Sagenhaftes Blankenburg - Carsten Kiehne - E-Book

Sagenhaftes Blankenburg E-Book

Carsten Kiehne

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Beschreibung

Eine der eindrücklichsten Sagenlandschaften im Harz ist, neben der des Brockens und des Fleckens Thale mit seinen Kultplätzen Hexentanzplatz und Rosstrappe, definitiv Blankenburg. Neben dem Städtchen selbst mit dessen Ortsteilen, die im Büchlein ebenso Erwähnung finden, liegen die Befestigungen Regenstein, Heimburg und Blankenburg, sowie das Kloster Michaelstein im Mittelpunkt einer faszinierenden Sagenvielfalt. All diese und andere atemberaubenden, schönen Plätze gehören zu der wohl größten, vorchristlichen Kultstätte Europas. Wundersam, aber daher nicht verwunderlich, dass es über 100 Sagen gibt, die von jenen Kraftplätzen berichten; Geschichten, die den alten Glauben und das geheime Wissen unserer Altvorderen wiederspiegeln. Lass dich verzaubern von altüberlieferten Ritualen und den Heiligtümern Blankenburgs.

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Inhaltsverzeichnis

Sagen von Burg & Festung Regenstein

Woher der Name kommt

Die kleine Rosstrappe

Sich selbst zum Affen machen

Traumminister

Beten kann ein anderer

Raubgraf

Den Bock zum Gärtner machen

Erstürmung der Lauenburg

Femgericht Achtwort

Der Fluch

Der Zimmermannsnagel

Kopfloser Reiter

Im Fegefeuer

Gründung des Siechenhofes

Teufelsloch

Warum die Mühle kein Wasser hat

Das Kreuz

Die letzten Regensteiner

Dedingstein

Weshalb der Blitz einschlug

Verlorener Posten

Eroberung des Regensteins

Ein einziger Schuss

Die stumme Braut

Wächterstein

Postraub

Sagen der Teufelsmauer

Vom Großvaterfelsen

Blankenburger sind alle verwandt

Der Drachenrücken

Die Teufelsmauer

Die Egbert-Sage

Der Fuchsfelsen

Die Teufelssessel

Der Kuhstall

Des Teufels Badewanne

Der Leichenweg

Auferstehen der Toten

Der Leichenzug

Sagen von Blankenburg

Blankenburgs Mühlen

Wie die Beamten Schwielen an den Händen bekamen

Ein Tag am Thie

Unerwarteter Reichtum

Ulrich der Unglückliche

Das Sühnekreuz

Vom Vögeln

Die weiße Frau

Gastmahl für die Templer

Die unkeuschen Nonnen

Das Grab unter den Linden

Die Schäferlinde

Beinwell als Reisegesell

Im 30jährigen Krieg

Die Wilhelm-Raabe-Warte

Ein Gott zu Gast im Ziegenkopf

Sagen vom Volkmarskeller & Kloster Michaelstein

Kuhstein

Volkmarskeller

Der Eremit

Leberblümchen

Wie das Kloster entstand

Hans & Henning Mönch

Zwerge unterm Kreuzgang

Teufelsbad

Spuk im Mönchsmühlenteich

Heilung des Teufels

Ritter vom Michaelstein

Kleine Lauenburg

Sagen der Heimburg & des Umlandes

Heimburger Heimchen

Hass & Liebe

Hangeleiche

Preis des Übermuts

Schatz von Hüttenrode

Hedefrauen

Verlorenes Wasser

Wetter-zauber am Thorstein

Woher die Menhire kommen

Vom ersten Osterfeuer

Opfer-stein Ostaras

Der Tyrstein

Ulenburg

Knappenstein

Prinzenstein

Pastorenstein

Mittelpunktstein

Einleitung

Kaum eine Gegend ist so sagenumwoben, wie das kleine Städtchen Blankenburg am Harz. Und kaum ein Flecken in Deutschland gibt den Heimatforschern und Archäologen mehr Rätsel auf, denn immer wieder beeindrucken faszinierende Funde aus Altstein- und Bronzezeit & werden gewaltige (über 7.000 Jahre alte) Gräberfelder entdeckt. Viele Kult- & Kraftplatzforscher sind sich einig:

Die Gegend um Blankenburg herum, war einst das größte vorchristliche Heiligtum Europas!

Und noch heute zeugen die Orts- & Flurnamen der Felsen, Haine und anderer herausragender Plätze vom alten Glauben der hier ansässigen Menschen; viele sind später von den Christen verballhornt oder verteufelt worden: u.a. der Höllen- oder Hellbach (heiliger Bach), Helsungen (von Hölle bzw. Frau Holle), das Osterholz (benannt nach der Frühlingsgöttin Ostara) & sein Tyrstein, die Menhire, der Ziegenkopf & der nahegelegene Bielstein (Thor geweiht) ebenso wie der Thorstein in den Thekenbergen, der Volkmarskeller & Kloster Michaelstein (einst Odins Orte), der Eselstall (Platz der Asen, der alten Gottheiten), die Lauseberge, der Großvater (Synonym für den „großen Vater“) an der Teufelsmauer! Unter christlicher Herrschaft sollte Schluss sein mit dem alten Glauben, mit dem vermaledeiten Götzendienst. Die Leute sollten in die Kirche gehen; anstatt die Opfergaben in den Wald zu tragen, lieber fürs Seelenheil Kollekte geben, Ablassbriefe kaufen, weshalb man Angst schürte und den Leuten verkaufte:

„Der Teufel hat die Steine aufgetürmt & seine Orte mit Blut bemalt. Wer dort umgeht, bei Nacht, wenn’s stürmt, hat seine Seele dem Bösen bezahlt!“

Nun ja, ich war da, hab mich umgesehen, doch spürte ich nichts Böses herum um mich stehen. Ich war nur von Wundern & Schönheit umgeben!

+++ Eilmeldung: Die Teufelsmauer - Von wegen vom Teufel gebaut! +++ Bekannter Harzer Sagenerzähler auf frischer Tat ertappt!

Neben der Teufelsmauer ragt kaum ein Felsen so unübersehbar ins weite, offene Harzvorland wie die Burgruine Regenstein, dessen Namen sich vom altnordischen Begriff Regan herleiten lässt, was so viel wie „Gottheiten“ oder „ratende Wesen“ bedeutet. Hierbei handelt es sich vermutlich um einen Platz der Götter, des hohen Rats, oder eines anderen Herrschersitzes. Mysteriös und sagenumwoben: Das „Teufelsloch“ (vermutlich für rituelle Waschungen), der „verlorene Posten“ (Sonnenheiligtum), die „kleine Rosstrappe“ & ihre Näpfchenlöcher (Hochzeitsort), der Kalender- & der Orakelfelsen. Heimatforscher, wie Diesing, sind sich sicher: Der Regenstein ist Teil einer gewaltigen Kultplatzanlage. – Vielleicht gelingt es den Sagen, manch uraltes Geheimnis zu lösen!? Viel Spaß beim Lesen,

Es klagt ein tiefes Trauern um den erloschnen Glanz von ernsten, frommen Schauern erbebt die Seele ganz: Doch sieht man unverwittert, den Fels dort oben stehn, und ob der Fels zersplittert, 7 sein Ruhm wird nie vergehn. (aufgeschrieben von J. Kreis in Bechstein)

Sagen von Burg Regenstein

Woher der Name Regenstein kommt

Anno 479 toch de Königk Melverikus to Doringk myt Macht over den Hart,

Im Jahre 479 kam der König der Thüringer, Melverikus mit Namen, mit einer großen Streitmacht (mit Macht) über den Harz,

unde wolde de Sassen vordryven wedder uth dem Orde des Landes, vor dem Harte, dar nu Reghensteyn unde Warnigerode licht,

und wollte die Sachsen aus dem Landstrich vorm Harz vertreiben, dort, wo heute der Regenstein und Wernigerode liegt.

unde de Sassen kemen öme underwegen in de Möte by dem Torppe Vedekenstidde, dar sloghen se de Doringk, dat der vele dot bleven, by vyff dusent,

Aber die Sachsen (flohen nicht, sondern) kamen ihnen in der Nähe des Dorfes Vedekkenstedt entgegen und schlossen die Thüringer ein, worauf fünftausend Feinde starben.

de Königk to Doringk nam de Flucht, unde vele siner Lüde. Na düssen Stride gingen de Sassen to Rade, na deme dat yt vor dem Harte wat noch woyste was,

Der König der Thüringer floh mit vielen seiner Leute. Nach diesem Streit gingen die Sachsen zu einem Ratsplatz (Gerichtsplatz), der vor dem Harze liegt und berieten sich,

unde geven eynem eddelen Manne, de was strytbar, unde wanede in dem Torppe to Veddekenstidde, de heyt Hateboldus,

und gaben einem edlen Mann, der sich im Kampf verdingte (der streitbar war) und in der Schlacht vom Dorf Vedekkenstedt in erster Reihe stand, und Hatebold hieß

eyne Stidde vor dem Harte to buwende, wur öne dat bet bevelle; so rechte he sick na örem Bode, unde reyth vor dem Harte here,

eine Stätte vor dem Harz, die er bewohnen dürfe, eine, die ihm gerecht wird. So suchte er sich den verdiente Boden und ritt am Harz entlang,

unde fand eynen groten Steynen-Berch, unde sprack, düsse Steyn iß gereghent,

und fand einen großen, steinernen Berg und sprach: „Dieser Berg steht (wie ich) in erster Reihe!“

darupp schall myne Woning wesen, unde buwede upp den Steyn eyne Borch, unde wart geheten de Grave to Reghensteyne, unde buwede Blankenborch unde Heymborch.

„Darauf soll meine Wohnstatt sein!“, und baute sich auf dem Stein eine Burg, und ward seit dem, der Graf von Regenstein genannt und baute die Blanken- und die Heimburg. (umgangssprachlich nach Pröhle)

Die kleine Rosstrappe

Oder "Wie man prüft, ob der Partner einen wirklich liebt!"

Kommt man vom Norden her, dem Felsmassiv des Regensteins entgegen, sieht man aus dem Walde tretend, schroffe Felswände und zackige Klippen vor sich aufsteigen. Zwei kolossale Felsenpfeiler markieren den Eingang. Es heißt sie prüfen dich in deiner Absicht hindurchzugehen. Bist du reines Herzens kannst du passieren. Schon Manchem geschah es aber, dass Steine hernieder gingen - ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen.

Oben auf der kleinen Rosstrappe, prangen hunderte kleine Hufspuren, die eben der einzigartigen Rosstrappe überm Bodetal gleichen, nur viel kleiner sind. Nein, hier sind nicht alle Prinzessinnen der deutschen Lande flüchtend von Klippe zu Klippe gesprungen. Vielmehr sollen sich einst Paare auf dem Felsen die ewige Liebe geschworen haben. Es gleiche einem „riesigen heidnischem Standesamt, zu dem die Jungfrauen in stürmischer Eile gestrebt sein sollen", schrieb Hoffmann.

War die „kleine Rosstrappe" also ein Hochzeitsort unserer Ahnen? Vielleicht! - Spannend ist auf jeden Fall der Aspekt, dass sich das Wort Hochzeit vom mittelhochdeutschen hōhzīt (hōhgezīt) herleiten lässt und zunächst alle weltlichen bzw. kirchlichen Feste im großen Jahreskreis beschrieb. Es waren die „hohen Zeiten“ zu denen die Menschen unter freiem Himmel zusammenkamen, feierten und tranken, Recht sprachen und sich berieten, den Göttern opferten, dankten und um Hilfe baten.

Manch eine junge Frau, findet den Gedanken vielleicht spannend, ihren Zukünftigen ins Felsentor unter der kleinen Rosstrappe zu stellen und die Wahrhaftigkeit seiner Liebe zu prüfen.

Schwört er zwischen den Klippen seine Liebe und er überlebt's, weil kein Stein zu Boden geht, ist der Kerl es vielleicht wirklich wert, sich ihm oben in der Abendsonne hinzugeben. Wurde er aber beim Schwur erschlagen, war's um ihn nicht schade, hat das Los ihn doch für untauglich befunden! – Ja, manche Dinge, waren früher scheinbar einfacher. An dieser Stelle muss leider gesagt werden, meine lieben Frischverlobten, dass das Felsentor längst nicht mehr zugänglich ist. Heute ist der Bereich umzäunt, vom Sanitätsdienst der Bundeswehr ... offenkundig gab es zu viele Untaugliche, deren Kopfverletzungen (von herunterkollernden Steinen) versorgt werden mussten.

(aufgeschrieben nach Hoffmann)

Sich selbst zum Affen machen

Noch bevor der Regenstein bei Blankenburg eine preußische Festung war, als nicht einmal die mittelalterliche Burg auf jenem Felsen stand, da kamen die Menschen an diesen Ort, ihren Göttern nahe zu kommen, Rat und Beistand erhoffend und überall im Harzer Gau sprach man vom „Raginstein“, vom Felsen der Götter, der ratgebenden Wesen und Ratsuchenden.

Mitten auf dem Regenstein, in einem aus dem Stein herausgearbeiteten Gewölbe, saß oft ein steinaltes Männlein, von dem man nicht genau sagen konnte, ob er mehr an Jahren auf dem Buckel hatte oder der Felsen auf dem er saß. Fragte man ihn, ob die Ernte eingebracht, man selbst gesund werden oder das Kindlein kräftig auf die Welt kommen würde, antwortete er mit manchmal wirren Worten. Nur diejenigen unserer Ahnen, die ihren Geist ganz frei machen konnten, verstanden die Weisheit hinter seiner Narretei. Über den „heiligen Räumen“ des „Weisen“ war ein seltsames Gesicht in den Felsen gehauen. „Dies ist ein Affe!“, sagte der Alte. „Ein wildes abnormes Tier, schlau, aber wie ein Mensch. Gehe ein Jahr gen Süden und von dort ein Jahr gen Osten, dann findest du Wälder, groß und tief, …

… und die Bäume gewaltig, und die Tiere seltsam anzuschauen. Doch schaust du ihnen länger zu, wirst du bemerken, sie handeln wie wir.“ Und dann redete der Alte davon, dass Menschen von den Affen abstammen und, dass sie uns in einem überlegen sind: „Sie sind mit Wenigem zufrieden!“

„So will ich dir raten, dich zum Affen zu machen!“, lachte der Alte, sprang plötzlich auf die Beine und begann, ausgelassen zu tanzen, als hätten seine Knochen nicht schon hundert Mal den Frühling gesehen. Wie ein junger Rehbock, der für ein Weibchen balzt, sprang er umher, breitete dann seine Schwingen wie ein Adler, flog von Felssprung zu Felssprung, dicht an den Klippen, worauf er sich am Abhang aufrichtete und sich mit den Fäusten immer abwechselnd auf den Brustkorb schlug. Dabei brüllte er entsetzlich. Mit offenen Mündern standen die Ratsuchenden noch immer da, als sich der Alte mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht zu Boden gesetzt hatte und sagte: „Sich zum Affen zu machen, befreit den Geist, verjüngt den Leib, und verjagt jeden Krankheitsdämon!“ Und wie er den Satz beendet hatte, träumte der Alte sich weg. Es war, als ob er schliefe, sagte kein Wort mehr, verstand lächelnd aber alles, was um ihn herum geschah.

Solche Rituale, die den Geist beruhigen, weil der Körper an seine Grenzen kommt und darüber in Trance gerät, kennt heute jede Religion: Im Sufismus tanzt man, im Islam und Buddhismus wirft man sich nieder, immer und immer wieder. Der Christ pilgert, betet und arbeitet und Oshos Anhänger meditieren dynamisch. - In einem solchen Zustand fragt der Geist nicht, ob er sich „zum Affen macht“, was heute meint, dass man sich fürchterlich blamiert. Der Geist fragt nicht mehr, weil es ihm gleich ist, weil er sich im Zustand des absoluten Glücks befindet! Heute machen wir uns auf den Mittelalter- oder Vikingermärkten, wie hier und heute auf dem Regenstein „zum Affen“, schlüpfen in andere Rollen, aber was soll’s! Zum Glück gibt es unterschiedliche Wege zum Glück, man sagt, das wussten die Alten schon damals! Möge jeder den Seinen finden! (aufgeschrieben von Carsten Kiehne)

Der Traumminister

In einer Zeit, da Träume noch etwas galten, regierte Poppo I., Graf von Blankenburg und Regenstein aus der stolzen Linie der Reginbodonen, über weite Teile des Harzes. Doch auch die Mächtigsten plagt im Alltag oft mächtiges Leid. Einmal, wie ihm wieder der Rücken schmerzte und er sich kaum drehen und wenden konnte, schlief er unter großen Schmerzen ein, doch nicht ohne vorher den Geist seiner Ahnen angerufen zu haben. Dieser sollte ihm im Traume erzählen, weshalb sein Rücken kniff und brüllte. – In jener Nacht sah er sich unter Schmerzen auf dem höchsten Turm seiner Felsenfeste stehen, als der weißgewandete Geist seiner Ahnen kam und dem Grafen einen Fingerzeig gen Himmel gab.

Dort oben in den schweren schwarzen Wolken, zog der Zug der Geister blitzend und grummelnd gen Brocken und plötzlich fiel ein Rabe tot vom Himmel. Mitten auf der freien Weide vor der Burg schlug er auf und im nächsten Augenblick, lag sein liebstes, dort grasendes, schneeweißes Ross tot darnieder. – Schweißgebadet erwachte Graf Poppo I. am anderen Morgen und ließ seinen Traum-Mininister kommen, der ihm dieses Nachterlebnis zu deuten hatte. Der Minister wiegte bedächtig mit seinem schweren Kopf und erklärte mit gewichtiger Stimme, dass dies ein prophetischer Traum wäre, der nur bedeuten könne, dass seine große Liebe vor ihm sterben würde. Auch ward dem Grafen gesagt, dass alles seine Schuld wäre, weil er sich vom Herrn im Himmel abgewandt hätte. Nun sei er dazu verdammt, seine letzten Tage auf Erden leidend zu fristen.

„Raus“, schrie Poppo, entließ den Traum-Mininister aus seinem Amt, verwies ihn aus der Burg und ließ alsogleich einen neuen kommen, welchem er seinen Traum erzählte. „Nun“, sagte der Neue, „unzweifelhaft ist es ein prophetischer Traum, der nur bedeuten könne, dass er – der stolze Graf Poppo I., seine große Liebe finden werde und, da er als gesunder Mann ein sehr langes, glückliches Leben führen werde, sie freilich überlebt. Diese Liebe zu seinem Weibe, würde ihn zu Gott zurückführen, weshalb er seinen Lebensabend in großer Dankbarkeit verbrächte. Da lächelte Graf Poppo I. zufrieden, ernannte den Mann zu seinem neuen Traumminister und war zur selben Stunde von seinem Rückenleid befreit! (aufgeschrieben nach Erzählungen Einheimischer)

Beten kann ein Anderer

Katharina ward als junges Mädchen ins Zisterzienserkloster nach Blankenburg gegeben, hatten doch ihre Eltern schon nicht genug Brot für all die anderen Kinder. So wuchs sie im Geiste ihrer Schwestern auf, die meinten, es genüge, zu beten, in der Heiligen Schrift zu lesen und zu arbeiten, damit sich alle Sorgen wie von selbst auflösen.

Lauschte sie aber ihrem Herzen oder träumte sie des Nachts, dann sah sie sich als Adler durch die Lüfte gleiten, frei über den Regenstein dahinsegeln und spürte, wie die Lebenslust mit jedem Flügelschlag ihren Körper vor Wonne erschaudern ließ. – In jener Zeit hauste auf Burg Regenstein ein Graf, der sich in allen Harzer Landen als wüster Raubritter einen Namen gemacht hatte. Er scherte sich um nichts und niemanden, hatte er in seinem „Adlernest“, wie er seine uneinnehmbare Felsenfeste nannte, doch nichts zu fürchten. Was man gegen diesen Rohling tun könne, hatte Katharina ihre Mutter Oberin immer wieder gefragt, die scheinbar nur eine Antwort kannte: „Bete für die guten Seelen!“

Das aber war Katharina nicht genug. Diese Nacht beschloss sie, ihrem Ruf zu folgen, spannte den Esel an den Klosterkarren, nahm sich eine Laterne von der Pforte und bugsierte das Gefährt quietschend und klappernd auf den Heerweg unterm Regenstein. Vom Raubgrafen gesehen und überfallen zu werden, war doch gerade ihr Ziel. Sie würde ihm schon Gottes Gebote ins rohe Räuberherz ritzen. Der Regensteiner konnte sein Glück kaum fassen, erkannte er doch im Morgengrauen ein Frauenzimmer, noch dazu ein recht ansehnliches, ohne Geleit durch seine Wälder ziehen. Wenig später sprengte er Katharina entgegen, lachte hämisch, als er ihren Karren stoppte und sie wohlgefällig von oben bis unten betrachtete. „Wie’s scheint, hat Gott mir ein Geschenk gemacht, mir eine Nonne für mein Schlafgemach zu schicken!“, brüllte er so schauerlich, dass echten Männern die Buchse feucht geworden wäre.

Katharina aber lächelte nur müde, hob ihre Kutte und zeigte dem Räuber, was sich darunter sehen lassen konnte. Der wiederum stand nun sprachlos vor der Schönen und wusste weder, wer noch wo er war! „Konnte es wirklich wahr sein, dass sich eine Gottesdienerin ihm hier und jetzt freiwillig ergab?“, dachte er noch, als sie vom Karren stieg, sich abseits vom Wege unter eine Kiefer legte, ihre Beine spreizte und den Überwältigten einlud, über sich zu kommen.

Endlich hatte der Raubgraf seine fünf Sinne wieder, sprang aus seinen sieben Sachen, auf die Dirne zu, die seinen bärtigen Kopf mit ihren beiden Händen so fest packte - dass der Mann wieder überrascht von so viel Kraft in solch zierlichen Gliedern, es schlichtweg geschehen ließ - und hinunter in ihren entblößten Schoß drückte. Oh, die Adlerfrau, die es sehr wohl verstand einen wilden Hengst zu binden, nahm nun einen Knüppel von der Erde und hieb ihn dem Räuber mit aller Wucht über'n Schädel, worauf der ohnmächtig in ihrer Scham zusammensackte. Wie der Mann wieder erwachte, da lag er mit seinem nackten Hintern im Sande, gefesselt an die Kiefer und die Nonne, die hockte nackend, wie der liebe Gott sie schuf, über dem Narren. In den nächsten Stunden lehrte sie den Räuber auf ihre Weise, was Gott ihr all die Jahre über die Liebe ins Herz flüsterte. Am Ende schwor ihr der Raubgraf, dass er ihr nichts tun, sie zu einem reichen Weibe machen, ja, sie sogar seine Gräfin werden würde … würde sie ihn nur von dieser süßen Qual befreien.

Wie es ausging? Ich hörte nur, dass der Raubgraf das Rauben ließ, sich eine Frau nahm, die Katharina hieß und dieser Göttin zu Ehren eine Kirche erbaute, die St. Katharinen. So kommt es eben, wenn man … ähm …, wenn Frau ihr Glück selbst in die Hand nimmt ... - Beten kann ein andrer! (dem Volke abgelauscht & aufgeschrieben)

Der Raubgraf vom Regenstein

Der Graf vom Regenstein hatte einst die schöne Jungfrau der Heimburg gefangen und ins schauerliche Verlies geworfen, weil sie gar nicht daran dachte, sein Weib werden zu wollen. Die harte Behandlung der Gefangenschaft sollte helfen, ihr Herz zu erweichen. Umsonst hatte der Raubgraf versucht, ihre Liebe zu gewinnen. Nun quälte und peinigte er sie, gab ihr nur das Nötigste, um sie am Leben zu halten und bald ihren Willen zu brechen.

Nach und nach vergingen ihr die Kräfte, sie magerte ab und saß zuletzt in Lumpen auf dem eiskalten, steinigen Boden des Kerkers. Sie war wahrlich kurz davor, sich zu beugen, weinte und beschloss, zur heiligen Jungfrau zu beten: „Bitte weise mir einen Weg aus dem Gefängnis oder hole mich zu dir in den Himmel!“ Und, wie sie Amen sagte, begann plötzlich ein großer Sturm um den Regenstein zu brausen.

Tief in ihrem Kerker sitzend, der kein Licht und keinen Wind von außen hereinließ, hörte die Jungfrau der Heimburg doch die Antwort ihres Gebets. Wie dick konnte die Wand aus Sandstein schon sein, wenn sie den Sturm dort draußen vernahm?

Sie wollte es versuchen, sich durch die Sandsteinmauern zu kratzen. Zwar hatte sie kein Werkzeug im Loch, doch besaß sie den diamantenen Ring, ein Geschenk des Verlobten, mit dem sie ihre Arbeit begann: Sie schabte mit ihrem Ring an dem Felsen und sah mit großer Freude, dass der Stein mürbe und bröckelig war und ihrem Sinnen fast von selbst nachgab. Tag und Nacht, ein ganzes langes Jahr, arbeitete sie ununterbrochen und endlich entstand eine Öffnung so groß, dass sie hindurchsehen konnte. Nach dieser langer Zeit, sah sie wieder die Wunder der Welt: Den blauen Himmel, die goldene Sonne, grüne Bäume … und atmete die köstliche, frische Luft. Noch eifriger als zuvor, kratzte sie ein Loch, groß genug, sich hindurchzuzwängen, aber oh weh: Als sie hinaustrat, sah sie die tiefe Schlucht zu ihren Füßen. Schwindelerregend und furchtbar gähnte ihr die Tiefe des Abgrunds entgegen. Beinahe wäre sie in ihrem Kerker geblieben, doch welche Schmach, welcher elende Tod, hätte sie darin erwartet? Nein, sie musste es versuchen und zögerte nicht: Mit aufgeschürften Fingern und blutenden Füßen, kletterte sie tiefer und immer tiefer hinab.

Fürwahr, sie stand unterm Schutz der heiligen Jungfrau, denn bald war das Unmögliche vollbracht. Am Boden angelangt, erhellte die aufgehende Sonne den Weg zu ihren Eltern die auf Heimburg nach so langer Zeit noch immer in Trauer waren. Erst jetzt erfuhren sie, wer der Entführer ihres geliebten Kindes gewesen und sammelten eiligst Freunde und Reisige, um gegen den Regenstein zu ziehen. – Geraume Zeit widerstand die Feste dem Ansturm, bis der Raubgraf endlich einer List erlag: Die verhassten Feinde der Heimburg hatten sich zurückgezogen, worauf der Graf spottete, man könne die Mauern seines Regensteins im Kampfe niemals überrennen. Aushungern wäre die einzige Option, ihn in die Knie zu zwingen, was er nun befürchtete. Rasch sandte er seine Mannen in die umliegenden Orte, in der sicher nur kurz währenden Waffenruhe, Lebensmittel heranzuschaffen. – Wenig später polterten dreißig Wagen, bis unter die Planen beladen mit dem Köstlichsten, was der Gau zu bieten hatte. Wie man aber die Tore öffnete und die Wagen in die Feste ließ, sprangen aus allen Wagen Reisige hervor.

Auch die Bauern rissen sich Kittel und Kapuzen vom Leibe, hatten alle einen Harnisch drunter und plötzlich stand die ganze Feste voll von Waffenbrüdern, der Jungfrauen Unrecht zu vergelten. Nur wenig konnten die Regensteiner Wachen dieser Entschlossenheit entgegensetzen Aller Widerstand war unmöglich, das sah auch der Raubgraf ein und suchte nun heimlich zu entkommen. Aber wie nur? Weil alle Ausgänge vom Feinde besetzt waren, knüpfte er rasch aus Betttüchern ein Seil, ließ sich an der steilsten Seite des Felsens hinunter, entkam damit dem Tode aber nicht dem unglücklichen Schicksal.

Drei Tage darauf ließ ein goldener Morgen die Menschen selig erwachen: Heute soll große Hochzeit sein! Auf dem höchsten Turm des Regensteins, stand die Jungfrau mit dem Liebsten, der ihr einst den diamantenen Ring geschenkt, umschlungen in einer wundervollen Ewigkeit. Beide sahen die Dunkelheit im lichtvollen Farbenmeer versinken und, wie dieser Tag sich dem Ende zuneigte, waren sie auf ewig verbunden, gekrönt und ihnen der Regenstein von den Eroberern zum Geschenk gemacht!

Den Bock zum Gärtner machen

Diese närrische Jugend!“, fluchte ein Bauer aus Schlanstedt, der auf die Flausen seines Sohnemanns fürwahr keinen Bock hatte. Besorgt schüttelte er seinen fleischigen Kopf, „Wer wird denn meinen Bock zum Gärtner machen wollen?“ Sein Sohnemann, Bock mit Namen, wollte nämlich Ritter werden und wurde bockig, wann immer ihn sein Vater zu bäuerlichen Pflichten, wie Aussaat oder Ernte rief.

In jeder freien Minute trieb sich der Bock also auf den Burgen des Harzgaus herum, sah den Rittern beim Schwertkampf zu, schwatzte mit ihnen und erkaufte sich mit dem Wein seines Vaters, den er aus dessen Weinkeller heimlich mitgehen ließ, die Freundschaft manches Ehrenmannes. Als der Vater jedoch gewahr wurde, dass sich der Wein ohne sein Zutun leerte, da ließ er den unnützen Jungen die Peitsche spüren. Er meinte, die harten Hiebe würden helfen, den Hirngespinsten seines Sohnes Herr zu werden und ihm den Bock auszutreiben, aber weit gefehlt: