammen mit der Vitrine.“ Sie grinste. „Nunmehr lege ich viel Wert auf Schnäppchen. Sie sollten mich mal bei den Schlussverkäufen erleben. Ich bin beeindruckend.“

„Das klingt ganz danach. Vermissen Sie es, reich zu sein?“

„Wer würde das nicht?“ Sie spießte ein Stück Fleisch auf. „Aber mir gefällt, wer ich jetzt bin, wesentlich besser als der Mensch, der ich früher war. Das betrachte ich als Vorteil.“

Sie ist ein winziges Problembündel, dachte er grimmig. Hübsch, sexy, Single und reizvoll. Warum nur hatte er ihre Einladung angenommen? „Was hat Sie nach Whitehorn geführt?“, fragte er. „Das liegt weit weg von Arizona entfernt.“

Zum ersten Mal an diesem Abend mied sie seinen Blick. „Ich habe gehört, dass Montana den Spitznamen ’Das Große Himmelsland’ hat. Das wollte ich kennenlernen“, erwiderte sie leichthin. „Sie wissen schon – den Wild-West-Mythos. Ich habe einfach irgendwie den Weg hierher gefunden.“

Marks Brust schnürte sich zu. Sie log. Darauf hätte er sein Leben verwettet. Was bedeutete, dass es da etwas gab, was sie ihn nicht wissen lassen wollte. Wie Sylvia war sie eine Frau mit Geheimnissen – und daher tabu für ihn.

3. KAPITEL

Nach dem Essen räumten sie gemeinsam den Tisch ab. Dann ging Darcy voraus in das kleine Wohnzimmer und setzte sich aufs Sofa. Mark folgte ihr und nahm am anderen Ende Platz.

„Das war unglaublich lecker“, sagte er. „Ich bin beeindruckt.“

„Danke.“ Sie strich sich über den Bauch. „Ich bin voll, aber ich habe nicht das Gefühl, gleich zu platzen. Das betrachte ich als positiven Ausgang eines üppigen Thanksgiving-Dinners.“

„Ich habe meine Hälfte des Truthahns nicht geschafft.“

Sie lachte. „Das stimmt. Sie hätten Ihre ganzen zwölf Pfund vernichten sollen. Ich kann Ihnen den Rest ja einpacken, damit Sie ihn mit nach Hause nehmen. Ich habe ein tolles Rezept für Enchiladas. Das kann ich Ihnen aufschreiben.“

„Ich koche nicht viel.“

Sie täuschte Überraschung vor. „Und ich dachte, alle Detectives aus New York City wären unglaublich häuslich.“

„Den Haushaltskursus habe ich versäumt.“ Er musterte sie nachdenklich. „Sie wissen also, dass ich in New York gelebt habe. Bin ich regelmäßig die Zielscheibe für Klatsch oder nur gelegentlich?“

Darcy weigerte sich, die Verlegenheit zuzulassen, die in ihr aufsteigen wollte. „Jeder Gast hat seine Viertelstunde Ruhm im Hip Hop Café“, erwiderte sie gelassen. „Sie waren ein heißes Thema, als Sie hierher zurückgekommen sind, aber inzwischen haben sich die Dinge beträchtlich abgekühlt.“

„Gut zu wissen.“

Sie trank von ihrem Wein und musterte ihren Besucher über den Rand des Glases hinweg. Er war ein gut aussehender Mann. Zu gut aussehend für ihre lange Enthaltsamkeit. Groß, stark, mit betörenden grünen Augen. Ihr gefiel, dass sein dunkelbraunes Haar eine Spur zu lang war und dass sein knackiger Po in der maßgeschneiderten Anzughose beinahe ebenso gut zur Geltung kam wie in hautengen Jeans.

Hastig nippte sie noch einmal an ihrem Glas, um ein Grinsen zu unterdrücken. Sie konnte es kaum fassen, dass sie einfach so dasaß und über Marks Po nachdachte. Sie hatte kein Recht dazu – und es war auch nicht ihr Stil. Selbst damals in jenen düsteren Zeiten, als sie noch ein ausschweifendes Leben geführt hatte, war ihr Interesse an Sex nicht sonderlich groß gewesen. Sie hatte mitgespielt, weil man es von ihr erwartete, sich dabei aber meistens eher gelangweilt. In den letzten fünf Jahren vermisste sie mehr die emotionale Nähe in einer Beziehung zwischen Mann und Frau als die körperliche Intimität – zumindest bis zu dem Moment, als sie Mark zum ersten Mal begegnet war.

Etwas an dem Mann ließ ihren Körper prickeln. Irgendwie gefiel ihr das Gefühl, ein wenig erregt zu sein, ohne dass er tatsächlich etwas dafür tat. Zumindest war es eine Abwechslung zu ihrer üblichen Sorge und Erschöpfung.

Er überraschte sie als angenehmer Gast. Sie hatte befürchtet, dass er kein Wort sagen würde, weshalb ihr die Vorstellung, mit ihm allein am Tisch zu sitzen, entsetzlich erschienen war. Ein paar Minuten lang schien er sich tatsächlich in sich selbst zurückgezogen zu haben, aber dann war er wieder aus sich herausgekommen und hatte die Fragerei fortgesetzt. Apropos …

„Ich denke, jetzt bin ich an der Reihe, Detektiv zu spielen“, eröffnete Darcy herausfordernd. „Sie haben während des Essens alles über mich herausgefunden. Deshalb sollte ich jetzt etwas über Sie erfahren.“

„Fragen Sie nur.“

Sie drehte sich zu ihm um. „Wie kommt es, dass es einen Mann, der in Montana geboren und aufgewachsen ist, nach New York verschlagen hat? Noch dazu als Detective?“

„Das wollte ich schon werden, als ich noch ein Kind war. Ich bin nie vom Rodeofieber angesteckt worden, mit Stieren zu kämpfen oder Wildpferde zu reiten erschien mir einfach nie sonderlich interessant“, gestand Mark ein. „Ich habe meine Zeit damit verbracht, alles über polizeiliche Ermittlungstechniken nachzulesen. Nach dem Collegeabschluss bin ich nach New York aufgebrochen, wo ich einen Job bei der Polizei bekommen habe. Von da an habe ich mich beständig nach oben gearbeitet.“

Seine Miene verriet nichts, während er sprach, und für Darcy war es schwer zu ergründen, ob ihn die Erinnerungen traurig machten.

„Was hat Sie hierher zurückgeführt?“, wollte sie wissen.

„Ich wurde angeschossen.“

Sie vergoss beinahe ihren Wein. „Im Dienst?“

„Einer Mordverdächtigen hat es nicht gefallen, wie die Untersuchungen geführt wurden. Sie hat ihren Zorn an mir ausgelassen.“

Schockiert starrte sie ihn an. „Eine Frau hat Sie angeschossen?“

„Auch Frauen können morden.“

„Davon gehe ich aus.“ Sie musterte ihn, suchte nach abheilenden Wunden oder Spuren von Verletzungen. Sie fand keine. Es war nichts zu sehen, und er hinkte auch nicht. Sie hatte ihn draußen beim Joggen gesehen. Demnach musste es ihm inzwischen wieder besser gehen. Sie spielte mit dem Gedanken, ihn zu fragen, wo er getroffen worden war. Doch die Frage erschien ihr allzu intim. „Ich halte die durchschnittliche Frau nicht für gewalttätig.“

„Das ist sie auch nicht. Aber es gibt immer Ausnahmen.“

„Fehlt Ihnen Ihre Arbeit?“

Mark rutschte unbehaglich auf dem Polster umher, als wollte er eigentlich nicht auf die Frage antworten. „Manchmal. Ein bisschen.“

„Vermissen Sie die Großstadt?“

„Whitehorn ist jedenfalls keine.“

Sie lachte. „Da haben sie allerdings recht. Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, in Chicago aufzuwachsen. An den Wochenenden haben wir oft die verschiedenen Restaurants und Theater in der City aufgesucht. Oder die Museen.“

„Nicht weit von hier gibt es ein tolles Westernmuseum.“

„Als Nächstes erzählen Sie mir noch, dass das Hip Hop Café internationale Küche serviert.“

„Auf der Speisekarte steht tatsächlich ein orientalischer Geflügelsalat.“

Sie nahm einen Schluck Wein. „Sie werden es nicht glauben, aber das wusste ich bereits“, scherzte sie.

Er griff zu seinem Glas auf dem Couchtisch. „Okay, Whitehorn hat solche Annehmlichkeiten also nicht zu bieten. Ich gebe zu, dass ich New York vermisse. Das Angebot an multikulturellen Speisen ist großartig. Ebenso hat es mir gefallen, dass man zu jeder Tages- oder Nachtzeit alles bekommt, wonach einem gerade der Sinn steht. Detektivarbeit beschränkt sich nicht auf die Zeit zwischen neun und fünf. Deswegen war es mir sehr lieb, dass die Restaurants und Geschäfte noch zu später Stunde geöffnet haben.“ Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. „Ich habe mich nie besonders für Museen interessiert, aber ich bin gern ins Theater gegangen.“ Er runzelte ein wenig die Stirn. „Ich glaube allerdings nicht, dass ich jemals eine Vorstellung zu Ende gesehen habe. Ich wurde immer an einen Tatort gerufen.“

Darcy lehnte den Kopf an die Rückenlehne. „Ich kann Ihre Erfahrungen überhaupt nicht nachvollziehen.“

„Das würde ich Ihnen auch nicht wünschen. Manchmal rauben sie einem den Schlaf.“