Russdragh - Die letzte Schlacht der Drachen - Emily Russ - E-Book

Russdragh - Die letzte Schlacht der Drachen E-Book

Emily Russ

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

„Ich bin ein Fürst aus den Tiefen der Erde.
Ich habe das Licht des Anfangs gesehen.
Ich bin älter als die Welt.
Ich bin stärker als der Tod.
Ich werde die Zeiten überdauern.“

Keiner der Männer ahnte, was sie auf der verlassenen Insel am Ende der Welt erwarten würde. Doch je weiter sie vordrangen, umso unheimlicher wurde ihnen das einsame Land. Und bald gerieten auch sie in den Bann der fremden Macht, die auf dieser Insel herrschte…

Die letzte Schlacht der Drachen ist ein spannender Abenteuerroman für alle Fantasy-Fans, und eine phantastische Reise in eine legendäre Vergangenheit.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2015

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Emily Russ

Russdragh - Die letzte Schlacht der Drachen

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Russdragh – Die letzte Schlacht der Drachen

 

„Am Anfang war die Dunkelheit. Da sprach der Eine, der in der Sprache des alten Volks Far Ciól geheißen wird: Es werde Licht! Und ein Funke brach aus der Schwärze hervor und trennte das Helle vom Dunkel.“

Einsam saß der Alte in der verlassenen Halle. Sein Gesicht war bleich und seine Wangen eingefallen, und ein düsterer Schatten lag über seinen buschigen Brauen, doch der Blick seiner stahlblauen Augen war rein und klar wie die Wasser der See.

„Und er machte ein Bollwerk inmitten der silbernen Sterne“, fuhr er mit ruhiger Stimme fort, „mit einer hohen gewölbten Halle und einer unterirdischen Festung. Das Gewölbe über den Wellen hieß er Nemon, und die dunkle unterirdische Festung nannte er Domnon. Und er wob ein Gewand aus Licht und eines aus Dunkelheit und machte zwei gewaltige Fackeln, eine, die den Tag verkünde, und eine für die Herrschaft der Nacht. Da sprach er: Frisches Grün spriesse aus dem Boden, Bäume und Pflanzen ohne Zahl, davon sollen sich meine Kinder ernähren. Nun schuf er die Tiere aller Art und weitere vielgestaltige Geschöpfe, die die wogenden Wellen, das feste Land und das Himmelsblau bevölkerten. Da freute sich sein Herz und er sprach: Siehe, dies sind meine erstgeborenen Kinder und sie haben die Schwermut getilgt vom Antlitz der Erde, denn so will ich die Burg zwischen den Sternen nennen.“

Noch einmal hielt der Alte inne und blickte sinnend in die Flammen des Kaminfeuers. Und seine Gedanken gingen zurück in die glanzvollen Tage der ersten Zeit, in denen noch Harfenklänge und Lieder die hohen Hallen des Landes erfüllten, und es noch unverwundet war vom blanken Stahl des Krieges. Stolze Banner mächtiger Häuser wehten auf den gewaltigen Türmen der Festungen, und ihre Herren waren edel und freimütig. Wahrlich, groß und ruhmreich waren diese Zeiten, in denen das alte Volk über ganz Albion herrschte. Doch dies war lange her und Albions Harfen verstummt, denn die großen Fürsten des alten Reichs waren vertrieben worden und ihre Sänger im Krieg gefallen, und nur noch die Stimme des Windes wehte durch die Ruinen der alten Gemäuer.

Tiefer hüllte sich der Alte in seinen bleigrauen Mantel. In einer Hand hielt er ein Häufchen Erde, das er still betrachtete und dann fest in seiner Faust verschloss. Und seine Stimme war mehr ein Flüstern, als er sprach: „Und als der Eine die letzten seiner Kinder schuf, sagte er zu ihnen: In eure Hände lege ich mein Werk, und nun tragt Sorge für die Dinge, die ich euch geschenkt habe. Und er erfüllte das Land, die Wellen und den Wind mit einem unergründlichen Zauber, der fortan die Neugier der Sterblichen wecken sollte. Da ward Far Cióls Werk vollendet, und er ließ seine Blicke schweifen über das, was er geschaffen hatte und fand, dass es sehr gut geworden war. Nun wich der Kummer der Einsamkeit aus seinem Herzen, und er baute sich einen silbernen Thron bei den Sternen, dort ließ er sich nieder und harrte der Dinge, die auf Erden geschehen würden.“

Wahrlich, viel Zeit war vergangen, seit Albions Pfeiler im Krieg der Meere ins Wanken geraten waren und das Land in viele Stücke zerbrach. Doch obschon es schwer verwundet worden war, erhoben sich die einzelnen Inseln nach und nach wieder aus dem Meer. Und wie Rosen erblühten sie inmitten der

blaugrünen Wellen und wurden zum Schoß erhabener Fürsten.

Nachdenklich ließ der Alte die braune Erde zwischen seinen Fingern zu Boden rieseln. „Deine Kinder, Albion, haben dich groß und mächtig gemacht“, sprach er dann, während er die Hand zur Faust ballte. „Doch das Rad der Zeit steht niemals still, bald werden die neuen Völker deinen Boden mit Blut tränken, und dein Ruhm wird vergehen wie ein Staubkorn im Wind.“

 

 

Albion – ca. 3000 Jahre v. Chr.

Lange bebte Albion unter den zornigen Wassern der rivalisierenden Meere, bis Far Ciól ihnen Einhalt gebot. Doch es waren nicht Viele, die diese Katastrophe überlebten. Einer von ihnen rettete sein Leben in einer Grotte vor Albions Küste, und da er edel und tapferen Herzens war, schenkte die Muttergöttin Danu ihm zwei Kinder. Ihre Namen waren Elphinfæle und Bellinfæ, und als die Wasser fielen, waren sie wie die ersten Strahlen der Sonne im milden Morgenlicht einer neuen Welt.

„Nun wachset und vermehret euch. Ich habe euch ein großes Reich beschieden“, sprach Danu zu ihren Kindern, und als die Zeit gekommen war, zeugten Bellinfæ und Elphinfæle viele Nachkommen für Albion.

Amarok, ihr Erstgeborener, war der Fürst des ersten Volks. Er und seine gigantischen Brüder bauten das Land im Meer wieder auf und hießen es in ihrer Sprache Prydain, die Insel der Mächtigen. Und fürwahr, in jener Zeit bebte die Erde von Albion unter ihren Tritten und die Lüfte hallten wider von ihren Stimmen, und lange wagte niemand ihnen die Herrschaft streitig zu machen.

Doch Bellinfæ und Elphinfæle schenkten Prydain noch weitere Bewohner: die Fæshees. Leicht und anmutig von Gestalt besaßen sie einen edlen und klugen Geist, und fühlten ein tiefes Verlangen nach den starken Riesen, mit denen sie bald ein neues, ungewöhnliches Geschlecht zeugten: das vielgestaltige Völkchen der ælphs. Diese scheuen Geschöpfe bewohnten fortan die Wälder, Hügel und Gewässer von Prydain. Und da sie den Edelmut der Fæshees und die furchtlosen Herzen der Riesen besaßen, nannte man sie auch das gute Volk.

In dieser ersten Zeit, als das sichtbare Land von Albion noch Prydain hieß und noch kein Menschenauge die grüne Insel erblickt hatte, konnte man noch die alten Götter auf den gesegneten Fluren wandeln sehen. Doch diese Zeiten sind lange vorbei, und nur noch die verlassenen Hügel und Ruinen der alten Königshallen berichten von ihrem vergangenen Ruhm.

Viele Zeitalter lang lebten Bellinfæ und Elphinfæle gemeinsam auf Beltaine, der friedlichen Insel ihrer Geburt, bis Elphinfæle eines Tages die gesegneten Gestade verließ und auf das Festland von Prydain übersiedelte. Dort, auf den grasigen Höhen von Glaston, ließ er sich von seinen mächtigen Kindern einen hohen viereckigen Turm bauen, den er Cadeirog nannte.

Wie eine einsame Insel in einem Meer aus grauem Nebel wirkte der Hügel, der in der Sprache von Prydain Andomhain geheißen wurde, und das Gewässer, das ihn umgab, war schwarz und unergründlich und ein Bollwerk gegen alle Feinde.

Düster blickte Cadeirog aus den trüben Wolken über die Landschaft von Glaston, aber wenn sich der Nebel einmal lichtete, konnte Elphinfæle weit in der Ferne, bloß so groß wie ein Sandkorn, Beltaine erblicken. Dann freute er sich in seinem Herzen und gedachte der sorglosen Zeit, die er auf dem paradiesischen Eiland verbracht hatte.

Um ihrem Vater und Meister Ehre zu machen, zogen die Fæshees einen magischen Kreis um den geheimnisumwitterten Hügel und zeichneten die zwölf Tierkreissternbilder des Nachthimmels in die Landschaft. Und sie waren es, die die Gegend zum ersten Mal Glaston nannten, was übersetzt Sternentempel bedeutet. Auch heißt es, dass der Tempel der Sterne die Bildnisse der ersten sechs Riesen und Fæshees abbilden würde, doch in späteren Zeiten konnte dies niemand mehr genau sagen,

da sie nach Sternbildern geformt waren, die den Augen der Sterblichen unbekannt sind.

Viel könnte man noch erzählen über Elphinfæles Sternentempel, denn viel Weisheit der Vergangenheit und der Zukunft lag in den Zeichen der Landschaft. Doch nur wenigen war es vergönnt diese zu entziffern, und die Taten der Vorwelt und die ungeweissagten Prophezeiungen kommender Zeiten in ihnen zu schauen.

Bellinfæs Insel Beltaine, die in einer ruhigen Bucht vor den rauen Klippen von Prydain schlief, kannte keine düsteren Geheimnisse. Sie war das Reich des ewigen Frühlings, voller Wohlgerüche und Musik und bunter Blütenpracht, und einem Himmel so blau wie die Wellen des Ozeans. Fürwahr, kein anderer Ort auf Albion war so lieblich und friedvoll wie Beltaine, und kaum ein anderes Geschöpf schien in jenen Tagen so glücklich wie Bellinfæ.

Nun gab es aber in den sturmgepeitschten Gewässern vor Prydain noch ein weiteres, finsteres Eiland, dessen schroffe Klippen wie schwarze Türme in den Himmel ragten. Nachtschwarz waren auch die unheilvollen Wolken, die sich über der zerklüfteten Felseninsel zusammenbrauten und Unglück und Leid über Prydain brachten. Es heißt, sie sei aus Hass entstanden, als einer der Riesen im Zorn einen Felsblock nach seinem Bruder warf, denn der gewaltige Stein stürzte in die tosenden Fluten des Nachtmeers und wurzelte dort, und wuchs wie ein lebendiges Ding. Und obgleich die Herzen der Riesen stets voller Mut und Tapferkeit waren, hatte sich niemals einer von ihnen auf diesen, von finsteren Sturmwolken umflorten Grabhügel gewagt.

Troy (London) – 1098 v. Chr.

Die Feuer der vergangenen Feier waren noch nicht erloschen, als ein Sturm über das Nachtlager der Männer hereinbrach. Wie schwarzer Regen fielen die Speere auf die Zelte der Schlafenden und warfen viele von ihnen in die ewige Dunkelheit.

Blutrot kam der Mond durch die dunklen Wolken, und dann schien es, als wolle er sein Antlitz verbergen vor diesem hinterhältigen Überfall.

„Zu den Waffen!“ rief Bregon. Er war der Anführer des neuen Volks, das sich Briten nannte und die grüne Insel im Meer erst vor kurzem erobert hatte. Nun aber schien ihr Glücksstern gesunken zu sein, denn der plötzliche Angriff traf sie vollkommen unerwartet.

Als Amarok nun mit seiner Horde durch den Wall brach, den die Briten zu ihrem Schutz um die Zelte errichtet hatten, gerieten diese in große Furcht, denn die Männer, die da auf sie losstürmten waren riesig. In ihren Händen hielten sie lange, aus Holz gefertigte Speere und ihre Herzen waren voller Zorn darüber, dass die fremden Ankömmlinge ihr Land besetzt hatten und nun wie die Herren auf ihrem Boden umhergingen.

Fürwahr, dies war eine alles entscheidende Schlacht des alten gegen das neue Volk, in dem nicht weniger als das Land selbst der Preis des Stärkeren war.

Und im Dämmerschein des Mondes fielen die Riesen in das Lager ein, und in all ihren Schlachten sahen die Briten noch nie so turmhohe Männer.

„Hinter die Wälle!“ wies Bregon die Bogenschützen an, bevor er selbst mit seinem Schwert, das einst in Ilions tüchtigen Hallen geschmiedet worden war, auf die Feinde losging.

Wie unüberwindliche Mauern erhoben sich die Riesen vor ihnen und Bregon, der sonst voller Mut und Tapferkeit war, zweifelte auf einmal an seiner Stärke, und sein glanzvolles Schwert schien ihm angesichts der übermenschlichen Kolosse schwach und nutzlos. Und groß war die Zahl derer, die durch die Speere der Riesen fielen oder mit bloßen Händen in die ewige Nacht gestoßen wurden.

Da befahl Bregon seinen Männern das Lager zu verlassen, und es verdross ihn, denn es war das erste Mal, dass er vor einem Feind floh.

„Sah einer von euch jemals so übermenschliche Krieger?“ fragte Cornan, während er versuchte mit Bregon Schritt zu halten. „Es sind bloß eine Handvoll Männer, aber wir bräuchten ein ganzes Heer, um sie zu besiegen.“ – „Ein ganzes Heer oder einen guten Plan“, erwiderte Bregon und ließ sich von einem der Schützen einen Langbogen und einen Pfeil geben. „Gib mir die Fackel“, sagte er dann zu Madogh, der dicht neben ihm stand. Darauf entzündete er den befiederten Pfeil, spannte den Bogen und schoss auf die Riesen. Die anderen Männer folgten seinem Beispiel. Voller Furcht wichen die Riesen dem dichten Brandpfeil-Regen aus, doch binnen kürzester Zeit standen alle Zelte in Flammen und dichter schwarzer Rauch stieg über dem Lager auf. Da bemerkten die Gegner, dass sie in der brennenden Senke eingeschlossen waren, und sie stießen gellende Schreie aus.

Jubelnd kamen die Briten zusammen und freuten sich über ihren Sieg. Doch plötzlich bedeckten unruhige Wolken den Mond und ein Geräusch wie Flügelschläge drang zu ihnen hinab. Mit einem Mal verstummte der Jubel, während die Blicke der Männer beunruhigt zum Himmel gingen. Sie ahnten ja nicht, dass die Schreie der Riesen die verbündeten Mächte des Feuers herbeigerufen hatten, die nun kamen, um sie mit Glut und Eisen zu vernichten.

„Was ist das?“ rief Madogh starr vor Entsetzen.

„Drachen“, entfuhr es Bregon schreckerfüllt. „Es sind Drachen. Und mir scheint, sie sind ebenso gewaltig wie ihre Herren.“ Tatsächlich war es, als seien ihre Rückenpanzer wie stählerne Klingen und ihre langen Krallen wie Eisen, und aus ihren Rachen sprühten glühende Funken auf sie nieder. Wahrlich, das Schicksal hatte den Briten schwere Ketten aufgeschmiedet, denn gegen diese fliegenden Unholde waren sie machtlos.

„Vater der Götter, großer Zeus!“ rief Bregon, ging verzweifelt in die Knie und hob flehend die Arme zum Himmel, denn immer tiefer flogen die Drachen nun über ihre Köpfe hinweg und versengten ihre Haut mit Feuer.

Verzweifelt suchten die Briten Schutz vor den Angriffen der Drachen, da stürmte plötzlich Amarok aus dem brennenden Lager und warf einen Speer zwischen sie. Cornan schrie laut auf, als ihn die Waffe am Arm traf. Aber im nächsten Moment ergrimmte er, denn seine Natur war kriegerisch und aufbrausend, und ohne darüber nachzudenken, kam er aus seiner Deckung hervor und ging mit dem Schwert in der Hand auf den Riesen los. Doch außer ein paar Schrammen, die er ihm an den Beinen beibrachte, gelang es ihm nicht den übermächtigen Gegner zu verwunden. Da lachte Amarok, beugte sich zu ihm hinab und riss ihm sein Schwert aus der Hand. Fast wie ein Spielzeug zerbrach er es in der Luft, so dass Cornan beinahe vom Stahl seiner eigenen Waffe erschlagen wurde. Doch gerade als ihn der Riese im Genick packen wollte, erlosch das Mondlicht und eine undurchdringliche Dunkelheit breitete sich über die Gegend. Unter lautem Geheul flohen die Drachen, denn die plötzliche Finsternis dünkte ihnen wie das Ende der Welt, schließlich waren sie die Gebieter der Dunkelheit. Ihre Klauen und Zähne zitterten dabei vor Angst, und klangen wie eiserne Pfeilspitzen, die man aneinander rieb.

Und am Ende flogen sie zurück in die Gebirgsschluchten von Albion, wo sie seit Urzeiten leben und sich Nester aus Stein bauen, während ihre Späher auf den einsamen Berggipfeln Ausschau halten.

Sorgenvoll harrten die Briten in ihren Verstecken aus, bis plötzlich die Erde heftig zu beben begann und ein Schauer aus schweren Felsbrocken aus der Schwärze herniederfiel.

„Der große Zeus hat Britanniens Kinder nicht vergessen!“ rief Bregon, da er bemerkte, dass die unheimlichen Geschosse sie verschonten. Den Riesen aber schien es, als seien sie unter Beschuss einer unsichtbaren Armee geraten, deren Männer noch mächtiger waren als sie selbst, und in großer Angst liefen sie in die Dunkelheit und flohen in ihre tiefsten Hallen unter der Erde.

*

Viele der britischen Männer verloren in der Schlacht gegen die Riesen ihr Leben, und dies war umso tragischer, da sie am Abend zuvor noch sorglos die Eroberung Britanniens gefeiert hatten. Es war fürwahr ein harter Schlag für die siegverwöhnten Männer und ihren Anführer, der nach der Vertreibung aus dem Land seiner Väter viele seines Stammes aus der Gefangenschaft befreit hatte. Zahllose Jahre waren sie über die Meere der Welt gesegelt, auf der Suche nach einem Land, das Bregon in einem Traum gesehen hatte, und die meisten Männer und Frauen hatten die Hoffnung auf das verheißene Land bereits aufgegeben, als plötzlich, jenseits der Säulen des Herkules, Albions weiße Küstenfelsen aus dem dichten Nebel vor ihnen auftauchten.

„Das ist das Land, das mir erschienen ist“, rief Bregon, als er das fremde Ufer sah, denn es war genauso, wie es ihm der große Zeus im Traum offenbart hatte. Mit ihren Schiffen legten sie in einer geschützten Bucht an und Bregon setzte als erster seinen Fuß auf das neue Land.

„Wir haben das Ende der Welt gefunden!“ rief er laut, und aus diesem Grund nannte man die Landzunge Land’s End. Manche aber hießen den ungastlichen Ort das ‚Land der Stürme‘, da die heftigsten Winde dort ihre Wohnungen haben und fortwährend über die ausgesetzten Klippen peitschen.

Der Abend brach bereits herein, als auch die anderen Männer und Frauen von den Schiffen kamen, um die stürmische Landzunge zu erkunden. Und als sie gemeinsam an den Lagerfeuern auf den hohen Felsen von Land’s End saßen und in die brausenden Fluten zurückblickten, die sich düster an den Klippen brachen, waren sie froh, festen Boden unter ihren Füßen zu haben, und dass die Strapazen der Seefahrt endlich ein Ende hatten.

Doch als die Dunkelheit kam, sank ihnen ein wenig der Mut, denn es waren fremde Sterne, die da am finsteren Himmel der Nacht aufloderten und sie kalt und abweisend anstarrten.

„Treue Gefährten“, ergriff Bregon auf einmal das Wort. „Groß waren die Gefahren, die auf uns warteten, aber nun haben wir Zeus’ Willen erfüllt und unsere neue Heimat gefunden. Lasst uns das unbewohnte Land Britannien nennen, und sehen, wo wir am besten siedeln können.“ – „Wer sagt, dass das Land unbewohnt ist?“ unterbrach Cornan ihn missmutig. „Vielleicht lauern im Landesinneren Gefahren auf uns, denen wir nicht gewachsen sind.“ – „Seit wann so ängstlich, mein Freund?“ versetzte Bregon und lachte.

„Das, was du Angst nennst, nenne ich Vorsicht“, erwiderte Cornan gereizt. „Wachsamkeit ist ebenso wichtig wie Mut.“ – „Genug!“ entgegnete Bregon bestimmt. Und etwas milder fügte er hinzu: „Lasst uns heute feiern und fröhlich sein. Morgen werden wir das Landesinnere erkunden, dann werden wir sehen, ob Britanniens grüne Fluren bewohnt sind.“

*

Obwohl der Sterndeuter Unheil in den unbekannten Sternen des fremden Nachthimmels gelesen hatte, machten sich Bregon und seine Männer am nächsten Tag auf den Weg ins Landesinnere. Viele Tage brauchten sie, um sich einen Weg durch die gefährlichen Sümpfe und dichten Wälder zu bahnen, die mancherorts finsterer waren als die mondlose Nacht.

Aber während ihres ganzen, langen Marsches bemerkte keiner von ihnen, dass die Wälder, Sümpfe und Hügel Augen hatten, denn die Späher des alten Volks verfolgten jeden ihrer Schritte mit wachsamen Blicken. Und als die Männer zu einer großen fruchtbaren Ebene kamen, durch die sich ein fischreicher Fluss schlängelte, freuten sie sich, da ihnen dies der richtige Ort für ihre Siedlung schien. Doch sie ahnten nicht, dass die Mächtigen von Prydain bereits Rat gehalten und ihren Untergang entschieden hatten.

Frohen Herzens stieg Bregon einen der grasigen Hügel hinauf, der an einer Seite steil zum Fluss hin abfiel, und ließ seinen Blick zufrieden über die Gegend schweifen. In Gedanken sah er sich bereits als König auf dem Turm einer drohenden Festung, die wie ein Adlerhorst auf dem Felsen thronte und sich majestätisch über sein Land erhob. Da schwor er sich, dass sein Reich einmal ebensolchen Ruhm erlangen sollte wie einst Ilion, die Heimat seiner Ahnen, und er entschied die Landschaft Troy zu nennen.

Am Ende dieses erfolgreichen Tages schickte Bregon drei Boten zurück nach Land’s End, um die übrigen Männer, Frauen und Kinder, die noch auf den Schiffen warteten, in ihre neue Siedlung zu bringen.

Und als am Abend die Sonne über der hügeligen Landschaft von Troy versank, hatten die Männer der Vorhut bereits ihr Lager in einer Senke nahe dem Fluss aufgeschlagen.

Thamsea nannten sie das düstere Gewässer, und während sie die Entdeckung Britanniens an den Feuern feierten, beobachtete sie der Fluss heimlich mit tausend Augen. Doch außer Corneth schien dies niemand zu bemerken, und er schwieg, da er nicht erneut verhöhnt werden wollte.

„Sobald unsere Stammburg auf dem Hügel von Troy steht“, sprach Bregon feierlich, während er seinen Becher erhob, „steht es euch frei zu gehen, wohin ihr wollt. Dann könnt ihr eure Hütten in jedem Teil des Landes bauen.“

Zur selben Zeit aber, versammelte sich auf der anderen Seite der Thamsea das Heer der Riesen, und sie hörten jedes ihrer Worte und ergrimmten darüber, denn sie

Giants’ Grave

„Lasst uns die Freunde begraben“, sagte Bregon am nächsten Tag niedergeschlagen, während er mit gesenktem Haupt über das Schlachtfeld ging, von dem immer noch dichter Rauch aufstieg. „Wir wollen ihnen ein würdiges Begräbnis bereiten, und dem großen Zeus opfern, der uns vor schlimmerem Unheil bewahrt hat.“ Überall zwischen den verbrannten Zelten lagen die Leiche der alten Kameraden, und groß war die Trauer in den Herzen der Männer, als sie ihre erschlagenen Waffenbrüder erblickten.

Und als man die Toten auf der anderen Seite der Thamsea bestattet hatte, traf Bregon eine Entscheidung: „Ich glaube es wäre klüger, wenn wir uns bereits jetzt im Land zerstreuen würden, damit wir bei einem erneuten Angriff der Riesen nicht alle unser Leben verlieren und unser britisches Reich verdorrt, bevor es zur Blüte kam“, sprach er, und gab Cornan die Herrschaft über die raue Gegend von Land's End. „Ein weiser Beschluss“, sagte dieser zufrieden. „Nun will ich euch aber erst verlassen, wenn ich mir ein wenig Ruhm erworben und gegen den Riesen gekämpft habe, den wir gefangen genommen haben.“ – „Dies halte ich für keine gute Idee“, erwiderte Bregon missmutig, „wir haben alle erlebt, wie wild und unberechenbar diese Männer sind.“

Kurz zuvor hatte man Amarok verletzt und besinnungslos in einem Waldstück auf der anderen Seite des Flusses gefunden, ihn an Armen und Beinen gefesselt und in ein tiefes Erdloch geworfen, auf dass er ihnen nicht mehr gefährlich werden würde. Doch obschon er schwer verwundet war, war er ein übler Gegner für einen Menschen normaler Größe, darum riet Bregon seinem Waffenbruder von einem Kampf mit dem Riesen entschieden ab, doch Cornans Natur war stur und hitzköpfig, und so beharrte er auf seinem Vorhaben.

Nun war Amarok der erste Sohn des mächtigen Elphinfæle, und alleine seine Gefangennahme war kein guter Plan gewesen, denn Elphinfæle war der Höchste von Albion und sein Zorn konnte die Grundfesten der Insel erbeben lassen.

Im Süden des Landes gab es einen Ort, an dem die Klippen schroff in die brausenden Fluten des Nachtmeers brachen und eine breite Schlucht zwischen den Felsmassiven bildeten, dort sollte der Zweikampf stattfinden. Cornan hatte diesen Platz gewählt, da es bereits Teil seines künftigen Landes war, und mit seinem wagemutigen Kampf hoffte er, sich Respekt für seine kommende Herrschaft zu verdienen. Cornwall, Cornans Mauern, hatte er sein kommendes Reich geheißen, das er groß und mächtig in Britannien machen wollte.

In schweren Ketten und mit knallenden Peitschenschlägen zwang man Amarok zu dem langen Marsch. Willenlos folgte der Riese seinem Schicksal, und als sie die Küste erreichten, war sein Gesicht von Schwäche und Mutlosigkeit gezeichnet. Da wandte sich Bregon erneut an Cornan und sprach: „Lass ab von dem Kampf. Sieh nur, es steckt kaum noch Kraft in seinen Gliedern.“ Und Cornan lachte. „Es wird ein kurzes Gefecht werden, dessen bin ich mir sicher.“ In diesem Moment kehrte das Leben zu Amarok zurück, und er begann zu toben wie ein wildes Tier, denn seine Gedanken waren voller Hass und bittere Rachsucht tobte in seinem Herzen.

„Nehmt ihm endlich die Fesseln ab“, rief Cornan, „es scheint, als hätte er seine Kampflust wiedergefunden.“ Und es brauchte fünf Männer, um Amarok von den Eisenketten zu befreien und zwei von ihnen wurden dabei schwer verletzt, so dass die anderen Drei voller Furcht davonliefen. Da stürmte der Riese schnell wie ein Pfeil auf Cornan los und die Ketten hingen noch an seinem Handgelenk, als er ihn an der Schulter packte und gegen einen Felsen warf. Der Brite stöhnte vor Schmerz, dann aber rappelte er sich wieder auf und ging mit der Streitaxt auf den Riesen los. Dieser lachte und wich seinen Angriffen leichthin aus. Da packte Cornan die Wut. Amarok aber, hob zur selben Zeit einen gewaltigen Stein auf und kam mit großen Schritten auf ihn zu, so dass die Erde erbebte. Cornan wich zurück, doch plötzlich bemerkte er, dass er mit dem Rücken am Abgrund stand, dort, wo das Land beinahe 800 Fuß schroff ins Meer hinabfiel, und weit unten in der Tiefe hörte er die Brandung rauschen, die sich wütend an den Felsen brach. Immer näher kam der Riese, und es schien, als säße Cornan in der Falle.

Mit großer Besorgnis beobachteten die anderen Männer das Geschehen, und insgeheim war jeder von ihnen froh, nicht an Cornans Stelle zu sein. Da erhob dieser seine Streitaxt und mit lautem Gebrüll lief er zwischen den Beinen des Riesen hindurch und hieb mit der Waffe nach ihm. Hastig fuhr Amarok herum, und Cornan nahm seine Axt und schleuderte sie nach ihm. Das scharfe Geschoss blieb in seiner Bauchhöhle stecken. Der Riese brüllte vor Schmerz und Wut und begann wild zu taumeln. Cornan aber, zog sein Schwert und hieb damit auf die nackten Füße des Riesen, so dass dieser irrsinnig vor Schmerz und Entsetzen, immer näher an den Rand des Abgrunds kam. Noch einmal erhob Cornan sein Schwert und hielt es drohend in die Luft, da stolperte Amarok und strauchelte, bevor er mit einem lauten Schrei über die Felskante in die Tiefe stürzte.

Lange hallte das Echo des Riesen zu den Männern hinauf, bevor sich eine bleierne Stille über den Ort legte. Kein Laut des Jubels kam über ihre Lippen, denn plötzlich fühlten sie sich mutlos und unbehaglich, und keiner von ihnen konnte erklären, warum. Eine unbestimmte Sorge überkam sie wie ein Windhauch und füllte ihre Herzen mit banger Düsternis. Schließlich traten ein paar von ihnen an den Rand des Abgrunds und blickten hinab in die brausende Strömung, wo der leblose Körper des Riesen langsam aufs offene Meer trieb. Da erhob Cornan seine Stimme: „Wir haben die Feinde besiegt. Und in Erinnerung an unsere Schlacht und den Tod des Riesen soll dieser Ort fortan Giants’ Grave geheißen werden.“

*

Nun zogen Cornan und seine Männer Richtung Westen, um Cornwall zu erkunden, während Bregon und die Anderen sich auf den Weg nach Norden machten. Unter ihnen war ein schmächtiger Junge namens Leigh, der bereits seit ihrer Ankunft in Land’s End an einer Karte des Landes arbeitete. Und er hatte ein besonderes Gespür für die Magie der fremden Umgebung, denn die Erdhügel, Quellen oder Megalithen, die er auf seiner Karte verzeichnete, waren Stätten des alten Volks von Albion, und die Wege, die sie miteinander verbanden ihre heiligen Straßen. Leigh-Lines nannte Bregon diese Strecken, da der Junge sie entdeckt hatte, und kamen sie an einen Ort, der sich für eine Siedlung eignete, bauten sie dort einen viereckigen Steinhügel, den sie mit Pfählen umzäunten. Nun markierte so ein tempelartiger Cairn nicht nur bewohnbares Gebiet, sondern ebenso die zentrale Stätte, zu der die Marksteine führten, und war ein wichtiges Zeichen für die Eroberung des Landes.

Leigh hatte schließlich die Idee die Lines mit unterschiedlichen Namen zu bezeichnen, und so nannte man beispielsweise die Route von Land’s End bis Troy First Leigh, während die Strecke von Troy bis zum Giants’ Grave, in Erinnerung an die gefallenen Kameraden, fortan Sorrow Leigh geheißen wurde. –

Doch keiner der Briten ahnte, dass sie dadurch, dass sie die Wege des alten Volks nutzten, wie von einer unsichtbaren Macht gezogen, Elphinfæles Willen folgten. Und dieser hatte seine eigenen Pläne mit dem neuen Volk.

*

„Was ist das für eine sonderbare Gegend?“ fragte Bregon, als sie am Abend durch eine trübe Ebene kamen, aus deren Nebeln einsam drei große Hügel herausragten. Auf einem von ihnen war ein hoher Turm, der majestätisch über der Gegend thronte. „Noch nie sah ich solch eine geisterhafte und anmutige Landschaft. Seht nur, wie die Nebelfluten durch das Tal wogen, als wären es Meereswellen.“ Wie unter einem Zauberbann blickten die Gefährten über die Ebene, und es kam ihnen vor, als würden sie in die älteste Vergangenheit des Landes schauen.

„Wahrlich, dies ist ein Ort an dem ich gerne den Tod empfangen würde, wenn meine Zeit gekommen ist“, murmelte Bregon leise.

„Du solltest besser vorsichtig sein, was das Sterben betrifft“, bemerkte der weise Gwardor mit umwölkter Stirn. „Dieser Ort ist unheilvoll. Und es würde mich nicht wundern, wenn man dich gleich beim Wort nähme.“ Zweifelnd sah Bregon ihn an.

„Gwardor meint“, erklärte der Wandersänger Buinne entschuldigend, „dass die Nebel so dicht über den Sümpfen liegen, dass wir nicht wissen, wie sicher der Boden unter unseren Füßen ist.“

Natürlich war es nicht das, was Gwardor meinte, doch er schwieg. „Wir sollten unser Lager auf dem Hügel dort drüben aufschlagen und den Weg durch die unheimlichen Sümpfe erst morgen früh nach Sonnenaufgang fortsetzen“, schlug Buinne vor. Aber während er vom Pferd stieg, sprach er leise zu sich selbst: „Gwardor hat Recht, diese Gegend ist unheilvoll, sehr unheilvoll.“

Wortlos machten die Männer ihre Pferde am Fuß des Abhangs fest und stiegen den grasbewachsenen Hügel hinauf. Kurz unterhalb des Gipfels wucherten in einer Reihe, die sich einmal um den Berg wand, einige dichte Weißdornsträucher, die ihnen den Weg versperrten, so dass sie ihre Schwerter wie Macheten gebrauchen mussten, um durch das dichte Gestrüpp auf die andere Seite zu gelangen.

Und sie wunderten sich über diesen seltsamen Bewuchs, denn sie wussten nicht, dass es der geheimnisvolle Weißdorn war, der nur an den Grenzen des alten Reichs gedieh.

Als sie nun auf das breite Gipfelplateau kamen, hatten sie eine großartige Aussicht über die Gegend, über der die dichten Nebelschwaden wie ein wogendes Meer lagen. Da war es ihnen plötzlich, als

würden sie beobachtet, doch weit und breit war keine Seele zu sehen. Nervös blickten sich die Männer immer wieder nach allen Seiten um, nur Leigh saß ruhig auf einem Stein und lauschte dem Wind. Und seine Ohren schienen tatsächlich etwas zu vernehmen, denn auf einmal sagte er laut: „Wearyall!“ Erstaunt sahen ihn die anderen Gefährten an. „So nennen sie den Berg, und der Name ist trefflich gewählt, oder hat seine Eroberung uns nicht die letzten Kräfte gekostet.“ Niemand wusste, was Leighs rätselhafte Worte zu bedeuten hatten, doch fürchteten sie, dass der Junge nun vollends übergeschnappt war. Da begann plötzlich auch Gwardor den Verstand zu verlieren. Auf allen Vieren lief er über das Plateau und dann am Saum der Weißdornsträucher einmal um den Hügel herum, bevor er zu den Anderen zurückkam sich auf den Rücken ins Gras warf und in den Himmel blickte. Zu dieser Zeit ging gerade der Mond hinter einem der anderen Anhöhen auf und der Nebel wich langsam vor seinem klaren Antlitz. Alleine der Nebelberg war immer noch in einen grauen Umhang gehüllt und stand wie ein Fels in der Brandung eines silbernen Sees, in dem sich das Licht spiegelte. Da erhob sich Gwardor und setzte sich zu den anderen Männern, die gerade das Lagerfeuer entzündet hatten. Schweigen herrschte unter ihnen, ein Schweigen kalt wie eine Winternacht, denn eine große unbestimmte Sorge bewegte ihre Herzen.

„Es heißt“, begann Gwardor nach einiger Zeit mit unsicherer Stimme, und seine Blicke schweiften dabei misstrauisch über die Gegend, „wenn der dichte Nebel den Gipfel des Olympos einhüllt, halten die alten Götter dort oben Rat über das Verhängnis der Sterblichen. Dann dreht kein Raubvogel seine Runden über der Stätte, und an den Hängen des heiligen Berges verfolgt kein Jäger seine Beute, so unbehaglich ist die Zeit. Und die Menschen verlassen ihre Hütten nicht, aus Furcht vor einem bösen Fluch. Ich hörte, dass man nach solchen Nächten die leblosen Körper unschuldiger Menschenkinder am Fuß des Berges fand, und ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Haare schlohweiß.“ Er hielt inne, und sein Schweigen war beklemmend, weil seine Worte von den Hängen der Berge und in den Gedanken der Männer widerhallten wie ein schreckliches Omen.

„An heigh for the honour of Britain!“ rief Bregon da auf einmal laut und erhob seinen Becher, und seine Stimme ließ die Gefährten erschrocken zusammenfahren. Aber dieses Mal blieben die Hügel stumm und gaben kein Echo zurück. Beinahe ärgerlich schüttete er seinen Wein hinunter. „Wir sollten besser in die Zelte gehen und etwas schlafen, bevor wir alle überschnappen.“ Mit diesen Worten verließ er die Feuerstelle und ein paar der anderen Männer folgten ihm.

„Vergesst nicht das Feuer zu löschen“, sagte Gwardor noch mit warnender Stimme, während er ging.

Vielleicht war es der Wein, oder die Erschöpfung, die Schuld an dem trugen, was in jener Nacht geschah, denn die Kameraden versäumten es die Flammen zu löschen, und dies war ein folgenschwerer Fehler.

Mitten in der Nacht trieb es Bregon dazu sein Zelt zu verlassen und ein paar Schritte über den Hügel zu wandern, da bemerkte er, dass der Weißdorn im Licht des Mondscheins erblüht war und wie eine weiße Mauer den oberen Teil der Anhöhe umgab. Es war ein sonderbarer Anblick, da die weißen Blüten hell schimmerten und die Büsche am Abend noch grün gewesen waren. Er trat näher an die Sträucher heran, denn er verspürte auf einmal große Lust die Blüten zu berühren und an ihnen zu riechen. Niemals hatte er so eine Pracht und Schönheit gesehen, und der Duft, den sie vertrömten war süß und herb und wie Balsam. Bregon bog vorsichtig ein paar Zweige beiseite, um in das blühende Dickicht zu treten, da war es ihm auf einmal, als höre er ein leises Stöhnen auf der anderen Seite der Büsche. Ohne Furcht bahnte er sich einen Weg durch den duftenden Weißdorn. Und wieder war da dieses Gefühl an einem unsichtbaren Faden gezogen zu werden, doch es war ein schönes Gefühl voller Frieden, wie ein Ruf aus einer anderen Welt.

Zu diesem Zeitpunkt bemerkte er noch nicht die dunklen Schatten, die sich am Himmel und am Fuß des Hügels sammelten. Das Stöhnen wurde indes immer lauter, und als er den Ring, den der Weißdorn um den Gipfel zog, verließ, kam auf einmal große Sorge über ihn. Er blickte sich um und sah mit Erstaunen, dass der Zauber der Blüten plötzlich vergangen war und die Büsche wieder dunkel im Mondlicht lagen.

Nun erst spürte er die Müdigkeit, die nach und nach über seine Glieder kam. Erschöpft setzte er sich auf dem Abhang ins Gras. Doch plötzlich fuhr er schaudernd zusammen. Etwas Großes, Dunkles kam auf einmal den Hang hinauf, etwas, das entsetzlich hechelte und stöhnte. Erschrocken sprang er auf und lief kopflos durch das Dickicht, doch die Zweige schienen ihn festhalten und ihn mit ihren Dornen zu stechen wie mit spitzen Nadeln.

Nur mit großer Not gelang es Bregon den Angriffen der Sträucher zu entgehen, und als er sie endlich hinter sich gelassen hatte und das Lager sah, atmete er erleichtert auf. Erschöpft ging er zu seinem Zelt, da sah er plötzlich, wie etwas Gewaltiges das Licht des Mondes verdunkelte.

„Wacht auf!“ rief er laut, denn seine Gefährten schliefen tief und fest in ihren Zelten. „Die Riesen greifen an.“ Nun kamen die Männer nach und nach heraus, und groß war ihr Schrecken, als sie in den Nachthimmel blickten und die unzähligen Drachen sahen, deren Flügel wie Kriegsbanner vor dem Mond flatterten, während glühende Funken aus ihren Mäulern stoben.

„Sie sind sicher gekommen, um den Tod ihres Herrn zu rächen“, sagte Buinne voller Furcht, denn er ahnte, dass die Drachen wegen Amaroks Tod gekommen waren.

„Wir sind verloren!“ rief Madogh verzweifelt. „Unsere Waffen sind jämmerlich gegen ihre Eisenpanzer.“ Nun erst kam Gwardor aus seinem Zelt und trat ruhig in die Mitte des Hügels, unbewaffnet, und er erhob seine Arme und rief mit lauter Stimme: „Verschwindet, Kreaturen des Feuers!“ Und er befahl seinen Gefährten alle Feuer zu löschen. Da flogen die Drachen unverrichteter Dinge über ihre Köpfe hinweg, ohne sie zu bemerken.

Voller Staunen blickten die Kameraden Gwardor an. „Die Flammen haben sie angelockt“, sprach er grimmig. „Ich sagte euch doch, dass ihr das Feuer löschen sollt.“ Damit ging er ohne ein weiteres Wort zurück in sein Zelt.

Immer noch bleich vor Schrecken und Erstaunen standen die Männer auf dem Bergplateau im Mondschein.

„Dann lasst uns wieder schlafen gehen“, sagte Buinne schließlich und verschwand ebenfalls in einem der Zelte, und die Anderen folgten seinem Beispiel. Am Ende stand Bregon alleine auf dem Hügel.

Was für ein sonderbares Land dies ist, dachte er, während er in die düstere Weite blickte. Da vernahm er auf einmal wieder dieses Stöhnen, ganz dicht in seiner Nähe. Blitzschnell zog er sein Schwert. Doch als er sich umwandte, fuhr ihm der Schreck in die Glieder, denn in diesem Moment brach der gewaltige Kopf eines Drachen durch die Sträucher, und ihm folgte ein schuppiger Leib mit einem Rückenpanzer scharf wie Klingen.

Nun stand Bregon ganz alleine auf dem Berg, zwar hätte er seine Gefährten rufen können, doch ein wildes Feuer brannte in seinem Herzen, und die Begierde die Bestie alleine zu erlegen. Da schnellte das Ungeheuer vor und spie heiße Flammen nach ihm. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihm dem Feuer auszuweichen und mit dem Schwert auf seinen Angreifer loszugehen. Drei Mal traf er die Bestie zwischen die Hörner, bis graues Blut aus seinen Wunden strömte. Da ergrimmte der Drache und blähte sich zu seiner vollen Größe auf, was schrecklich anzusehen war. Doch Bregon fürchtete sich nicht, sondern hieb weiter mit dem Schwert auf dieselbe Stelle, da ihm das Gesicht der verwundbarste Teil des Drachen zu sein schien.

Die Bestie krümmte sich vor Schmerz und ihr gezackter Schwanz schlug wild hin und her, und von den Wut- und Schmerzenslauten erwachten die anderen Männer. Und als sie mit den Waffen in ihren Händen aus den Zelten liefen, erhob sich der Drache in die Lüfte und floh.

Da ließ Bregon sich Pfeil und Bogen geben, und mitten im Flug traf er die Bestie in den Hals und noch einmal in den verwundbaren Bauch und ein drittes Mal in einen der Flügel. Schwer verwundet strauchelte der Drache und sein Flug wurde unsicher, und sein riesiger Schatten breitete sich über die Männer. „Lauft!“ rief Bregon. „Er wird uns alle erschlagen!“ Und sie liefen und suchten in den Weißdornhecken Schutz. Der Drache schlingerte und verfehlte das Hügelplateau nur knapp und stürzte mit einem schrecklichen Geräusch in die Sümpfe, wo er langsam im Morast versank.

*

Die Eroberung des Wearyall, denn so war den Briten ihr Kampf gegen die Drachen vorgekommen, hatte sie mit neuem Mut erfüllt. Dennoch geschahen im Laufe der Nacht unheimliche Dinge in der Ebene und auf den Hügeln, die selbst den Tapfersten von ihnen große Furcht machten. Tief in der Nacht war es ihnen, als hörten sie das Heulen eines Wolfsrudels, das in großer Eile durch die Ebene jagte und grauenvolle Schreie, die wie die verzweifelten Rufe todgeweihter Menschenseelen klangen.

Als die Kameraden am nächsten Morgen erwachten, fühlten sie sich matter als je zuvor, da trat Gwardor zu ihnen und sprach: „Andomhain! So lautet der Name des Nebelberges mit dem Turm auf seinem Gipfel.“ Bregon hatte aufgehört sich über das sonderbare Benehmen seiner Männer zu wundern, und selbst als Gwardor behauptete eine liebliche Stimme habe ihn den Namen des Nachts ins Ohr geflüstert, blieb er stumm. „Es bedeutet Insel der Unterwelt“, fuhr Gwardor mit sonderbarer Miene fort, „und den kleineren Hügel dort drüben, der wie ein Kelch geformt ist, heißen sie Chalicecraig.“ – „Andomhain“, wiederholte Madogh leise. „Ich könnte schwören den Namen schon einmal gehört zu haben.“ – „Well“, mischte Bregon sich in das Gespräch, „bevor wir alle den Verstand verlieren, sollten wir diesen unheilvollen Ort besser verlassen.“ Doch seine Worte fanden kein Gehör.

„Ich weiß nicht, was es ist“, sagte Buinne jetzt beunruhigt, „aber etwas stimmt nicht mit diesem Andomhain. Seht ihr die Nebelschwaden, die wie die Schatten von Geistern, um ihn herumtanzen? Und in der Nacht scheint er zum Leben zu erwachen, denn er murmelt wie ein Mensch und seine Hänge scheinen von innen heraus zu beben. Es heißt, dass manche Berge in die Unterwelt führen...“ - „Yea“, sprach Beogabail zustimmend, „es sind Tore in die Schattenwelt, die in die Vergangenheit führen, wo man alles Gewesene noch einmal erleben kann.“ – „Vielleicht leben die Götter dieses Landes nicht auf, sondern in den Bergen“, mutmaßte Gwardor. Da fuhr Bregon ihnen barsch ins Wort: „Schluss mit diesem Weibergeschwätz. Verschwendet eure Gedanken lieber daran einen Weg durch die Sümpfe zu finden.“ Er wusste selber nicht, warum er auf einmal so in Zorn geriet, vielleicht war es der Aberglaube seiner Männer, vielleicht aber auch die Tatsache, dass es die Götter gewesen waren, die einst Ilions Untergang entschieden hatten.

„Wo steckt eigentlich Leigh?“ wollte Madogh wissen, da er den Freund den ganzen Morgen nicht gesehen hatte.

„Ich sah ihn in der Frühe am Fuß des Hügels, wo er an seiner Landkarte arbeitete“, versetzte Gwardor.

„Wir sollten ihn suchen“, sagte Bregon, „es ist nicht gut, dass der Junge im Alleingang die Gegend erkundet.“

Als sie aber in die Ebene hinabkamen, fanden sie von Leigh weit und breit keine Spur. Doch gerade als Bregon, Madogh und Duncan auf ihren Pferden saßen, um die Gegend nach dem Jungen abzusuchen, kam dieser aufgeregt den Chalicecraig hinabgelaufen.

„Ihr werdet nicht glauben, was ich entdeckt habe“, rief er und schwenkte seine Karte.

„Solange es keine Geschichten von Göttern und Geistern sind, werde ich ihm nicht böse sein“, sprach Bregon missmutig zu Madogh und Duncan und stieg vom Pferd.

„Diese Stätte ist unglaublich“, sagte Leigh, als er atemlos zu seinen Kameraden kam und die Landkarte im Gras ausbreitete.

„Sag uns lieber, wo du gesteckt hast“, forderte Bregon ihn auf.

„Noch bevor die Sonne ihre Bahn begann, stand ich auf und wanderte in der Gegend herum, um an meiner Karte zu arbeiten, dabei bemerkte ich fünfzehn neue Marksteine in der Umgebung, und als ich sie verzeichnet hatte, stellte ich fest, dass sie das Sternbild des Wassermann bilden. Anfänglich hielt ich es für einen Zufall, aber...“ Leigh hielt inne. „Die ganze Gegend ist ein Abbild der Sterne.“ Fragend sahen Bregon, Cadarn und Madogh einander an. „Kein Stein, kein Baum, kein Strauch und keine Anhöhe befinden sich zufällig an ihrem Ort“, fuhr der Junge fort und seine Stimme bebte. „Sie sind genauso angeordnet wie die Sterne am Himmel, deren Sternbilder den Tierkreis bilden.“ – „Und welchen Sinn sollte das haben?“ fragte Bregon abfällig.

„Das weiß ich nicht“, versetzte Leigh, „auf jeden Fall ist das ganze Gebiet kreisförmig angelegt, und der nebelverhangene Andomhain bildet den Mittelpunkt dieses Zodiacs. Dies ist wahrlich ein merkwürdiges Stück Land, anmutig und wild und ebenso herrlich wie unheimlich. Sie nennen die Hügelkette und die Ebene übrigens Glaston.“ Damit verschwand Leigh wieder in seinem Zodiac, und Bregon war der Verzweiflung nahe. Er stieg auf sein Pferd und ritt zu einer kleinen Quelle, die sich in einer Senke zwischen dem Chalicecraig und dem Andomhain befand. Er war der Einzige, der von dieser verborgenen Quelle wusste, doch ahnte er nicht, welches Geheimnis sie barg, denn sie entsprang in den heiligen Tiefen des alten Reichs und war von großer Bedeutung für das alte Volk.

*

Erfrischend und kühl war das tiefblaue Wasser der Quelle, mit dem Bregon sein Gesicht und seinen Oberkörper wusch, dabei fuhr er sich unwillkürlich mit der Hand über den Nacken, den eine rätselhafte Tätowierung in Form eines kleinen schwarzen Drachen zierte. Es war ein sonderbares Zeichen, und Bregon wusste nicht, wo es hergekommen war, noch was es zu bedeuten hatte. Aber es hieß, dass zwei Männer nach der Geburt in den Palast seines Vaters eingedrungen waren und es ihm unter die Haut geritzt hätten. Dies hatte seine Amme später berichtet, aber sie war ein geschwätziges Weib mit einer großen Phantasie. Russdragh hatte man jenes Zeichen genannt, ohne zu wissen, dass der Name aus der alten Sprache Albions kam, und Gwardor hatte gemeint, dass es ein Kriegerzeichen sei, das nur ein Erwählter tragen dürfe. Natürlich nahm Bregon dieses Gerede nicht ernst, dennoch trug er seine Tätowierung nicht ohne Stolz. Und nun, da er den Drachen aus dem Gefolge der Riesen erschlagen hatte, glaubte er Gwardors Bemerkung tatsächlich ein kleines bisschen, und er entschied sich fortan Russdragh nennen zu lassen, in Erinnerung an seine mutige Tat.

*

„Sag Junge, hast du einen Weg gefunden aus dem sumpfigen Sternenkreis herauszukommen, ohne dass wir uns nasse Füße holen?“ wollte Bregon von Leigh wissen, als die Kameraden am frühen Abend am Feuer auf dem Wearyall beisammen saßen.

„Ich glaube schon“, erwiderte der Junge, „allerdings sollten wir es erst morgen früh versuchen, da sich gerade wieder der trübe Nebel des Andomhain über die Ebene breitet.“ Leigh hatte Recht. Wie der dichte Rauch eines Feuers trieb der Berg den grauen Dunst über die Ebene, die nach und nach im Nichts verschwand.

„Dann werden wir wohl noch eine weitere Nacht in dieser unsicheren Gegend verbringen müssen“, brummte Bregon mürrisch. Da kamen Madogh und Duncan den Hang hinauf, und sie hatten einen großen Hirschen erlegt, den sie unter dem Beifall der hungrigen Gefährten ins Lager trugen.

Bregon staunte, als er das gut gewachsene Tier sah, das sie sogleich säuberten, es ausnahmen und sein Fleisch über dem Feuer brieten. – Doch es lag kein Segen auf dieser blutigen Mahlzeit.

Die Stimmung der Männer war fröhlich und ausgelassen. Gierig machten sie sich über das Fleisch des edlen Geschöpfes her und fraßen und tranken hemmungslos wie wilde Tiere. Doch noch während ihres Gelages breiteten sich finstere Wolken über das Lager, und Düsternis kam über ihre Herzen. Noch bevor sie den letzten Bissen des heiligen Tieres verschlungen hatten, überkam sie eine unerklärliche Niedergeschlagenheit. Da erhob Bregon entschieden das Wort: „Geht in eure Zelte und ruht euch aus, und sobald der Nebel die Hügel freigibt, werden wir den unheilvollen Ort verlassen.“

Und die Gefährten taten, wie er ihnen geheißen, löschten das Feuer und legten sich schlafen. Doch nicht lange nachdem sich Stille und Dunkelheit über das Lager der Briten gebreitet hatte, ließ sie plötzlich ein ohrenbetäubender Schrei hochfahren.

„Der Hirsch!“ rief einer der Männer mit gellender Stimme und rannte aus seinem Zelt. „Der Hirsch ist zurückgekommen!“ Und wie vom Wahnsinn gepackt rannte er in die Finsternis, verschwand zwischen den Weißdornbüschen und ward nie wieder gesehen.

„Wir müssen ihm folgen?“ rief Madogh, doch Gwardor hielt ihn zurück. „Wir können ihm nicht mehr helfen“, sprach er mutlos, „denn die Mächte, die hier herrschen, sind nicht von dieser Welt. Und mir scheint, dass sie es nicht mögen, wenn Fremde ihr Land betreten.“

„Darum werden wir morgen früh abreisen und nie wieder einen Fuß in diese Gegend setzen“, sagte Bregon entschieden. Und als sie am nächsten Morgen in die Ebene kamen, fanden sie ihren Gefährten, der in der Nacht geflohen war, und wie der Hirsch war er geschlachtet und gebraten worden.

In größter Eile brachen die Männer das Lager ab. Nur Buinne saß seelenruhig am Ufer des Nebelsees und spielte auf seiner Harfe. Ärgerlich lief Bregon zu ihm. Doch obwohl er mit Engelszungen auf Buinne einredete, rührte er sich nicht vom Fleck und schlug die Seiten seiner Harfe so eifrig, als würden die unheimlichen Bewohner der Hügel seinem Spiel lauschen.

Auch Gwardor schien der Verstand verlassen zu haben, denn anstatt den anderen beim Packen zu helfen, sammelte er frische Blumen am Hang des Hügels und nahm keinerlei Notiz von Bregon. Der Dritte in diesem sonderbaren Bund war Beogabail. Mit nackten Füßen und dem blanken Schwert in der Hand lief er in der Landschaft umher, und an einer Stelle, die ihm geeignet schien, stieß er die Waffe tief in die Erde und kniete davor nieder. Da wusste Bregon, dass sie ihren Gefährten nicht mehr helfen konnten, denn der Bann des Landes hatte sie gepackt und gefügig gemacht.

„Es ist der Zodiac“, bemerkte Leigh, der Bregons Gedanken erraten hatte, als er niedergeschlagen auf einem Stein bei den Pferden saß und seine Männer bei der Arbeit beobachtete. „Der Sternenkreis ist daran schuld, dass wir uns selbst vergessen. Er ist zu groß und mächtig für Leute die sterben müssen.“ Bregon sah ihn düster an, dann erhob er sich schweigend und ging ein paar Schritte den Hang des Wearyall hinauf.

Die Wasser des Andomhain-Sees flossen ruhig um den geheimnisvollen Hügel, der geisterhaft im bleiernen Nebel schwamm. Er schloss die Augen, da war es ihm, als würden unzählige Hände aus den Wellen des Nebels heraufkommen, um ihn und seine Gefährten zu ergreifen und sie wie lebendige Sterne an den Himmel zu schleudern. In großer Eile lief er zu den Anderen hinab.

„Wenn Gwardor, Buinne und Beogabail nicht mit uns nach Troy kommen wollen, können wir es nicht ändern“, sprach er zu ihnen. „Wir aber werden sofort aufbrechen, bevor wir alle Opfer unserer wahnsinnigen Gedanken werden.“

*

Glaston

Mit klopfenden Herzen verbargen sich Buinne, Gwardor und Beogabail hinter einem Strauch am Ufer des Andomhain-Sees und warteten auf die Dämmerung. Keiner von ihnen sprach ein Wort, aus Angst die Schönen der Hügel zu verschrecken, die nach und nach im Zwielicht des Abends in die Ebene kamen.

Aus allen Winkeln der Gegend liefen sie herbei, aus Höhlen, Wäldchen, Bächen und anderen Gewässern, um zu feiern und zur Musik ihrer Lauten und Flöten zu tanzen. Fæshees nannten sich diese geheimnisvollen Mädchen und Summerland hießen sie ihr Reich, das sich noch weit über die Grenzen von Glaston hinaus erstreckte und friedvoll und anmutig war wie sie selbst.

„Seht“, flüsterte plötzlich Buinne aufgeregt, „dort drüben sind die schönen Kinder, die wir letzte Nacht kennenlernten.“ Mit leuchtenden Augen blickten Gwardor und Beogabail zum Andomhain hinüber, wo gerade drei zarte Gestalten lachend über einen gewundenen Weg den grasigen Hang hinab kamen.

Eerie, Faeie und Elbeny waren tatsächlich von bestürzender Schönheit. Ihre makellose Haut war wie Schnee und ihr langes, goldblondes Haar ließ die dämmernde Ebene erstrahlen wie Sonnenschein. Mit angehaltenem Atem starrten die drei Briten die Mädchen an, die einander an den Händen haltend fröhlich auf sie zukamen.

„Ihr habt uns doch nicht vermisst, oder?“ fragte Eerie lachend und gab Buinne einen Kuss auf die Wange.

„Wir fürchteten schon, ihr würdet nicht kommen“, bemerkte Elbeny und küsste Gwardor.

„Das wäre zu traurig gewesen“ sagte Faeie und begrüßte Beogabail auf dieselbe Weise wie ihre Gefährtinnen, „denn heute Nacht ist eine ganz besondere Nacht.“ Die drei Kameraden zwinkerten einander zu. „Der große Meister Elphinfæle, der in dem hohen Turm auf dem Andomhain residiert, wird nämlich beim Aufgang des Mondes in die Ebene hinabkommen.“ - „Elphinfæle ist einer der Fürsten des alten Reichs“, bemerkte Elbeny bedeutend.

Wenig beeindruckt zeigten sich die drei Männer von den geheimnisvollen Worten der Mädchen und lächelten einander zu, als auf einmal eine große Unruhe unter die Feiernden kam. Da sahen sie plötzlich Einen auf dem Hang des Andomhain stehen. Schlohweiß war sein Haar und sein Bart grau wie Nebel, sein Blick aber war finster wie die Nacht, als er die drei Fremden musterte. Da sprach Gwardor leise: „Das muss dieser Großfürst sein, lasst uns versuchen ihm die Sache zu erklären.“ Mit energischen Schritten kam der Alte den Hang hinab.

„Sei gegrüßt, großer Meister“, empfingen Faeie, Eerie und Elbeny ihn, kreuzten die Arme vor der Brust, verneigten sich tief und küssten den Saum seines Mantels. Der Alte streichelte den drei

Fæshees zärtlich über den Kopf und seine tiefblauen Augen strahlten wie die sternklare Nacht, doch wachsam und bedrohlich fixierten sie die drei Männer. „Wer seid ihr, und was habt ihr hier verloren?“ fuhr er sie barsch an und trat bedrohlich vor sie.

„Wir sind Briten“, erwiderte Buinne, und mit überheblicher Stimme fügte er hinzu: „Und ich bin der Herrscher von Summerland.“ Da bebte die Erde unter seinen Füßen und ein Donner hallte durch die Ebene. Elphinfæles strahlendblaue Augen verfinsterten sich, als käme ein Gewitter über die ruhige See. Voller Furcht wichen Buinne und die anderen ein paar Schritte zurück. Doch dann begann Buinne von Neuem: „Bregon von Troya erklärte mich zum Gebieter über diese Gegend. Er ist der Herrscher des ganzen Landes.“ Ein kräftiger Donnerschlag ließ die drei Gefährten erneut zusammenfahren. Eerie, Faeie und Elbeny machten ihnen bereits die ganze Zeit Zeichen den Mund zu halten und zu gehen, doch Buinne hielt seine Gefährten zurück.

„Wisse, dass wir bereits die Riesen und Drachen des Landes besiegt haben“, fuhr er gedankenlos fort, „und darum ist es nun Unser.“ Da begann der Alte zu Lachen, laut und schallend, so dass sein Echo auch außerhalb der Ebene noch weit zu hören war. Aber plötzlich verstummte sein Lachen mit einem Mal und eine unheilvolle Stille kam über die Gegend, da schauderten die drei Männer in ihrem Innern.

„Vielleicht“, begann Gwardor darauf zaghaft, „können wir das Land gerecht untereinander aufteilen...“ Weiter kam er nicht, da auf einmal ein tiefes Grollen aus dem Inneren der Erde zu ihnen hinaufdrang. Im nächsten Augenblick fuhr ein Blitz quer über die Ebene und verfehlte die erschrockenen Männer nur knapp, und sie hätten schwören können, dass der flammende Pfeil aus der grasigen Erde des Andomhain gekommen war und die Form eines Drachen hatte. Nun wagte keiner von ihnen mehr ein Wort zu sprechen.

„Das Land untereinander aufteilen“, sagte Elphinfæle zu den drei Mädchen, die mit sorgenvollem Blick hinter ihm standen, „wahrlich, diese Männer haben Mut.“ Dann drehte er sich wieder zu den Briten und sprach drohend: „Dieses Land, von dem ihr mir großzügig ein Stück abgeben wollt, ist mein Land! Und solltet ihr jammervollen Geister euch fortan nicht meinen Gesetzen unterwerfen, wird es euch und eurem Volk schlecht ergehen, denn ich bin der Herr über Leben und Tod auf diesem Boden.“ Am Ende seiner Worte wandte er sich noch einmal an die drei Fæshees, doch sprach er so leise, dass die Männer es nicht verstehen konnten, dann wandte er sich um und ging den Andomhain hinauf, wo er schließlich wie ein Geist im Nebel verschwand, so dass die Briten zuerst nicht wussten, ob sie alles nur geträumt hatten.