Rough Ride - Rauer Ritt ins Glück - Máili Cavanagh - E-Book

Rough Ride - Rauer Ritt ins Glück E-Book

Máili Cavanagh

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Beschreibung

Heath Arlington lebt mit seinem Vater und seinen Angestellten auf einer Ranch in Montana. Er ist ein einsamer Wolf, der gern allein in der Natur unterwegs ist - bis Cam bei ihm anheuert. Der neue Cowboy zieht ständig seine Blicke auf sich, interessiert ihn mehr, als er sich zunächst eingestehen will. Erst ein Unglück öffnet Heath die Augen und er lässt sich auf eine Affäre ein. Doch ist Cam der richtige Mann für ihn?

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Màili Cavanagh

Rough Ride –

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2015

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover:Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com/

Bildrechte:

© outdoorsman – fotolia.com

© underdogstudios – fotolia com

1. Auflage

ISBN 978-3-945934-06-7

ISBN 978-3-945934-07-4 (epub)

Für Petra

Wie würde Ray sagen?

Inhaltsangabe:

Heath Arlington lebt mit seinem Vater und seinen Angestellten auf einer Ranch in Montana. Er ist ein einsamer Wolf, der gern allein in der Natur unterwegs ist – bis Cam bei ihm anheuert. Der neue Cowboy zieht ständig seine Blicke auf sich, interessiert ihn mehr, als er sich zunächst eingestehen will. Erst ein Unglück öffnet Heath die Augen und er lässt sich auf eine Affäre ein. Doch ist Cam der richtige Mann für ihn?

Kapitel 1

Montana, Frühjahr 1985

Als Heath die Augen aufschlug, dämmerte es noch nicht einmal. Es war still auf der Ranch, von ein paar Vögeln, die fröhlich zwitschernd den Tag begrüßten, und Pete, dem Koch, der unten in der großen Küche mit den Töpfen und Pfannen klapperte, einmal abgesehen. Pete und seine Frau Rosita kümmerten sich bereits seit über achtzehn Jahren um den Haushalt. Heaths Vater Henry hatte die beiden eingestellt, damals, in den 1960ern. Der mittlerweile 57jährige Pete war verwundet aus dem Vietnamkrieg gekommen und zog seitdem sein steifes linkes Bein nach, und Rosita, die damals kein Wort Englisch, sondern nur Spanisch gesprochen hatte … Nun, Henry Arlington interessierte die Vergangenheit oder Hautfarbe seiner Leute nicht, solange sie gut arbeiteten. Er fragte nicht nach Religion, nach politischen Ansichten oder Vorstrafen. Manche nannten dies tolerant und zu gutmütig, andere einfach gefährlich oder blind. Sein alter Schulfreund Ben Ashcroft hatte sogar einmal prophezeit, dass ihn das eines Tages das Leben kosten würde.

Seit dem Tod von Heaths Mutter Mary war Rosita die einzige Frau auf der Ranch, eine resolute, etwas füllige Mexikanerin mit schwarzen Haaren, die mittlerweile von grauen Strähnen durchzogen waren, und deren herzliches Lachen schon früh morgens durch das ganze Haus klang. Doch das war selten geworden in den letzten Monaten.

Rosita hatte nie versucht, Heaths Mutter zu ersetzen, aber sie war seit ihrem Tod die so genannte ‚gute Seele‘ im Haus.

Sie kümmerte sich um die Wäsche, bügelte, putzte, bezog einmal in der Woche die Betten, fütterte die Hühner, molk die Kühe und half Pete in der Küche. Doch sie war weitaus mehr als nur eine Haushaltshilfe. Immer hatte sie ein offenes Ohr, für jeden auf der Ranch, egal welche Sorgen oder Nöte derjenige hatte.

Heath sah aus dem Fenster, nahm sich die Zeit, die noch herrschende Ruhe zu genießen, die Wärme seines Bettes, bis ihm die Einsamkeit darin wieder bewusst wurde.

Mit einem frustrierten Seufzen drehte er sich auf den Rücken und starrte an die Zimmerdecke.

Die Katze, die auf seinen Beinen geschlafen hatte, protestierte dagegen laut maunzend, sah ihn beleidigt an, sprang vom Bett und verließ mit hochgerecktem Schwanz das Zimmer durch die nur angelehnte Tür. Heath vermutete, dass sie die Treppe runter direkt in die Küche gehen würde, um Pete anzubetteln. Wie jeden Morgen seit jenem Tag, an dem sie hier struppig und abgemagert aufgetaucht und einfach geblieben war.

Heath seufzte erneut, diesmal genervt, als er seine Morgenlatte spürte. Es war über ein halbes Jahr her, dass er das letzte Mal Sex gehabt hatte. Doch es war nicht mehr gewesen, als die Befriedigung eines Bedürfnisses, schnell und anonym in seinem Auto auf einem Parkplatz, mit einer Rothaarigen, die zu betrunken gewesen war, um sich seinen Namen zu merken.

Es war schwer, eine Frau zu finden, die hier draußen mit ihm leben wollte, auf einer Rinderranch, die weit ab vom Schuss lag. Die nächste Stadt, Broadus, war 30 Meilen entfernt und hatte gerade mal 497 Einwohner. Es gab eine Bank, einen Friseur, den alten Arzt George Weston, der ihn auf die Welt geholt hatte, eine kleine Schule, eine Postfiliale, zwei Diner, Phils Drugstore, einen größeren General Store, zwei konkurrierende Tankstellen, Andys Autowerkstatt, die Town Hall, drei Bars, einige weitere Läden und natürlich das Sheriff Office. Dazu noch die kleine katholische Kirche St. David Parish, denn die meisten Menschen in Montana waren Katholiken.

Ein Kino oder Theater suchte man jedoch vergebens und wenn man in der örtlichen Bücherei eine Neuerscheinung ausleihen wollte, musste diese erst einmal bestellt werden und war, wenn sie endlich ankam, eigentlich bereits ein alter Schinken.

Das gesellschaftliche Highlight des Jahres war für die Einwohner dieses Nestes das Feuerwerk zum 4. Juli.

Daneben gab es noch die Crazy Days, das Chokecherry Festival, einige Rodeos und das Buffalo Shoot, ein Preisschießen, bei dem er bereits drei Mal als Sieger hervorgegangen war.

Aber ansonsten bot die Stadt nicht viel. Sie hatte keine Touristenattraktion, wenn man vom Powder River Historical Museum und den dort ausgestellten Stücken aus der Pionierzeit sowie den extra für die Pferdekutschen zum Wenden breit angelegten Straßen absah, die immer noch erhalten waren, und die ab und zu Touristen anzogen, die es in diese Gegend verschlagen hatte.

Wie alle Kleinstädte hatte Broadus mit der Überalterung der Einwohner zu kämpfen.

Die Stadt lebte von den Farmen und Ranches der Umgebung, denn die Landwirtschaft war in  Montana der wichtigste Wirtschaftszweig. Im Nordosten wurden hauptsächlich Weizen, Gerste und Mais angebaut, im Süden hatten sich die Viehzüchter angesiedelt. Im Nordwesten beherrschten weitläufige Wälder das Bild.

Viele junge Leute verließen die Gegend, wenn sie ihren Schulabschluss hatten. Sie begannen irgendwo zu studieren und nur die wenigsten kehrten zurück.

Heath war hier aufgewachsen auf der Ranch, die bereits sein Großvater erbaut hatte. Damals noch ohne Strom und fließend Wasser, ohne Telefon und Heizung. Es waren harte Zeiten gewesen Ende des 18. Jahrhunderts, jeder Tag ein Kampf um das Überleben, obwohl der Boden der Gegend fruchtbar war und der Powder River die lebensnotwendige Wasserversorgung für Mensch und Tier sicherstellte.

Trotz aller Neuerungen war es hier draußen immer noch ein einsames Leben, fernab von Kultur und dem, was sich junge Leute wünschen.

Auch Heath hatte es nach der High School weggezogen. Ein paar Wochen hatte er das Leben fern des Elternhauses genossen. Partys, durchfeierte Nächte, Fast Food.

Aber sein Entschluss wieder zurückzukehren, hatte von vornherein festgestanden.

Heath mochte das Leben auf der Ranch, in der Natur, mit all den Tieren und der Abgeschiedenheit. Er konnte sich einen Bürojob mit festen Arbeitszeiten und dem Blick auf ein Hochhaus nicht vorstellen. All diese verhärmten Anzuggestalten, die ihre Aktentaschen umklammerten, durch die Schluchten der Stadt hetzten, immer dem Geld oder dem nächsten Auftrag hinterher.

Nein, das war nichts für ihn. Er brauchte den Anblick von grünen Weiden, die Sonnenauf- und -untergänge, sternenklare Nächte, in denen er auf der Veranda saß und dem Zirpen der Grillen lauschte. Er liebte es, mit seinem ungebärdigen Hengst über das Land zu preschen. Zog die kaum gezügelte Wildheit und Lebendigkeit des Tieres unter sich jedem Jeep vor, die sich viele der anderen Rancher der Bequemlichkeit wegen angeschafft hatten. Das raue Land, die Jahreszeiten, die er hautnah spürte. In der Stadt hatte er manchmal das Gefühl gehabt, keine Luft mehr zu bekommen, zu ersticken. Diese Enge, der Lärm der Autos …

Die ersten Nächte waren der Horror gewesen. Ein Mehrbettzimmer im Studentenwohnheim, das ständige Türengeklapper, die Schritte auf dem Gang, dieses Nie-zur-Ruhe-kommen. Er hatte kaum ein Auge zugetan und sich am nächsten Tag wie gerädert gefühlt.

Mit seinen guten Noten hätte er das Studium wahrscheinlich erfolgreich abgeschlossen. Aber es war alles anders gekommen.

Seine zweite Freundin Linda McKinsey hatte er in der Mensa der Montana State University Billings kennengelernt. Sie war genauso alt wie er gewesen, hatte jedoch Jura studiert, während er sich der Land- und Agrarwirtschaft gewidmet hatte, um später effektiver auf der Ranch wirtschaften zu können.

Doch ihre Beziehung hatte nicht lange gehalten, gerade mal sechs Wochen. Dann war Heaths älterer Bruder Alex bei einem Autounfall gestorben. Auf dem Weg zurück von der Geburtstagsfeier eines Freundes war er bei strömendem Regen mitten in der Nacht mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen. Er hatte getrunken, nicht viel, aber offenbar genug, um die Kontrolle über seinen Wagen zu verlieren. Vielleicht war er einen Moment unaufmerksam gewesen – oder kurz eingeschlafen. Der einzige Trost, den Heath hatte, wenn er an ihn dachte, war, dass der Sheriff gesagt hatte, er sei sofort tot gewesen.

Er hatte am Telefon davon erfahren, am Morgen. Sein Vater hatte ihn angerufen. Ein einziges geflüstertes Wort: „Alex …“

Heath wäre fast der Hörer aus der Hand gefallen, er hatte gezittert und natürlich versprochen, sofort loszufahren.

Und so war Heath auf die Ranch zurückgekehrt. Restlos überfordert mit der Trauer seiner Eltern, mit seiner eigenen Trauer. Seine Mutter war nur noch ein Schatten ihrer selbst gewesen, nicht mehr in der Lage, den Haushalt zu führen oder irgendetwas für die Beerdigung zu organisieren. Sie hatte seine Ankunft kaum wahrgenommen und Heath war beim Blick in ihre Augen erschrocken, so leer waren sie gewesen.

Sie hatte unbedingt einen offenen Sarg gewollt, aber nachdem Heath mit dem Bestatter gesprochen und selbst einen letzten Blick auf seinen Bruder geworfen hatte, hatte er so lange auf sie eingeredet, bis sie davon irgendwann abließ.

Und dafür hatte sie ihn gehasst.

Er war geblieben, da es seiner Mutter von Tag zu Tag schlechter gegangen war. Ein Teil von ihr war mit ihrem ältesten Sohn gestorben.

Sie hatte nicht mehr gesprochen, nicht mehr gegessen und ihre Tage nur noch damit verbracht, in ihrem Lieblingssessel zu sitzen und aus dem Fenster zu starren, eines von Alex’ Hemden in den Händen, das nass war von ihren Tränen.

Weder Heath noch sein Vater waren an sie herangekommen, auch wenn sie stundenlang neben ihr gesessen und mit ihr geredet hatten.

Auch heute noch schmerzte es ihn, wenn er an diese Zeit dachte. Seine Ohnmacht, sein Unvermögen, ihr helfen zu können, seine eigene Trauer, die ihm Albträume bescherte, in denen er seinen Bruder sterben sah. Ohne ihm helfen zu können, ohne noch einmal mit ihm sprechen zu können, Ungesagtes zu sagen, sich für Fehler zu entschuldigen, Abschied zu nehmen. Und immer wieder Alex in diesem Sarg, sein zerschmettertes Gesicht …

Und ja, er war auch verletzt gewesen. War er gar nichts wert? Waren er und sein Vater es nicht wert gewesen, dass sie weiterleben wollte?

Jedes Mal, wenn er seine Mutter umarmte, hatte er ihren Widerstand gespürt.

„Nimm es nicht persönlich“, sagte sein Vater – und er hatte es doch getan. Daran hatten auch Henrys Hand und der verstehende Druck auf seine Schulter nichts geändert.

Nur in der Kirche, in die sie jeden Sonntag fuhr, fand sie Trost. Stets in schwarz, mit dem Gesangbuch ihrer Großmutter, dessen Seiten im Laufe der Jahrzehnte abgegriffen und vergilbt waren und dessen Ledereinband mit den goldenen Lettern brüchig geworden war.

Aber auch die langen Gespräche mit Father Joshua Donaghue hatten ihr nicht den Lebensmut zurückbringen können. Keine Gebete, kein stundenlanges Beichten nicht vorhandener Sünden.

Henry hatte mit ihr wegfahren wollen, doch sie weigerte sich.

Er hatte sie angefleht, wieder am Leben teilzuhaben, er hatte geschrien, geflucht, gebettelt, gebeten. Am Ende jedoch hatte ihre Verzweiflung gesiegt.

Sie war sechs Monate nach der Beerdigung an Herzversagen gestorben. Oder eher an ihrem gebrochenen Herzen, wie der Arzt beim Ausstellen des Totenscheins es ausgedrückt hatte.

Natürlich hatte sie ihre letzte Ruhe neben ihrem geliebten Sohn gefunden. Ein kleiner Engel schmückte ihren Grabstein aus Granit.

Die ganze Stadt war zur Beerdigung gekommen, ein Meer aus Kränzen und Gestecken hatte ihren Sarg bedeckt. Vor allem Lilien, ihre Lieblingsblumen.

In der Zeit danach hatten er und sein Vater sich gegenseitig Halt gegeben. Sie schwelgten in Erinnerungen, redeten nächtelang miteinander und versicherten sich immer wieder, dass niemand Schuld hatte, auch wenn ihre Gefühle ihnen das Gegenteil vermittelten. Eine doppelt getragene Trauer, die sie nur gemeinsam schultern konnten. Eine Trauer, die Vater und Sohn als letzte Überlebende einer Familie enger zusammenschweißte als die glücklichen Jahre vorher.

Heath war nicht mehr auf die Universität zurückgekehrt.

Er hatte noch ein paar Mal mit Linda telefoniert, dann hatte sie die Beziehung mit einem kurzen Brief beendet.

Sein Vater hatte einige Zeit gebraucht, um über den Verlust seiner Frau, so kurz nach dem Tod seines Sohnes, hinwegzukommen. Heath hatte ihn unterstützt, wo er nur konnte und dabei das eigene Leid zurückgedrängt, es so gut als möglich verdrängt, da er die emotionale Labilität seines Vaters spürte. Er wusste, einer musste stark sein, sollte das Leben weitergehen.

Seine Erinnerungen hinter sich lassend schälte Heath sich gähnend aus dem Bett und stand auf.

Nachdem er geduscht hatte, zog er sich an. Eine Jeans, ein Hemd, darüber eine Weste. Maßangefertigte Stiefel, damit er nicht bei der Arbeit aus dem Steigbügel rutschte, und ein aufwendig verzierter Ledergürtel mit einer breiten Schnalle, mehr Schmuck als Notwendigkeit, bildeten den Abschluss. Was fehlte, war der breitkrempige Hut, der ihn vor der Sonne schützen sollte, aber der lag unten auf der Kommode hinter der Eingangstür.

Ehe er hinunterging, um zu frühstücken, sah er kurz in das Schlafzimmer seines Vaters. Die Tür war offen. Für den Notfall.

Das leichte Heben und Senken der Bettdecke zusammen mit den Schnarchgeräuschen verriet, dass sein Vater noch schlief.

Gut.

Heath würde sich später zusammen mit Rosita um ihn kümmern, wenn er Hilfe benötigte. Jetzt sollte er noch seinen wohlverdienten Schlaf genießen.

Erst einmal folgte er dem Kaffeeduft runter ins Esszimmer. Pete hatte bereits den Tisch für ihn gedeckt. Eier und Speck, Toast, ein Glas Saft und Kaffee. Genau das Richtige für einen langen und harten Tag im Sattel.

In der Küche lief leise das Radio. Er lauschte dem Wetterbericht, der einen sonnigen Tag versprach. Die Regenwahrscheinlichkeit lag bei unter zehn Prozent.

Nach dem Frühstück besprach er sich draußen auf dem Hof mit Sam Campell, der der Vormann und sein Freund war, seine rechte Hand, sein schlechtes Gewissen, sein lebender Terminkalender …

Heath hatte seit einigen Monaten gänzlich die Führung der Ranch übernommen, nachdem sein Vater vor einigen Jahren nach einem Unfall bereits kürzergetreten war. Es war schwer gewesen, in seinem Alter von den Männern als Boss anerkannt zu werden, auch wenn er genau so viel Ahnung von der Arbeit hatte wie sie. Aber die meisten waren mindestens zehn Jahre älter als er gewesen und hatten ihn für neunmalklug und besserwisserisch gehalten. Das hatte sich erst im Laufe der letzten Jahre gebessert. Heath war sich nicht zu schade, mit anzupacken oder den Stall auszumisten. Er verlangte nichts von den Männern, was er nicht selbst tun würde und so hatte er sich langsam den Respekt der anderen verdient.

Sam hatte ihm immer zur Seite gestanden, ihm aber auch auf den Kopf zugesagt, wenn er eine Entscheidung für Bockmist hielt. Er war loyal und kannte die Ranch wie seine Westentasche. Dafür ließ Heath ihm freie Hand. Er wusste, er konnte sich blind auf ihn verlassen. Und wenn die Zeit es erlaubte, spielten sie sogar zusammen eine Partie Schach.

Sam war schon auf vielen Ranches gewesen und dort mit seiner direkten und manchmal verletzenden Art angeeckt. Aber genau das war etwas, das der alte Henry Arlington an ihm schätzte.

Ringo, der Hofhund, eine nicht mehr nachvollziehbare, aber umso beeindruckendere Mischung, den Heath letztes Jahr beim Pokern gewonnen hatte, lag schläfrig auf der Veranda und sah zu den beiden rüber.

Als Heath wieder ins Haus ging, kam er mit – vermutlich mit der Hoffnung, die Reste des Frühstückes zu bekommen.

Heath holte tief Luft, stieg dann langsam die Treppenstufen hoch und klopfte an die Tür.

Sein Vater sah auf, lächelte. Es ging ihm gut, heute brauchte er keine Hilfe beim Waschen oder Anziehen. Im Stillen dankte Heath dafür – Gott, dem Schicksal oder wer auch immer dafür zuständig war.

Es war für ihn eine Qual zu sehen, wie der Körper seines Vaters von Tag zu Tag zerfiel, wie er vom Krebs von innen aufgefressen wurde, während sein Geist hellwach war.

Zum Arzt war Henry nur alle paar Jahre gegangen. Er hatte die Schmerzen im Rücken auf die harte körperliche Arbeit auf der Ranch zurückgeführt, dabei hatte der Krebs seine Knochen bereits infiltriert und porös werden lassen.

Er hatte ein Osteosarkom, einen bösartigen Knochentumor mit Metastasen in der Lunge.

Seit einiger Zeit bekam er eine Chemotherapie, doch sie schlug nur schlecht an.

Heath war froh, dass es seinem Vater heute gut ging. Er leistete ihm beim Frühstück Gesellschaft und gönnte sich eine zweite Tasse Kaffee, während der Hund zu seinen Füßen lag und auf einem Knochen rumkaute, den vermutlich Pete ihm gegeben hatte.

Als er in die schwarze Flüssigkeit starrte, dachte er kurz an seinen Bruder. Heute wäre er 37 geworden. Vielleicht hätte er eine Frau gehabt, Kinder. Wie sehr hatte sich seine Mutter immer Enkelkinder gewünscht, die lachend durchs Haus rannten und draußen auf dem Hof mit dem Hund rumtollten.

Der Gedanke an Alex und seine Mutter schmerzte ihn. Noch immer. Nach all den Jahren tat es immer noch weh, an die zwei zu denken. Er vermisste sie. Seine Mutter mit ihrer Liebe und den stetigen guten Ratschlägen und seinen Bruder, mit dem er durch dick und dünn gegangen war.

„Ich will heute die Zäune kontrollieren. Und wenn möglich diese Woche den Rest der Windräder.“

Henry nickte zustimmend. „Hast du die Stute verkauft?“

„Ja. Und Bud Jenkins hat mit mir gesprochen. Ich soll mit dem Bullen nach Billings, zur Besamungsstation. Er hat angeblich bereits zwei Interessenten.“

„Das hört sich gut an. Bullensamen bringen viel Geld ein.“ Henry lehnte sich stöhnend zurück, streckte sich und ließ die Halswirbel knacken. „Ich sag dir, eines Tages wird’s keine freien Weiden mehr geben. Die Rancher werden die Rinder nur noch künstlich befruchten und sie in diesen Feedlots stehen lassen, bis sie schlachtreif sind.“

Die Zeit der Vollzeit-Cowboys, wie man sie aus den Filmen kannte, war vorbei. Durch die Modernisierung und den Fortschritt brauchte man nur noch ein Drittel der Arbeitskräfte und viele der Männer fanden nur während der Zeit der Roundups, also im Frühjahr und im Herbst, eine Stelle. Dazwischen zogen sie von Stadt zu Stadt und nahmen jeden Job an, den sie bekommen konnten. Die Double A der Arlingtons bildete eine Ausnahme. Hier gab es eine kleine, aber feste Mannschaft, worauf Henry viel Wert legte. Seine Männer waren eingespielt und konnten sich blind aufeinander verlassen. Er bezahlte gut, rund 600 Dollar im Monat, dazu gab es natürlich freie Kost und Logis, und er schloss für jeden der Jungs eine Krankenversicherung ab. Dafür gab es erst Feierabend, wenn die Arbeit getan war, und nur jedes zweite Wochenende frei.

Solche Ranches wie die Double A waren mittlerweile selten geworden, nur noch wenige Rancher hielten die Rinder bis zur Schlachtreife. Die meisten brachten die Kälber, die im Frühjahr geboren wurden, noch vor dem Winter in die sogenannten Feedlots, wo sie gemästet und dann verkauft und zum Schlachthaus verfrachtet wurden. Denn das Überwintern der Tiere auf der Ranch  hieß in den meisten Fällen, dass zugefüttert werden musste, je nachdem, wie hart der Winter war, ob Schnee lag oder nicht. Das kostete Geld und dauerte länger. Außerdem bedeutete es mehr Arbeit und ein höheres Risiko für Verletzungen und Infektionen oder Verluste.

Allgemein stand es schlecht um den Rinderbestand des Landes und die National Cattlemen’s Association hatte die Anzahl der Züchter auch dieses Jahr wieder nach unten korrigieren müssen.

„Mmh, es hat sich vieles verändert in den letzten Jahren. Patrick Namara treibt seine Tiere neuerdings mit einem Flugzeug zusammen.“

„Ja, hab ich gehört. Halt ich nichts von. Schließlich sind wir auch Arbeitgeber. Wo kommen wir denn hin, wenn wir den Jungs die Arbeit wegnehmen? Nicht mit mir! Fortschritt schön und gut, künstliche Besamung, irgendwann Chips statt Brandzeichen meinetwegen – aber keine Mastbetriebe, kein Flugzeug. Bei mir gibt’s keinen Fortschritt auf Kosten der Cowboys!“ In seinen blau-grauen Augen blitzte es auf.

Heath schmunzelte. Ja, so kannte er seinen Vater. Kampflustig, stur, und wenn es sein musste, ging er mit dem Kopf durch die Wand.

Er brachte das Geschirr in die Küche und ging mit seinem Vater nach draußen. Im Stall half er ihm, seine Stute Rive zu satteln.

Neben den Rindern züchteten sie reinrassige und mehrfach ausgezeichnete Quarter Horse Pferde.

Sein Pferd Rowtag war ein Rappe, mit nachtschwarzem Fell, Mähne und Schweif, ohne eine einzige helle Stelle, während das Pferd seines Vaters ein Palomino mit Stichelhaar war.

Heath klopfte seinem Pferd auf den Hals. Er hatte es mit der Hand aufgezogen, denn die Stute war während der Geburt gestorben.

Rowtag war ein Musterbeispiel eines erstklassigen Quarter Horse: Der Hengst besaß einen kurzen, keilförmigen Kopf mit einem kleinen Maul, kleine Ohren und große Augen und eine breite Stirn. Der Hals war mittellang, die Ganaschenfreiheit optimal. Er hatte starke, schräge Schultern, einen guten Widerrist, dazu eine kräftige Lendenpartie und Kruppe. Heaths Hand glitt weiter über die muskulöse Brust, runter zu den kurzen Beinen mit den ausgeprägten Gelenken bis zu den Hufen.

Ja, dieses Tier war wundervoll, temperamentvoll, aber gutmütig. Wild und dennoch treu ergeben.

Sein Vater schüttelte lächelnd den Kopf.

Heath sah auf. Er wusste, was jetzt kam. Dieselbe alte Geschichte, die er sich mindestens einmal in der Woche anhören musste.

„Als ich dich das erste Mal auf ein Pferd gesetzt habe, hast du so laut geschrien, dass deine Mutter dachte, ich schlage dich. Ich hab dich natürlich gleich wieder runtergeholt. Du bist weinend ins Haus gerannt. Na ja, jedenfalls hast du es versucht. Du hast so sehr geheult, dass du gegen den Wassertrog gerannt und hineingefallen bist …“

Henry lachte und Heath stimmte mit ein.

Seite an Seite ritten sie bis zum Mittag den Zaun ab. Beide waren Gegner des Stacheldrahtes. Zu oft hatten sich Tiere oder unvorsichtige Cowboys daran schon schwer verletzt. Aber ein Zaun war nötig, damit die Rinder nicht auf die Straße liefen und angefahren wurden und damit sie nicht auf fremde Weiden wanderten und sie dafür eine horrende Strafe zahlen mussten.

Die Ranch umfasste rund 70.000 Hektar. Darauf befanden sich fast 9.000 Rinder und einige Hundert Pferde. Dazu kamen noch zwei Dutzend Hühner und einige Milchkühe.

Gegen Mittag machten sie auf einer kleinen Anhöhe, von der man die Ranch sehen konnte, eine Pause. Es war warm. Ein paar Mücken tanzten über dem grünen, saftigen Gras. Bienen tummelten sich in den Blüten der Blumen und sammelten Pollen. Der Himmel war strahlend blau. Ein Erdhörnchen sah misstrauisch zu ihnen rüber und verzog sich dann lieber wieder in seinen Bau.

Über ihnen kreiste ein Wiesenstärling.

Pete hatte ihnen Sandwiches eingepackt und Obst, dazu eine Thermoskanne mit Kaffee.

Henry teilte einen Apfel in zwei Hälften und setzte sich auf einen Baumstamm, genoss die Sonne in seinem Gesicht, den Geruch nach Gras, die frische Luft.

Irgendwie konnte Heath sich nicht vorstellen, dass sein Vater eines Tages einmal nicht mehr da sein würde.

Er musterte ihn.

Der Krebs hatte bereits seine Spuren hinterlassen. Sein Gesicht war eingefallen, er hatte erheblich an Gewicht verloren und dennoch war er trotz seiner 65 Jahre eine beeindruckende Erscheinung, der man das Leben hier draußen ansah: der breite Rücken, die schwieligen Hände, das von der Sonne gegerbte Gesicht …

Doch mittlerweile ertrug er manche Tage nur noch mit Schmerzmitteln.

Immer noch ging Henry jeden Sonntag in die Kirche und danach auf den Friedhof zum Grab seiner Frau und seines Sohnes. Jedes Mal brachte er Blumen mit, sommers wie winters.

Er hielt stumm Zwiesprache mit den beiden und Gott, während Heath am Tor wartete. Heath war kein Mensch, der ein Grab brauchte, um zu trauern oder ihnen nah zu sein. Er trug sie in seinem Herzen.

Was seinen Vater betraf, so hegte er die Hoffnung, dass dieser die Krankheit besiegte. Doch er war auch genug Realist, um zu wissen, wie es wirklich um ihn stand.

Dennoch sprachen sie nie über seinen wann auch immer kommenden Tod, keiner von beiden.

Nun, das stimmte nicht ganz.

Kurz nach dem Tod seiner Mutter hatten sie sich einmal zusammengesetzt und Henry hatte seinen Standpunkt ziemlich klar dargelegt. Welche Musik auf der Beerdigung gespielt werden oder was der Geistliche sagen würde, war ihm ziemlich egal. Er wollte neben seiner Frau beerdigt werden und all sein Besitz würde an Heath gehen. Und damit war die Sache für ihn erledigt.

Heath hatte das so akzeptiert – akzeptieren müssen. Es war nicht so, dass sein Vater nicht mit sich diskutieren ließ oder keinen Widerspruch duldete, aber in manchen Dingen hatte er nun mal seine feste Meinung und wich davon auch nicht mehr ab.

Als sie auf der Ranch zurück waren, nahm Sam Henrys Pferd. „Ich kümmere mich darum, Boss. Da ist übrigens jemand, der Sie gerne sprechen möchte. Irgendein Typ, der Arbeit sucht.“

Das war nichts Überraschendes. Das einzig Seltsame war, dass Heath kein fremdes Auto auf dem Hof sah.

Sam schien seinen Gedanken zu erraten. „Er ist hierher getrampt.“

„Getrampt?“, wiederholte Heath, während er seinen Hengst absattelte.

„Yep.“ Sam deutete zur Pferdetränke.

Die beiden Arlingtons sahen hinüber.

Eine dürre Gestalt mit hellblonden Haaren hockte auf dem Rand des Wassertroges. Der Typ sah aus, als hätte er vor Wochen das letzte Mal was Ordentliches gegessen. Seine Jeans waren zerschlissen und schlotterten um seine dürren Beine, das Shirt und die Jacke hatten auch schon mal bessere Zeiten gesehen. Neben ihm auf der Erde lag ein Rucksack, der nicht viel beinhalten konnte.

Heath starrte ihn unbewusst an. Der Junge wirkte so … zerbrechlich. Er war bestimmt höchstens 25 und zog Heath unwillkürlich an, obwohl er fast zehn Jahre älter war. Weckte etwas in ihm, das er nicht kannte, das er nicht zuordnen konnte.

Sein Vater ging rüber, sprach mit ihm. Winkte Heath schließlich dazu.

Der Fremde sah ihn an, grüne, bittende Augen. Aus einem unerfindlichen Grund war Heath versucht, die Hand auszustrecken, diesen Jungen in den Arm zu nehmen, zu halten …

Er blinzelte verwirrt.

„Was meinst du?“, riss sein Vater ihn aus den Gedanken.

„Mmh? Oh, ähm …“

Der Junge lächelte verlegen. „Ich weiß, das sind noch nicht viele Erfahrungen … Aber ich bin mir für keine Arbeit zu schade. Wirklich nicht.“

Heath nickte. „Wir können jede Hand gebrauchen.“

„In Ordnung.“ Henry sah auf den Rucksack. „Bringen Sie Ihre Sachen ins Bunkhouse und lassen Sie sich von meinem Koch Pete was zu essen geben. Dann kommen Sie rüber! Ich mache inzwischen den Arbeitsvertrag fertig. Mein Sohn wird Ihnen alles zeigen.“

Heath streckte die Hand aus. „Mein Name ist Heathcliff Arlington. Willkommen auf der Double A Ranch.“

Ein breites, ehrliches Lächeln erschien auf dem Gesicht des Neuen. „Danke. Ich bin Camron Tremblay. Eigentlich Cameron, aber der Beamte hat beim Ausstellen der Geburtsurkunde das E vergessen. Die meisten nennen mich ohnehin nur Cam!“

Heath nickte wieder. Dieser Cam war ihm sympathisch. Er wirkte aufgeschlossen und arbeitswillig.

***

Cam nahm seinen Rucksack, folgte ihm. Ihm war beim Klang von Heaths sanfter Stimme ein Schauer über den Rücken gelaufen. Und dazu diese blauen Augen! Als würde er einen Blick in den strahlendblauen Himmel eines Frühlingstages werfen.

„Was bedeutet Double A?“, fragte er interessiert – auch um abzulenken, er wollte überspielen, wie nervös er war.

„Oh, nichts Besonderes“, antwortetet Heath auskunftsfreudig. „Mein Großvater hat die Ranch erbaut. Er hieß Angus Arlington. Und er war, zumindest was den Namen seiner Ranch betrifft, anscheinend nicht besonders kreativ.“

Camron lachte.

„Hier. Das Bett ist noch frei. Du kannst deine Sachen in den Schrank packen.“

Cam sah sich um. Es war ein kleines Zimmer. Zwei Betten, zwei Einbauschränke. Ein kleiner Tisch, zwei Stühle. Einige wenige persönliche Sachen des anderen, der hier wohnte.

Auf den ersten Blick nicht viel – und doch weitaus mehr als das, was Cam erwartet hatte. Die letzten Monate hatte er von der Hand in den Mund gelebt. Er hatte mal hier und mal dort gejobbt, war von Stadt zu Stadt, von Staat zu Staat gezogen und wenn er keine Arbeit gefunden hatte, hatte er gehungert und auf der Straße geschlafen.

Zum Glück war es nicht mehr so wie früher, wo es für die Cowboys nur einen großen Schlafsaal mit Doppelstockbetten gegeben hatte. Das hier war schon Luxus. Zumindest für ihn.

Er setzte sich kurz.

Alles war sauber und gut in Schuss gehalten.

Die Matratze war zwar weich, aber nicht durchgelegen. Die Bettdecke kuschelig und frisch gewaschen. Gott, wann hatte er das letzte Mal in sauberer Bettwäsche gelegen? Das musste Monate her sein.

Heath zeigte ihm die Toiletten und die Gemeinschaftsdusche. Es gab sogar einen sehr gemütlichen Aufenthaltsraum mit Sesseln, einem gut gefüllten Bücherregal, einem Fernseher und einer kleinen Kochnische.

Und natürlich das Chuckhouse, den Speisesaal für die Cowboys.

Heath stellte ihm auch Pete, den Koch vor. Cam fand ihn ein wenig kauzig und war der Meinung, dass er mal wieder einen ordentlichen Haarschnitt vertragen konnte. Zumindest die Haare, die er noch hatte …

Pete brachte ein aufgewärmtes Steak mit Kartoffeln und Bohnen. Bei dem Geruch knurrte Cams Magen verräterisch und er senkte verlegen den Blick.

Verständnisvoll deutete Heath auf einen Stuhl. „Setz dich und iss in Ruhe. Und dann kommst du rüber!“

„Okay. Danke!“

Er sah Heath nach. Starrte auf dessen – wie er fand – knackigen Hintern.

Dann stieg ihm wieder der Geruch des Essens in die Nase und er setzte sich, haute richtig rein. Er schlang fast, so gut war es. Und es war das erste Mal seit Wochen, dass er wieder satt war. Fast wären ihm vor Dankbarkeit die Tränen gekommen.

Er war froh darüber, dass niemand ihm dabei zusah, wie er mit dem Brot auch noch die letzten Reste der Soße auftunkte. Stumm betete er, dass sein Magen dieses verdammt gute Essen auch vertrug.

Henry ging später den Vertrag mit ihm durch und ließ ihn unterschreiben. Sam zeigte ihm dann den Rest der Ranch und stellte ihn den anderen vor.

Dominiert wurde die Ranch von einem bestimmt 300 Quadratmeter großen, mehrstöckigen Haupthaus mit einer überdachten Veranda und angeschlossener Großküche für die Versorgung der Männer. In einem kleinen Anbau wohnten Pete und Rosita, die Cam mit einem freundlichen  „Buenos dias!“ begrüßte.

Cam mochte Rosita auf Anhieb. Sie war ein ganzes Stück kleiner als er und musste fast den Kopf in den Nacken legen, wenn sie ihm in die Augen sehen wollte.

Neben dem Haupthaus gab es ein Bunkhouse, das Chuckhouse, zwei Ställe, eine Scheune, einen offenbar mehrfach umgebauten Geräteschuppen, eine Remise, worin mehrere Wagen standen und eine kleine Schmiede, aus der ein beständiges Hämmern zu hören war.

Natürlich gab es auch mehrere Corrals und eine Pferdetränke sowie ein Windrad.

Insgesamt beschäftigte Henry Arlington derzeit zehn Cowboys.

Cam hatte keine Ahnung, ob das viel oder wenig war. Auf einer Ranch hatte er nämlich bisher noch nie gearbeitet, sondern nur auf kleineren Farmen. Die Eindrücke erschlugen ihn fast und er war sich nicht mehr sicher, ob er nicht den Mund zu voll genommen hatte. Natürlich würde er sein Bestes geben und hoffte, dass es reichte, um zumindest ein, zwei Monatslöhne zu bekommen, denn in seiner Hosentasche befanden sich noch genau drei Dollar und fünfzehn Cent. Seit zwei Tagen hatte er nichts Ordentliches mehr gegessen. Um nicht zu verhungern, hatte er sogar im Müll eines Diners rumgewühlt und weggeworfene, angebissene Hamburger daraus hervor gekramt und angewidert verschlungen.

Außerdem brauchte er dringend eine Dusche.

Die Männer fragten ihn natürlich erst mal aus. Woher er kam, wo er schon gearbeitet hatte, was er konnte.

Cam versuchte, so wahrheitsgemäß wie möglich zu antworten und doch gleichzeitig sein größtes Geheimnis zu verbergen. Denn wenn das rauskam, würde er gleich wieder seine Sachen packen können. Das wäre nicht das erste Mal für ihn.

Es war spät, als er endlich dazu kam, sich den Dreck der letzten Tage runterzuwaschen. Er war froh, dass er allein in der Dusche war.

Ethan, sein Zimmergenosse, hatte sich eben vor ihm ausgezogen. Unwillkürlich hatte Cam diese Szene wieder vor sich. Wie er sich die Hose heruntergestreift und ihm dabei seinen Hintern entgegengereckt hatte.