Rodeo Lover - Màili Cavanagh - E-Book

Rodeo Lover E-Book

Máili Cavanagh

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Beschreibung

Der Bull Riding Star Tyler Yates ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er sich Hals über Kopf in den Rodeo Clown Dale Starett verliebt. Doch trotz moderner Zeiten ist unter den homophoben Cowboys kein Platz für ein Coming-out. Tyler muss sich zwischen beruflichem Erfolg und Liebe entscheiden. Da geschieht ein schrecklicher Unfall und alles ändert sich …

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Rodeo Lover

von

Màili Cavanagh

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2017

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Michele Paccione – fotolia.com

© Daylight Photo – fotolia.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-070-6

ISBN 978-3-96089-071-3 (epub)

Inhalt:

Der Bull Riding Star Tyler Yates ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er sich Hals über Kopf in den Rodeo Clown Dale Starett verliebt. Doch trotz moderner Zeiten ist unter den homophoben Cowboys kein Platz für ein Coming-out. Tyler muss sich zwischen beruflichem Erfolg und Liebe entscheiden.

Für Julian

Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Vorwort:

Schon immer maßen sich die Menschen auf den verschiedensten Gebieten miteinander. Auf diese Weise entstand auch aus der harten und gefährlichen Arbeit der Cowboys das Rodeo.

Die ersten Wettbewerbe waren noch inoffiziell und fanden unter den Männern auf den Ranches des sogenannten Wilden Westens statt, um herauszufinden, wer der Beste von ihnen war. Ob das erste offizielle Rodeo in Wyoming oder Texas ausgerichtet wurde, darüber gibt es unter den Historikern unterschiedliche Auffassungen. Aber erst der berühmte Bisonjäger William Frederick Cody, auch Buffalo Bill genannt, machte das Ganze mit seiner Wild West Show bis über die Grenzen von Amerika hinaus bekannt.

Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Rodeo zu einer professionellen und in den USA sehr beliebten Sportart. Die Preisgelder gehen in die hohen Tausender und die Gagen für Werbeverträge bewegen sich teilweise in Millionenhöhe. Dafür sind die Männer auch mehr als zweihundert Tage im Jahr unterwegs und bestreiten dabei mehrere Dutzend Rodeos. Ungefährlich ist dieser Sport auch heute trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht. Immer wieder gibt es dabei Schwerverletzte und auch Tote.

Kapitel 1

Dale Starett seufzte, schob mit der freien Hand seinen schwarzen Stetson ein Stück tiefer in die ausgeprägte Stirn und bahnte sich einen Weg durch den Menschenauflauf.

Es war wie jedes Mal ein Spießrutenlauf durch die Horde von Tierschützern, die vor der Arena lautstark gegen die Ausrichtung des Rodeos protestierten.

Einige von ihnen hielten Schilder mit Fotos von toten Pferden und Bullen hoch, dazu Banner mit Sprüchen wie ‚Beendet die Tierquälerei‘ und ‚Rodeosport ist Tiermord‘.

Dale kannte all ihre Argumente. Manchmal nahm er sich die Zeit, um mit einigen von ihnen zu diskutieren. Die Vorwürfe waren immer dieselben: Die Pferde würden durch das brutale Einquetschen ihrer Hoden oder durch den Einsatz von Elektroschockern zum Buckeln gebracht, die Flankengurte schnitten ihre Haut brutal ein, da sie nicht gepolstert und teilweise sogar mit Reißnägeln oder Glasscherben gespickt seien. Mit den Sporen treten die Rodeoreiter angeblich ohne Rücksicht auf die Tiere ein und überhaupt würden sie in viel zu engen und kleinen Verschlägen gehalten und allgemein stelle das Rodeoreiten sowohl für die Pferde als auch für die Bullen und Kälber einen unnatürlichen und hohen Stressfaktor dar.

Er wusste, dass es früher bei einigen Rodeos so gewesen war. Dass sich die Veranstalter nur an den Zahlen, an ihrem Gewinn interessiert gezeigt hatten – genau wie die Reiter.

Doch die Zeiten waren vorbei.

Heutzutage surften die Menschen in ihrer spärlichen Freizeit lieber im Internet, spielten Wii oder schauten Filme und der Rodeosport zog nicht mehr die Massen an wie noch vor fünfzig oder hundert Jahren. Jede Show war ein Kampf um jeden einzelnen Zuschauer, um jeden gottverdammten Dollar.

In vielen Punkten hatten die Veranstalter sich den Forderungen der Öffentlichkeit gebeugt. Wer dabei erwischt wurde, wie er ein Tier quälte, wurde hart bestraft. Mittlerweile gab es über sechzig verschiedene Tierschutzregeln, die zu beachten waren. Obwohl Organisationen wie die Animal Defense League, die World Animal Protection oder die H.O.R.S.E. Rescue and Sanctuary der Meinung waren, dass Rodeoreiten nicht nur Tierquälerei und ein Relikt vergangener Zeit sei und die Forderung nach einem absoluten Verbot der Rodeos im Raum stand, waren sie damit bisher nicht durchgekommen.

Bereits seit Jahren betreuten Veterinäre die Tiere während der Shows. Kranke oder verletzte Exemplare nahmen sie sofort aus dem Wettbewerb. Zumindest bei dem Rodeoveranstalter, der Dale beschäftigte, hatte er keine Verstöße mitbekommen. Sollte sich das je ändern, würde er umgehend kündigen. Mit Tierquälerei wollte er nichts zu tun haben. Er wusste, dass manche seine Einstellung für eine gewisse Art von Doppelmoral hielten, er aber nicht. Vielleicht weil er Amerikaner war. Weil er damit aufgewachsen war und es nicht anders kannte.

Dale seufzte. Früher oder später würden die Tierschützer dennoch ihr Ziel erreichen, dessen war er sich sicher. Ob das nun seine Richtigkeit hatte oder nicht, es würde auf jeden Fall viele Männer und Frauen den Job kosten.

Eine lange Tradition würde ihr Ende finden.

Denn genau das war der Sport in seinen Augen.

Rodeos wurden auf allen Ebenen organisiert: lokal, gebiets- oder staatsübergreifend und auf nationalem Level. Selbst an Highschools und Colleges gab es entsprechende Wettbewerbe.

Es war ein Sport, der einen berühmt machen oder einem das Genick brechen konnte, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Seine Aufgabe bestand darin, genau das zu verhindern. Er war Rodeoclown und sollte die Reiter beschützen.

Früher hatten die Rodeoclowns in den Pausen einfach nur die Zuschauer unterhalten. Mittlerweile stand der Job dem Reiten selbst an Gefährlichkeit in nichts nach. Wurde einer der Kämpfer zwischen Tier und Zaun eingeklemmt oder fiel er, so waren die Clowns oder das Safety-Personal, wie man sie heute auch nannte, dazu da, das Tier abzulenken und den Männern zu helfen.

Bei größeren Rodeos teilten sich mehrere Männer diesen Job. Der eine spielte dabei Bullfighter und kümmerte sich um den Reiter, der andere übernahm den Part des Unterhalters.

So mancher Rodeoclown war dabei schon schwer verletzt oder getötet worden; totgetrampelt, aufgespießt oder zerquetscht. Und das bei einem Lohn von hundert bis fünfhundert Dollar pro Wettkampftag. Zumindest bekamen das die Anfänger auf kleineren Veranstaltungen. Mit den Jahren und der Erfahrung stieg natürlich das Gehalt. Er kannte einige, die bis zu fünfzigtausend Dollar im Jahr verdienten. Aber nur wenige, die einen sechsstelligen Bereich erreichten. Trotzdem waren das immer noch Peanuts im Vergleich zu den Preisgeldern, die ein professioneller Rodeoreiter einstreichen konnte. Mehr als eine Million Dollar pro Jahr waren da keine Seltenheit. Von den Sachpreisen wie Autos, teure Uhren und andere Dinge einmal ganz abgesehen. Aber davon konnte er nur träumen.

Dale schlenderte mit seinem Einkauf zu seinem Trailer. Es war Zeit sich fertig zu machen.

Er zog sich um, tauschte die Jeans und das enge Hemd gegen Schutzpolster an Beinen, Hüften, Brust und Armen. Darüber trug er locker sitzende Klamotten, sie sollten die Aufmerksamkeit der Tiere auf sich ziehen. Es war schwierig, damit trotzdem schnell und beweglich zu sein. Dale musste diese Ausrüstung selbst kaufen und gute Schutzkleidung war teuer. Leichtsinnigerweise verzichteten einige seiner Kollegen aus diesem Grund ganz auf sie.

Mit diesem Gedanken setzte er sich an den kleinen Tisch vor den im Laufe der Jahre fast erblindeten Spiegel und begann sich zu schminken.

Auch das war keine Pflicht mehr, aber er hatte seine Gründe dafür. Das Make-up bot ihm eine gewisse Anonymität. Eine Maske, die er nach der Arbeit ablegen konnte – um eine andere aufzusetzen, sobald er sich bei Dunkelheit in die Schwulenclubs der Städte schlich wie ein Verbrecher.

Er hörte Schritte vor seinem Wagen; wusste, dass er sich nun beeilen musste, wenn er rechtzeitig zur Eröffnung da sein wollte.

Also legte er einen Zahn zu und war zur Nationalhymne an seinem Platz.

Slim Broyles, der neben ihm stand, sah ihn kurz an. Er war heute sein Partner und noch ziemlich neu.

Dale gab jedem eine Chance, auch wenn er noch so grün hinter den Ohren war. Aber dieser Slim hatte sich die letzten beiden Male so dämlich angestellt, dass Dale ihn hinterher angeschrien hatte. Dieses Greenhorn gehörte seiner Meinung nach nicht in eine Arena. Er war nett, höflich und zuvorkommend, aber er handelte weder vorausschauend, noch hatte er ein Gespür für Pferde oder für Rinder.

Es war zwar keine Voraussetzung für einen Rodeoclown, dass man von einer Farm oder Ranch kam, trotzdem galt das als hilfreich.

Was Slims körperliche Konstitution betraf, so fragte er sich, woran sein Boss bei der Einstellung des Jungen gedacht hatte.

Man musste fit, schnell, wendig und muskulös sein. Slim hingegen war dünn, ja fast mager und nahezu linkisch. Von Muskeln keine Spur und seine Kondition war ein Witz. Die Entscheidung zugunsten des Jungen konnte also einzig dem zurzeit herrschenden Personalmangel zuzuschreiben sein. Und den hatte Dales Ansicht nach Pritchard selbst verschuldet. Gus Strokes hatte schließlich angedroht nicht wiederzukommen, wenn Pritchard ihm nicht mehr zahlte und sein Vorhaben dann auch prompt in die Tat umgesetzt.

Slim stammte aus Louisiana. Sein Vater war Arbeiter in einer Kohlemiene, seine Mutter schuftete in einer Papierfabrik. Er selbst hatte mit Ach und Krach die Schule geschafft. Die hohe Arbeitslosigkeit und Armut in seinem Heimatort hatte ihn schließlich dazu veranlasst, sein Zuhause zu verlassen. Eine Weile hatte er sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen und war dann hier gelandet. Jedenfalls war es das, was Slim ihm eines Abends bei einem Bier erzählt hatte, zu dem Dale ihn eingeladen hatte, um ihn näher kennenzulernen. Ob es stimmte oder nicht, wagte Dale nicht zu beurteilen. Irgendwie tat der Junge ihm leid und er hätte ihm gerne geholfen, aber hier war er definitiv am falschen Platz. Vielleicht würde er seinen alten Freund Tony Ashcroft anrufen und fragen, ob er nicht einen Job für Slim hatte. Ashcroft besaß oben in Montana ein Sägewerk und konnte eigentlich immer eine helfende Hand für unbeliebte Arbeiten gebrauchen. Und wenn es nur das Zusammenfegen der Sägespäne war.

Dales Blick schweifte über die Reihen der Reiter, die ihre Hüte abgenommen hatten und andächtig mitsangen.

Die Ränge waren voll, das Stadion ausverkauft. Das war gut. Die Saison hatte gerade erst begonnen.

Manchmal fragte Dale sich, wie lange er diesen Job wohl noch machen konnte.

Er war Anfang dreißig; eigentlich war das kein Alter. Aber die Arbeit schlauchte, Prellungen und Knochenbrüche waren fast an der Tagesordnung und vor drei Jahren hatte er wegen einer Verletzung fast vier Wochen pausieren müssen.

Andererseits, bei den Lebenserhaltungskosten, die er hatte, würde er theoretisch arbeiten müssen, bis er wenigstens achtzig war. Selten blieb etwas von seinem Lohn übrig, das er zurücklegen konnte. Der Trailer kostete Unterhalt und musste aufgrund der Tausende von Meilen, die er jährlich damit fuhr, oft in die Werkstatt. Auch für die Krankenversicherung musste er selbst aufkommen. Und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder zwischen den Saisons gab es natürlich auch nicht.

Aus den Augenwinkel sah Dale, wie sich der erste Reiter im Gatter fertigmachte.

Er stieß Slim auffordernd den Ellenbogen in die Seite. „Komm, wir sind gleich dran!“

Broyles nickte und leckte sich nervös über die Lippen.

Angewidert rümpfte Dale die Nase. Sein Partner stank jetzt schon nach Schweiß. Eine gehörige Portion Respekt vor den Tieren war okay, Angst hingegen konnte fatal sein. Denn Angst lähmte.

Sie waren vor dem Reiter in der Arena, positionierten sich links und rechts von der Chute.

Das Rodeo begann mit dem Bareback Riding, also dem Wildpferdreiten ohne Sattel.

Ziel war es, mindestens acht Sekunden auf dem buckelnden Tier zu bleiben. Dabei durfte sich der Reiter nur mit einer Hand an dem Rigging festhalten, die andere musste er in die Luft recken. Die Füße hatte er über die Schulter des Pferdes nach vorne zu strecken. Berührte er aus Versehen oder absichtlich mit der freien Hand das Pferd oder etwas anderes, wurde er sofort disqualifiziert. Ebenso wenn er seine Füße beim Verlassen der Startbox falsch hielt.

Dale sah sich noch mal um und entdeckte die zwei Reiter, die zusammen mit ihm und Slim in der Arena waren, auf ihren Positionen. Er war konzentriert, ignorierte das Blitzlichtgewitter genauso so wie die Kommentare des Stadionsprechers und die große Uhr, die gnadenlos die Sekunden zählte. Schon die kleinste Ablenkung konnte verhängnisvoll sein.

Zwischen den einzelnen Disziplinen gab es kurze Pausen, die natürlich auch Slim und Dale nutzten, um zu ihren Trailern zurückzugehen, sich kurz auszuruhen und etwas zu trinken.

Zum Glück war es noch nicht so warm. Im Hochsommer bei Temperaturen von mehr als dreißig Grad würde es mit der Schutzkleidung und der Lauferei kaum auszuhalten sein.

Dale schminkte sich kurz nach, sah in den Spiegel.

Seufzte leise.

Ein Mann, der sich nicht nur anmalte, sondern sich auch noch vor Publikum freiwillig zum Affen machte und für andere den Kopf hinhielt.

Wenn sein Vater das wüsste, hätte er sich vermutlich im Grab umgedreht.

Aber Owen Starett war schon vor mehr als fünfzehn Jahren gestorben. Er war an einem Wintermorgen bei Reparaturarbeiten vom Dach gestürzt und hatte sich dabei das Genick gebrochen.

Dale und seine zwei Brüder mussten sich danach so gut sie konnten zusammen mit ihrer Mutter um die kleine Farm gekümmert, obwohl sie nicht viel abwarf. Aber sie zu verlassen hätte Elisabeth Starett das Herz gebrochen. Die Farm war ihr Zuhause, ihr Ein und Alles, der Ort, an dem sie so lange glücklich gewesen war.

Doch als sie ein paar Jahre später ihrem Mann folgte, verkauften die drei das Gut. Keiner von ihnen hatte es übernehmen wollen. Zu mühselig war das Leben auf der Farm, zu karg das Land, zu gering die jährliche Ernte. Von ihren Ersparnissen war, nachdem sie die Beerdigung bezahlt und ihre Schulden beglichen hatten, nicht viel geblieben, lediglich ein paar Hundert Dollar für jeden.

Ihn, Dale, hatte es zum Rodeo verschlagen. Eigentlich durch Zufall. Unschlüssig was er mit seinem nicht berauschenden Highschool-Abschluss machen, wohin er gehen sollte, hatte er den erstbesten Job angenommen, den er gefunden hatte: Er wurde Nachwuchs-Clown bei dem Rodeo, das gerade in der Stadt gastiert hatte. Quasi über Nacht hatte Bud Dearing ihm alles beigebracht. Zumindest in der Theorie. Schon am nächsten Tag hatte er ihn mit in die Arena genommen.

Andy, den Ältesten, zog es an die Ostküste. Er wollte dort sein Glück suchen. Das Letzte, was Dale von ihm gehört hatte, war, dass er irgendwo in einer Kneipe als Barkeeper arbeitete.

Adam, der Jüngste von ihnen, hatte geheiratet und lebte mit seiner Familie in Chicago, wo er zumeist nachts am Fließband stand. Sie telefonierten regelmäßig miteinander, sahen sich aber höchstens einmal im Jahr. An Thanksgiving oder zu Weihnachten, sofern Dale es überhaupt einrichten konnte.

Mittlerweile hatte Adam drei Kinder, zwei Jungs und ein Mädchen. Ryan, Wesley und Vicky.

Eine Familie, die er selbst nie haben würde. Nicht wegen seines Jobs, sondern weil er Frauen nichts abgewinnen konnte. Er stand auf Männer.

Etwas, das hier niemand erfahren durfte.

Zwar hatten sich die Zeiten geändert, aber der Rodeosport war immer noch eine der wenigen Männerdomänen, auch wenn es inzwischen Frauen erlaubt war, daran teilzunehmen. Dennoch wusste Dale aus eigener Erfahrung, dass die meisten Cowboys und Rodeostars homophob waren. Ein schwuler Rodeoreiter war für sie unvorstellbar, genauso wenig konnten sie sich mit dem Gedanken an schwule Soldaten anfreunden, obwohl natürlich alle wussten, dass die Armee mittlerweile dahin gehende Toleranz zeigte. Unvorstellbar also, sich zu outen oder gar erwischen zu lassen.

Dales Sexleben spielte sich demnach im Verborgenen ab. Bevorzugt, wenn er nicht unterwegs war oder heimlich in irgendwelchen Darkrooms. Er achtete penibel darauf nicht erkannt zu werden. Deshalb trug er auch in der Arena die Clownsmaske.

Es war ein einsames Leben, eine feste Beziehung blieb illusorisch. Und dabei schrieben sie mittlerweile ein neues Jahrtausend.

Viel hatte sich für Homosexuelle inzwischen geändert. Zumindest auf dem Papier. Doch in den Köpfen der Menschen war davon nicht viel angekommen.

Seufzend legte Dale die Dose mit der weißen Farbe zur Seite, wusch sich die Hände und ging wieder in die Arena.

Beim Steer Wrestling warf sich der Reiter, auch Bulldogger genannt, bei vollem Galopp von seinem Pferd auf einen jungen Stier. Dabei packte er ihn an den Hörnern und rang ihn zu Boden. Jedenfalls, wenn alles gut ging.

Der Tag verlief zum Glück ohne große Verletzungen, von ein paar Schürfwunden und einem ausgekugelten Arm einmal abgesehen. Beim Team Roping, der letzten Disziplin des Tages, kam es relativ selten zu Unfällen. Dafür erforderte sie ein eingespieltes Team.

Der Header fing, von der linken Seite kommend, mit einem Lasso den Kopf oder besser die Hörner des Rindes ein. Dann versuchte der Heeler das Gleiche mit den Hinterbeinen des Tieres. Sobald die Männer ihre Ropes um das Sattelhorn geschlungen hatten und das Tier stand, wurde die Zeit gestoppt.

Spitzenreiter schafften eine Zeit unter zehn Sekunden.

Dieses Jahr war ein Team aus Brasilien der Favorit, dicht gefolgt von den Vorjahresmeistern aus Australien.

Dale kannte fast alle Teilnehmer. Es waren meist dieselben, Neuzugänge waren selten geworden, trotz der hohen Preisgelder und des Ansehens, das der Sport noch immer hatte.

Manche der Rodeoreiter wurden von den Frauen umschwärmt wie Hollywoodstars.

Allen voran dieser Tyler Yates.

Das allerdings konnte Dale sehr gut nachvollziehen.

Tyler Yates war zweiunddreißig und der Star des Bullridings, der Königsdisziplin des Rodeos. Sein durchtrainierter Körper schien ausschließlich aus Muskeln zu bestehen. Er war groß, fast einsneunzig, hatte dunkelbraune Haare und grüne Augen.

Die Sponsoren rissen sich um ihn. 

Bei jeder Show wurde er sofort umlagert: von Unternehmensvertretern, der Presse, Autogrammjägern und Frauen.

Mit seinem Aussehen, seinem Charme und seinem Geld konnte er jede haben. Es gab, zumindest gerüchteweise, kaum eine Nacht, in der er alleine schlief.

Dale hatte einige seiner Eroberungen gesehen. Es waren allesamt gut aussehende, schlanke, ja fast magere Frauen gewesen, deren Make-up beim kleinsten Lächeln drohte zu bröckeln. Unter Garantie war nur die Hälfte an ihnen echt, die andere bestand vermutlich aus Silikon oder Botox.

Ihr schrilles Lachen hatte er noch drei Trailer weiter gehört und meist waren sie am nächsten Morgen wieder verschwunden.

Jedes Mal fragte Dale sich, weshalb Tyler sich mit solchen Frauen einließ.

Ja, sie waren repräsentativ, aber mit keiner von denen hatte er sich je offiziell irgendwo blicken lassen. Angeblich hatte er keine Zeit für eine feste Beziehung. Was Dale verstehen konnte. Schließlich war auch er fast zwei Drittel des Jahres unterwegs.

„Hey!“

Erschrocken zuckte Dale zusammen. Er war so in Gedanken gewesen, dass er Ron Keogh, einen seiner Kollegen, nicht gehört hatte.

Kein Wunder nach dem harten Tag, den er gerade mit einer heißen Dusche und kalten Cola draußen vor dem Trailer für sich beendet hatte. „Hm?“

„Ich hab gefragt, ob du mit in die Stadt kommst, um was zu trinken!“

Dale seufzte. Eigentlich war sein Plan ein anderer gewesen. Andererseits, er war müde und kaputt. Ein kleiner Schlummertrunk war da bestimmt nicht das Verkehrteste. Und so nickte er und folgte Ron.

Sie trafen sich mit ein paar anderen und gingen dann gemeinsam in die nächstgelegene Bar.

Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein.

Die Häuser waren rot-weiß-blau geschmückt und aus vielen Fenstern drang Country Musik, lautes Lachen und Gegröle.

Die Bar, in der sie einkehrten, war voll und die kleine Gruppe hatte Mühe einen freien Tisch zu finden.

Dale fegte ein paar Erdnussschalen vom Stuhl und setzte sich.

Die Bedienung kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Sie war ein junges Mädchen, höchstens zweiundzwanzig. Neben ihren kurzen, lila gefärbten Haaren trug sie knappe Shorts sowie ein enges, weißes T-Shirt mit einem Aufdruck des Kneipenlogos. Dazu so hohe Schuhe, dass Dale sich unwillkürlich fragte, wie sie darin den ganzen Abend laufen konnte.

Er orderte ein Bier, wie die meisten anderen, und betrachtete die fremde Umgebung.

Die Bar hatte schon bessere Zeiten erlebt.

Die Tische waren abgewetzt, die Stühle durchgesessen. An den Wänden hingen Fotos von Rodeoreitern und Countrymusikern: alle offenbar Gäste, die irgendwann mal hier gewesen waren.

Der Barkeeper wechselte die CD; warf eine von Johnny Cash ein.

Dale trank einen Schluck und verzog sogleich das Gesicht. Das Bier war schal und lauwarm. Nochmal würde er hier nicht herkommen.

Ron und Niyol unterhielten sich über das letzte Footballspiel, während Liam und Mason schon bald dazu übergingen, eine Runde Billard zu spielen.

Sie kannten sich alle schon lange. Nur ab und an kamen neue dazu, die meist nur eine Saison blieben. Vielen war die Arbeit zu anstrengend, zu schlecht bezahlt oder sie scheuten sich davor, so lange von ihren Familien getrennt zu sein.

Für Dale jedoch bedeutete dieser Job ein Stück Freiheit. Er war unabhängig, niemandem Rechenschaft schuldig.

Und er sah viel von seinem Land, auch wenn die Städte, in denen die Rodeos stattfanden, meist dieselben waren.

Einige seiner Arbeitskollegen hatten in jeder Stadt eine Geliebte. Er nicht. Er gab auch sein Geld nicht für Unterhaltszahlungen aus oder stotterte irgendwelche Kredite ab.

Aufgrund der Enge in seinem Trailer war ohnehin kein platzforderndes Hobby möglich.

Und so hatten sich im Laufe der Jahre zwei Leidenschaften durchgesetzt.

Zum einen las er gerne und dank dieser modernen Reader nahmen die Bücher auch keinen Platz weg. Zuerst war er skeptisch gewesen, ob ihm das Gefühl von Papier in den Händen nicht fehlen würde. Aber er hatte sich schnell daran gewöhnt.

Zum anderen liebte er das Fotografieren. Letztes Jahr hatte er sich eine neue Digitalkamera gegönnt und einige Objektive sowohl für Nah- als auch für Fernaufnahmen. Ab und zu gelang es ihm sogar einige Fotos an Agenturen zu verkaufen und er hatte tatsächlich schon einige Amateur-Fotowettbewerbe gewonnen.

Als die Bedienung wiederkam, flirtete Ron heftig mit der Frau. Er versprach ihr zu bleiben, bis sie Feierabend hatte.

Dale wusste, worauf das hinauslaufen würde. Er grinste in sich hinein und gönnte es ihm.

Eine halbe Stunde später machte Dale sich allein auf den Rückweg. Liam und Mason wollten noch weiterziehen.

Die Händchen haltenden Paare, an denen er vorbeilief, machten ihn ein wenig eifersüchtig und nicht ohne Neid dachte er an Ron, der vermutlich schon bald mit der Kleinen im Bett landen würde.

Er selbst hatte schon ewig keinen Sex mehr gehabt. Vier Monate, um genau zu sein. Zumindest war er gut gewesen und Dale erinnerte sich gerne daran.

Er hatte Shawn zufällig kennengelernt auf der Geburtstagsfeier eines Freundes. Sie waren danach gemeinsam zu ihm gegangen und hatten eine bombastische Nacht zusammen verbracht. Aber es war nichts für die Ewigkeit. Shawn kam mit seinem Job nicht klar, Dale war ihm zu oft und zu lange weg.

Nun, Dale war einerseits froh gewesen, dass er es von Anfang an klargestellt hatte. Andererseits hatte es trotzdem wehgetan.

Der Trailerpark war nur spärlich beleuchtet und so bemerkte Dale die Schmierereien an seinem Wagen erst, als er dicht davorstand.

,Tierquäler‘ hatte jemand darauf gesprüht und zusätzlich zur Unterstreichung einen Farbbeutel gegen die Frontscheibe geworfen. Ein großer, roter Fleck zierte nunmehr das Glas. Rot wie Blut.

„Ach, Scheiße!“, fluchte Dale und trat wütend gegen einen Reifen. Es war nicht das erste Mal, dass so was passierte, aber es ärgerte ihn, da er wusste, wie viel Arbeit es bedeutete, das Zeug wieder abzubekommen. Und wie teuer es werden würde. Eine Anzeige wegen Sachbeschädigung würde nichts bringen. Die letzten fünf waren ohne Ergebnis eingestellt worden, ohne dass der oder die Täter ermittelt werden konnten.

Aber nicht jetzt. Das würde er am nächsten Morgen angehen. Zum einen war er zu müde, zum anderen wusste er, wie unleidlich die Bullen waren, wenn man sie zu nachtschlafender Zeit wegen so einer Lappalie, was es zumindest in deren Augen war, belästigte.

Gefrustet öffnete er die Tür und ging hinein.

Er besaß einen Airstream Trailer, den er vor ein paar Jahren gebraucht gekauft hatte, der zwar nicht groß war, aber alles hatte, was Dale brauchte. Neben der Schlafgelegenheit und der Sitzecke verfügte das Gefährt über eine Küchenzeile mit Kühlschrank, Herd und Backofen. Es gab sogar eine Nasszelle mit Toilette, eine Heizung und für die heißen Sommer eine Klimaanlage.

Dale nahm sich noch ein Bier und ließ sich damit auf sein Bett fallen. Eine Weile zappte er sich durch das Programm, bis er bei einem Porno hängen blieb.

Zwei gut aussehende Männer trieben es in nahezu allen erdenklichen Stellungen mit einer Rothaarigen.

Dale hatte nur Augen für den blonden Typen, dessen Tribal-Tattoo auf dem linken Oberarm ihm gefiel. Bei dem Kerl würde er schwach werden.

Bedauerlicherweise trieb er es nur mit der Frau und nicht mit dem anderen Mann.

Nun, Dale hatte genug Fantasie, um sich davon nicht stören zu lassen, während seine Rechte in seine Jeans wanderte und seine beträchtliche Erektion umfing.

Er schloss die Augen, dachte an Tyler Yates und ließ sich von dem leisen Gestöhne mitreißen, während seine Hand auf und ab fuhr und er seiner Vorstellungskraft freien Lauf ließ:

Es roch nach Leder und frischem Heu, als er den Stall betrat.

Tyler war dabei mit entblößtem Oberkörper einen großen, feurigen, schwarzen Hengst zu striegeln.

Als er Dales Hereinkommen bemerkte, lächelte er, legte die Bürste weg und leckte sich über seine geschwungenen Lippen.

„Hey!“ In seinen grünen Augen blitzte es auf.

„Hey!“

Dale blieb stehen, musterte ihn intensiv. Ergötze sich regelrecht an dem scharfen Anblick, den Tyler bot.

Dieser grinste. „Komm her!“, raunte er.

„Und wenn nicht?“, erwiderte Dale frech.

Die Antwort bekam er prompt. Eine Lassoschlinge legte sich um seine Oberarme und die Brust. Bestimmt zog Tyler ihn zu sich heran und streifte ihm das raue Hanfseil wieder ab.

Dale lachte. Er sah ihm an, dass er gerne mehr damit angestellt hätte. Doch nicht heute. Nicht hier und jetzt.

Zärtlich strich er ihm über die glatte Brust.

Tylers Brustwarzen richteten sich auf.

Starke Arme umschlangen Dale und er fühlte sich an diesen Traum von einem Körper gezogen. Volle Lippen pressten sich auf die seinen.

Eine warme Zunge bahnte sich ihren Weg in seinen Mund, forderte ihn nach einer ausgiebigen Erkundung zu einem Duell heraus.

Dale ließ sich gerne niederringen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Beide fielen ins frische Stroh.

Das Pferd schnaubte, scharrte unruhig mit den Hufen. Schüttelte den Kopf so, dass die wilde Mähne flog.

Staubpartikel tanzten im Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel.

Erregt beugte sich Dale herab und verteilte liebevolle Küsse auf Tylers Brust.

Es war warm in dem Stall.

Kleine Schweißperlen bildeten sich in Tylers Halsmulde.

Unter sich spürte Dale dessen Erregung.

Er rieb sich an ihm; seine Mitte an Tylers – knabberte sanft an Tylers Hals und rechter Schulter, während er gleichzeitig dessen Jeans öffnete und mitsamt der Unterhose nach unten schob.

Tylers erigiertes Glied kam ihm erwartungsfreudig entgegen.

Dale küsste sich tiefer, umschloss es kurz darauf mit seinen Lippen und begann daran zu saugen. Zwischendurch strich seine Zunge immer wieder über die Eichel. Vorsichtig knabberte er am Bändchen, entlockte Tyler damit ein Wimmern.

Der leicht salzige Geschmack der ersten Lusttropfen törnte Dale noch mehr an und er bemerkte kaum Tylers Hände in seinen Haaren oder die Worte, mit denen Tyler ihn bedachte.

Als er spürte, dass Tyler kurz vor dem Höhepunkt war, verlangsamte er das Tempo; begann stattdessen intensiv die Hoden zu massieren.

Tyler stöhnte unwillig. „Dale“, flüsterte er heiser.

Doch dieser lachte nur und trieb ihn erneut mit seiner Zungenfertigkeit bis kurz vor den Orgasmus.

„Gott, du machst mich wahnsinnig“, keuchte er, packte fest und bestimmt Dales Oberarme und zog ihn hoch. „Fick mich endlich!“, verlangte er mit rauer Stimme.

Das ließ sich Dale kein zweites Mal sagen. Hastig entledigte er sich seiner Kleidung und fischte in seiner Hemdtasche nach einem Kondom, das er sich eilig überstreifte.

Gierig spreizte er Tylers Beine und drang in ihn ein.

Hitze empfing ihn und er schloss kurz die Augen. Hielt sich zurück, um nicht sofort gänzlich in ihn zu stoßen.

Doch Tyler zog ihn ungeduldig mit seinen Beinen näher zu sich. „Bitte!“

Dale küsste ihn erneut. Begann sich dann langsam zu bewegen. Entzog sich ihm fast gänzlich, nur, um sich wieder und wieder in ihm tief zu versenken.

Währenddessen glitten Tylers Hände seinen Rücken auf und ab. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt. Das Stroh raschelte. Einige Halme verfingen sich in seinen widerspenstigen Haaren.

Irgendwann änderte Dale leicht den Winkel, sodass er genau Tylers Punkt traf.

Tyler schrie auf, verdrehte die Augen, als er kam und Dale mitriss.

Für einen winzigen Moment schrumpfte Dales Welt auf dieses unbeschreibliche Gefühl des Kommens. Des Zerfließens. Des Loslassens.

Sein Herz schien seinen Brustkorb zu sprengen, so schnell schlug es. Das Blut rauschte in seinen Ohren und nur langsam kehrte er erschöpft in die Wirklichkeit zurück.

Er rutschte von Tyler herunter und legte sich an dessen Seite. Umschlang ihn mit einem Arm, bettete seinen Kopf auf Tylers Brust und lauschte dessen Herzschlag, schnell und stetig, während Tyler seinen Nacken kraulte.

Dale kam zuckend, unterdrückte ein Stöhnen. Sein warmes Sperma ergoss sich über seinen Bauch, tropfte ziemlich unerotisch auf das frische Bettlaken.

Fluchend griff Dale nach einem Taschentuch und versuchte das Schlimmste zu verhindern. Er hatte keine Lust auf einer feuchten Matratze zu schlafen.

Als er schließlich das Licht ausschaltete und die Decke hochzog, wurde ihm erneut seine Einsamkeit bewusst. Nicht nur die im Bett, sondern die in seinem Leben.

Er war nicht unglücklich – aber auch nicht wirklich glücklich.

Natürlich fehlte ihm der regelmäßige Sex. Noch mehr sehnte er sich nach jemandem an seiner Seite. Nach einem Menschen, der da war, wenn er abends nach Hause kam. Nach jemandem, der alles mit ihm teilte. Nach jemandem, in dessen Armen er einschlafen und aufwachen konnte. Jemand, der ihn liebte.

Am nächsten Morgen stand Dale früh auf und ging in die Stadt. Dort frühstückte er und besorgte sich anschließend einen Polykarbonat-Reiniger, einen Eimer, Handschuhe und einige Schwämme. Der Preis dafür ließ ihn schlucken, doch was blieb ihm anderes übrig? Er würde bestimmt nicht mit dem verunstalteten Trailer weiterfahren.

Also bezahlte er murrend und marschierte zurück zu seinem Stellplatz. Bis zum Beginn der Show war noch ein wenig Zeit. Und so zog er sich die ältesten Klamotten an, die er hatte, und begann damit das Geschmiere abzuschrubben. Es war eine mühsame und schweißtreibende Arbeit und trotz der Chemie ging es nur langsam voran. Dazu stank das Zeug bestialisch und brannte in seinen Augen.

Wenn auch die Temperaturen noch mild waren, begann er schon bald zu schwitzen. Das Shirt klebte ekelhaft an seinem Oberkörper und er wollte gar nicht wissen, wie er roch.

„Netter Frühsport!“

Erschrocken fuhr Dale herum.

Es war Ron, der mit verschränkten Armen und wirren Haaren an einem anderen Trailer lehnte und grinste. Sein kariertes Hemd hing aus der beigen Hose und einer seiner Schnürsenkel war offen. Er hatte die Nacht offenbar woanders verbracht und sich mit dem Anziehen nicht besonders viel Mühe gegeben. Vielleicht hatte er auch schneller als der gehörnte Ehemann sein müssen. Bei Ron war so ziemlich alles möglich. Er war kein Kind von Traurigkeit.

Dale warf den Schwamm in den Eimer und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Diese Idioten!“, murrte er.

„Ja. Sie werden es vermutlich nie aufgeben. Aber einige von ihnen haben doch sehr überzeugende Argumente!“ Ron grinste vielsagend und deutete mit seinen Händen eine üppige Oberweite an.

Lachend schüttelte Dale den Kopf. Dann sah er auf die Uhr. „Wir müssen uns fertigmachen.“

„Ja, du hast recht. Wir sehen uns gleich in der Arena!“

Kapitel 2

Tyler Yates gähnte und streckte sich. Blinzelnd warf er einen verschlafenen Blick auf die Uhr, während er sich zwischen den Beinen kratzte.

Es war noch früh – zumindest für ihn. Die ersten Wettkampftage konnte er ausschlafen, erst am Ende zum Höhepunkt der Show war sein Einsatz gefragt. Er trat in der Königsdisziplin an. Die Disziplin, auf die alle warteten. Die am gefährlichsten war.

Müde schlug er die Decke zur Seite und schlich barfuß in Richtung Kaffeemaschine.

Kaffee.

Er brauchte unbedingt einen Kaffee.

Sein Lebenselixier.

Er öffnete den Schrank, nahm ein Pad aus der Packung und stopfte es in die Maschine, nachdem er frisches Wasser hineingetan hatte. Dann drückte er auf den Knopf und lauschte dem magischen Geräusch der Mechanik, die ihm Sekunden später eine große, dampfende Tasse seines Lieblingsgetränkes präsentierte.

Mit dem Becher in den Händen und nur mit seiner Unterhose bekleidet setzte er sich an den Tisch, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Er lauschte den Nachrichten, doch eigentlich interessierte ihn nur der Wetterbericht, der Sonnenschein und angenehme Temperaturen versprach.

Das war gut. Es lockte viele Zuschauer in die Show.

Und das war gerade zu Saisonbeginn wichtig. Schließlich war er, wie viele andere Rodeoreiter auch, an den Werbeeinnahmen beteiligt.

Die waren, neben den Sponsoren und Siegprämien, seine Haupteinnahmequellen, mit denen er sich unter anderem diesen Luxus-Wohnwagen leisten konnte.

Er hätte auch im Hotel übernachten können wie sein Manager, aber er hatte keinen Bock darauf, andauernd von irgendwelchen Presseleuten beobachtet, verfolgt und angequatscht zu werden.

Außerdem bot der Wagen alles, was er brauchte, sogar ein eigenes kleines Fitnessstudio. Es war an seine Bedürfnisse angepasst. Unter anderem enthielt es eine Hantelbank, auf der er Gewichte stemmen und Situps machen konnte. Dazu kamen ein paar Liegestützen und Kniebeugen. Genug, um sich in Form zu halten.

Auch an diesem Morgen stählte er seinen Körper, ging danach ausgiebig duschen und zog sich an.

Es war fast Mittag, als er frühstückte.

Aber wen interessierte das schon?

Beiläufig warf er einen Blick auf den vor ihm liegenden Terminplaner und fluchte.

Das Fotoshooting!

Das hätte er beinahe vergessen.

Hastig stellte er den Teller in die Spüle, schnappte sich seine Jacke und machte sich auf den Weg.

Sein Manager, Paul White, wartete bereits auf ihn.

Ungeduldig deutete er auf ein Auto, das am Straßenrand vor dem Trailerpark geparkt war, und trat seine Zigarre aus. „Mein Gott, hast du die Nacht wieder zum Tag gemacht?“, fuhr er Tyler genervt an, während dieser einstieg.

„Nein, diesmal ausnahmsweise nicht!“

White setzte sich neben ihm und gab dem Fahrer das Zeichen zum Losfahren. Der Chauffeur startete den Wagen und fädelte sich in den Verkehr ein.

„Du weißt, wie wichtig dieses Shooting ist, oder?“

Yates öffnete die Minibar und nahm sich ein Bier. „Ja, natürlich!“

Paul verdrehte die Augen, griff nach der Flasche und stellte sie zurück. „Es macht keinen guten Eindruck, wenn du mit einer Alkoholfahne da auftauchst!“

Tyler verdrehte die Augen. „Es ist nur ein Fotoshooting. Für ein Deo!“ Und er hatte jetzt schon keinen Bock darauf. Er hasste diese Pflichttermine, obwohl er wusste, dass sie nötig waren.

Zum Glück kümmerte Paul sich darum, während er sich auf die Siege konzentrierte.

Er war gut gewesen im letzten Jahr. Und in dem davor. Das hatte ihm einige neue Sponsoren eingebracht. Ein paar weitere Aufnäher auf seinem Hemd und ein netter Betrag auf seinem Konto.

Wie viel genau, das wusste er nicht. Auch das überließ er Paul.

Die Fahrt dauerte nicht lange. Eine halbe Stunde, während der sie sich über eine Charity Veranstaltung unterhielten, zu der sie beide eingeladen waren.

Tyler zwang sich beim Betreten des Studios zu einem Lächeln. Eine Maske aufzusetzen – das hatte er im Laufe der Jahre gelernt.

Als er mit dem Rodeosport angefangen hatte, träumte er nicht einmal davon, so erfolgreich zu werden.