Sagen vom Rübezahl - Rosalie Koch - E-Book

Sagen vom Rübezahl E-Book

Rosalie Koch

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Beschreibung

Eine Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge. Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Inhalt: Einleitung. Woher Rübezahl seinen Namen hat. Der Kräutersammler. Der Musterreiter. Mecker-Friede Die Anleihe. Der Wundertaler. Der Goldmacher. Rübezahl straft einen Spötter. Die Perücken. Mutter Else. Glücks-Männlein. Die drei besten Menschen. Der böse Vogt. Rübezahl straft einen Unwissenden. Wie Rübezahl vor Prellerei warnt. Rübezahl betrügt die Geldmäkler. Die Springwurzel. Der gefundene Esel. Der Spieler. Rübezahl und der Schneider. Rübezahl und der lügenhafte Knecht. Der reiche Bäcker. Das Zauberbuch. Wie Rübezahl einem Bauer hilft. Der kleine Peter. Die Reise nach Karlsbad. Wie Rübezahl die Übertretung seiner Gesetze bestraft. Das Rad. Wie Rübezahl sich eines armen Studenten annimmt. Wie Fischbach durch Rübezahls Hilfe erbaut worden. Rübezahl macht einem Förster einen Zopf. Der alte Schäfer. Die drei Tischlergesellen. Wozu es nützt, schweigend Unrecht zu ertragen. Der Wanderstab. Die gefärbten Badegäste. Der verzauberte Stab. Der böse Edelmann. Grünmantel. Rübezahl

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Sagen vom Rübezahl

Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge.

Rosalie Koch

Inhalt:

Bibliographie der Sage

Sagen vom Rübezahl

Einleitung.

Woher Rübezahl seinen Namen hat.

Der Kräutersammler.

Der Musterreiter.

Mecker-Friede

Die Anleihe.

Der Wundertaler.

Der Goldmacher.

Rübezahl straft einen Spötter.

Die Perücken.

Mutter Else.

Glücks-Männlein.

Die drei besten Menschen.

Der böse Vogt.

Rübezahl straft einen Unwissenden.

Wie Rübezahl vor Prellerei warnt.

Rübezahl betrügt die Geldmäkler.

Die Springwurzel.

Der gefundene Esel.

Der Spieler.

Rübezahl und der Schneider.

Rübezahl und der lügenhafte Knecht.

Der reiche Bäcker.

Das Zauberbuch.

Wie Rübezahl einem Bauer hilft.

Der kleine Peter.

Die Reise nach Karlsbad.

Wie Rübezahl die Übertretung seiner Gesetze bestraft.

Das Rad.

Wie Rübezahl sich eines armen Studenten annimmt.

Wie Fischbach durch Rübezahls Hilfe erbaut worden.

Rübezahl macht einem Förster einen Zopf.

Der alte Schäfer.

Die drei Tischlergesellen.

Wozu es nützt, schweigend Unrecht zu ertragen.

Der Wanderstab.

Die gefärbten Badegäste.

Der verzauberte Stab.

Der böse Edelmann.

Grünmantel.

Rübezahl

Sagen vom Rübezahl, Rosalie Koch

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849603458

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Bibliographie der Sage

Eine Sage ist im allgemeinen alles, was gesagt und von Mund zu Mund weiter erzählt wird, also soviel wie Gerücht; im engeren Sinn eine im Volke mündlich fortgepflanzte Erzählung von irgendeiner Begebenheit. Knüpft sich die S. an geschichtliche Personen und Handlungen, indem sie die im Volke fortlebenden Erinnerungen an geschichtliche Zustände, Persönlichkeiten, dunkel gewordene Taten zu vollständigen Erzählungen ausbildet, so entsteht die geschichtliche S. und, sofern sie sich auf die alten Helden des Volkes erstreckt, die Heldensage; sind aber die Götter mit ihren Zuständen, Handlungen und Erlebnissen Gegenstand der S., so entsteht die Göttersage oder der Mythus (s. Mythologie) und auf dem Gebiet monotheistischer dogmatischer Religion die Legende (s. d.). Hastet die Erzählung an bestimmten Örtlichkeiten, so spricht man von örtlichen Sagen. Noch eine Sagengattung bildet endlich die Tiersage, die von dem Leben und Treiben der Tiere, und zwar fast ausschließlich der ungezähmten, berichtet, die man sich mit Sprache und Denkkraft ausgerüstet vorstellt. Ost hat sich um eine besonders bevorzugte Persönlichkeit, wie z. B. König Artus, Dietrich von Bern, Attila, Karl d. Gr. etc., und deren Umgebung eine ganze Menge von Sagen gelagert, die nach Ursprung und Inhalt sehr verschieden sein können, aber doch unter sich in Zusammenhang stehen, und es bilden sich dadurch Sagenkreise, wie deren im Mittelalter in germanischen wie romanischen Ländern mehrere bestanden und zahlreiche Epen hervorgerufen haben (vgl. Heldensage). Die echte S. erscheint somit als aus dem Drang des dichterischen Volksgeistes entsprungen. Wie alle Volkspoesie blüht sie am prächtigsten in der älteren Zeit, aber auch bei höherer Kultur verstummt sie nicht ganz; vielmehr ist der Volksgeist noch heute tätig, bedeutende Vorgänge und Persönlichkeiten mit dem Schmuck der S. zu umkleiden. Die Anknüpfung an ein gewisses Wirkliches ist hauptsächlich das Merkmal, das die S. vom Märchen (s. d.) unterscheidet. Wie das Märchen, liebt sie das Wunderbare und Übernatürliche, obwohl es ihr nicht unentbehrlich ist. Am häufigsten heftet sie sich an Burg- und Klosterruinen, an Quellen, Seen, an Klüfte, an Kreuzwege etc., und zwar findet sich ein und dieselbe S. nicht selten an mehreren Orten wieder. Um die Erhaltung der deutschen S. haben sich zuerst die Brüder Grimm verdient gemacht durch ihre reiche Sammlung: »Deutsche Sagen« (Berl. 1816–18, 2 Bde.; 3. Aufl. 1891). Nächst diesen sind die Sammlungen von A. Kuhn und Schwartz (»Norddeutsche Sagen«, Leipz. 1848), J. W. Wolf (»Deutsche Märchen und Sagen«, das. 1845), Panzer (»Bayrische Sagen«, Münch. 1848, 2 Bde.), Grässe (»Sagenbuch des preußischen Staats«, Glogau 1871) und Klee (Gütersloh 1885) als besonders reichhaltige Quellen zu nennen. Als Sammler von Sagen einzelner Länder, Gegenden und Örtlichkeiten waren außerdem zahlreiche Forscher tätig, so für Mecklenburg: Studemund (1851), Niederhöffer (1857) und Bartsch (1879); für Pommern und Rügen: U. Jahn (2. Aufl. 1890), Haas (Rügen 1899, Usedom u. Wollin 1903); für Schleswig-Holst ein: Müllenhoff (1845); für Niedersachsen: Harrys (1840), Schambach und Müller (1855); für Hamburg: Beneke (1854); für Lübeck: Deecke (1852); für Oldenburg: Strackerjan (1868); für den Harz: Pröhle (2. Aufl. 1886); für Mansfeld: Giebel hausen (1850); für Westfalen: Kuhn (1859) und Krüger (1845), Weddigen und Hartmann (1884); für die Altmark: Temme (1839); für Brandenburg: Kuhn (1843) und W. Schwartz (4. Aufl. 1903); für Sachsen: Grässe (1874) und A. Meiche (1903); für das Vogtland: Köhler (1867) und Eifel (1871); für das Erzgebirge: J. A. Köhler (1886); für die Lausitz: Haupt (1862) und Gander (1894); für Thüringen: Bechstein (1835, 1898), Börner (Orlagau, 1838), Sommer (1846), Wucke (Werragegend, 1864), Witzschel (1866), Richter (1877); für Schlesien. Kern (1867), Philo vom Walde (1333); für Ostpreußen etc.: Tettau (183f) und Reusch (Samland, 1863); für Posen: Knoop (1894); für den Rhein: Simrock (9. Aufl. 1883), Geib (3. Aufl. 1858), Kiefer (4. Aufl. 1876), Kurs (1881), Schell (Bergische S., 1897), Hessel (1904); für Luxemburg: Steffen (1853) und Warker (1894); für die Eifel: P. Stolz (1888); für Franken etc.: Bechstein (1842), Janssen (1852), Heerlein (Spessart, 2. Aufl. 1885), Enslin (Frankfurt 1856), Kaufmann (Mainz 1853); für Hessen: Kant (1846), Wolf (1853), Lynker (1854), Bindewald (1873), Hessler (1889); für Bayern: Maßmann (1831), Schöppner (1851–1853), v. Leoprechting (Lechrain, 1855), Schönwerth (Oberpfalz, 1858), Sepp (1876), Haushofer (1890); für Schwaben: Meier (1852) und Birlinger (1861–1862), Reiser (Algäu, 1895); für Baden: Baader (1851), Schönhut (1861–65), Waibel und Flamm (1899); für das Elsaß: August St ob er (1852, 1895), Lawert (1861), Hertz (1872); für die Niederlande: Wolf (1843), Welters (1875–76); für Rumänien: Schuller (1857); für die Schweiz: Rochholz (1856), Lütolf (1862), Herzog (1871, 1882); für Tirol. Meyer (2. Aufl. 1884), Zingerle (1859), Schneller (1867), Gleirscher (1878), Heyl (1897); für Vorarlberg: Vonbun (1847 u. 1890); für Österreich: Bechstein (1846), Gebhart (1862), Dreisauff (1879), Leed (Niederösterreich, 1892); für Mähren: Schüller (1888); für Kärnten: Rappold (1887); für Steiermark: Krainz (1880), Schlossar (1881); für Böhmen: Grohmann (1863), Gradl (Egerland, 1893); für die Alpen: Vernaleken (1858), Alpenburg (1861) und Zillner (Untersberg, 1861); für Siebenbürgen: Müller (2. Aufl. 1885), Haltrich (1885). Die Sagen Islands sammelten Maurer (1860) und Poestion (1884), der Norweger: Asbjörnson (deutsch 1881), der Südslawen: Krauß (1884), der Litauer: Langkusch (1879) und Veckenstedt (1883), der Esten: Jannsen (1888), der Lappländer: Poestion (1885), der Russen: Goldschmidt (1882), der Armenier: Chalatianz (1887), die der Indianer Amerikas: Amara George (1856), Knortz (1871), Boas (1895); indische Sagen Beyer (1871), japanische Brauns (1884), altfranzösische A. v. Keller (2. Aufl. 1876); deutsche Pflanzensagen Perger (1864), die deutschen Kaisersagen Falkenstein (1847), Nebelsagen Laistner (1879) etc. Die Sagen bilden mit den im Volk umlaufenden Märchen, Legenden, Sprichwörtern etc. den Inhalt der Volkskunde (s. d.), die seit neuerer Zeit Gegenstand reger wissenschaftlicher Forschung ist. Vgl. L. Bechstein, Mythe, S., Märe und Fabel im Leben und Bewußtsein des deutschen Volkes (Leipz. 1854, 3 Tle.); J. Braun, Die Naturgeschichte der S. (Münch. 1864–65, 2 Bde.); Uhland, Schriften zur Geschichte und S., Bd. 1 u. 7 (Stuttg. 1865–68); Henne am Rhyn, Die deutsche Volkssage im Verhältnis zu den Mythen aller Völker (2. Aufl., Wien 1879); v. Bayder, Die deutsche Philologie im Grundriß (Paderb. 1883); Paul, Grundriß der germanischen Philologie, Bd. 2, 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901) und die Bibliographie in der »Zeitschrift des Vereins für Volkskunde«; Grünbaum, Gesammelte Aufsätze zur Sprach- und Sagenkunde (Berl. 1901).

Sagen vom Rübezahl

Einleitung.

Das Riesengebirge, das euch, meine jungen Freunde, aus der geographischen Lehrstunde wohl bekannt ist, ja welches einzelne von euch schon besucht haben, ist derjenige Teil der Sudeten des preußischen Staates, wo sie am höchsten und engsten verbunden sind und Schlesien von Böhmen und Mähren scheiden. Die hervorragenden Spitzen derselben sind von ansehnlicher Höhe, die Riesen-, auch Schneekoppe genannt, welche 1605 m über dem Meeresspiegel liegt; ferner der Reifträger, das hohe Rad und die Sturmhaube; auch haben starke Flüsse, z. B. die Elbe und der Bober, ihren Ursprung zwischen felsigen Höhen. — Dort nun war ehemals der Aufenthalt eines mächtigen Berggeistes. Sein Gebiet umschrieb auf der Oberfläche des Riesengebirges nur wenige Meilen, breitete sich aber im Innern desselben desto weiter und tiefer aus. Der Gnom herrschte oft jahrhundertelang still in seinem unterirdischen Reiche, und erhob sich nur selten auf die Oberwelt, um dort sein Wesen zu treiben.

Zur Zeit, als noch kein menschlicher Fußtritt das verkümmerte Knieholz und die spärliche Vegetation der Berge betrat, ehe die Gegend bewohnt war, begnügte sich der Herr der Riesenberge damit, wilde Tiere aufeinander zu hetzen, oder sie aus ihrem Lager aufzuschrecken, und sie in wilder Jagd durch das Gehölz zu treiben.

Als er aber nach langer Zeit wieder einmal das Tageslicht der Oberwelt aufsuchte, fand er zu seinem Erstaunen alles so sehr verändert, daß er fast sein eigenes Gebiet nicht wiedererkannte. Grünes Saatenfeld erhob sich, wo früher ein finsterer Wald gestanden hatte, und auf Wiesen weideten Schafe und Rinder, unter der Obhut singender Hirten und schützender Hunde. Da lagen einzelne Hütten in den Tälern, aus deren Schornsteinen der Rauch lustig emporstieg und vor deren Türen muntere Kinder spielten, mit fröhlichem Geschrei. Der Gnom wunderte sich nicht wenig über diese neuen Erscheinungen; seine größte Aufmerksamkeit aber erregten die Gestalten der Menschen, die er nie zuvor gesehen hatte. Seine Neugier ward rege, und er beschloß, diese fremden Wesen näher kennen zu lernen, indem er ihre Gestalt annahm und einige Zeit unter ihnen lebte.

Zuerst trat er als Knecht in die Dienste eines Landwirtes und verrichtete seine Arbeit aufs beste. Was er unternahm, das gelang, und er schaffte seinem Herrn so großen Nutzen, daß dieser leicht ein reicher Mann hätte werden können. Aber er war ein Verschwender und verjubelte leichtsinnig alles, was der fleißige und geschickte Knecht erwarb, dem er für seine treuen Dienste nicht einmal dankte. Darüber ward denn der Berggeist ärgerlich und suchte sich einen andern Herrn, bei dem er sich als Schafhirt vermietete. Und wieder gedieh unter seiner Aufsicht die Herde aufs beste; kein Schaf erkrankte, keins zerriß der Wolf, solange der Gnom sie hütete. Aber der Herr war ein Geizhals, der niemals genug hatte, dem treuen Knechte kaum satt zu essen gab und ihm, so oft er konnte, den bedungenen Lohn verkürzte. Darum ging dieser auch bald wieder aus diesem Dienst und kam als Gerichtsdiener zu einem Amtmann. Er versah auch diesen Dienst mit allem Eifer, und in kurzer Zeit war im ganzen Kreise kein Dieb oder Straßenräuber mehr zu finden. Als aber der Berggeist sah, daß der Amtmann ein ungerechter Richter war, der sich durch Geschenke und Schmeicheleien bestechen ließ, mochte er ihm nicht länger dienen und lief davon. Da er nun durch Zufall an lauter schlechte Menschen geraten war, glaubte der Gnom, daß sie alle nicht anders wären, und ohne Lust, weitere Proben davon zu machen, nahm er sich vor, so weit sein Gebiet reichte, die Menschen zu necken und zu plagen, damit sie sich wenigstens aus dieser Gegend entfernen sollten. Später freilich sah er auch diesen Irrtum ein und lernte manchen tugendhaften und guten Menschen kennen und schätzen und hat denn auch, wie wir sehen werden, mit seinen Zauberkünsten manchem armen Schelm aus der Not geholfen.

Wenn er nun wieder von Zeit zu Zeit die Oberwelt besuchte, neckte er die Reisenden und mischte sich in ihre Geschäfte. Er leitete die Fremden irre, die sein Gebiet betraten oder trieb Regenwolken zusammen, um sie durch Sturm und Gewitter zu erschrecken. Er stellte oft in der ödesten Gegend ein Wirtshaus, oder einen wundervollen Palast auf und äffte die hungrigen und ermüdeten Wanderer auf alle Weise damit. Wenn betrügerische Roßtäuscher sein Gebiet betraten, zeigte er sich nicht selten auf einem schönen Pferde als ein vornehmer Herr; ließen sie sich nun verleiten, ihm das Roß abzukaufen und ritten weiter damit, so verwandelte es sich nach kurzer Zeit in einen Strohwisch. — Traf er dagegen einen unbemittelten Edelmann, der auf einem mageren Klepper traurig durch das Gebirge ritt, so kam er ihm wohl als ein stattlicher Reiter entgegen, ließ sich in irgend ein Gespräch mit ihm ein, und suchte ihn zu irgend einer Wette zu veranlassen. Er selbst verlor dann, und gab dem glücklichen Gewinner sein schönes Pferd, steckte ihm auch wohl noch heimlich eine Rolle mit Gold in die Tasche.

Solche Vorfälle wurden aber bald bekannt, und lockere Burschen oder Abenteurer, die davon hörten, suchten nun die Wohltätigkeit des Berggeistes auf ähnliche Weise in Anspruch zu nehmen. Aber da wurden sie empfindlich getäuscht; wenn sie auch glücklich das Pferd erlisteten, so verwandelte es sich doch bald genug in einen dürren Stock, auf dem sie immer weiter ritten, ohne es zu bemerken und zum Gespött in Stadt und Land wurden, wohin sie kamen.

So trieb er sein Wesen oberhalb des Gebirges, bald als neckender Spuk, bald als Wohltäter der Armen, je nachdem seine Laune eben war. Die Märchen, welche über den Berggeist Rübezahl noch im Munde des Volkes fortleben, findet ihr, meine jungen Leser, hier größtenteils gesammelt und neu bearbeitet. Die Autoren, von denen ein Teil derselben entnommen worden, sind: Musäus, Lehnert u. a. m.

Woher Rübezahl seinen Namen hat.

Unsichtbar schlich der Berggeist einmal von seinem Felsen ins Tal hinab, und lustwandelte zwischen grünem Gesträuch und blühenden Hecken. Da gewahrte er die Gestalt eines überaus lieblichen Mädchens, welches die Tochter eines Fürsten war, der im schlesischen Gebirge herrschte, und die sich mit ihren Gespielinnen ins Gras gelagert hatte. Sie pflegte oft mit den Jungfrauen ihres Hofes in diesen Büschen zu lustwandeln, für ihren Vater Erdbeeren zu pflücken oder Wohlgeruch duftende Kräuter und Blumen zu sammeln. „Ei,“ dachte der Berggeist, „dies schöne, heitere Wesen wär’ eine gar erfreuliche Gesellschaft in meinem einsamen Reiche,“ — und alsbald entführte er als ein Sturmwind die schöne Emma, indem er die Augen der Gespielinnen durch Staub und Sand blendete, die nun mit ihrem Wehklagen Berg und Tal erfüllten und ohne Unterlaß nach der geraubten Prinzessin suchten.

Der König, ihr Vater, war sehr betrübt darüber, nahm die goldene Krone von seinem Haupte und verhüllte sein weinendes Angesicht in den Purpurmantel.

Am traurigsten aber war die Prinzessin selbst, als sie sich plötzlich in dem Palaste des Berggeistes befand, den er im Augenblicke aufgebaut und mit soviel Reichtum und Glanz ausgeschmückt hatte, wie es die Königstochter selbst am Hofe ihres Vaters nicht gesehen. Sie selbst war auf das kostbarste gekleidet, und eine ganze Reihe Kisten und Schränke standen mit allerlei Putz und Schmuck für sie angefüllt. Ein schöner Lustgarten umgab den Palast von drei Seiten, die Obstbäume darin trugen purpurrote und goldene Früchte, und auf den Rasenplätzen, die von den seltensten Blumen eingefaßt waren, lag der erquickendste Schatten. Der Berggeist, bemüht, daß es seinem schönen Gaste gefallen solle, ernannte die Prinzessin zur unumschränkten Herrin dieser Besitzung und folgte jedem ihrer Winke wie einem Befehl. Aber bei alledem fühlte sich Emma doch unglücklich, denn sie sehnte sich nach ihrem Vater und ihren Gespielinnen zurück.

Der Gnom bemerkte bald die Traurigkeit der holden Prinzessin und dachte: Es mangelt ihr nur an Unterhaltung, denn der Mensch ist an Geselligkeit gewöhnt, gleich der Biene und Ameise. Und flugs ging er hinauf aufs Feld, zog auf einem Acker ein Dutzend Rüben aus, legte sie in einen zierlich geflochtenen Korb und brachte sie der Prinzessin.

„Holde Erdentochter,“ redete er sie an, „du sollst nun nicht länger einsam sein; in diesem Korbe ist alles enthalten, was du bedarfst, um diesen einsamen Ort zu beleben. Nimm diesen kleinen, buntgeschälten Stab, berühre eine dieser Rüben damit und gib ihr diejenige Gestalt, welche dir gefällt.“ Darauf verließ er die Prinzessin.

Diese zögerte keinen Augenblick, von dem Zauberstabe Gebrauch zu machen. „Brinhild!“ rief sie, „meine liebe Brinhild, erscheine!“ und alsbald umschlang die Gerufene ihre Knie und liebkoste die holde Gebieterin mit Tränen der Freude. Emma überließ sich nun ganz dem Glück, ihre liebste Gespielin um sich zu haben; sie lustwandelte Hand in Hand mit ihr durch den Garten, brach von den köstlichsten Früchten für sie, dann zeigte sie ihr die schönen Kleider, die Ketten und Spangen von Gold und Edelsteinen und vergaß über Brinhildes Bewunderung fast allen Harm.

Nun verwandelte Prinzessin Emma auch noch die übrigen Rüben durch den Zauberstab, so daß sie wieder ihre Kammerfrauen und sogar ihre Cyperkatze und ihr Hündchen um sich hatte. Wie sie so ihren alten Hofstaat um sich versammelt sah, war sie wohl zufrieden mit dem Berggeiste und zeigte ihm zum erstenmale ein freundliches Gesicht. Aber ihr Glück war von kurzer Dauer, denn nur zu bald bemerkte Emma, daß die blühende Gesichtsfarbe ihrer Gesellschafterinnen erbleichte und sie nur noch die einzige frische Rose unter den abwelkenden Jungfrauen war. Ja eines Morgens, als Emma klingelte, kamen an Stäben und Krücken statt der Kammerfrauen lauter alte Matronen ins Zimmer gehumpelt, die zitterten und husteten, daß es traurig anzusehen war; das Lieblingshündchen selbst lag im Verscheiden, und die Cyperkatze konnte nicht mehr kriechen vor Schwäche. Bestürzt verließ die Prinzessin diese unheimliche Gesellschaft, trat auf den Söller hinaus und rief den Gnom, der auch sogleich erschien.

„Was hast du mit meinen Gespielinnen und Kammerfrauen gemacht, boshafter Geist!“ redete sie ihn zornig an; „mißgönnest du mir diese einzige Freude in der schrecklichen Gefangenschaft, in der du mich hältst? Wenn du ihnen nicht sogleich Jugend und Wohlgestalt zurückgibst, will ich nicht aufhören, dich mit meinem Haß zu verfolgen, und nicht eher sollst du mein Angesicht sehen.“

„Zürne nicht,“ bat der Berggeist, „ich kann das Unmögliche bei aller meiner Kraft nicht erfüllen. Solange noch Saft in den Rüben war, konntest du durch den magischen Stab ihr Pflanzenleben nach deinem Gefallen verwandeln, nun dieser aber vertrocknet ist, müssen die verwandelten Gestalten nach den Gesetzen der Natur verwelken, die ich nicht abändern kann. Aber bekümmere dich deshalb nicht zu sehr, schöne Emma, ich will dir sogleich andere Rüben bringen, mit denen du deinen Hofstaat schnell wieder ersetzen kannst. Gib indes der Natur ihre Geschenke wieder zurück.“

Der Gnom entfernte sich eilig, und Emma nahm den bunten Stab zur Hand, berührte die alten Matronen mit dem umgekehrten Ende desselben und warf dann die vertrockneten Rüben, in welche sie sich wieder verwandelt hatten, in einen Winkel. Nun eilte sie, so schnell sie konnte, zu ihrem Lieblingsplatze, einer grünen Rasenstelle im Garten, um den frisch gefüllten Korb von dem Berggeiste wieder in Empfang zu nehmen. Aber da kam ihr der Gnom schon mit sichtbarer Verlegenheit entgegen und sagte ganz bestürzt:

„Ich habe dir voreilig mehr versprochen, als ich nun zu halten imstande bin; das ganze Land habe ich durchstreift, um noch einen Rübenacker zu finden, aber überall, sind sie schon eingeerntet und verwelken in dumpfigen Kellern. Obgleich es hier in deiner Nähe Frühling ist, so ist doch das Tal unten mit Eis und Schnee bedeckt, und du mußt noch drei Monate warten, bis ich dein Verlangen und mein Versprechen erfüllen kann.“ —

Da drehte ihm die Prinzessin zornig den Rücken und verschloß sich traurig in ihre Zimmer; der Gnom bekam ihr Angesicht nicht mehr zu sehen, so sehr er auch bat. Er begab sich nun als Pachter verkleidet nach Schmiedeberg, kaufte dort auf dem Markte einen Esel und belud ihn mit Säcken voll Rübensamen, damit er einen ganzen Morgen Land besäen konnte. Nun bestellte er den Acker, und seine dienstbaren Geister mußten ein unterirdisches Feuer anschüren, damit die linde Wärme das rasche Wachstum der Saat befördere.

Das Rübenkraut schoß auch bald lustig genug auf und der Berggeist durfte auf eine reiche Ernte hoffen. Die Prinzessin ging nun täglich auf das Ackerfeld hinaus, aber es ging ihr mit dem raschen Wachstum der Saat immer noch zu langsam, und ihre Augen verloren allen Glanz, ihre Wangen alle Farbe. Sie war nämlich mit einem schönen Prinzen des Nachbarlandes verlobt gewesen, und die Hochzeit war nahe, als der Berggeist sie von der Erde entführte. Prinz Ratibor durchstreifte nun die Gegend ohne Unterlaß, um seine Braut wiederzufinden, und zog sich endlich ganz traurig in die einsamsten Waldungen zurück, als alle seine Bemühungen erfolglos blieben. Emma aber wünschte ebenso sehr, wieder zu ihm zurückkehren zu können, als Prinz Ratibor, sie wiederzufinden, und sie schmiedete in ihrer freiwilligen Einsamkeit — da sie noch immer zürnend die Gesellschaft des Gnomen mied — einen klugen Plan, um aus ihrer Haft zu entfliehen und den Hüter zu täuschen; wußte sie doch jetzt, daß auch er zu überlisten war.

Allmählich zog nun der schöne Lenz wieder in dem Gebirgstale ein, und die Rüben wurden groß und voll. Die schlaue Emma zog täglich einige davon aus, um allerlei Versuche damit zu machen; sie gab ihnen allerlei Gestalten, anscheinend nur zu ihrer Unterhaltung, aber sie hatte eine andere Absicht dabei. Sie ließ eines Tages eine kleine Rübe zur Biene werden und schickte sie auf Kundschaft aus zu ihrem Verlobten:

„Flieg’, kleine Biene, gegen Sonnenaufgang zu dem Prinzen Ratibor und summe ihm ins Ohr, daß ich lebe, aber in der Gefangenschaft des häßlichen Berggeistes bin. Verlier’ kein Wort von meinem Gruße und kehre alsdann geschwind zurück, mir Antwort zu bringen.“

Das Bienchen flog vom Finger der Prinzessin, wohin sie gewiesen war; aber sie hatte ihren Flug kaum begonnen, als eine Schwalbe auf sie herabstieß und die kleine Botin verschlang.

Darauf formte Emma eine Grille, gab ihr denselben Auftrag und sagte:

„Hüpfe, kleine Grille, über das Gebirge hin, zum Prinzen Ratibor und sag’ ihm, daß ich der Befreiung aus der Gewalt des Berggeistes durch seinen starken Arm harre.“ —

Die Grille flog und hüpfte, so schnell sie konnte, aber ein langbeiniger Storch ging eben am Wege spazieren und fing sie mit seinem langen Schnabel auf.

Die Prinzessin harrte also lange vergebens darauf, daß ihre Boten zurückkehren möchten; aber diese mißlungenen Versuche schreckten sie nicht ab. Sie gab einer dritten Rübe die Gestalt einer Elster und sagte:

„Fliege hin, du beredsamer Vogel, von Baum zu Baum, bis du zum Fürsten Ratibor kommst; dem sage von meiner traurigen Gefangenschaft und gibt ihm Bescheid, daß er am dritten Tage von heute ab mit Roß und Mann an der Grenze des Gebirges sei, um mich aufzunehmen, und aus der Gewalt des Gnomen zu befreien.“ —

Die zweifarbige Elster flatterte darauf von einem Ruheplatz zum andern, und Emma folgte ihrem Fluge mit den Augen, so weit sie konnte.

Prinz Ratibor irrte indessen noch immer durch die Wälder, den Verlust seiner holden Braut beklagend. So saß er einmal unter einer schattigen Eiche und rief traurig den Namen der Prinzessin in die Luft. Alsbald hörte er von einer unbekannten Stimme rufen und erblickte eine Elster, die auf den Zweigen einer Eiche hin und wieder flog. Und diese begann nun herzusagen, was Emma sie gelehrt hatte. Als Prinz Ratibor diese Botschaft hörte, ward er voller Freude, eilte schnell in sein Hoflager zurück, rüstete eine Anzahl Reisige aus und zog mit ihnen guten Mutes den Riesenbergen zu.

Emma hatte inzwischen alles zu ihrer Flucht vorbereitet. Sie erschien eines Tages wieder mit dem größten Schmuck angetan; alles kostbare Geschmeide, womit der Herr der Riesenberge sie beschenkt hatte, trug sie an sich und strahlte dadurch ebenso sehr, als durch den Ausdruck der Freude, der in ihrem Gesichte lag; denn die Elster war glücklich zurückgekommen und hatte ihr gemeldet, was sie ausgerichtet hatte.

Als der Gnom die Prinzessin so freundlich und schön geschmückt sah, glaubte er, sie habe nun endlich ihren Widerwillen gegen diesen Aufenthalt besiegt und werde nun durch Heiterkeit und Frohsinn sein einsames Reich beleben. Er trat ihr daher freundlich entgegen und fragte: „ob sie ihm noch zürne, daß er sie so lange auf ihren Hofstaat habe warten lassen müssen?“ Die Prinzessin lächelte zum erstenmale freundlich und verhieß ihm, sie wolle fortan gerne bei ihm bleiben, wenn er ihr zuvor noch einen kindischen Wunsch erfüllen wolle. Dazu vermaß sich der Gnom sogleich, und nun trug ihm die Prinzessin schalkhaft auf, die Rüben des Ackers zu zählen, ohne sich dabei zu irren, weil sie ihre Zofen und sonstige Gesellschaft daraus wählen wolle, und schon jetzt genau zu wissen wünsche, wieviel ihr zu Gebote stehen würden.

Sogleich eilte der Berggeist zum Ackerstücke und fing an, die Rüben mit großer Sorgfalt zu zählen, als er damit fertig war, wollte er sich davon überzeugen, ob er sich auch gewiß nicht geirrt habe, und fing noch einmal von neuem zu zählen an. Aber da fand er eine ganz andere Summe, als das erstemal, und mußte das beschwerliche und langweilige Geschäft zum drittenmal beginnen.

Während er also beschäftigt war, benutzte Emma seine Abwesenheit sogleich, um ihren Plan ins Werk zu setzen. Sie nahm eine starke, saftvolle Rübe und verwandelte sie in ein mutiges Roß mit Sattel und Zeug. Rasch schwang sie sich nun darauf und sprengte über Heiden und Gestrüpp dahin, bis hinab in das Tal, wo Prinz Ratibor ihr schon entgegenkam und die atemlose Flüchtige in seinen Schutz nahm.

Als der Gnom mit seiner mühevollen Arbeit nach wiederholtem Zählen zustande gekommen war, eilte er, die Prinzessin aufzusuchen; da er sie aber auf dem Rasenplatz nicht mehr fand, lief er durch die bedeckten Gänge und Lauben des Gartens. Endlich rief er im ganzen Palast ihren Namen aus und wurde zuletzt unruhig darüber, daß ihm nur der Widerhall Antwort gab. Alsbald schwang er sich in die Luft empor, um sein Gebiet zu überschauen, und da sah er denn seine schöne Gefangene noch in der Ferne, wie ihr Roß eben über die Grenze setzte. Wütend ballte der erzürnte Geist einige Wolken zusammen und schleuderte einen Blitz nach den Fliehenden; aber dieser traf nur eine der hundertjährigen Grenzeichen und zersplitterte sie in viele Tausende von Teilchen. Jenseits der Grenze hörte aber seine Macht auf, und die Donnerwolke zerfloß in sanften Heidenrauch.

Nachdem er in stummer Wut den Entflohenen noch lange nachgeschaut hatte, kehrte er zornig in seinen Palast zurück, aber nur, um diesen samt dem köstlichen Lustgarten zu zertrümmern. Dann zog er sich an die entferntesten Grenzen seines Gebietes zurück, um seinen Menschenhaß im Mittelpunkte der Erde zu verbergen. Nach und nach aber überwand er auch diesen wieder und lebte von Zeit zu Zeit unter den Gebirgsbewohnern, stiftete mancherlei Gutes oder neckte die Menschen mit ihren Schwächen und Gebrechen, so daß mancher dieselben erkannte und sich besserte, zu seinem und seiner Mitmenschen Wohl. Nie aber hatte der Berggeist wieder versucht, ein schönes Erdenkind zu entführen, oder etwas zu versprechen, was er nicht halten konnte.

Fürst Ratibor aber führte die schöne Emma im Triumph an den Hof ihres Vaters zurück, der ihn nun mit der Hand der Prinzessin und einer schönen Stadt belohnte, die nach dem Besitzer „Ratibor“ genannt wurde. Das sonderbare Abenteuer, das die Prinzessin im Riesengebirge erlebt hatte, und ihre schlaue Flucht wurden das Märchen des Landes und pflanzte sich von Geschlecht zu Geschlecht weiter fort. Die Bewohner der umliegenden Gegend, die den Berggeist bei seinem Geisternamen nicht zu nennen wußten, legten ihm nun einen Spottnamen auf und nannten ihn fortan nur Rübenzähler oder

Der Kräutersammler.

Vor langen Jahren lebten in einem Dörfchen am Riesengebirge ein paar alte Leute, Bieder, ehemals ein Köhler, und Else, sein Weib, arm und unbeachtet, in einer kleinen, baufälligen Hütte. Sie hatten keine Kinder und nur wenig Anverwandte, denn die Armut hat nur einen Freund, und der ist im Himmel. Es lebte zwar noch eine Schwester des Köhlers mit ihrer Tochter, aber sie wohnte im Böhmenlande, war auch eine Witwe und mußte sich kümmerlich ernähren.

Um diese alten Leute nun kümmerte sich niemand; sie hatten gar oft früher die helle Sonne, als ein Stück schwarzes Brot im Hause, und die arme Else näßte ihr Gespinnst oft mit Kummertränen, seit ihr guter Alter an der Gicht daniederlag und seine gelähmten Hände auch nicht mehr die Spindel halten konnten, womit er sonst seinem Weibe das Brot verdienen half. Da ward freilich die Not erst recht groß, denn Else mußte den Kranken hegen und pflegen, und konnte nun nicht mehr jeden Tag, wie sonst, eine Strähne des schönsten Garnes spinnen. Wenn jetzt der Garnhändler an der Hütte vorbei kam und an die kleinen Scheiben des Fensterchens pochte, — da schüttelte Else oft nur traurig den Kopf, denn sie hatte ja kein Garn zu verkaufen, oder es war so wenig, daß die paar Groschen eben nur zu Salz und Brot ausreichten. So verging den armen Leuten die Zeit unter Leiden und Entbehrungen.

Da saß eines Tages der alte Bieder vor der Hütte und wärmte die kranken Glieder im Strahl der Sonne; Else brachte ihm die Pfeife mit dem Kopf aus Holz heraus, nahm dann Rocken und Spindel und setzte sich neben den Greis auf den Holzblock. Auf der Landstraße wirbelten kostbare Reisewagen den Staub auf und nahmen die Richtung nach dem nahe gelegenen Warmbrunn, dessen weltberühmtes Bad schon Tausenden von Kranken Heilung und Hilfe bereitet hat. — „Ach,“ seufzte die arme Else, „wenn wir doch auch reich wären, wie jene vornehmen Reisenden; dann könntest du auch das Warmbad brauchen für deine kranken Glieder und würdest wohl noch einmal gesund und rüstig.“ — Bieder ließ traurig den Kopf sinken, und als Else nun ihren Mann so niedergeschlagen sah, hätte sie ihm gern Mut und Freudigkeit zugesprochen. Sie erhob daher ihre freilich schon zitternde Stimme und begann das schöne Lied von Neumark