9,99 €
Die neue Fantasyserie der »Ravenhall Academy«-Bestsellerautorin Julia Kuhn! Wenn im Buckingham Palace die Geisterstunde schlägt, braucht die Prinzessin ihren Bodyguard … Niemand ist im britischen Königreich so beliebt wie Prinzessin Leonora. Doch während der Stilikone alle Herzen zufliegen, ist ihres heimlich vergeben – nämlich an den Schotten Logan Scott, einen ausgebildeten Royal Guard of Nightfall, nun jedoch Leonoras neuer Bodyguard und damit absolut tabu ... Wie sehr sie ihn an ihrer Seite braucht, merkt sie erst, als ein Geisterbeschwörungsritual an Halloween schiefgeht und in ihren Spiegeln mysteriöse Gestalten auftauchen. Als dann noch die Raben des Towers verschwinden und sechs gewaltige Flüche auslösen, ist klar, dass das britische Königreich es mit dunkler Magie zu tun hat. Leonora und Logan müssen jeden der Flüche brechen und kommen sich dabei gefährlich nahe … Forbidden Love trifft auf Royal Celebrities in einem atemberaubend düsteren Setting im Herzen Londons. Der zweite Band der hoch romantischen Fantasy-Trilogie von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Julia Kuhn. //Alle Bände der Buchreihe: - Royals of Nightfall. Dämonenfluch (Royal Shadows 1) - Royals of Midnight. Rabenfluch (Royal Shadows 2) - Royals of Darkness. Schattenfluch (Royal Shadows 3)//
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
ImpressDie Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.
Jetzt anmelden!
Jetzt Fan werden!
Julia Kuhn
Royals of Midnight. Rabenfluch (Royal Shadows 2)
Wenn im Buckingham Palace die Geisterstunde schlägt, braucht die Prinzessin ihren Bodyguard …
Niemand ist im britischen Königreich so beliebt wie Prinzessin Leonora. Doch während der Stilikone alle Herzen zufliegen, ist ihres heimlich vergeben – nämlich an den Schotten Logan Scott, einen ausgebildeten Royal Guard of Nightfall, nun jedoch Leonoras neuer Bodyguard und damit absolut tabu ... Wie sehr sie ihn an ihrer Seite braucht, merkt sie erst, als ein Geisterbeschwörungsritual an Halloween schiefgeht und in ihren Spiegeln mysteriöse Gestalten auftauchen. Als dann noch die Raben des Towers verschwinden und sechs gewaltige Flüche auslösen, ist klar, dass das britische Königreich es mit dunkler Magie zu tun hat. Leonora und Logan müssen jeden der Flüche brechen und kommen sich dabei gefährlich nahe …
Forbidden Love trifft auf Royal Celebrities in einem atemberaubend düsteren Setting im Herzen Londons. Der zweite Band der hoch romantischen Fantasy-Trilogie von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Julia Kuhn.
Leonoras We-Go-Gala Playlist
Buch lesen
Legende der sechs Raben
Glossar
Danksagung
Vita
© Selina Marie Photography
Julia Kuhn wurde 1996 im Süden Baden-Württembergs geboren und lebt mit ihrem Mann auch heute noch dort. Wenn sie nicht gerade an neuen Büchern schreibt, reist Julia gerne nach London, schwelgt in Buchwelten und teilt ihren Alltag als Autorin auf ihrem bekannten Instagram- und TikTok-Account. Ihre bisher erschienenen Fantasyromane hielten sich wochenlang auf der SPIEGEL- und TikTok-Bestsellerliste und begeistern Zehntausende von Leser*innen.
Forever Young – UNDRESSD, Ellie May, LIZOT
Still Waiting – Sum41
Whatever – CRO
The Spectre – Alan Walker
Legends Are Made – Sam Tinnesz
Heaven (feat. Veronica) – Dzeko, Riggi & Piros, Veronica
Dernière danse – Techno Mix – Indila, BENNETT
Princess Don’t Cry – Nightcore Remix, CARYS
Boyfriend – Justin Bieber
Breakin’ Dishes – Rihanna
Shower – Sped Up Mix – Teddy Stallion
She Doesn’t Mind – Sped Up – fast demon, Mr Demon
The Sun Is Rising – Britt Nicole
Break The Rules – KXXMA, YAMAS, MeSSy
Für den Tower of London.Den Ort meiner Inspiration.
Eine Halloweenparty im Tower of London?
Wie jedes Jahr ein Highlight, bei dem die wichtigsten Adeligen und Prominenten des Landes nicht fehlen dürfen.
– GEPOSTET VOR ZWEI STUNDEN VON ROYAL SECRET GIRL –
»Ich bin die verdammte Prinzessin.« Ich warf dem Sicherheitschef des Buckingham Palace einen vernichtenden Blick zu. »Wie wäre es, wenn ich selbst entscheide, wer mein neuer Aufpasser wird?«
Mr Boswarth fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er wirkte müde. »Eure Königliche Hoheit, Ihr wisst genauso gut wie ich, dass ich nur ein Sicherheitsprotokoll befolge, das bereits seit Eurem Großvater König Georg Bestand hat. Und dieses sieht nun einmal vor, dass der Personenschutz alle drei Jahre wechselt.«
Ich verkniff mir ein Schnauben. Das Königshaus und seine traditionellen Vorschriften. Einige davon ergaben auch Sinn und hatten ihre Daseinsberechtigung. Andere wiederum waren veraltet und längst überholt.
»Mr Boswarth. Ich war zufrieden mit Ronya. Sie hat einen großartigen Job gemacht.« Während ich die Worte aussprach, spürte ich ein Ziehen in meiner Brust. Ronya hatte mich in den letzten drei Jahren so oft aus der Scheiße gezogen. Gleichzeitig war sie zu einer guten Freundin geworden, der ich alles hatte erzählen können, was mich beschäftigte. Er hingegen … Verdammt. Nein. Auf keinen Fall würde er mein neuer Bodyguard werden.
Ich stemmte die Hände in die Hüften und holte tief Luft. »Nein.« Aus dem Mund der britischen Prinzessin ein sehr mächtiges Wort. Normalerweise.
»Ich habe bereits geahnt, dass Ihr versuchen würdet, mich umzustimmen.« Mr Boswarth ging um seinen antiken Schreibtisch herum, der im Licht der letzten Sonnenstrahlen erstrahlte, und zog aus einem Ordner ein Dokument hervor. Er hielt es mir entgegen.
Seufzend verdrehte ich die Augen. Die elegante Schrift und den Briefkopf würde ich auch im Schlaf erkennen. Der britische König höchstpersönlich hatte das Ganze aufgesetzt. Und damit hatte ich den Kampf verloren. Dafür musste ich den Brief nicht einmal lesen.
Auf Mr Boswarths Zügen zeichnete sich ein zufriedener Ausdruck ab und er lehnte sich entspannt gegen seinen Schreibtisch.
»Dann sind wir hier ja fertig.« Mit diesen Worten wandte ich mich ab, hielt jedoch inne, als sich Mr Boswarth ein weiteres Mal räusperte.
»Außerdem hat Ronya vor zwei Wochen gekündigt. Sie zieht zurück in ihre Heimat und strebt eine Karriere bei der Polizei an.«
Wieder war da dieses Ziehen in meiner Brust. Ich hatte nichts von ihrem Vorhaben gewusst.
Sie verlässt mich.
Geht fort.
Ich spürte, wie sich schmerzhafte Erinnerungen ihren Weg an die Oberfläche bahnten, mir unnachgiebig die Kehle zuschnürten.
»Alles gut, Prinzessin?«, fragte Mr Boswarth hinter mir.
Ich schluckte schwer, straffte meine Schultern und nickte. Dann verließ ich ohne ein weiteres Wort die Sicherheitsabteilung des Buckingham Palace. Kaum hatte ich die geschwungene Treppe nach unten erreicht, beschleunigte ich meine Schritte. Ich musste vergessen.
Auf halbem Weg zurück in mein Zimmer hielt ich kurz inne und atmete durch. Sosehr ich auch versuchte, mit der Vergangenheit abzuschließen, ich schaffte es nicht. Die Erinnerungen waren zu laut. Vor allem in Situationen, wenn es um mich herum zu ruhig war – genau wie heute. Ein Großteil des Personals war mit den Vorbereitungen für eine Veranstaltung im Schloss Windsor beschäftigt und dementsprechend nicht vor Ort.
Ich holte tief Luft und fuhr über den kühlen Marmor des Treppengeländers, versuchte mir selbst Halt zu geben, ehe ich schließlich auf den Südflügel zusteuerte. Als die Tür zu meinen Räumlichkeiten in Sicht kam, entdeckte ich Ronya davor. Ihr Blick war resigniert, schuldbewusst. Anders als sonst trug sie nicht ihren Hosenanzug, sondern Jeans und T-Shirt.
Sofort kämpfte ich gegen die aufkommenden Gefühle in mir an, verschloss mich. Wie ich es so oft tat.
»Es tut mir leid.«
Wirklich?, schoss es mir durch den Kopf.
»Es ist in Ordnung. Ich verstehe dich«, kam es mir stattdessen über die Lippen. Ich wusste, dass es ihr leidtat. Ronya log mich nie an. Eine Eigenschaft, die bloß wenige Menschen in meiner Welt besaßen und die ich desto mehr schätzte.
»Wirst du mich heute Abend noch begleiten?«, fragte ich, obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich die Antwort überhaupt hören wollte.
»Nein, ich reise gleich ab. Es tut mir leid, ich konnte es dir nicht früher sagen … ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht.« Bei den letzten Worten brach die Stimme der sonst so starken Frau, die eigentlich nichts so leicht aus der Ruhe brachte. Sie wirkte erschöpft und glücklich zugleich. Ihre braunen Augen verhießen Vorfreude.
»Freust du dich auf deine neue Zukunft?«
Sie fuhr sich durch ihre Kurzhaarfrisur, die nicht wie sonst mit Gel fixiert war, sondern zerzaust wirkte. »Ja, Emma und ich freuen uns darauf, endlich mehr Zeit füreinander zu haben.« Das Funkeln in ihren Augen wurde noch eine Spur heller. »Aber ich werde es vermissen, meinem Dienst im Palast nachzugehen, Eure Königliche Hoheit.«
Ein Lächeln breitete sich auf meinen Zügen aus. »Melde dich regelmäßig, ja? Und richte Emma liebe Grüße aus. Irgendwann besuche ich euch und lerne sie endlich kennen.«
Ronya nickte. »Versprochen.«
Ich drückte sie an mich und sah dann dabei zu, wie sie die Treppe nach unten verschwand. Ich bemühte mich, mein Lächeln beizubehalten und mich auf den heutigen Abend zu konzentrieren. Auch wenn meine Gedanken wieder zu ihm wanderten. Meinem neuen Bodyguard. Verdammt. Schnell öffnete ich die Tür und eilte in mein Ankleidezimmer.
»Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
Ich zuckte zusammen und wandte mich zu meinem Schminktisch um, vor dem mein Stylist und gleichzeitig bester Freund stand.
»Shit, erschreck mich doch nicht so!«
»Du hast mir vorhin eine Nachricht geschrieben, dass ich hier auf dich warten soll.« Anklagend deutete er mit einem Foundationpinsel auf mich.
Ich seufzte auf und ging zu ihm. Kaum dass ich mich auf den Samtsessel gesetzt hatte, warf ich Noah durch den Spiegel einen entschuldigenden Blick zu.
»Ronya hat gekündigt. Aber zurückzuschauen, hilft mir nicht weiter. Lass uns über heute Abend reden.«
Noah hob eine Augenbraue und griff nach der Foundation auf dem Tisch vor mir, ehe er mich zu schminken begann. »Du kannst nicht ständig vor deinen Gefühlen davonlaufen. Ich sehe dir doch an, dass es dich beschäftigt.« Sein Blick fiel auf mein Handgelenk.
Ertappt ließ ich das Armband los, an dem ich oft herumzupfte, wenn ich aufgewühlt war. »Ich kann verdammt schnell laufen, wenn ich will.«
»Aber irgendwann hast du keine Energie mehr.« Noah ließ den Pinsel sinken. »Okay … welches Make-up willst du heute?«
»Wie wäre es mit etwas Dramatischem?« Das würde perfekt zu meinem engen kurzen Kleid mit den aufwendigen Diamantverzierungen am Dekolleté passen. Ich hatte es bei einer befreundeten Designerin aus Manchester in Auftrag gegeben.
Mit einem Nicken machte Noah sich an die Arbeit, und wir schwiegen, bis er sich meiner Frisur widmete. Wir einigten uns auf offene Haare, die nur von einer mit roten Rosen bestickten Klammer komplementiert wurden.
»Du darfst heute Abend nicht von meiner Seite weichen«, sagte ich, während ich aufstand und zu einer Kleiderstange ging, an der mein Kleid hing.
»Warum?«, rief Noah aus dem Nebenzimmer, in das er gerade verschwunden war, um in sein Outfit für heute Abend zu schlüpfen, während ich das schwarze Kleid überzog.
»Weil …« Ich trat vor den bodentiefen Spiegel, strich mein Kleid glatt und biss mir zweifelnd auf die Unterlippe. Ja, warum eigentlich? Wegen meines neuen Bodyguards? Weil ich nicht wusste, wie ich mit ihm umgehen sollte, nach all dem, was in der Vergangenheit vorgefallen war? Weil ich ihn trotz allem unglaublich vermisste. Weil es eine Zeit gegeben hatte, in der ich ihm alles hatte anvertrauen können …
»Bist du fertig? Wir müssen bald los.« Ich schlüpfte in ein Paar High Heels.
»Weil …?« Noah schlenderte wieder in den Raum und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine braunen Haare fielen ihm lässig in die Stirn und er war ganz in Schwarz gekleidet. Schwarze Boots, Jeans und Shirt. Um den Hals trug er eine silberne Kette, an seinen Fingern mehrere Ringe.
Wie immer sah er gut aus. Und das sah die Frauenwelt genauso wie ich. Es war kein Geheimnis, dass er sich gern mit Frauen umgab. Auch zwischen uns hatte es da diesen einen Kuss auf einer Party gegeben. Aber das lag viele Jahre zurück und hatte definitiv nichts zu bedeuten gehabt. Denn eigentlich hatten wir nur bestimmte Menschen eifersüchtig machen wollen. Seitdem waren wir jedoch unzertrennlich. Zumal er kurz darauf eine Ausbildung zum Make-up-Artist absolviert hatte und nun für mich arbeitete.
»Leonora, erzähl mir endlich, was dich beschäftigt.«
Ich ließ meinen Blick sinken und ertappte mich erneut dabei, wie ich an meinem Armband herumspielte. »Verdammt, es ist …« Ein Klopfen unterbrach uns und sofort beschleunigte sich mein Puls. Ohne weiter auf Noah einzugehen, setzte ich einen Schritt vor den anderen. Mein Atem ging schwerer, je näher ich der Tür kam. Ich wusste, wer sich dahinter befand, und es machte mich nervös. Es waren einige Monate vergangen, seit wir uns zuletzt gesehen hatten.
Meine Finger legten sich um den kühlen Türknauf. Langsam drehte ich ihn.
Drei.
Zwei.
Eins.
Ich zog die Tür auf.
»Prinzessin.«
»Logan«, entgegnete ich bewusst gleichgültig.
Doch der Blick des blonden, muskulösen Mannes vor mir verriet, dass er mich durchschaut hatte. Innerhalb von Sekunden. Eine Fähigkeit, die ihn wohl zu dem besten Personenschützer des Landes machte. Doch für mich war es genau das, was ihn für mich so gefährlich machte. Weil er stets meine Fassade durchschaute. Weil er als einer der wenigen in der Lage war, mich mit seinen Worten zu verletzen. So wie er es schon vor ein paar Monaten getan hatte …
»Vermutlich wurdest du bereits über die neue Zuteilung in Kenntnis gesetzt«, brachte er gepresst hervor und verschränkte die Arme vor der Brust.
Ich schluckte schwer, versuchte die widersprüchlichen Gefühle in mir zu verstehen und gleichzeitig zu verdrängen. Ob Mr Boswarth seine Entscheidung bereuen würde, wenn Logan und ich uns gegenseitig an die Gurgel gehen würden? Es wäre vermutlich besser gewesen, wäre er der Bodyguard meines großen Bruders, Prinz Jasper, geblieben.
Ich biss mir auf die Unterlippe, versuchte meinen Herzschlag zu beruhigen, ehe ich antwortete. »Noah und ich sind heute Abend auf dieser Halloweenfeier im Tower und wollen bald los. Der Chauffeur wartet im Hof.«
»Gut, ich warte auf euch.« Sein Tonfall hätte nicht gleichgültiger sein können.
»Der Tower ist der sicherste Ort in ganz London. Du brauchst nicht mit. Aber danke.«
Ich wollte gerade die Tür schließen, doch Logan hielt sie auf und lehnte sich gegen den Rahmen, wobei das weiße Hemd über seinen muskulösen Oberarmen spannte.
»Vergiss es, Prinzessin. Ich werde dich begleiten. Ab jetzt bin ich dein Schatten. Immer und überall. Das ist meine Pflicht, ob es dir passt oder nicht.« Als er mit seinem schottischen Akzent das Wort »Prinzessin« aussprach und dabei das »R« rollte, überkam mich eine Gänsehaut.
Shit. Wenn das so weiterging, hatte ich definitiv ein Problem.
Provozierend hob ich eine Augenbraue. »Gut, aber stell dich auf eine lange Nacht ein.«
»Ich hätte auch nichts anderes erwartet.« Schnaubend wandte er sich ab.
Die jährliche Halloweenparty im Tower of London! Seid ihr auch schon so gespannt, wer alles anwesend sein wird? Erwartet wird Prinzessin Leonora in Begleitung ihres besten Freundes Noah. Die beiden wurden in letzter Zeit öfter auf Partys gesichtet und die Prinzessin scheint ihr Singleleben zu genießen!
– GEPOSTET VOR VIER STUNDEN VON ROYAL SECRET GIRL –
Kaum berührten meine High Heels den Asphalt, rasteten die Leute aus.
Blitzlichter.
Rufe.
Stimmengewirr.
Ich setzte mein bestes Lächeln auf und winkte ihnen zu. Reportern, Fotografen, Touristen und Schaulustigen, die hinter der Absperrung standen und mir ihre ganze Aufmerksamkeit schenkten. Langsam lief ich an ihnen vorbei, gewährte hier und da ein gemeinsames Bild. Auch wenn das gegen die Regeln des Palastes verstieß.
Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln und schenkte der Masse noch ein charmantes Lächeln, bevor ich durch den Torbogen des Towers trat. Während die Rufe nach meinem Namen allmählich verklangen, nahm ich merklich die Kälte des letzten Oktoberabends wahr. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich in meinem Kleid gefroren. Aber die Hitze, die von Logans Körper ausging, entfachte viel zu schnell ein Feuer in mir. Logan hatte mich gehalten, während der Mann, dem ich versucht habe mein Herz zu schenken, vor mir auf dem Boden gelegen hatte. Blutüberströmt. Um sein Leben kämpfend. Und danach war Logan für mich da gewesen, hatte mir zugehört. Als ein Freund. Jack und ich hatten uns getrennt. Aber neu verlieben durfte ich mich nicht. Nie wieder. Das hatte ich mir geschworen. Niemand sollte eine Kugel abbekommen, nur weil er sich in die Prinzessin verliebte. Niemand.
»Du denkst wieder daran.« Noah trat an meine Seite und sah mich besorgt an.
Schnell verdrängte ich die düsteren Erinnerungen und konzentrierte mich auf den bevorstehenden Abend.
»Abigail wartet bestimmt schon vor dem Jewel Tower auf uns.« Ich hakte mich bei Noah unter und wir folgten dem gepflasterten Weg durch den Tower. Manchmal hatte ich das Gefühl, als würde ich mich hier besser auskennen als im Palast, so oft, wie ich in letzter Zeit im Tower gewesen war. Manchmal nur, um meine großen Brüder Jasper und Edward in den exklusivsten Pub der Stadt – den Keys – zu begleiten, der hier angesiedelt war. Aber auch offizielle Besuche standen regelmäßig auf der Tagesordnung. Was mich nicht wirklich störte, denn schon immer hatten mich die alten historischen Gemäuer fasziniert. Die jahrhundertealte Geschichte dieses Ortes erzeugte eine beeindruckende Atmosphäre. Ganz zu schweigen von den unzähligen Legenden, die zu den Tower-Gebäuden innerhalb dieser Gemäuer existierten.
Eigentlich war es in dieser Hinsicht wirklich passend, dass der Tower eine Halloweenfeier gestattet hatte, ausgerichtet von einer Adelsfamilie, die ihren Wohnsitz an der Südküste hatte. Und dass diese ganze Arbeit geleistet hatte, zeigte sich mit jedem Meter, den wir zurücklegten. Die einzelnen Tower wurden mit Scheinwerfern kunstvoll in Szene gesetzt und ihre Fassade mit speziellen Bildeffekten bespielt, sodass eine schaurige Kulisse entstand. In den Bäumen und Gassen waren zusätzlich Lichterketten und Laternen angebracht worden. Und egal, wohin man blickte, entdeckte man Kürbisse in allen Größen und Formen.
Fasziniert schaute ich mich weiter um und erkannte nun auch, dass sich auf dem geräumigen Platz vor dem White Tower bereits etliche Gäste eingefunden hatten. Sie alle hatten sich dem Dresscode gemäß in Schwarz gehüllt und fügten sich perfekt in das Ambiente ein. Viele der anwesenden Adeligen und Prominenten kannte ich, sah sie regelmäßig auf Partys. Weshalb ich mir auch eine ausgelassene Nacht versprach. Zumindest, soweit ich es mir selbst erlaubte.
Möglichst unauffällig blickte ich mich um. Logan befand sich wie ein Schatten an unserer Seite. Ein paar Meter entfernt, aber nah genug, dass ich seine Anwesenheit deutlich wahrnahm. Dabei wollte ich in den nächsten Stunden ganz bestimmt nicht an ihn denken. Sollte es nicht …
Verdammt, Leonora. Hör auf! Hör verdammt noch mal auf, an ihn zu denken. Du hast dir selbst geschworen, ihm nicht zu nahe zu kommen, ermahnte ich mich. Und glücklicherweise erschien in diesem Augenblick genau die Person, die immer für eine Ablenkung gut war.
»Ihr seht grandios aus. Schwarz steht mir so gar nicht, wer hat sich diesen Dresscode bloß ausgedacht?« Abigail stieß ein theatralisches Seufzen aus, ehe sie Noah und mich kurz umarmte.
Direkt musste ich schmunzeln. Meine Freundin war ein echtes Unikat, und das schon, seit sie zum ersten Mal auf einer öden Tee-Party des Palastes mit ihrem Vater aufgetaucht war. Mit ihrer selbstbewussten Art und ihren sarkastischen Kommentaren hatte sie die Gäste allesamt aus dem Konzept gebracht und mich damit von meiner aufkommenden Langeweile befreit.
Und auch jetzt sorgte sie mit ihrem Dresscode-Drama dafür, dass ich von meinen Gedanken an Logan abgelenkt wurde. Dabei war »All black brings Halloween back« wirklich kein Grund zur Panik. Doch für Abigail war bei Bekanntgabe der Kleiderordnung vor ein paar Wochen direkt Katastrophen-Alarm ausgelöst worden. Am nächsten Morgen war ich mit zehn verpassten Anrufen auf dem Handy aufgewacht. Mittlerweile hatte sie sich wieder einigermaßen beruhigt und sich für ein Paillettenkleid entschieden, das je nach Lichteinfall in den verschiedensten Farbnuancen funkelte.
»Du übertreibst, Abi! Lass uns was trinken und meinen neuen Bodyguard vergessen«, flüsterte ich und deutete auf Logan.
»Weil das auch so einfach sein wird«, ergänzte nun Noah und hob wissend eine Augenbraue. Abi und er vertraten die Ansicht, dass mehr zwischen Logan und mir laufen könnte, wenn wir uns nur unsere Gefühle gestehen würden. Das war allerdings Quatsch. Diese Gefühle existierten nicht. Vor allem nicht seit unserem Streit. Zumindest redete ich mir das ein …
»Gut, dann los. Ich habe gehört, dass es im White Tower Cocktails geben soll.« Abigail zwinkerte uns zu, warf ihre blonde Mähne in den Nacken und deutete auf das besagte Gebäude innerhalb der Festung.
Wir setzten uns in Bewegung. Logan folgte uns unauffällig, wie er es den ganzen Abend lang tun würde. Doch wir kamen nicht weiter als bis zum Eingang des White Tower.
»Prinzessin Leonora, bekommen wir ein Foto?«
»Wer hat Ihr Kleid designt?«
»Unsere Leser würde brennend interessieren, wie Sie die Location für diese Feierlichkeiten finden.«
»Bitte, ein Foto!«
Geladene Reporter und Fotografen hatten sich vor der Tür positioniert und warteten auf das perfekte Bild.
Und das bekamen sie. Weil ich wusste, dass das Volk genau diese unbeschwerte Leonora mochte. Ich posierte mit Noah und Abigail, bis das Blitzlichtgewitter nachließ.
Dann endlich schritten wir ins Innere des Towers. Wummernde Musik hallte von den steinernen Wänden wider und gedämpftes Licht sorgte für eine gewisse Anonymität. Lichterketten waren um Holzbalken gewickelt, die sich bis zur Decke erstreckten, und setzten die Fledermäuse, Geister und Kürbisfiguren in Szene, die über unseren Köpfen aufgehängt worden waren.
Begeistert ließ ich mich mitreißen von der Stimmung, den feiernden Gästen und holte mir den ersten Cocktail. Gemeinsam mit Noah tanzte ich zu der Musik, verschmolz damit. Abigail hatte sich zwischenzeitlich ausgeklinkt und redete gerade mit einem Earl am Büfett. Noah und ich genehmigten uns einen weiteren Cocktail und stießen an der Bar auf die Nacht an. Während dieser kurzen Pause schaute ich automatisch zu Logan, der in der Ecke stand. Neben ihm hatten sich noch drei weitere Bodyguards positioniert, die wegen meiner Brüder anwesend waren.
Allerdings hatte ich nur Augen für meinen neuen Beschützer. Er hatte die Pose eingenommen, die ich bereits etliche Male bei ihm gesehen hatte. Die Hände vor der Brust verschränkt. Alles im Blick, ohne die Miene zu verziehen, mit Headset im Ohr. Das Gefühl von Sicherheit, das er mir noch immer gab, bescherte mir eine Gänsehaut. Auch wenn ich mir diese Reaktion nicht eingestehen wollte. Es war die Art Gänsehaut, die mit einem Prickeln einherging. Das sich viel zu gut anfühlte …
»Geh zu ihm, Leonora. Ich kann dir doch ansehen, dass du mit ihm reden willst. Seit Monaten redet ihr nicht mehr miteinander. Ihr müsst das endlich klären. Schließlich ist er jetzt dein Bodyguard. Du musst lernen, ihm wieder zu vertrauen.« Noah stupste mich von der Seite an und riss mich aus meiner Trance.
»Ich hatte meine Gründe. Und ihr wisst genau, was er gemacht hat. Ich weiß nicht, wie ich ihm das verzeihen soll …«, sagte ich, als ich bemerkte, dass ich für eine Sekunde tatsächlich in Erwägung gezogen hatte, zu ihm zu gehen und …
»Los jetzt. Ihr müsst wirklich reden, Leonora. Ihr habt euch seit seiner Abreise nach Schottland nicht mehr gesehen. Das ist über drei Monate her! Vielleicht bemerkst du dann, dass du ihn als Bodyguard an deiner Seite brauchst.« Noah grinste mich an und nippte an seinem Cocktail.
Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn. »Ist dir auch so warm? Wir sollten ein wenig rausgehen …«
»Keine Ausreden, du kennst mein Motto: Bereuen können wir es morgen noch.«
Noahs eindringlicher Blick sorgte dafür, dass ich tatsächlich den Cocktail in einem Zug austrank und verkündete: »Keine Ahnung, was das bringen soll. Aber ich mache es, sonst gibst du sowieso keine Ruhe. Bis später.«
Ich zupfte mein Kleid zurecht und schlängelte mich durch die tanzende Menge. Doch mit jedem Schritt, mit dem ich mich ihm näherte, wurde ich langsamer.
Verflucht. Was tat ich hier?
Er würde sich nicht entschuldigen.
Oder?
Immerhin hatte er das in den letzten Monaten auch nicht getan. Ein Anruf hätte genügt. Ein einziger …
Aber auch ich hatte mich nicht gemeldet.
Selbst wenn meine Finger immer und immer wieder über seiner Nummer auf meinem Handy geschwebt hatten …
Ich holte tief Luft. Ab jetzt würde ich ihn jeden Tag um mich haben. Es war an der Zeit zu reden.
Als ich Logan erreichte, hob er fragend eine Augenbraue.
»Prinzessin«, begrüßte er mich misstrauisch.
Er kannte mich zu gut.
»Mr Bodyguard.« Ich stemmte die Hände in die Hüften.
»Sag bloß, du möchtest schon gehen.«
»Sehe ich so aus, als ob ich früh eine Party verlassen würde? Außerdem würde ich damit definitiv nicht zu dir kommen«, blaffte ich.
»Und was willst du dann?« Logan blieb ungerührt.
Gute Frage.
»Du bist eine Spaßbremse, lass uns tanzen«, sprach ich die Worte aus, die ich auf die Cocktails und die Stimmung des Abends schob. Trotzdem kam in mir der Wunsch auf, mit Logan zu tanzen. Ihm nahe zu sein … Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn seine starken Hände meine Taille umschlossen?
Stopp.
Was waren das für Gedanken? Ich durfte mich nicht nach ihm sehnen. Nein. Zum einen war ich noch immer sauer auf ihn und zum anderen war er nun mein Bodyguard. Und damit tabu. Ein Kuss oder gar eine Beziehung könnten zu meinem bislang größten Skandal führen.
»Ich bin im Dienst, Eure Königliche Hoheit.« Wieder diese unergründliche Miene. Konnte dieser Kerl überhaupt mal eine Regung zeigen?
»Alles für den Job, was? Du bist jetzt vielleicht mein Bodyguard. Aber weißt du, was? Ich lasse mir von dir gar nichts mehr verbieten. Vor allem nichtBesuche in Tierheimen oder etwaigen anderen Orten, die ich als wichtig erachte.« Ich tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust und wandte mich dann ab, ohne seine Antwort abzuwarten. Die Wut von damals kam wieder hoch. Mit voller Wucht. Er hatte einfach so eine Presseveranstaltung abgesagt, als ich ein Tierheim hatte besuchen wollen. Bis heute wusste ich nicht, weshalb er das getan hatte. Auch wenn er damals für Ronya eingesprungen war, hatte er kein Recht gehabt, diesen Besuch ohne Rücksprache zu canceln. Ganz zu schweigen davon, dass es für mich kaum etwas Wichtigeres gab, als mich für den Tierschutz einzusetzen.
Ich atmete tief durch und wollte zurück zur Bar laufen … als plötzlich jemand vor mir auftauchte.
Blake. Der Sänger von der Band Maze Guys.
Wir waren ein paarmal miteinander ausgegangen, doch es war nie etwas Ernstes daraus geworden.
»Hey, Schönheit.« Blake verbeugte sich vor mir, ehe er sich wieder aufrichtete und mir dieses Bad-Boy-Lächeln schenkte, das bereits etliche Herzen gebrochen hatte.
»Ich wusste nicht, dass du hier sein wirst«, erwiderte ich.
»Aber ich wusste sehr wohl, dass du hier sein wirst. Wir haben übermorgen einen Gig in London, und die Chance, einer heißen britischen Prinzessin zu begegnen, lasse ich mir doch nicht entgehen.« Seine Mundwinkel zuckten.
»Dann lass uns tanzen«, forderte ich ihn auf.
Wie erwartet, packte er mich und zog mich mit sich. Er legte seine Hände an meine Taille und ich schlang meine Arme um seinen Hals. Ihm so nahe zu sein, fühlte sich vertraut an. Wir hatten eine gute Zeit gehabt. In die Nacht hinein gefeiert, Partys zusammen verlassen und in seinem Hotelzimmer weitergemacht … Und auch jetzt noch lösten Blakes Hände, die mich festhielten, etwas in mir aus. Etwas, das ich brauchte.
Um zu vergessen.
Zugegebenermaßen hatte ich verdrängt, dass Blake zu dem Typ Mann gehörte, der meine Knie derart weich werden lassen konnte. Mit seinem braunen Haar, das er nach hinten gegelt hatte, dem Nasenpiercing und dem Statement-Schmuck, der seinem Rocker-Image gerecht wurde. Getrieben von Unvernunft und wirren Gefühlen, zog ich ihn näher zu mir heran.
»Willst du das wirklich?«, raunte er an meinem Ohr, ehe er mir einen Kuss auf die empfindliche Stelle meiner Halsbeuge hauchte.
»Ja, aber nur für diesen Moment.«
Offensichtlich schien Blake das zu reichen, denn Sekunden später lagen seine Lippen auf meinen. Ich vergrub meine Finger in seinem Haar, gab mich der vertrauten Nähe hin. Er war ein guter Küsser, wusste genau, was ich wollte. Leitete mich und sorgte dafür, dass ich vergaß … Ich gab mich ihm hin, spürte, wie seine Hände meinen Körper zum Takt der Musik führten. Ich war getrieben von dem Wunsch, alles zu vergessen. Zu vergessen, dass es da diesen Menschen gab, der Gefühle in mir auslöste, die ich nicht verstehen wollte, und dessen Blick ich genau in diesem Moment auf mir spürte. Es sollte mir egal sein. Er sollte mir egal sein. Schließlich war er nun mein Bodyguard und nichts anderes. Und doch …
Ich öffnete die Augen, schaute zu Logan, während Blake mit seinen Lippen meinen Hals liebkoste. Mein Bodyguard stand noch immer an derselben Stelle wie zuvor. Aber zum ersten Mal an diesem Abend sah ich eine Regung auf seinen Zügen. In seinen Augen. Verschleiert, düster, lodernd.
Was hatte das zu bedeuten?
Für den Bruchteil einer Sekunde stellte ich mir vor, dass es Logans Lippen wären, die jetzt wieder meinen Mund erkundeten …
»Sorry, dass ich euch unterbreche. Im Bloody Tower findet etwas ziemlich Cooles statt, seid ihr dabei?« Abigail trat in mein Sichtfeld und damit verschwand das Bild vor meinen Augen.
Ich löste mich von Blake und richtete die zierliche Kette um meinen Hals, ehe ich mein Kleid glatt strich. Vermutlich war es aber dafür eh schon zu spät. Die Schlagzeilen für morgen früh waren bestimmt bereits auf dem Weg in den Druck.
»Klingt gut«, sagte Blake nun achselzuckend.
»Noah weiß auch Bescheid, bleibt allerdings hier. Er hat eine seiner Ex-Freundinnen getroffen«, erklärte Abi.
Ich grinste. Offensichtlich hatten wir beide die goldene Regel gebrochen, uns nicht noch mal auf jemand Verflossenes einzulassen.
»Okay, ich bin dabei«, sagte ich, ohne groß darüber nachzudenken. Abigail war berüchtigt dafür, dass sie immer wusste, an welcher Ecke der nächste Skandal lauerte. Ihr hatte ich auch meine erste Negativschlagzeile vor vier Jahren zu verdanken.
Gesichtet: Prinzessin Leonora, eng umschlungen tanzend mit dem Nachwuchsschauspieler Adam Lancaster auf dem herrschaftlichen Anwesen des Duke of Cornwall.
Seitdem war es immer dasselbe. Ich machte etwas, das nicht zu meinem märchenhaften Prinzessinnen-Image passte, und die Presse hatte eine neue Story. Und zugegebenermaßen fand ich Gefallen daran. Vor allem seit ich vor einem Jahr erfahren hatte, dass die Freundin von Jasper einen anonymen Blog namens Royal Secret Girl führte, in dem sie über die Royals berichtete. Allerdings hatte sie ihn vor Kurzem an ihre beste Freundin Freya übergeben …
Ich verwarf die Erinnerung an meine Beziehung zu der Presse des Landes und folgte Abigail nach draußen. Während wir den White Tower hinter uns ließen und auf den Bloody Tower, der sich im südlichen Teil der Anlage befand, zusteuerten, atmete ich tief durch. Die kühle Luft tat gut auf meiner überhitzten Haut. Blake hatte seinen Arm um meine Taille gelegt und ich genoss seine Nähe. Er war immer gut zu mir gewesen. Nur wussten wir beide, dass das mit uns keine Chance gehabt hatte und von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen war.
Mittlerweile ragte der Bloody Tower vor uns auf, und ich fragte mich, zu welcher Attraktion uns Abigail wohl brachte. Zugegebenermaßen war dieser Tower nicht gerade für seine einladende Atmosphäre bekannt. Vor allem wenn man die ganzen Folterinstrumente bedachte, die sich hinter dessen Mauern befanden und heutzutage wie ein Magnet auf Dämonen, Geister und andere düstere Wesen wirkten. Und ja, es gab sie wirklich. Ich lebte in einer Welt, in der es zur Tagesordnung gehörte, mit Hexen befreundet zu sein oder zu wissen, dass die eigene Verwandtschaft einen als Geist heimsuchen konnte.
Im Gegensatz zu meinen zwei Brüdern, die leidenschaftlich gerne gegen Dämonen kämpften, hielt ich mich lieber von all dem Übernatürlichen fern. Insbesondere, nachdem mein Bruder Edward von Dämonen entführt und jahrelang gefangen gehalten worden war, bis er schlussendlich hatte gerettet werden können. Mir reichte mein Leben, das chaotisch genug war und für tägliche Spannung sorgte.
Kurz darauf traten wir durch die schmale Tür des Bloody Tower und folgten dem Weg ins Innere. Als wir den Hauptraum erreichten, waren nur ein Dutzend Gäste anwesend. Bei dem Großteil handelte es sich um Bekanntschaften von Abigail, die ich durch andere Feiern kannte. Ich begrüßte einige von ihnen, ehe ich mich genauer umschaute. Die Foltergeräte wirkten im Schein der herumstehenden Kerzen noch furchterregender und in mir kam ein ungutes Gefühl auf. Dieses wurde um ein Vielfaches verstärkt, als ich begriff, was sich in der Mitte des Raums befand. Ich hatte nicht viel Ahnung von diesem Hokuspokus-Zeugs, aber das erkannte selbst ich.
Das alte hölzerne Brett lag auf dem Boden und präsentierte uns Gästen eingeprägte Buchstaben; darunter waren die Zahlen 0–9 angeordnet. Genauso wie die Worte »Ja« und »Nein«. Und auf dem Brett lag eine Planchette, mit der das Ritual vollzogen wurde.
Es handelte sich eindeutig um ein Ouija-Brett.
Geisterbeschwörung.
Ich schluckte schwer.
»Abigail, du weißt, ich bin für jeden Spaß zu haben, aber das hier geht in eine ganz falsche Richtung«, zischte ich.
»Ach, jetzt hab dich doch nicht so, das ist nur ein Gag! Ich konnte den Gastgeber dazu überreden, dass sie uns dieses Brett für den Slot überlassen. Ich übernehme die Leitung. Das wird aufregend, glaub mir.«
»Als ob es Geister wirklich gibt.« Blake lachte neben mir.
Ich rang mir ebenfalls ein gekünsteltes Lachen ab. Denn nur die wenigsten Menschen wussten von der Existenz übernatürlicher Wesen. Nicht einmal Noah oder Abigail. Es war ein wohlgehütetes Geheimnis, in das ich als Teil der Königsfamilie bereits mit jungen Jahren eingeweiht worden war.
Unwillkürlich schlang ich die Arme um mich, und nur das Wissen, dass Logan ebenfalls anwesend war, hielt mich davon ab, sofort umzudrehen. Mein Bodyguard, der bis vor Kurzem noch mit meinem Bruder Dämonen gejagt hatte, wusste genau, wie er mit allem Übernatürlichen umgehen musste. Er war darin jahrelang ausgebildet worden. Und diese Tatsache verlieh mir ein Gefühl von Sicherheit.
»Leonora, los jetzt«, drängte Abigail.
Ich seufzte auf, ehe mein Blick unweigerlich zu Logan wanderte. In seinem Ausdruck lagen Zweifel. Aber was sollte schon passieren? Im Notfall verschlossen wir die Türen und holten die Royal Guard of Nightfall, die im Tower of London ihre Abteilung hatte und für die Bekämpfung des Übernatürlichen zuständig war. Im Fall der Fälle waren die Guards nur wenige Meter entfernt …
»Okay, ich bin dabei«, erklärte ich und sah dabei zu, wie sich in Abigails braunen Augen ein Funkeln auftat.
»Beschwörst du ihn gemeinsam mit mir herauf? Es braucht mindestens zwei Personen für das Ritual, habe ich mir sagen lassen.« Sie lächelte mich abwartend an, doch ich schüttelte den Kopf.
»Vergiss es.« Ohne zu zögern, legte ich einen Arm auf Blakes Schulter und schob ihn vor mich. »Blake scheint von all dem Hokuspokus eh nichts zu halten, also könnt ihr das gern gemeinsam machen.«
Blake warf mir nur einen kurzen fragenden Blick zu, ehe er schulterzuckend zustimmte. »Na gut. Weshalb auch nicht.«
»Perfekt.« Abi klatschte in die Hände und erhob ihre Stimme. »Seid ihr alle bereit? Dieses Ritual bedarf völliger Stille.«
Ein einvernehmliches Raunen ging durch den Raum.
»Gut, Lenny, verriegle bitte die Tür.«
Ein Mann mit kurz geschorenem Haar kam ihrer Bitte nach.
Währenddessen forderte Abigail Blake auf, vor dem Brett auf dem Boden seinen Platz einzunehmen, und gesellte sich zu ihm. Mein Puls schoss in die Höhe, als die beiden ihre Finger auf die Planchette legten. Es wäre zwar nicht meine erste Begegnung mit einem Geist, ganz im Gegenteil. Auf Schloss Windsor hatte ich bereits vor etlichen Jahren Bekanntschaft mit Geistern gemacht. Aber das Gefühl, das diese Wesen in mir hervorriefen … Ein Schauder lief mir kalt den Rücken hinab, ließ mich von innen heraus zittern …
»Ich glaube, mir ist das hier zu viel, ich verschwinde«, zischte ich leise und lief auf die Tür zu.
»Das hättest du dir früher überlegen sollen, nun ist es zu spät. Ich spüre schon die Energien in diesem Raum. Wenn du jetzt verschwindest, könnte etwas aus diesem Raum sich an dich heften, willst du das?« Abigails Tonfall klang völlig übertrieben und dennoch blieb ich stehen.
Ich wollte gerade zu einem Konter ansetzen, als Logan an meine Seite trat.
»Nur ein Wort, und ich breche die Tür auf, wenn es sein muss«, raunte er in meine Richtung.
Ich atmete tief durch und dachte über meine Optionen nach. Selbst wenn das hier für Abigail ein Spaß zu Halloween war, bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie mit diesem Ritual einen Geist heraufbeschwor. Und ich wollte nicht diejenige sein, die ihn aus diesem Tower befreite …
»Wenn ihr meint«, murmelte ich genervt, drehte mich um und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Gut, dann lasst uns beginnen. Und keine Unterbrechungen mehr!«, zischte Abigail und konzentrierte sich wieder auf das Brett.
Es dauerte einen Moment, ehe sie zu sprechen begann: »Ist hier jemand?«
Alle schauten gespannt auf das Brett. Doch es passierte nichts.
»Ich rufe dich in dieser magischen Nacht, erhöre uns«, fuhr Abigail fort.
Eine gespenstische Stille legte sich über den Raum und mir schnürte sich die Kehle zu.
»Zeig uns, dass du hier bist«, bat Abigail nun.
Meine Anspannung verstärkte sich so sehr, dass jede Faser meines Körpers zu vibrieren schien. Und dann geschah es.
Die Planchette fuhr mit einem Ruck zu dem »Ja« und wurde sogleich vom Brett geschleudert.
Mit einem Schlag wurde es im Turm stockfinster und ein stummer Schrei entfuhr meiner Kehle. Die Fesseln der Dunkelheit umschlossen mich, zogen sich enger zu, doch ich versuchte gegen die aufsteigende Panik anzukämpfen. Logan … ich wollte seinen Namen rufen, aber kein Wort kam mir über die Lippen.
Als hätte mein Leibwächter die wortlose Bitte gehört, spürte ich seine Hand, die sich um meinen Unterarm schloss, mir Halt gab.
Beruhig dich, es waren nur die Kerzen, redete ich mir gut zu. Doch gerade als mein rasendes Herz sich beruhigte, fiel die Temperatur im Raum schlagartig ab.
Endlich nahm ich auch die erschrockenen Rufe der anderen Gäste wahr.
Erneut setzte ich dazu an, um Hilfe zu schreien, aber dann traf mich plötzlich etwas Hartes an der Brust. Nicht wie eine Hand, eher wie eine unsichtbare Kraft … Ich wurde von Logan weggerissen, stolperte und stürzte schließlich zu Boden. Ein beklemmendes Gefühl legte sich auf meine Brust und das Atmen fiel mir schwer. Ich rang nach Luft, es war, als ob mich irgendetwas nicht atmen lassen wollte. Panisch griff ich mir an den Hals.
Kämpfte gegen die Dunkelheit, den aufkommenden Schmerz, die Panik … aber ich verlor.
Langsam driftete ich ab, verlor das Bewusstsein …
Und wie aus dem Nichts loderten die Kerzen wieder auf.
Der Druck verschwand und ich bekam endlich Luft. Keuchend setzte ich mich auf und blickte mich um. Der Schock stand allen ins Gesicht geschrieben. Und doch traute sich niemand, etwas zu sagen. Logan hastete zu mir und half mir auf die Beine. Nach und nach beruhigte ich mich wieder. Dennoch war da weiterhin dieses beklemmende Gefühl …
»Seht ihr? Es ist nichts Schlimmes passiert! Was für ein Spaß.« Abigail grinste breit in die Runde und gab Lenny mit einem Fingerzeig zu verstehen, dass er die Tür wieder aufschließen konnte.
»Lass uns gehen«, bat ich Logan ohne Umschweife.
Grimmig nickte er. »Natürlich, Prinzessin.«
Hinreißend, geheimnisvoll und ausgelassen zeigte sich die Prinzessin auf der Halloweenparty. Und wild knutschend mit ihrem Ex-Lover Blake. Ob sein Besuch in der Stadt nur mit seinen bevorstehenden Konzerten zu tun hat? Bleibt abzuwarten.
– GEPOSTET VOR DREISSIG MINUTEN VON ROYAL SECRET GIRL –
LOGAN
»Ich habe ein komisches Gefühl.« Leonoras Blick glitt aus dem Fenster, während sie sprach. Hinter den gläsernen Scheiben des Bentleys zogen die beleuchteten Gebäude Londons an uns vorbei.
»Komisch?«, erkundigte ich mich, ahnte aber bereits, was sie gleich sagen würde. Allein ihr Sturz während dieser Geisterbeschwörung war beunruhigend gewesen. Aber das war nicht alles. Sie wirkte verändert … Auch wenn wir wegen des Streits lange nicht mehr miteinander gesprochen hatten, erkannte ich sofort, wenn es Leonora nicht gut ging.
»Ich habe während des Rituals kaum Luft bekommen, es war, als würde mich irgendetwas töten wollen. Allerdings verstehe ich nicht, weshalb Abigail überhaupt versucht hat, einen Geist heraufzubeschwören. Das passt gar nicht zu ihr.« Wie automatisch wanderte ihre Hand zu der Halskette mit dem kleinen Spiegel als Anhänger.
Sie hatte dieses Schmuckstück vor wenigen Wochen zu ihrem Geburtstag von Abigail geschenkt bekommen. Eigentlich sollte ich das gar nicht wissen, doch meine Mum hatte mir während meines Besuchs in Schottland einen entsprechenden Zeitungsartikel vorgelesen. Vermutlich hatte sie das nur getan, weil ich kurz zuvor die Meldung erhalten hatte, dass ich zukünftig ihr Bodyguard sein würde.
Ehrlicherweise hatte ich mir das Ganze leichter vorgestellt. Aber allein in ihrer Nähe zu sein, war unfassbar schwer. Denn sie ließ mich Dinge fühlen, die ein Bodyguard nicht für seine Prinzessin empfinden durfte. Deshalb hatte ich damals auch ihren Termin im Tierheim abgesagt. Leonora war so wütend gewesen. Ihren Blick, als sie es erfahren hatte, würde ich niemals vergessen …
»Glaubst du, es war ein richtiger Geist oder doch nur eine extrem misslungene Halloween-Inszenierung?«, fragte sie mich.
»Irgendetwas war bestimmt anwesend«, erwiderte ich, auch wenn ich sicher war, sie würde lieber eine Lüge hören.
Leonora schlang ihre Arme um sich und rieb sich mit den Händen über die Oberarme.
»Du frierst«, stellte ich fest und zog, ohne zu zögern, mein Sakko aus. Obwohl die Stimmung zwischen uns immer noch nicht die beste war, wollte ich trotzdem, dass es ihr gut ging. Als Leonora zu mir blickte, reichte ich ihr das Kleidungsstück. »Zieh es an.«
Ihre Lippen formten ein stumpfes Nein, aber ihre Augen verrieten sie. Ihr war kalt. Sie war nur zu stolz, mein Angebot anzunehmen.
»Es ist meine Aufgabe, dich vor Gefahren zu schützen. Und dazu gehört auch Kälte«, brummte ich.
Wortlos warf sie sich das Sakko über und kuschelte sich hinein.
Nur wenige Minuten später erreichten wir den Buckingham Palace, der majestätisch vor uns aufragte. Noch bevor der Chauffeur aussteigen und der Prinzessin die Wagentür öffnen konnte, übernahm ich diese Aufgabe.
»Danke«, nuschelte Leonora, ignorierte jedoch meine ausgestreckte Hand und stieg allein aus. Während das Auto wieder wegfuhr, liefen wir gemeinsam zum Eingang.
Ich musterte sie aufmerksam. »Du solltest noch etwas essen, Prinzessin.«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Wann hast du zuletzt etwas gegessen?«, fragte ich und hielt ihr die Tür zum Palast auf.
Als sie über die Schwelle trat, blickte sie mich verwirrt an. »Heute Nachmittag, einen Scone. Wieso?«
»Geister können einem viel Energie rauben, selbst bei kurzer Anwesenheit. Es wäre gut, wenn du noch etwas isst«, entgegnete ich besorgt.
Kurz zögerte sie und legte dann den Kopf schief. »Du lässt doch sowieso nicht locker.«
Meine Mundwinkel zuckten. Schon immer hatte ich es gemocht, dass sie sagte, was sie dachte.
»Dir ist bewusst, dass um diese Uhrzeit kein Küchenpersonal im Haus ist?« Leonora hob eine Augenbraue.
Verdammt, sie hatte recht.
»Dann koche ich für dich.«
»Du?« Ihre Augen wurden groß, als könnte sie nicht glauben, was ich gerade gesagt hatte. »Du kannst kochen?«
»Ich bin kein Meisterkoch, aber Spaghetti mit Gorgonzola-Soße bekomme ich gerade so hin«, erwiderte ich mit einem Zwinkern.
Ein sanftes Lächeln schlich sich auf ihre Züge. Das erste richtige Lächeln, das ich am heutigen Abend an ihr gesehen hatte.
»Du erinnerst dich an meine Leibspeise?«
»Schwer, sich nicht daran zu erinnern, wenn man bedenkt, dass du mir schon etliche Male davon vorgeschwärmt hast.«
Leonoras Lächeln schwankte für einen kurzen Moment. Vermutlich erinnerte sie sich genau wie ich daran, dass sie mir das in einer Zeit erzählt hatte, in der noch alles gut zwischen uns gewesen war.
»Okay, auch wenn ich mir sicher bin, dass das Küchenpersonal es besser kocht.« Leonora setzte sich in Bewegung und lief durch den Palast Richtung Küche. Es dauerte eine Weile, bis wir sie erreichten, und wie erwartet war niemand mehr anwesend.
Leonora setzte sich nun auf die Kücheninsel und legte mein Sakko neben sich ab. Mit einer Traube im Mund, die sie aus einem der Obstkörbe genommen hatte, starrte sie mich auffordernd an.
»Kann ich dir bei etwas helfen?«, fragte sie, sobald sie fertig gekaut hatte.
»Nein, es geht auch schnell. Das Gericht ist ziemlich easy«, gab ich zurück.
»Okay, gut. Das Risiko, dass die Nudeln bei meinen Kochkünsten in Flammen aufgehen, ist relativ hoch«, erklärte sie, während ich einen Topf herausholte und Wasser eingoss.
Was Leonora nicht wusste: Kochen war eine Leidenschaft von mir, und in der Palastküche ein Gericht zuzubereiten, war immer wieder ein Erlebnis. Es hatte eine Phase gegeben, da hatte ich davon geträumt, Koch zu werden, aber würden alle Träume wahr werden, wäre ich weiterhin bei der Royal Guard und kein Bodyguard. Manchmal entschied eben doch das Schicksal, während Pläne geschmiedet wurden …
»Das wäre definitiv wieder eine neue Schlagzeile: Prinzessin Leonora steckt uraltes Gemälde von Earl Leonard in Brand«, erklärte ich nun und brachte sie damit zum Lachen.
Wie lange ich diesen Klang nicht mehr gehört hatte …
Ich schenkte Leonora ein wissendes Grinsen und lief auf sie zu, um den Salzstreuer zu holen, der neben ihr stand. Als ich mich über die Kücheninsel beugte, kamen wir uns unerwartet nahe. Während ich nach dem Gewürz greifen wollte, streiften meine Finger ihren Oberschenkel.
Unser Lachen verstummte und für einen Augenblick glitt mein Blick zu ihren Lippen.
Dieses vertraute Kribbeln.
So vertraut, so lebendig.
Schon immer hatte Leonora diese Gefühle in mir ausgelöst. Aber diese Spannung, die gerade zwischen uns aufkam, war neu. Spürte Leonora sie etwa auch? Hatte sie gerade darüber nachgedacht, mich zu küssen?
Verdammt.
Nein.
Ich war ihr Bodyguard. Es galt, sie zu beschützen. Auch vor meinen Gefühlen … »Also, Blake und du«, murmelte ich und ging wieder zum Herd zurück.
»Blake und ich«, entgegnete sie leise.
Obwohl ich das Thema nur aufgebracht hatte, um die Spannung zwischen uns aufzulösen, wollte ich mit einem Mal unbedingt wissen, was für ein Spiel das gewesen war. Keine Ahnung, wieso, aber die Bilder in meinem Kopf, wie sie Blake geküsst und wie er sie angefasst hatte … ich wollte es vergessen. Und doch konnte ich dieses ekelhafte Gefühl in mir nicht loslassen. War das Eifersucht? Verflucht.
»Ihr …«, setzte ich an und drehte mich wieder zu Leonora um.
Sie beobachtete mich.
Intensiv.
Eindringlich.
Fuck. Gänsehaut bildete sich auf meinem ganzen Körper.
»Ich habe es genossen, weißt du? Diese Unverbindlichkeit. Einfach nur zu spüren. Nichts zu fühlen. Rein gar nichts«, flüsterte sie mit loderndem Blick.
»War es wegen Jack? Weil du ihn fast verloren hättest?« Vor einigen Monaten war ihr Ex-Freund beinahe durch eine abgefeuerte Kugel getötet worden. Die beiden hatten sich zu seiner eigenen Sicherheit kurz darauf getrennt. Seitdem verfolgten die Prinzessin Schuldgefühle. Das hatte sie mir kurz danach anvertraut …
Und doch verbannte ich krampfhaft jede Gefühlsregung aus meinem Gesicht, tat so, als wäre es mir egal. Als würde ich nicht ständig meine Gefühle für die Prinzessin hinterfragen.
Gedankenverloren ließ ich die Spaghetti etwas zu schwungvoll im kochenden Wasser verschwinden.
Leonora seufzte leise, woraufhin ich aufschaute. »Okay, vielleicht hast du recht.« Sie zögerte, als wollte sie noch etwas hinzufügen. Dann änderte sich etwas in ihrem Blick. Als würde sie mich herausfordern wollen. »Willst du mir jetzt auch noch diesen Spaß verbieten?«
Touché. Das hatte ich wohl nach der Sache mit dem Tierheim verdient. »Nein, selbstverständlich nicht …« Ich verstummte. Es hatte keinen Sinn, darüber zu diskutieren. Ich konnte nicht riskieren, dass mir zu viel herausrutschte. Diese Angst um sie … ich wäre beinahe durchgedreht, weil der Attentäter noch frei herumgelaufen war. Dieser eifersüchtige Typ, der besessen von der Prinzessin gewesen war und der sie nur für sich haben wollte.
Ich stieß mich von der Kücheninsel ab und widmete mich wieder dem Kochen. Als alles fertig war, drückte ich ihr einen Teller voller Spaghetti in Gorgonzola-Soße und dazu Besteck in die Hand.
»Guten Appetit«, wünschte ich und richtete mein Hemd, dessen Ärmel ich für das Zubereiten hochgekrempelt hatte.
»Das ist ein Essen für vier Personen, du hast die ganze Packung Spaghetti verwendet, das isst du gefälligst mit mir zusammen!«, forderte sie und ihre Züge wurden etwas sanfter, als sie auf den Teller schaute. »Danke, dass du für mich gekocht hast, das ist nicht selbstverständlich.«
»Ich koche gern in dieser Küche. Tatsächlich so oft, wie es die Zeit zulässt«, gestand ich ihr, während ich mir ebenfalls einen Teller mit den Spaghetti fertig machte. Anschließend begaben wir uns in den angrenzenden Speisesaal.
»Ich wusste nicht, dass so gerne kochst.« Überraschung lag in ihrem Tonfall.
»Du weißt noch vieles nicht über mich.« Ich warf ihr einen Seitenblick zu.
»Ich lerne gerne dazu«, entgegnete sie.
Wir verfielen wieder in ein Schweigen, das mich die Stille im Palast deutlich wahrnehmen ließ. Einzig unsere Schritte hallten von den hohen Wänden wider.
Als wir die lange Tafel erreichten, stellte Leonora den dampfenden Teller ab und ließ sich am Kopfende auf dem hölzernen Stuhl nieder. Dem Platz des Königs. Ich setzte mich neben sie.
»Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Ich setze mich immer auf den Platz von Vater, wenn er es nicht mitbekommt. Letztens habe ich nach einer Party Wein auf dem antiken Polster verschüttet.« Sie gluckste. »Also habe ich kurzerhand den Stuhl ausgetauscht. Er hat jetzt meinen Stuhl und ich den Weinfleck-Königsstuhl. Bisher scheint Vater noch keinen Verdacht geschöpft zu haben, aber er verzieht immer kurz die Miene, wenn er Platz nimmt. Als würde etwas nicht stimmen.«
Meine Mundwinkel zuckten. »Hätte von dir auch nichts anderes erwartet. Jetzt iss, Königin.«
»Ich bin froh, dass ich nicht Königin werde und aktuell bloß die Dritte in der Rangfolge bin. Ich wollte den Thron nie, weißt du? Meine Brüder können viel besser mit Verantwortung umgehen als ich.« Damit widmete sie sich den Spaghetti und schlang das Essen regelrecht hinunter.
»Du wärst trotzdem eine gute Königin. Auch wenn du Staatstermine immer gegen Besuche im Tierheim, Fashionshows und Gala-Partys eintauschen würdest.«
»Tiere sind auch besser als die Menschen bei solchen offiziellen Staatsterminen«, konterte sie und spießte eine weitere Ladung Spaghetti auf die Gabel. »Übrigens nehme ich alles zurück: Du kannst verdammt gut kochen.«
»War das ein Kompliment? Aus deinem Mund?« Amüsiert hob ich eine Augenbraue.
Ihr Lächeln verschwand, und sie schaute, als hätte ich sie bei irgendetwas ertappt. »Eine Seltenheit, genieß es.«