Ruhrgebiet – HeimatMomente - Philip Raillon - E-Book

Ruhrgebiet – HeimatMomente E-Book

Philip Raillon

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Beschreibung

Viele verbinden das Ruhrgebiet mit Kohle und Stahl. Doch wo einst schwer malocht wurde, gibt es heute attraktive Freizeitangebote. In Zechen wird Theater gespielt, auf Halden Sport getrieben und neben Hochöfen werden Festivals gefeiert. Die 53 Städte gehen oft fließend ineinander über. Mit über fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist das Ruhrgebiet eine der am dichtesten bevölkerten Regionen Europas. Entsprechend umfangreich ist das Kultur- und Freizeitangebot, das meist unterschätzt wird. Die Region steht aber nicht nur für Industriedenkmäler und Multikulti, sondern auch für jede Menge Natur. Das Ruhrgebiet wird von Parks und Grüngürteln durchzogen, die sich hervorragend zum Wandern, Radfahren oder Kanupaddeln eignen. In diesem Buch werden insgesamt 50 Mikroabenteuer vorgestellt. Darin verstecken sich aber noch vielmehr Geheimtipps und Ausflugsziele. Sie bringen auch Einheimischen eine der schönsten Regionen Deutschlands ganz nahe.

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Philip Raillon | Gina Quattroventi

Ruhrgebiet

50

MIKROABENTEUER

ZUM ENTDECKEN UND GENIESSEN

IMPRESSUM

Ruhrgebiet

50 MIKROABENTEUER ZUM ENTDECKEN UND GENIESSEN

Philip Raillon | Gina Quattroventi

© 2022 360° medien

Nachtigallenweg 1 I 40822 Mettmann

360grad-medien.de

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Inhalt des Werkes wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.

Redaktion und Lektorat: Christine Walter

Satz und Layout: Elke Gräfe

Gedruckt und gebunden:

LD Medienhaus GmbH & Co. KG I Feldbachacker 16 I 44149 Dortmund

www.ld-medienhaus.de

Bildnachweis: siehe Seite 272

ISBN: 978-3-96855-402-0

Hergestellt in Deutschland

360grad-medien.de

Vorwort

„Tief im Westen ist es besser, viel besser, als man glaubt ...“

Viele Menschen aus dem Ruhrgebiet verbindet eine ganz besondere Beziehung zu ihrer Heimat. Eine Art inniger Heimatnähe, die aber auch gelegentlich strapaziert wird. Die Region zeichnet eine Vielfältigkeit und Offenheit aus, die in ihrer Art selten ist. Sie ist seit Jahrzehnten Chance und Antrieb zugleich. Wenn wir, die Autoren dieses Buches, im Ausland unterwegs sind, kennen viele höchstens noch den BVB oder Schalke. Ansonsten müssen wir oft erklären, wir kämen aus der „Region Köln“. Das schmerzt natürlich in der Seele, is kla. Und bei Reisen innerhalb Deutschlands? Da werden wir gelegentlich mit Vorurteilen konfrontiert. Wenn wir uns in München, Berlin oder Hamburg vorstellen, dann sind eine Mischung aus Sympathie für den Menschenschlag an der Ruhr und Industrie-Folklore eine häufige Reaktion. Ansonsten ist oft Desinteresse und – für den eingeborenen „Ruhrpottler“ geradezu verstörend – manchmal auch ein Hauch von Mitleid zu spüren! „Tief im Westen ist es besser, viel besser, als man glaubt“, heißt es im Lied „Bochum“ von Herbert Grönemeyer. Auch deshalb stimmt uns positiv, dass gerade junge Menschen von außerhalb das Ruhrgebiet mittlerweile mit etwas Positivem verbinden.

Urlaubspanorama in der Metropole Ruhr

Denn: Mit dem Ruhrgebiet wartet ein Reiseziel, das noch nicht so viele auf dem Zettel haben und doch extrem attraktiv ist. Neben Industriekultur und Fußball warten – man glaubt es kaum – auch Natur und viel Kultur auf die Besucherinnen und Besucher der „Metropole Ruhr“. Selbst wir, als zwei echte Kinder des Ruhrgebiets, haben während dieser Recherche nochmal viel Neues entdeckt – und es gäbe noch so viel mehr zu erkunden. Die aus unserer Sicht spannendsten 50 Ausflugsziele (plus zehn „Highlights“) haben wir in diesem Buch zusammengetragen. Da dürfte für jeden etwas dabei sein. Genießt es und lernt unsere Heimat kennen – und schätzen. So wie wir es seit Jahren tun.

Philip Raillon und Gina Quattroventi

Inhaltsverzeichnis

WILLKOMMEN IM RUHRGEBIET

TOP TEN DER SEHENSWÜRDIGKEITEN IM RUHRGEBIET

KURIOSES UND BESONDERHEITEN IM RUHRGEBIET

IN DER GESAMTEN REGION

  1.Kräutertouren: von Salat, Schnaps und Liebeskräutern

  2.Currywurst: Snack-Tour durch das Mittlere Ruhrgebiet

  3.Auf Irrwegen durch das Maisfeld

  4.Fußball: Dort, wo das Herz des Ruhrgebiets höherschlägt

  5.Auf der Ruhr: mit dem Kanu von Hattingen nach Essen

  6.ExtraSchicht: eine Nacht pulsierender Industriekultur

  7.Lichterfeste: farbenfrohe Lichtspiele bei Nacht

WESTLICHES RUHRGEBIET

  8.Aquarius Wassermuseum Mülheim: Wie weit fließt das Wasser?

  9.Landschaftspark Nord Duisburg: Klettern zwischen Stahl und Beton

10.Duisburg Tiger and Turtle: Fototour zur Achterbahn-Skulptur

11.Rheinluft im Ruhrgebiet: Picknicken und Hafenrundfahrt in Duisburg

12.Oberhausen: mit dem Rad entlang der Ausflugsziele

13.Halde Rheinpreußen Moers: Abendtour im roten Licht

14.Glamping in Hamminkeln: eine besondere Nacht, direkt am Wasser

15.Altstadt Xanten: Wo der Bäcker sein eigenes Mehl mahlt

16.Xantener Südsee: ein Tag Spaß am, im und auf dem Wasser

MITTLERES RUHRGEBIET NORD

17.Umspannwerk Recklinghausen: Museum zu Strom und Leben

18.Waltrop: das alte Schiffshebewerk Henrichenburg

19.Tour de Buur Dorsten: Landwirtschaft am Rande des Ruhrgebiets

20.Besucherbergwerk Recklinghausen: Baggern und Schleppen wie unter Tage

21.Mondpalast Herne: Das Ruhrgebiet lacht über das Ruhrgebiet

22.Haard in Haltern: wandern und radfahren durch dichten Wald

23.Skifahren, wo es nur Hügel gibt: Alpincenter Bottrop

24.Halde Haniel Bottrop: ganz weit oben

25.Halde Rheinelbe Gelsenkirchen: durch wilden Wald, dem Himmel entgegen

26.Nordsternpark Gelsenkirchen: farbenfrohes Sprühen für alle

MITTLERES RUHRGEBIET SÜD

27.Mit dem Rad und über Schienen durch das Wittener Ruhrtal

28.Hohenstein: Familienausflug in Wittens grüne Lunge

29.Weihnachtszeit in Hattingen und Bochum: Glühwein und Leckereien

30.Bermuda3Eck Bochum: eine Nacht zum Ausgehen und Feiern

31.Bochumer Theaterkunst: einnehmende und vielfältige Bühnenkunst

32.Museum Folkwang Essen: erstklassige Kunst sehen und erleben

33.Essen 1887: zu Gast beim Trauerzug von Alfred Krupp

34.Baldeneysteig Essen: über Hügel und entlang des Sees

35.Ruhrmuseum Essen: viele Facetten, ein Museum

36.SPIEL Essen: Fantasie, Wettbewerb und Spielfiguren zum Herbstbeginn

37.Geocache in Herten: analoger Ausflug mit digitalem Abenteuer

38.Fackelwanderung auf Halde Hoheward in Herten: Sternensuche im Feuerschein

ÖSTLICHES RUHRGEBIET NORD

39.Hindutempel Hamm: Gesänge und Gebete wie in Südasien

40.Maximilianpark Hamm: zu Besuch bei Schmetterlingen und Riesenelefant

41.Zeche Zollern in Dortmund: Führungen durch das „Schloss der Arbeit“

42.Dortmund: Erholung im Park

43.DASA Dortmund: „Wie sieht es eigentlich auf Eurer Arbeit aus?“

ÖSTLICHES RUHRGEBIET SÜD

44.Freilichtmuseum Hagen: historisches Handwerk zum Anfassen

45.Radtour Dortmund-Schwerte: mit dem Rad zur Fast-Emscherquelle

46.Discgolf Lünen: Scheibensport mit Golf-Feeling

47.Lichtkunst Unna: Es leuchtet bunt, kreativ, einzigartig

48.Künstlerhof in Fröndenberg: Kunst und Essen, wo einst Tiere lebten

49.Breckerfeld: Wanderparadies im Südosten des Ruhrgebiets

50.Kluterthöhle Ennepetal: Krabbeln und Kriechen durch schlammigen Lehm

DAS KLEINE WÖRTERBUCH

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BILDNACHWEIS

Hinweise: Während der Recherche zu diesem Buch änderten Lokale und Besucherattraktionen aufgrund der Corona- Pandemie immer wieder ihre Arbeitsweise. Darum wurde bei den Service-Informationen auf die Angabe von Öffnungszeiten, Preisen etc. verzichtet. Allen Reisenden sei empfohlen, sich aktuell vor Ort bzw. auf den aufgeführten Internetseiten zu informieren.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.

Willkommen im Ruhrgebiet

Der größte Ballungsraum Europas. Rund 5.100.000 Menschen leben nicht nur entlang der namensgebenden Ruhr, sondern zugleich auch an Rhein, Lippe und Emscher. Ihre Heimat: das Ruhrgebiet. Die Region hat in den vergangenen Jahrzehnten viel mit- und durchgemacht.

Die im Vorwort beschriebenen Klischees haben oft einen wahren Ursprung. Vor mehreren Jahrzehnten hatte das Ruhrgebiet touristisch nicht viel zu bieten. Kohle, Qualm und Ruß beherrschten lange Zeit die Stadtbilder. Wirtschaftlich als Rückgrat der Nation war das Ruhrgebiet schon immer hoch angesehen – die damit verbundenen einschneidenden Folgen für Menschen, Umwelt und Zusammenleben aber nicht. Es entstand besagtes schlechtes Bild, das lange auch zutraf. Doch mit dem Ende des Bergbaus wandelte sich die Region nach und nach. Das Markenzeichen des Ruhrgebiets fiel weg, die negativen Folgen blieben. Das stellte die Gegend vor eine große Herausforderung. Auch wegen des schlechten Image wollte weiterhin kaum jemand in die Region kommen. Das ändert sich seit wenigen Jahrzehnten jedoch zunehmend – nicht zuletzt dank der Schwerindustrie. Die prägende Ära von Schwerindustrie und Bergbau blieb und bleibt fest verankert in der Kulturund Identität des Ruhrgebiets. Die Reste der Hochindustrie sind auf eine ganz neue Weise noch immer und wieder prägend für die Metropole Ruhr, wie die Region heute genannt wird.

Die Ruhr-Universität Bochum gilt wegen ihrer Architektur auch als „Hafen des Wissens“.

Radfahren entlang der Ruhr

Heute sind viele Menschen im Ruhrgebiet zu Recht stolz auf diese Orte und ihre Geschichte. Und obwohl gerade die Jüngeren im Ruhrgebiet höchstens aus Erzählungen davon wissen, wie es war, als die Zechentürme förderten und die Hochöfen glühten, identifizieren wir uns alle irgendwie mit Kohle und Stahl. So richtig schwer „malocht“ und ein aktives Bergwerk von innen gesehen, das haben aber nur noch die allerwenigsten. Als es im Dezember 2018 auch auf der letzten aktiven Steinkohlezeche, dem Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop, zum letzten Mal „Glück auf!“ hieß, ging eine Ära schließlich zu Ende.

Auch wenn die Menschen mittlerweile anderen Tätigkeiten nachgehen, bleibt das Ruhrgebiet noch immer Industrie- und Wirtschaftsregion – wenn auch eine ganz andere. Das Ziel ist, Arbeitsplätze zu erhalten und viele neue zu erschaffen. Dafür sind Großunternehmen mit großen Produktionshallen unerlässlich. Die sollen aber trotzdem umweltfreundlich sein – grüner Wasserstoff spielt dabei eine Rolle. Die dafür maßgeblichen Groß- und Aktienunternehmen profitieren von vielen jungen Menschen, die aus der Region kommen, sich mit ihr identifizieren und eine der hochqualifizierten Ausbildungen durchlaufen oder eine der vielen Hochschulen besuchen. Das Ruhrgebiet wird aber als Region, in der man günstig wohnen kann und es alle Angebote einer Metropolregion gibt, auch für Auswärtige immer attraktiver. Davon profitiert die Wirtschaft ebenfalls, was auch die Ansiedlung von Spitzenforschung, wie dem Max-Planck-Institut in Dortmund, verdeutlicht.

Diese Vielseitigkeit macht das Ruhrgebiet auch als Reisedestination besonders. Das umfassende Angebot aus Kultur, Freizeit, Sport und Großveranstaltungen kann locker mit dem mithalten, was andere europäische Haupt- und Großstädte bieten. Da aber viele Angebote zwischen Ruhr und Emscher sowie Rhein und Lippe noch nicht für den Massentourismus durchgestylt sind, haben sie einen besonderen Charme behalten. Bei der Recherche haben wir immer wieder eine hautnahe und ehrliche Betreuung der Besuchenden erlebt. Das geht oft mit der typischen Ruhrgebiets- Art einher: offen, ehrlich und direkt – für Außenstehende kann das im ersten Moment auch mal befremdlich wirken.

Das Ruhrgebiet hat nicht ein Zentrum – weder kulturell noch hinsichtlich der Arbeits- und Lebenswelt der Menschen. Sie leben in der einen Stadt, treffen sich mit Freunden in der Nachbarstadt und pendeln zur Arbeit in eine ganz andere Ecke der Region. Das führt zu einer ständigen Durchmischung der ohnehin bunten Bevölkerung. Im Ruhrgebiet gibt es durch die Industrievergangenheit Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen Hintergründen – insgesamt aus über 150 Nationen. Das macht sich mancherorts in der Kulinarik bemerkbar, etwa in der Dortmunder Nordstadt. Doch bei aller kulinarischen Vielfalt – zum Lebensgefühl der Fußballregion gehören immer noch das Bier und vor allem auch die Currywurst. Jede und jeder kennt eine Bude, wo es die wirklich beste Currywurst gibt. In der Stadt, im Pott und überhaupt deutschlandweit. Hömma, is ja woll kla, ne?!

Die Drachenbrücke an der Halde Hoheward

Die Freizeit verbringen „Pottler“ nicht nur in den Städten, sondern auch im vielen Grün in und um die Städte. Und das ist auch für Ausflügler und Reisende ein weiterer Grund, in der Metropole Ruhr einige Tage zu verbringen. Es gibt viele Parks, wie etwa die fünf Revierparks, die für die Stadtbevölkerung gerade im Sommer beliebte Ausflugsziele sind. Und obwohl die Grenzen der einzelnen Städte oft fließend und kaum bemerkbar sind, gibt es dazwischen teils üppige Grüngürtel. An den ehemaligen Industriestandorten haben sich derweil artenreiche Biotope gebildet. Die Stauseen, Flüsse und Kanäle sind attraktive Ziele an heißen Sommertagen, teils sogar zum Schwimmen. Zum Wandern laden Waldgebiete wie die Haard oder die Westruper Heide ein. Außerdem gibt es seit Jahren ein wachsendes Radwegenetz, das schon jetzt sehr gut ausgebaut ist. Auch geografisch und landschaftlich bietet das Ruhrgebiet Abwechslung: Die an sich flache Landschaft endet im Süden des Ruhrgebiets an den Ausläufern der Mittelgebirge – die höchste Erhebung des Ruhrgebiets ist daher der Wengeberg im Ennepe-Ruhr-Kreis, der mit 442 Metern gar nicht mal so niedrig ist. Hinzukommt das „Hochgebirge“ des Ruhrgebiets, bestehend aus den über 50 Halden. Sie sind gleichermaßen Bergetappen für Hobbyradfahrer, Fotokulissen und Veranstaltungsorte. Auf über 20 der ehemaligen Abraumberge, die daher eng mit der Industriegeschichte verbunden sind, stehen heute sogenannte Landmarken – Kunstinstallationen, die von der Größe ihrer Standorte profitieren.

Der Harkortsee zwischen Wetter und Herdecke

WICHTIGE GESCHICHTLICHE DATEN

Der Alltag der Menschen findet in dieser Region ganz besonders im Hier und Jetzt statt. Die Gesellschaft und die Städte haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Und doch gibt es eine Reihe von historischen Ereignissen, die sich bis heute im Lebensgefühl des Ruhrgebiets bemerkbar machen.

Gegen 1850 nimmt die Industrialisierung im Ruhrgebiet so richtig Fahrt auf. Wo zuvor vor allem Ackerbau und Viehwirtschaft betrieben und Kohle eher nebenbei abgebaut wurde, bekommt der Bergbau eine überragende Bedeutung. Die Zeit der Stollenzechen, in denen in Oberflächennähe abgebaut wurde, geht langsam zu Ende. Stattdessen entstehen dank des technischen Fortschritts die Tiefbauzechen.

In Witten tritt in der hellen Felswand ein Kohleflöz zu Tage (untere Bildhälfte, schwarzer Streifen).

1873: Alfred Krupp und seine Familie beziehen die Villa Hügel oberhalb des Essener Baldeneysees. Die Villa ist Ausdruck des gigantischen Erfolgs der Krupp-Dynastie. Zuvor, 1862, stieg das Unternehmen mit dem neuen Bessemer-Stahlwerk in die Stahl- Massenproduktion ein. Das Unternehmen hatte 20.000 Arbeiter. Krupp sorgte sich um seine Angestellten und schuf soziale Einrichtungen. Die Arbeiterfürsorge hatte aber einen Beigeschmack: Damit sollte auch einer sozialdemokratischen Arbeiterbewegung innerhalb des Konzerns vorgebeugt werden. Die Loyalität zum Mäzen und zum Unternehmen sollte über allem stehen.

1892: Schüler des Realgymnasiums gründen mit dem FC Witten den ersten echten Fußballverein des Ruhrgebiets. Andernorts entstehen in Turnvereinen separate Fußballabteilungen. Der Fußball entwickelt sich nach und nach von einem Akademiker-Sport zur Leidenschaft für alle. Manche Fußballvereine und -abteilungen spielen bis heute herausragende Rollen für Region und Fußball- Deutschland. Allen voran: VfL Bochum (gegründet 1848), FC Schalke 04 (gegründet 1904) und Borussia Dortmund (gegründet 1909).

1906: Die Kanalisierung der Emscher beginnt, durchgeführt von der einige Jahre zuvor gegründeten Emschergenossenschaft. Künftig sollen sämtliche Abwasser von Industrie und Haushalten nur noch durch die Emscher geleitet werden, nicht mehr durch die Ruhr. Bis dahin hatten die Abwasser entlang beider Flüsse regelmäßig für Krankheiten, teils auch für Seuchen, gesorgt. Die Emscher wurde zu einem stinkenden braunen Kanal – genannt „Köttelbecke“. Für die Ruhr war sie ein großes Glück. Das Ruhr-Wasser erholte sich nach und nach. Der Fluss wurde Lebensader und Naherholungsgebiet. Heute ist auch die Emscher wieder renaturiert.

Die renaturierte Emscher

Erster und Zweiter Weltkrieg: Das Ruhrgebiet ist das industrielle Rückgrat des Deutschen Kaiserreiches, später von Weimarer Republik und Nazi-Deutschland. Das gilt für die Wirtschaft insgesamt, aber auch für die Rüstungsindustrie. Deshalb rückt die Region in den Fokus der Alliierten Kräfte. In beiden Weltkriegen werden die Städte entlang der Ruhr stark bombardiert. Das ist der Hauptgrund, weshalb es heute kaum alten Baubestand, geschweige denn Altstädte, gibt. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg wurde schnell und effizient aufgebaut – aber nicht gerade ansehnlich. Dafür fehlte oft das Geld.

1920: Der Siedlungsverband Ruhrkohlebezirk (SVR) wird gegründet und ist damit die erste deutsche Raumplanungsbehörde. Er soll die Voraussetzungen für die Reparationszahlungen an die Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg schaffen, wofür der Bergbau ausgeweitet werden muss. Außerdem soll der SVR wichtige Grünflächen erhalten und für eine geordnete Regionalplanung sorgen. Der SVR besteht mit veränderter Aufgabenstruktur als Regionalbehörde noch immer fort, heute als Regionalverband Ruhr (rvr.ruhr).

Blick vom Alsumer Berg in Duisburg

1950er- und 1960er-Jahre: Im Ruhrgebiet finden Menschen aus vielen verschiedenen Ländern Arbeit. Durch Anwerbeabkommen, etwa mit Italien und der Türkei, kommen viele sogenannter „Gast-arbeiter“ in die Region. Sie bringen Familien mit – gerade die Gastarbeiterinnen bekommen dabei gesellschaftlich oft nicht die angemessene Aufmerksamkeit. Die Vorstellung der Politik, die Menschen würden nur vorübergehend kommen, erübrigte sich mit der Zeit. Heute prägen Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen Hintergründen das Leben im Ruhrgebiet – oftmals bereits in der dritten oder vierten Generation.

2001: Der Komplex aus Zeche und Kokerei Zollverein wird in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Die Zeche Zollverein steht seitdem als beeindruckendes Paradebeispiel für den Strukturwandel im Ruhrgebiet. Zahlreiche ehemalige Industriestandorte sind heute wichtige Denkmäler und Kultur- oder Kunstorte. Ausgezeichnet wurde Zollverein, weil sie ein herausragendes Beispiel für die Bauhaus-Architektur und als solches ein Gesamtkunstwerk sei.

2010: Die Region bereitete sich jahrelang auf das Kulturhauptstadt- Jahr 2010 vor. Unter dem Motto „Ruhr2010“ ist die Region europäische Kulturhauptstadt. Dafür wurden viele verschiedene Installationen und Freizeitmöglichkeiten geschaffen. Viele bestehen noch immer. Einer der vielen Höhepunkte des Eventjahres ist das „Stillleben“: Dafür wurde die A40 für einen Tag beidseitig gesperrt und eine kilometerlange Tischreihe aufgebaut. Es war ein großes Volksfest.

2018: Mit Prosper-Haniel ist auch in der letzten Ruhrgebiets- Zeche „Schicht im Schacht“. Es ist der festliche Schlusspunkt eines über Jahrzehnte andauernden Zechensterbens. Der Abbau war im Ruhrgebiet nicht mehr rentabel – die Vorkommen zu tief, die Löhne zu hoch und Kohle als klimaschädlicher Energieträger immer weniger gefragt. Gleichzeitig zeichnet das Ende des Bergbaus der Region neue Wege auf.

2020: Erstmals wird das Ruhrparlament direkt gewählt. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass die Menschen die Metropole Ruhr auch politisch mehr wahrnehmen und sich mit ihr identifizieren. In ihrer Lebenswirklichkeit gehören die Menschen schon heute zusammen – wenn nicht gerade Derby-Wochenende ist und Dortmund gegen Schalke spielt.

TOP 10

DER SEHENSWÜRDIGKEITEN IM RUHRGEBIET

1Zeche Zollverein: Die Zeche Zollverein steht stellvertretend für Strukturwandel und den Stolz der ganzen Region. Der Doppelbock-Förderturm war einst das Gerüst von Schacht XII. Diese Anlage war bis 1986 in Betrieb und galt lange als das größte Bergwerk der Welt. Die Zahlen von damals sind heute kaum zu fassen: Bis zu 8000 Bergleute sorgten auf dem Gelände im Essener Norden im Schichtwechsel dafür, dass 23.000 Tonnen Rohkohle an die Oberfläche befördert wurden – und das jeden Tag. Seit 2001 ist die Zeche Zollverein UNESCO-Welterbe. Dazu gehört auch die ehemalige Kokerei. Sie galt als modernste Kokerei Europas. Heute ist Zollverein nicht nur ein echter Blickfang, sondern auch Erlebniswelt und Denkschmiede für den Strukturwandel. Kunst und Kultur haben genauso Platz gefunden wie ein Schwimmbad, eine Start-up-Szene und ein großer Park. Jährlich besuchen etwa anderthalb Millionen Touristinnen und Touristen das Gelände. zollverein.de

2RuhrtalRadweg: Der Flussradweg führt von Ost nach West – durch das ganze Ruhrgebiet bis nach Duisburg. Der Weg beginnt noch im Sauerland am Ruhrkopf, wo die Ruhr aus dem Erdboden quillt. Wer sich dann auf den gut ausgebauten Weg macht, rollt etwa bei Kilometer 95 ins Ruhrgebiet. Insgesamt ist der Weg 240 Kilometer lang. Man fährt durch die Ruhrauen, durch Wälder und entlang von Wohnbebauung. Die zahlreichen Unterkünfte sowie lohnende Seitenabstecher, wie etwa Industriedenkmäler, machen den Weg zur attraktiven Mehrtages- Tour. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club hat den RuhrtalRadweg schon mehrfach unter die Top Drei der beliebtesten Radfernwege Deutschlands gewählt. Wer mit der Fließrichtung der Ruhr fährt, also in Richtung Duisburg, hat höchstens kleinere Steigungen zu überwinden. In die andere Richtung warten insgesamt rund 650 Meter Höhenunterschied. ruhrtalradweg.de

3Starlight-Express: Mit bis zu 60 Kilometer in der Stunde rasen die „Züge“ leuchtend zwischen den Zuschauerinnen und Zuschauern durch. Sie bremsen, beschleunigen, springen und drehen sich um die eigene Achse – nicht auf Schienen, sondern auf Rollschuhen. Die Lokomotiven und Waggons sind die Hauptrollen im Bochumer Musical „Starlight Express“. Seit 1988 kamen schon über 17 Millionen Besucher, die sich über 12.000 Shows angeschaut haben. Damit hält die Attraktion seit 2013 den Guinness- Weltrekord als „erfolgreichstes Musical der Welt“. Die Geschichte handelt vom Eisenbahn-Traum eines kleinen Jungen. Die aufwendigen und bunt leuchtenden Kostüme sowie moderne Videoprojektionen untermalen Gesang und Melodien. starlight-express.de

4ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen: Hier können auf einer Expedition von Alaska, über Afrika bis nach Asien über 900 Tiere aus 100 verschiedenen Arten bewundert werden. In „Alaska“ lassen sich etwa Eisbären, Braunbären oder Elche in ihren großen und naturnahen Lebensräumen beobachten. Wie im gesamten Zoo gibt es oft nur unsichtbare Barrieren. Das Boot „African Queen“ fährt quer durch die Tierwelt Afrikas, unmittelbar vorbei an Pavianen und Flusspferden. Die Lemureninsel ist nichts für Menschen mit Berührungsängsten, erst recht nicht mit den „Nachtgeistern“ Madagaskars. Den südostasiatischen Dschungel erleben Besucherinnen und Besucher mit allen Sinnen im 4500 Quadratmeter großen Tropenparadies. zoom-erlebniswelt.de

5Movie Park: Wildes Kreisdrehen und in Wellenbewegung hoch und runterschaukeln – das lockt im Movie Park Germany täglich hunderte Besucher an. Der „Crazy Surfer“ ist eins der 16 Fahrgeschäfte, denen der Freizeitpark das Attribut „actionreich“ aufgestempelt hat. Der Park am Rande von Bottrop ist seit 1996 eine große Attraktion im Ruhrgebiet. Er zieht sowohl Familien als auch Schulklassen aus der ganzen Region an – jährlich über eine Millionen Menschen. In dem Park gibt es auch ruhigere Fahrgeschäfte, wie ein Kettenkarussell. Ganz anders, nämlich viel beschaulicher, läuft alles wenige Kilometer weiter im „Schloss Beck“ ab. Der Freizeitpark ist eher für jüngere Besucher gedacht. Eine Familienachterbahn in Marienkäfer- Form ist das „wildeste“, was es dort gibt. movieparkgermany.de,schloss-beck.de

6Gasometer Oberhausen: Der Gasometer in Oberhausen, direkt am Rhein-Herne-Kanal, ist mit 117,50 Meter Höhe der größte Gasbehälter Europas. Zwar ist er seit mittlerweile über 30 Jahren außer Betrieb, zieht dafür aber jährlich viele Besucherinnen und Besucher an. Die Kunstinstallationen im Inneren wechseln regelmäßig. Bis zur Decke des Gasometers gibt es einen weiten Raum – der ideale Ort für imposante Kunstobjekte. Diese Bühne nutzten bereits bekannte Künstlerinnen und Künstler: Christo und Jeanne-Claude bauten 1999 eine 26 Meter hohe und 68 Meter breite Wand aus bunten Ölfässern („The Wall“). Dafür stapelten sie in der Tonne rund 13.000 kleine Metalltonnen. Der Gasometer schaffte früher als Zwischenspeicher den Kokereien Abhilfe bei Gasengpässen. Heute deckt er den Bedarf nach besonderer Kunst und Kultur in der Region. gasometer.de

7Villa Hügel: Im zwischen 1870 bis 1873 im großbürgerlichen Stil erbauten Prachtbau Villa Hügel gibt es beeindruckende 269 Räumlichkeiten. Hier lebte einst die Familie Krupp, bekannt durch ihr riesiges gleichnamiges Industrieunternehmen. Die Idee und Entwürfe gehen auf den damaligen Familienpatriarch, Alfred Krupp, zurück. Er und andere Familienmitglieder empfingen in Villa und dem dazugehörigen malerischen Park prominente Gäste aus Politik, Regierung, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Grünanlage beeindruckt noch heute mit bunten Rhododendren, dem Blick auf den unterhalb liegenden Baldeneysee und vielen Kunstobjekten. Die Villa Hügel wird vor allem von der Alfried Krupp von Bohlen- und Halbach-Stiftung gepflegt. Diese setzt das Erbe der Familie Krupp fort. Es gibt eine Dauer- sowie wechselnde Kunstausstellung. villahuegel.de

8Tetraeder: Über drei Plattformen Richtung Himmel – getragen von Stahl. Von der über 50 Meter hohen Pyramide lässt sich so manches Bekanntes oder noch Unbekanntes im Ruhrgebiet erspähen. 1994 von Wolfgang Christ entworfen, ist sie seit ihrem Bau zum Wahrzeichen Bottrops und des westlichen Ruhrgebiets geworden. Offiziell heißt das Kunstwerk „Haldenereignis Emscherblick“. Besucherinnen und Besucher können das Kunstobjekt kostenlos besteigen. Allerdings sollten sie schwindelfrei sein: Die Treppen schwingen leicht im Wind und unter der Bewegung der Fußgänger. Einen ganz besonderen Anblick bietet das Haldenkunstwerk bei Nacht. Dann sind die Außenträger beleuchtet. Das helle Licht strahlt in die Ferne und vermittelt insbesondere bei leichtem Dunst einen mystischen Anblick. Ein Ausflug zum Tetraeder lässt sich gut mit einem Abstecher zum Alpincenter, eine Halde weiter, verbinden (siehe Tipp 23), Beckstraße in 46238 Bottrop

9Deutsches Fußballmuseum: Das offizielle Deutsche Fußballmuseum steht mitten in der Dortmunder Innenstadt. Schon von außen ist erkennbar: Hier geht es um die „schönste Nebensache der Welt“. Die Ausstellung beinhaltet zum Beispiel den Ball aus dem WM-Endspiel 1954 oder den rechten Schuh von Mario Götze, mit dem er 2014 die Nationalmannschaft zum Weltmeistertitel schoss. Das Museum versucht Klein und Groß mit multimedialer Technik vom Fußball und seiner Geschichte in Deutschland zu begeistern. Dabei geht es sowohl um die Nationalmannschaft als auch um den Betrieb in der Bundesliga. Im Museum ist auch die „Hall of Fame des Deutschen Fußballs“, in die bislang etwa Nia Künzer, Franz Beckenbauer und Silvia Neid aufgenommen wurden. Im Fußballmuseum gibt es auch das bundesweit einzige Kulturprogramm zum Thema Fußball. fussballmuseum.de

10Kinderparadies Ketteler Hof: Pirat, Rennfahrerin oder Tierpfleger – im Ketteler Hof können Kinder das und noch mehr an einem einzigen Tag sein. Der Park ist ein riesiger Abenteuerspielplatz auf 75.000 Quadratmetern. Er wird jährlich um weitere Spiel- und Erlebnisplätze erweitert. In den über 40 Themenwelten gibt es unter anderem eine Wasserbahn, Riesensprungkissen und allerlei Klettermöglichkeiten. Spaß und Lernen durch Bewegung stehen im Vordergrund, genauso wie die Natur. Wer heimische Tiere hautnah entdecken möchte, ist im Streichelzoo gut aufgehoben. Für Verschnaufpausen gibt es Picknickbereiche mit Grills und Imbissbuden. Der Hof ist aber nicht nur was für den Sommer: Ein großes Indoor-Gelände bietet bei schlechtem Wetter genügend Möglichkeiten zum Austoben. kettelerhof.de

Kurioses und Besonderheiten

IM RUHRGEBIET