Samuel Dreher - Roland Reiner - E-Book

Samuel Dreher E-Book

Roland Reiner

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Beschreibung

Wenn ein Mann über ausreichend Macht verfügt, kann er ungestraft morden. Das war zumindest die bisherige Überzeugung von Peter Green gewesen. Bis er eines Tages dann einen Schritt zu weit ging und die Freundin von Samuel Dreher entführte. Der eigenwillige Ermittler riskiert Kopf, Kragen und Karriere, um seine Freundin zu finden. Eine sehr persönliche Geschichte über Macht, Hass, Freundschaft, Liebe und Musik.

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Seitenzahl: 391

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Einleitende Bemerkung

Maria Chrysantis

Die Macht

Schatten der Vergangenheit – November 1775

2008

The Dark Side Of The Moon

Macht

Sorge

Liebe

Das Verlies

Wo bist du?

Die Macht der Greens

Erpressung

Hoffnung

Der Empfang

Gretchen

Das Spiel beginnt

Hände weg von Ilona

Telefongespräch

Ein neuer Fall

SD

Beginn der Ermittlungen

BIG - PC

Ich habe die Macht

Informationen

Gedanken

Überlegungen

Arbeitszeiten

Kurt Brand

Wo bist du?

Durst

Ermittlungen

Gedanken

Handy…

… ortung

Jagdszenen

Wittgenstein

Tränen

Bettgeschichten

Die letzte Fahrt

Autounfall mit Todesfolge

Weber

Vorfreude

Gedanken

Franz Huber

Ich schaff das

10.000.000

Gespräch

Jonathan

Subventionen

Philosophisches Gespräch

Prost Ilona

Recherche

Es war Mord

Genügten 10.000.000 €

Überlegungen

Kurze Besprechung

CCR

Die Übernahme

Sophie Susann

Satans Dirigent

Überlegungen

Die griechische Freundin

Rechercheergebnisse

Jack Brithly

Laura Sauri

Beförderungen

Fogerty

Ein böser Plan

Alvin Lee

Lieferung

Sei vorsichtig!

Die alte Reichsstraße

Im Verlies

Claudia

Vergangenheit

Geblitzt!

SMS

Eine Warnung

Überlegungen zur Strategie

Pläne

Verdacht

Und jetzt?

Eins, zwei …

Die Pinnwand

Rückblick

Franz

Tot

Gespräche

Ein unangenehmes Gespräch

Highway To Hell

Radio

Die Entscheidung

Das Zeichen

In der Hölle ist es kalt

Sam kommt

Endlich

Das schwarze Schaf

Ach Sam

Pläne

Weitere Pläne

Ten Years After

Und jetzt?

Einleitende Bemerkung

Die Stadt Kraisbach existiert nicht. Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Auf den folgenden Seiten wird auf Künstler und ihre Musikstücke verwiesen. Diese geschieht ausdrücklich als Hommage! Die geschilderten Lieder und Texte umrahmen die vorliegende Erzählung. Gerade die Musik ist für Samuel Drehers nämlich ein unerlässlicher Begleiter seines Lebens.

Das vorliegende Buch besteht aus 77.620 Wörtern und trotz vieler Mühe, wiederholter Kontrolle und diverser Fehlerprüfungen, werden sich leider einige Fehler eingeschlichen haben. Dafür vorab Entschuldigung und vielen Dank für das erwiesene Verständnis.

Willst du den wahren Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.

Abraham Lincoln

Maria Chrysantis

Im Fall Maria Chrysantis hatte Dreher seiner eigenen Meinung nach versagt. Der Kommissar war sicher gewesen, dass er den Täter überführt hatte. Die Untersuchungsakte enthielt alle Berichte, Verhöre, sämtliche Stellungnahmen der Gutachter und Ärzte. Nach Drehers Meinung war Heinz Sehnmair, ein Staatssekretär im Justizministerium, der Hauptverdächtigte und auch zweifelsfrei einer der Mittäter. Für den Kommissar war der Fall aufgeklärt. Die offizielle Anklage war nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Es stand zweifelsfrei fest, dass Sehnmair das arme Mädchen mehrmals sexuell genötigt hatte. Er hatte seine Stellung und vor allem die Angst von Maria Chrysantis vor ihren Eltern ausgenutzt, um mit ihr seine perversen Spielchen treiben zu können. Im Grunde war der Fall ein Selbstläufer. Es gab keinerlei Zweifel, warum Sehnmair nicht der Täter gewesen sein sollte.

Bis dann eines Tages die Staatsanwaltschaft bei Dreher nachfragte, wann denn endlich die Untersuchungsakte im Fall Chrysantis übersandt wurde. Dreher war überzeugt gewesen die Akte auf dem üblichen Weg weitergeleitet zu haben. Die Staatsanwaltschaft beharrte darauf, keinerlei Unterlagen erhalten zu haben. Kurz darauf befassten sich die Medien mit dem Fall. Ein Untersuchungsausschuss wurde eingerichtet. Dreher suchte selbst tagelang mit seinen Mitarbeitern intensiv nach der verschwundenen Akte. Der Kommissar konnte sich den Verlust des blauen Schnellhefters mit den Untersuchungsergebnissen im Fall Maria Chrysantis nicht erklären.

Anklage gegen Heinz Sehnmair konnte mangels Beweisen nicht erhoben werden. Alle Unterlagen blieben spurlos verschwunden. Die blaue Untersuchungsakte war unauffindbar. Niemand hatte Duplikate oder Durchschriften angefertigt. Oder falls doch, wurden diese ebenfalls vermisst. Die Angelegenheit stank natürlich zum Himmel. Ein Justizskandal ersten Ranges. Aber ohne Beweise war eine Anklage nicht möglich. Heinz Sehnmair blieb ein freier Mann.

Bei der abschließenden Pressekonferenz hatte Oberstaatsanwalt Weber seinen großen Auftritt. Er schob alle Schuld in diesem unglaublichen Skandal den Ermittlungsbehörden in die Schuhe. Insbesondere Kommissar Dreher warf er Dilettantismus und Schlamperei vor. Mit ausgestreckter Hand zeigte Weber während der Pressekonferenz demonstrativ auf Dreher und rief mit hochrotem Kopf: „Sie allein tragen die Verantwortung für diesen unglaublichen Skandal! Der Vorgang ist eine Schande für unser Land! Es ist unglaublich, wie durch so eine unfassbar, tölpelhafte Polizeiarbeit das Recht in unserem Lande mit Füßen getreten wurde.“

Dreher gab nicht auf. Er war felsenfest überzeugt davon, dass der Staatssekretär Maria Chrysantis brutal gefoltert und gequält hatte. Aus seinem Gedächtnis heraus fertigte der Kommissar Zweitschriften der Untersuchungsberichte an. Er wusste selbstverständlich, dass solche Unterlagen vor keinem Gericht der Welt verwertbar waren. Aber er wollte verhindern, dass die Angelegenheit mit der Zeit völlig in Vergessenheit geriet. Aus diesem Grunde besuchte er in seiner knappen Freizeit auch immer wieder Maria Chrysantis in der psychiatrischen Klinik, um ihr Mut zu machen.

Eines Tages würde die Gerechtigkeit siegen! Davon war der Kommissar felsenfest überzeugt. Irgendwann würde er auf eine Spur oder einen Hinweis stoßen, die belegen würden, dass ihn und seine Kollegen keinerlei Schuld an den verschwundenen Ermittlungsergebnissen traf. Eines Tages würde er eine Pressekonferenz abhalten, bei der er dies beweisen konnte. Und dann würde er aufstehen und mit ausgestreckter Hand dastehen, um auf die Schuldigen zu zeigen.

Doch wenden wir uns zunächst anderen Geschehnissen zu, die Kommissar Dreher in den vergangenen Monaten erleben musste. Ereignisse, die ihm körperlich und geistig alles abverlangten. Geschehnisse, bei denen er die Erfahrung machen musste, dass auch er nicht immer vor dem Begehen von Straftaten gefeit war. Dass sie manchmal sogar erforderlich waren!

Die Macht

... Seit Stunden stand er bereits bewegungslos am Höhlenausgang und starrte unentwegt auf den niederprasselnden Regen. Das Unwetter dauerte nun schon fast eine Woche an. Dabei war die Zeit des Monsuns schon vorbeigewesen. Die Götter muteten seinem Stamm in diesem Jahr besonders viel Geduld zu. Langsam drehte sich der alte Medizinmann um. Er blickte reihum in besorgte Gesichter. Lächelnd verzog er sein Gesicht und vollführte gleichzeitig eine aufmunternde Handbewegung. Er wirkte äußerlich so, als würde ihm der Regen völlig egal sein. Er hoffte, dass er mit seiner kleinen Geste seinem Volk Mut gemacht hatte.

Der Alte drehte sich wieder um und betrachtete erneut die ungeheuren Wassermassen, die seit Tagen ohne Unterlass vom Himmel fielen. Wenn er in das Tal blickte, sah er nur noch eine riesige Wasserfläche. Die Häuser, Felder und die großen Obstplantagen, die sein Volk ernährten, waren verschwunden. Langsam und müde schloss der alte Mann seine Augen. Sie waren der Macht des Unwetters hilflos ausgeliefert. Seit Menschengedenken musste sich sein Stamm den Launen der Natur beugen. Aber er wusste auch, dass irgendwann das Unwetter vorbei sein musste. Irgendwann würde die Sonne wieder scheinen. Irgendwann war die Macht der bösen Götter, die sie heimsuchten, gebrochen. Irgendwann ...

Textauszug: Der zweite Regen Ben P. Purler

Schatten der Vergangenheit – November 1775

Albert Green stand an der Reling des Dreimasters, der ihn seit zwei Wochen immer näher an die neuen Kolonien in Amerika, damit gleichzeitig aber auch immer weiter von seiner Heimat weggebracht hatte. Heimat ..., was für ein leerer, schaler Begriff. Green spuckte verächtlich aus, ihm war, als hätte er etwas Verdorbenes im Mund gehabt. Heimat - er hatte keine mehr!

Nicht ein einziges Mal hatte er sich in den letzten Tagen umgedreht, wozu auch? Seine ganze Hoffnung lag in dieser Neuen Welt. Und er war sich sicher, dass er es diesmal schaffen würde. Den Greens lag es seit Generationen im Blut zu überleben, egal was sich ihnen in den Weg stellte.

Doch so leben wie seine Eltern und Großeltern, mit diesem dauernden, chancenlosen und völlig sinnlosen Kampf um die tägliche, warme Mahlzeit war nicht das, was er für sich plante. Er wollte endlich raus aus dem Dreck der Hütte, in der er aufgewachsen war.

Mit seinem Bruder war er, um nicht zu verhungern, oft genug auf Diebestour gewesen. Er hatte gesehen, wie die Reichen und Mächtigen wohnten. So ein Leben wollte er auch für sich. Aber er wusste, dass er das zu Hause niemals geschafft hätte. Zu Hause - dort war das Leben so verdammt vorgezeichnet: Lord war Lord, Arbeiter war Arbeiter und ein armes Schwein blieb ein armes Schwein. Es war im Grunde ganz simpel: Er war einfach in die falsche Familie hinein geboren worden und gehörte damit seit seiner Geburt zu denjenigen, die man trat, bespuckte, wegsperrte oder - wenn man Glück hatte - einfach ignorierte.

Bei Ihrem letzten Einbruch hatten sie endlich einmal das große Los gezogen. Etliche Goldmünzen und eine Schatulle mit wertvollem Schmuck hatten sie erbeutet. Auf der Flucht stürzte sein Bruder dann die Fassade des mehrstöckigen Hauses hinunter. John war sofort tot gewesen. Es war der blanke Hohn, einmal im Leben etwas Glück und als Belohnung – tot. Albert Green hatte seinen Bruder ohne große Regung über die Schulter geworfen und erreichte mit dieser Last und der Beute nach einigen Stunden die heruntergekommene elterliche Hütte. Dieses verhasste, armselige und windschiefe, kleine Haus, mit seinem undichten Dach und den drei verschimmelten Zimmern, in denen sich zeitweise bis zu zwölf Menschen aufhielten. Drei, manchmal vier Generationen, die armselig vor sich hinvegetierten!

Albert hatte John teilnahmslos auf den großen, aus rohen Brettern gezimmerten Tisch, geworfen. Aus dem Beutel mit dem Geld hatte er unterwegs zunächst fünf Goldstücke entnommen, dann aber zwei davon wieder nach kurzem Überlegen wieder zurückgesteckt. Er hatte lange genug für die Familie gesorgt und drei Goldstücke waren eine Menge Geld. Es sicherte das Einkommen der Familie für viele Wochen. Anschließend mussten sie selbst sehen, wie sie klarkommen würden. Zur Not musste Amy halt wieder anschaffen gehen, auch wenn sie sich noch so vor den Männern ekelte.

Sein Vater saß wie üblich mit einer Flasche billigen Fusel neben dem winzigen Ofen, der nur noch von einem Drahtgestell zusammengehalten wurde und wartete bis seine Söhne von ihrer Runde zurückkamen. Als Albert die Tür geöffnet hatte, war er aufgestanden. Sein Blick fiel auf die Schulter seines Sohnes, er senkte kurz die Augen und holte tief Luft. „Was ist mit Johnny?“ „Tot.“ „Wer?“ „Selbst schuld - ist gestürzt.“ „Hat euch jemand gesehen?“ „Nein … aber es ist besser, wenn ich eine Zeit lang von hier verschwinde.“

Vater und Sohn sahen sich einige Zeit wortlos an, dann nickte der alte Green müde. Er hatte in diesem Leben bereits einige seiner Kinder verloren. Vier oder fünf - so genau wusste er es nicht mehr. Er ging auf Albert zu und wollte ihn umarmen, dann stoppte er ab und reichte ihm lediglich die Hand. „Machs gut Sohn, lass dich nicht erwischen.“

„Niemals … Vater … niemals, vorher ...“, er machte mit der Hand eine schneidende Bewegung quer über seinen Hals. Albert Green sah, wie sich seine Mutter auf ihrem primitiven Lager verschlafen aufrichtete. Rasch öffnete er seine Hand und warf die drei Münzen auf den leblosen Körper seines Bruders. Er sah sich nochmals in der erbärmlichen Unterkunft, in der er aufgewachsen war, um, dann drehte er sich ab und verließ gehetzt das Haus. Es war ein Abschied für immer, er würde nicht mehr zurückkommen.

„Wie geht es Ihnen?“ Die raue Stimme holte ihn in die Gegenwart zurück. Green drehte sich um und blickte in das Gesicht des Kapitäns. „Gut, warum?“

„Nun, fast alle anderen Auswanderer sind erkrankt. Wir haben bisher fünfzehn Tote und etliche, die sich noch nicht entschieden haben, ob sie dieses verdammte neue Land nun sehen oder lieber vorher als Leiche von Bord gehen wollen.“

„Ich kann nicht klagen, es ist mir schon schlechter ergangen.“ Der Kapitän lachte, „Menschen mit so einer robusten Gesundheit werden drüben dringend benötigt. Wissen sie schon, was sie dort anfangen werden?“ „Nein, ich bin noch unentschlossen.“ „Haben sie Geld?“ „Warum?“ Misstrauisch sah Albert Green den Kapitän an, dieser grinste und blickte in die Ferne. „Nun, wenn sie in einigen Tagen von Bord gehen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Manche meinen dort drüben sei alles viel besser. Das ist ein verdammter Irrtum! Ein armer Schlucker bleibt ein armer Schlucker und ganz ehrlich, viele krepieren in den ersten drei Jahren. Wenn sie allerdings ein wenig … sagen wir, investieren können, bieten sich … gewisse Chancen.“

Albert Green betrachtete den Kapitän lauernd. Er wusste nicht, wie er den Mann einschätzen sollte. Vorsichtig, um nicht allzu viel von sich zu verraten, erwiderte er: „Wie gesagt, ich bin noch unentschlossen, aber wenn sich mir die Gelegenheit bietet, ein gutes Geschäft zu machen werde ich diese selbstverständlich auch nutzen.“ Green sah den Kapitän an und sprach fest entschlossen weiter: „Ich bin hierhergekommen, um reich zu werden. Ich werde deshalb die Möglichkeiten, die sich mir bieten, um zu Geld zu kommen, wahrnehmen. Das können sie mir verdammt noch mal glauben.“

Der Kapitän lächelte hinterhältig und griff sich an seinen verfilzten Bart. „Mein Schiff liegt nach unserer Ankunft noch etwa zehn Tage im Hafen. Sie können mich in dieser Zeit gerne aufsuchen. Ich gehe im Abstand von drei Monaten hier vor Anker und kaufe dann immer gewisse Waren auf, für die sich in England einige Händler interessieren. Wenn sie wollen, können sie mich in Zukunft auch beliefern, ich suche immer zuverlässige Partner.“ „Was für Waren meinen sie?“ „Pelze, Gold, Edelsteine, Eingeborene.“ „Wie hoch ist mein Gewinn?“ Der Kapitän lachte auf. „Nun, das liegt an Ihnen. Ich zahle Festpreise, wie und zu welchem Preis sie das Material beschaffen und welchen Gewinn sie daraus machen, ist mir egal.“

„Gut.“ Albert Green drehte sich um und sah nachdenklich auf das Meer hinaus. Er hatte zwar wenig Ahnung vom Handel, aber immerhin war ein kleiner Anfang gemacht.

Nach der Überfahrt mietete er sich zunächst eine billige kleine Wohnung. Innerhalb weniger Tage hatte er herausgefunden, wie er sich möglichst schnell die Waren besorgen konnte, die eine hohe Rendite versprachen. Er lernte schnell, zu welchen Preisen momentan gehandelt wurde und er stellte fest, dass fast alle Kapitäne sich nebenbei mit allerlei Handelsgegenständen für die Heimat eindeckten. Er musste also nicht um jeden Preis abschließen, sondern konnte seinen Gewinn dadurch erhöhen, dass er die Schiffskapitäne gegeneinander ausspielte.

Green hatte nichts zu verlieren und ging deshalb rigoros und ohne jegliche Skrupel vor. Er war in seinem bisherigen Leben durch eine harte Schule gegangen und hatte beschlossen, auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen. Was zählte war nur noch sein eigener persönlicher Erfolg. Bald hatte er eine kleine Gruppe von Arbeit suchenden Einwanderern um sich geschart, die er rücksichtslos für seine Ziele einspannte.

Nach wenigen Monaten besaß Green zwei Lagerhallen, in denen sich seine Waren stapelten und er hatte mit mehreren Kapitänen gewinnbringende Lieferverträge abgeschlossen. Albert Green baute sich innerhalb weniger Jahre ein kleines Handelsimperium auf. Gewissenlos ging er mit seinen Konkurrenten, aber auch mit seinen eigenen Angestellten um. Dabei blieb er stets im Hintergrund. Seine Kindheit und Jugend in London hatten ihn nachhaltig geprägt.

Als er mit dreißig Jahren heiratete, verfügte er bereits über eines der größten Privatvermögen in Amerika. In Wirklichkeit war es so, dass er nicht nur über beträchtliche finanzielle Mittel verfügte, sondern auch über ein Netz von Beziehungen und … vor allem, er besaß Macht, um Einfluss auf die Politik des Landes zu nehmen. Mit Hilfe der Familie seiner Frau verschaffte er sich letztendlich den Zugang in die gesellschaftlichen Kreise, die ihm bisher verwehrt geblieben waren. Vorbehalte, die man anfangs gegen ihn noch hatte, wusste er mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen auszurotten. Mit rigorosem, eiskaltem und menschenverachtendem Vorgehen hatte er schließlich innerhalb kurzer Zeit genau das erreicht, was er wollte.

2008

Was war nur geschehen? War sie … tot, war sie gestorben? Nein das konnte nicht sein! Sie war zwar nie ein gläubiger Mensch gewesen, aber so hatte sie sich das Jenseits, wenn es dieses überhaupt gab, auf gar keinen Fall vorgestellt.

In ihrem Schädel brummte es entsetzlich und sie fühlte sich völlig zerschlagen. War sie vielleicht krank? Spielte ihr Bewusstsein ihr einen Streich? Etwas war grundlegend falsch, sie spürte, dass ihr Leben seinen gewohnten Ablauf verloren hatte. Alles um sie herum war irgendwie irreal und schattenhaft. Trotz aller Anstrengung gelang es ihr nicht, in die Wirklichkeit zurückzufinden.

Sie musste träumen; wie sollte sie sich ihren derzeitigen Zustand sonst erklären. Anscheinend hatte sie einen fürchterlichen Albtraum … sie versuchte mit aller Gewalt mehrmals die Augen zu öffnen. Es gelang ihr aber nur mühsam. Dann bemerkte sie diesen fürchterlichen Geschmack in ihrem Mund. Sie musste dringend etwas trinken. Mühsam begann sie sich aufzurichten. Sie presste beide Hände an den Kopf. Was in aller Welt war nur geschehen, hatten sie gestern nach der Sitzung noch irgendetwas getrunken? Mein Gott musste sie gesoffen haben! Aber das konnte nicht sein, das war doch gar nicht ihre Angewohnheit.

Als sie endlich wieder ihre Augen öffnen konnte, schloss sie diese vor Schmerz sofort wieder. Es war, als hätte sie direkt in einen Blitz gesehen. Sie versuchte ruhig liegen zu bleiben und langsam und gleichmäßig zu atmen. Ein und aus, ein und aus. Gleich musste ihr Leben wieder im Lot sein, nur noch ein paar Sekunden. Vielleicht hatte sie so eine Art Wachtraum, irgendein Hirngespinst, das sich eingenistet hatte? Ein und aus, ein und aus.

Sie zwang sich mit aller Gewalt zu ein paar Yogaübungen, dann tastete sie mit ihren Händen, die Augen hatte sie immer noch geschlossen, nach dem Lichtschalter neben ihrem Bett. Mehrmals griff sie ins Leere. Da war kein Schalter mehr – da war nicht einmal eine Wand! Langsam berührte sie mit den Händen ihr Bett, sie fühlte keine Matratze – sie lag auf etwas Glattem und Kaltem.

The Dark Side Of The Moon

Claudia Messie lag auf dem Bauch, sie hatte die Augen geschlossen und atmete völlig entspannt, ruhig und gelassen. Zärtlich fuhr Kommissar Dreher mit seinen Fingern die Konturen seiner Freundin nach. Er begann am Hals, der leicht mit dem feinen blonden, etwas wuscheligen Haar bedeckt war. Nachdenklich lächelnd betrachtete er das etwa fünf Zentimeter große geheimnisvolle Tattoo auf dem rechten Schulterblatt seiner Freundin: Eine Gruppe nackter Frauen hielt sich an den Händen und tanzte lachend im Kreis um ein großes Feuer. Er hatte Claudia schon ein paar Mal nach dem Ursprung oder Grund dieser Tätowierung gefragt. Aber diese hatte nur gelächelt und auf eine Jugendsünde hingewiesen. Behutsam folgte Dreher den Konturen der Wirbelsäule seiner Freundin, die Haut berührte er dabei kaum. An der Stelle, an der sich die kleine Mulde befand, die etwas höher lag als die beiden festen durchtrainierten Pobacken hatte sich etwas Schweiß angesammelt. Dreher betrachtete zufrieden lächelnd die kleinen Wasserperlen, in denen sich das Licht brach. Kleine künstliche Regenbogen in seinem Zimmer – ein Traum. Samuel Dreher war in diesem Augenblick glücklich, er war mit sich und der Welt im reinen und konnte sich nicht vorstellen, dass zum gleichen Zeitpunkt ein unglaublich perfides Verbrechen geplant wurde.

Dreher war Kommissar einer kleinen Spezialeinheit, die man gegründet hatte, um besonders brutale Verbrechen aufzuklären. Zwar war Kraisbach, was die Verbrechensquote anging, keinesfalls mit New York, Chicago oder London vergleichbar. Aber es gab auch im angeblich so sicheren und gemütlichen Bayern menschenverachtende, grausame und brutale Verbrechen, welche die Psyche eines normalen Kriminalbeamten überforderte. Die Spezialisten um Dreher waren handverlesen und der Kommissar selbst war mit Abstand einer der besten Kriminalbeamten weit und breit. Er wusste das und vor allem wussten es seine Vorgesetzten, deshalb hatte man ihn bereits vor Jahren als Chef dieses Dezernats eingesetzt.

Natürlich hatte auch Oberstaatsanwalt Weber seinen Einfluss geltend gemacht. Webers und Drehers Schicksal war seit Jahrzehnten miteinander verbunden. Die Hintergründe waren nur sehr wenigen Menschen bekannt. Weber war einer der wichtigsten Männer im Land. Seine Familie bekleidete seit Jahren Spitzenämter in der einflussreichsten Partei des Landes. Seine finanziellen Beteiligungen an allen möglichen Unternehmungen ermöglichten es ihm, seine persönlichen Wünsche und Ideen durchzusetzen und vor allem Macht auszuüben. Er hatte sehr viele einflussreiche Freunde und erreichte üblicherweise das, was in seinem Interesse lag.

Weber wusste, wie gefährlich Dreher aufgrund seines Könnens werden konnte. Er hatte deshalb sein gesamtes politisches Gewicht geltend gemacht und erreicht, dass Dreher mit seiner Spezialeinheit ihm zugeteilt wurde. Es konnte für ihn und seine Freunde nur von Vorteil sein, wenn er wusste, mit welchen Ermittlungen Dreher gerade zu tun hatte.

Der Kommissar beugte sich über den Körper seiner Freundin und küsste behutsam mehrere Stellen, er wollte sie nicht aufwecken. Sie hatten sich geliebt, zunächst heftig, dann aber, als das erste Verlangen gestillt war, zärtlich und langsam, genauso als wollten sie die Zeit anhalten. Es war einer dieser vollkommenen Augenblicke im Leben, den Nichts trüben konnte. Auch nicht die Tatsache, dass das Böse nur wenige Kilometer entfernt, gerade sein Opfer genau fixierte und sich in Gedanken genüsslich vorstellte, wie es langsam zu Tode gequält wurde.

Samuel Dreher griff neben das Bett und suchte nach der Fernbedienung seines CD-Spielers. Als er sie gefunden hatte, zeigte er mit ihr in Richtung des Geräts und ließ das gerade gehörte Stück nochmals ablaufen. Sein Musikgeschmack hatte sich in den Jahren immer wieder gewandelt. Zuletzt hatte er sich der Jazzmusik zugewandt, doch immer wieder holte er aus seiner umfangreichen CD-Sammlung auch einige Stücke hervor, die er in seiner Jugend angehört hatte. Heute Nachmittag hatte er The Dark Side Of The Moon von Pink Floyd ausgewählt und die Musik hatte einfach perfekt zu ihrem Liebesspiel gepasst. Die langsamen, perfekt gespielten Gitarrenharmonien von David Gilmore waren seiner Ansicht nach unerreicht. The Great Gig In The Sky und dann anschließend Brain Damage. Diese Musikstücke waren zweifellos für die Ewigkeit geschrieben. Wenn er sich recht erinnerte bestand Pink Floyd damals noch aus David Gilmour, Nick Mason, Roger Waters und … Dreher griff nach der CD-Hülle, die ebenfalls neben dem Bett lag. Er überflog die Angaben, genau … Richard Wright hatte noch zur Band gehört.

Der Kommissar legte sich wieder hin und betrachtete zärtlich den makellosen Körper seiner Freundin. Dann waren seine Gedanken wieder bei der Musik, die er gerade hörte. Samuel Dreher hatte in früheren Jahren, wie so viele seiner Generation, alle Daten über seine Lieblingsbands gesammelt. In letzter Zeit versuchte er des Öfteren, sich dieses Wissen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Es handelte sich um eine Art musikalisches Quiz, um sein Gehirn zu trainieren. Der Kommissar glaubte langsam, sein Alter zu spüren. Er war nicht mehr der Jüngste, er fühlte sich in letzter Zeit immer öfters körperlich ausgelaugt und müde. Zumindest geistig wollte er möglichst lange fit bleiben. „Pink Floyd“, murmelte er vor sich hin. „Da war doch noch einer gewesen. Wie hieß der gleich … Syd ...?“ Dreher kramte in seinem Gedächtnis: Genau … Syd Barrett war Gitarrist und wurde aufgrund seines Drogenmissbrauchs aus der Band geworfen. Wahrscheinlich hatte er es übertrieben, die anderen werden auch keine Kinder von Traurigkeit gewesen sein. Gilmour wurde sein Nachfolger … am Anfang war Barrett der musikalische Kopf der Band gewesen. Arnold Layne war von ihm geschrieben worden. Ein klasse Stück, aber heutzutage leider nur noch wenigen Menschen bekannt. Später ist Barrett dann wie so viele andere Musiker in dieser wilden Zeit völlig abgestürzt. Angeblich erkannten ihn nach einigen Jahren sogar seine früheren Bandkollegen nicht mehr, sosehr hatten ihn die Drogen körperlich verändert. Aber vielleicht war das auch nur eine der üblichen Legenden, die sich um viele ehemalige Musiker rankten.

Samuel Dreher seufzte und überlies sich kurz der Musik, ja … heute war tatsächlich einer dieser perfekten Tage … jetzt müsste man die Zeit anhalten können. Was würde er dafür geben für immer hier mit Claudia liegen zu können und sich nicht mit Mördern und anderen primitivem, asozialem Gesindel herumschlagen zu müssen. Doch der Kommissar wusste, dass dies ein Wunschtraum bleiben würde und dass er nur allzu bald wieder auf dem Boden der rauen Wirklichkeit landen würde. Was er tun konnte, war lediglich diesen momentanen Glückszustand so lange wie möglich hinauszuzögern. Er nahm seine Freundin in den Arm und zog sie zu sich her, dann schloss er die Augen und hörte träumend der Musik zu.

Macht

Arrogant betrachtete er die fünfzehn Personen, die um den riesigen kreisrunden Tisch saßen. Dem Vortrag über die Gewinnerwartung des nächsten Quartals hörte er nur halb zu. Die Zahlen hatte man ihm bereits vorher mitgeteilt, die Aktionäre des Unternehmens würden wie jedes Jahr zufrieden sein.

Sein Blick glitt nachdenklich über die Anwesenden hinweg zu der großen Glasfront, die eine komplette Seite des Sitzungssaals einnahm. Es begann bereits zu dämmern, gelangweilt sah er kurz auf seine goldene Armbanduhr, ein nach seinen Wünschen angefertigtes Einzelstück. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Vortrag, den Kurt Brand - einer seiner Manager - gerade hielt.

Er kannte den Inhalt selbstverständlich, denn er hatte sich den Bericht natürlich vorher genau durchgelesen und abgesegnet. Auch seine Topmanager mussten damit leben, dass er jederzeit alles kontrollierte und über sämtliche Geschehnisse in seinem Unternehmen informiert war. Die Gehälter, die er bezahlte waren in der Branche unerreicht und im Gegenzug dafür nahm er sich Dinge heraus, die vorsichtig formuliert, nicht immer mit der Menschenwürde vereinbar waren. Aber das war ihm völlig egal. Wem es nicht passte, konnte schließlich jederzeit kündigen. Allerdings würde es dieser Mitarbeiter schwer haben, anschließend irgendwo anders eine neue Anstellung zu bekommen. Schließlich hatte er großen Einfluss und von diesem machte er skrupellos Gebrauch. Die einzelnen Schicksale seiner Mitarbeiter waren ihm völlig egal. Das Einzige, was auf der Welt für ihn zählte, war … allein er und natürlich die Macht, die er zur Verfügung hatte.

Kurt Brand schaltete gerade den Beamer ab und faltete seine Unterlagen zusammen. Er beendete seine Ansprache mit den Worten: „Selbst bei vorsichtiger Schätzung werden wir wieder mindestens dreißig Prozent Gewinn machen … selbstverständlich nach Steuern.“

Die anwesenden Führungskräfte nickten zufrieden und sahen erwartungsvoll zu dem Stuhl hin, der eine höhere Rückenlehne aufwies als die anderen. Dies war das einzige äußere Zeichen, das daraufhin wies, wer hier das Sagen und die Macht hatte. Und das war ihm das Wichtigste. Nicht das Geld, das Ansehen, das Aktienpaket, seine Villen oder seine Jachten … all das gehörte selbstverständlich dazu; man nahm es mit, wie so vieles andere auch … was aber wirklich entscheidend war, das war diese unglaubliche Machtfülle. Diese fast schon absolute Autorität und Befehlsgewalt, die er über andere Menschen hatte.

Jeder der hier Anwesenden war ein hoch bezahlter, international angesehener Manager. Alles handverlesene und ausgesuchte Spitzenkräfte. Egal ob es sich um Geschäfte in Asien handelte, den Handel an der Wall Street, oder gewisse Verbindungen in höchste politische Kreise … er beherrschte alles. Wenn er wirklich wollte, war es ihm sogar möglich Regierungskrisen auszulösen, denn er konnte durchaus einen gewissen Einfluss auf Wahlergebnisse ausüben. Und er beherrschte einen Großteil des Finanzmarktes auf der Welt. Da immer mehr nur noch auf Aktienkurse, Investmentzertifikate und allerlei Fonds geblickt wurde, konnte er weitgehend unerkannt und im Verborgenen seine Intrigen spinnen.

Die anwesenden Personen waren in seinen Augen nur sorgfältig ausgewählte Figuren eines Schachspiels, die er hin und her schieben konnte, wie es ihm gerade beliebte. Sie waren selbstverständlich nur die Bauern, keiner von ihnen war unersetzbar. Und er hatte zweifelsohne noch weitere … Möglichkeiten; Beziehungen zu Institutionen, die, falls es erforderlich sein sollte, auch mal illegale Aufträge übernahmen. Es gab schließlich für alles Spezialisten, und er hatte sich davon die Besten gesichert.

Er hob kurz die Hand, „danke Kurt, ich hoffe ihre Erwartungen treffen ein.“ Sein Blick wanderte weiter zu Ilona Kirsten, „wie weit sind die Verhandlungen bezüglich der Übernahme der Firma GSJM-Game? War unser letztes Angebot ausreichend?“

„Ja“, die rassige dunkelhaarige fünfunddreißigjährige Frau stand auf, „ich konnte mit dem Betrag sogar um zehn Millionen unter dem von uns vereinbartem Limit bleiben. Ausschlaggebend war natürlich auch, dass wir in der Zwischenzeit fast vierzig Prozent der auf dem Markt befindlichen Aktien des Unternehmens aufgekauft haben …“

Er hörte bereits nicht mehr zu, diese feindlichen Übernahmen anderer Firmen bereiteten ihm schon lange nicht mehr so viel Vergnügen wie früher. Es war immer dasselbe Spiel, wenn er sich die Aktienmehrheit eines Übernahmekandidaten gesichert hatte, krochen ihm selbst die hartnäckigsten Gegner auf den Knien entgegen. Schließlich wollten sie zuletzt nur noch für sich selbst einen finanziell möglichst lukrativen Abgang erreichen. Durch die Übernahme von GSJM-Game würde er seinen Anteil auf dem Spielemarkt fast verdoppeln. Die kleine Firma hatte sich innerhalb von 5 Jahren durch ihre frischen, innovativen Ideen einen Marktanteil von fast 20 Prozent erobert. Es wurde allmählich Zeit, dass er diesen Leuten zeigte, wer die Macht hatte.

Die Macht, die Herrschaft, die Befehlsgewalt ..., seine Gedanken schweiften erneut ab. Abwägend betrachtete er Ilona Kirsten, er würde sie heute Abend entführen. Diese Frau hatte es vor einem halben Jahr, in einer eher unbedeuteten Aufsichtsratssitzung tatsächlich gewagt, einen Einwand gegen einen seiner Vorschläge vorzubringen. Dabei musste er sich insgeheim eingestehen, dass die Frau im Grunde recht gehabt hatte. Verdammt recht sogar, aber um das ging es überhaupt nicht! Er war hier die Autorität, das Nonplusultra, er bestimmte alles – er war hier der Gott! Und wenn er sich irrte, dann wurde ohne irgendwelche Widerrede gefälligst auch diese falsche Entscheidung umgesetzt.

Im Augenblick ihres Einwands gegen seine Anregung hatte er bereits beschlossen, die Frau zu bestrafen. Dabei wäre es am einfachsten gewesen, sie einfach zu entlassen. Er hätte nicht einmal eine Begründung dafür gebraucht. Wenn er mit den Fingern schnippte, war er gewohnt, dass seine Befehle ausgeführt wurden, und zwar ohne Wenn und Aber. Und wenn er gewollt hätte, würde Ilona Kirsten auf der ganzen Welt keine Anstellung mehr bekommen, nicht mal als Putzfrau. Aber das wäre zu banal und einfallslos gewesen; diese Frau sollte eine individuelle Behandlung erfahren. Es war Zeit, dass er wieder einmal dieses besondere Gefühl in sich ausleben konnte. Diese Empfindung der absoluten Macht, die Frau sollte die gesamte Kraft und Stärke spüren, die von ihm ausging.

Damals, vor sechs Monaten, hatte er beschlossen, Ilona Kirsten zu zerstören. Es würde einige Zeit dauern, vielleicht Wochen oder Monate. Er hatte Zeit. Je länger es dauerte, desto besser. Die Frau, die es gewagt hatte ihm zu widersprechen, würde er so weit bringen, dass sie ihm wie ein Hund folgte. Sie würde ihm, wenn er wollte, die Füße lecken. Er würde sie auf alle möglichen Arten erniedrigen können.

Selbstverständlich hoffte er auch, dass sie ihn auch sexuell befriedigen konnte. Langsam fuhr er sich mit der Zunge über seine Lippen, er würde sie auf keine Weise schonen. Schließlich war es egal, wie lange sie die Tortouren, die er sich für sie ausgedacht hatte, aushielt. Eines Tages würde sie daran krepieren und er würde dabei zufrieden lächelnd zusehen. Wahrscheinlich würde er dazu einen seiner alten, unbezahlbaren Rotweine öffnen, um diese Stunde, in der er über Tod und Leben entscheiden konnte, angemessen zu genießen. Hoffentlich war die Kirsten zäh, ein paar Wochen wollte er schon seinen Spaß an ihr haben. Er hoffte insgeheim, dass es lange dauern würde, bis er gewonnen und den Überlebenswillen der Frau gebeugt und zerquetscht hatte. Der Weg zu der totalen Zerstörung des Individuums dieser Frau war für ihn die eigentliche Herausforderung. Es zählte nur diese Zeit. Wenn der Wille der Frau gebrochen war, würde er noch ein wenig mit ihr spielen, aber im Grunde war sie dann wertlos, eine leere Hülle. Er würde sich dann noch eine besondere Todesart ausdenken, die ihm vielleicht zuletzt noch einen gewissen Kick geben würde. Vielleicht würde er sie zu Tode peitschen, wie vor einigen Jahren dieses schwedische Au-pair-Mädchen? Aber eigentlich war das nichts Neues, ihm würde zu gegebener Zeit schon noch etwas einfallen.

Er sah wieder Ilona Kirsten an, die sich gerade wieder setzte, und lächelte ihr freundlich zu. „Danke, das war sehr interessant. Sie gehen weiterhin wie abgesprochen vor. Ich erwarte spätestens übermorgen die Vollzugsmeldung.“ Natürlich wusste er, dass Ilona Kirsten zu diesem Zeitpunkt schon längst von der Bildfläche verschwunden war, in seinem Verlies liegen und von ihm gequält werden würde. Offiziell galt es natürlich den Schein zu wahren. „Die Sitzung ist für heute beendet.“ Er erhob sich und ging grußlos aus dem Zimmer. Nachdem er sein riesiges Büro erreicht hatte, schenkte er zwei Rotweingläser voll. Schmunzelnd sah er auf die Uhr. In spätestens zehn Minuten würde Ilona Kirsten bei ihm sein. Er hatte sie vor der Sitzung kurz an die Seite genommen und um eine anschließende kurze, private Unterredung gebeten.

Es klopfte. „Ja, kommen sie herein.“ Die Frau betrat den Raum. „Sie wollten mich noch sprechen?“ „Ja, ich habe ihnen einen Vorschlag zu machen.“ Er reichte ihr eines der Rotweingläser und deutete auf die Sitzgruppe. „Bitte - nehmen Sie für einen Moment Platz.“ Er hob kurz sein eigenes Glas und prostete ihr zu. Sie nippte aus Höflichkeit ein wenig daran. Damit hatte er gerechnet. Das Betäubungsmittel war allerdings so hoch dosiert, dass sie trotzdem innerhalb von fünf Minuten ohnmächtig sein würde. „Sehen Sie“, er setzte sich ihr gegenüber und lächelte sie freundlich an, dabei betrachtete er ihren makellosen Körper, der ihm bald in jeder Hinsicht zur Verfügung stehen würde. Du verdammtes Luder, ich werde dich quälen, bis du mir auf Knien hinterher rutschen wirst. Langsam trank er sein Glas aus und lehnte sich entspannt zurück. „Ilona, sie sind jetzt seit sieben Jahren bei mir beschäftigt. Sie haben sich in dieser Zeit bewährt, ich war mit ihnen meistens zufrieden. Sie beziehen ein Gehalt von“, er lächelte, „ich weiß nicht genau, circa zwei Millionen nebst Spesen und ab und zu eine kleine Anerkennung. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich ihnen nach dem letzten Auftrag fünfzigtausend Euro extra und dazu noch in bar angewiesen.“ Er beobachtete die Frau und bemerkte, wie diese immer häufiger die Augen schloss und gähnte. Auf dieses Betäubungsmittel war wie immer Verlass. „Sehen sie, ich glaube, sie haben allen Grund dankbar zu sein.“

Ilona Kirsten nickte, „ja - ich kann nicht klagen. Ich denke aber, dass ich auch einen guten Job mache.“ „Du hast mir widersprochen!“ Er war aufgesprungen und brüllte sie an. Die Frau zuckte zusammen, war aber bereits so lethargisch, dass sie trotz aller Anstrengung immer wieder vornüberkippte. „Dafür werde ich dich bestrafen müssen. Du wirst es bereuen mir nicht genügend Respekt erwiesen zu haben. Ich werde dir zeigen was es bedeutet mir zu widersprechen, ich werde dich …“

Die Frau war eingeschlafen. Der Mann schlug ihr mit der flachen Hand mehrmals grob ins Gesicht. Es erfolgte keine Reaktion. Zufrieden nickte er und hob die Frau auf. Er warf sie sich über die Schulter und ging zu dem Lift, der von dem Büro aus direkt zu seinem privaten Parkplatz führte. Als er ausstieg, ging automatisch das Licht an. Das Parkdeck war leer, dafür hatte er rechtzeitig gesorgt. Mit der Fernbedienung öffnete er den Kofferraum und legte die betäubte Frau achtlos hinein. Dann fuhr er mit dem Lift in sein Büro zurück.

Er sah sich um, die Tasche der Frau legte er vor die Aufzugtür. Dann stellte er sein Rotweinglas neben die Flasche und strich den Platz sauber, auf dem Ilona Kirsten gesessen hatte. Prüfend sah er sich mehrmals um, er konnte keine verräterischen Spuren mehr entdecken. Er nahm das Glas, das die Frau verwendet hatte, ging zum Lift, hob die Tasche auf und fuhr zurück zu seinem Parkdeck.

Sorge

„Bitte melde dich doch“, fast flehend flüsterte die zierliche Frau die Worte ins Telefon. Sie hatte in den letzten Stunden vergeblich versucht, ihre Freundin telefonisch zu erreichen. Zunächst zu den vereinbarten Uhrzeiten, den Zeitpunkten, die nur ihnen gehörten. Momente, in denen sie miteinander sprachen, wenn sie getrennt waren, um über sich und ihre gemeinsame Zukunft zu plaudern. Ihre Beziehung war trotz aller Schwierigkeiten langsam, aber stetig gewachsen. Und jetzt war bald der Tag gekommen, an dem sie gemeinsam einen neuen Lebensabschnitt beginnen wollten.

Leider war es ihnen bisher nicht möglich gewesen, sich öffentlich zu ihrer Liebe zu bekennen. Zwar war es in der Zwischenzeit üblich geworden, dass sich Menschen outeten und öffentlich dazu bekannten lesbisch oder schwul zu sein, aber ihr Ding war das nie gewesen. Sie selbst benötigte tatsächlich viele Jahre und mehrere unglücklich verlaufende Beziehungen, bis sie sich endlich eingestand, lesbisch zu sein. Sie wollte eigentlich immer nur normal sein, konnte aber nicht verstehen, was viele ihrer Freundinnen an Männern fanden. Bis sie dann eines Tages Ilona traf – und die gab ihr die Sicherheit, den Halt und vor allem die Kraft sich einzugestehen, dass sie nicht abnormal veranlagt war, sondern, dass sie einfach nicht hetero, sondern eben lesbisch war. Und für Ilona war das völlig normal; denn, so argumentierte sie treffend, sonst würde es diese Art der Veranlagung in der Natur nicht geben.

Allerdings fand es auch Ilona zunächst besser, dass sie ihre Beziehung geheim hielten. Sie hatte sich einen sehr guten Job in der Computerbranche erarbeitet und befürchtete, dass sie Repressalien erleiden würde, wenn herauskam, dass sie lesbisch veranlagt war. „Das ist nun mal so. Ich kenne mehrere Manager, die so was von stockschwul sind, dass man es ihnen aus zehn Meter Entfernung ansieht. Aber dazu bekennen würden sie sich niemals. Sie haben sich fast alle eine Scheinwelt mit Frau und Kindern aufgebaut und würden alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um ihre wahre Veranlagung zu verbergen. Und gerade deshalb ist es auf jeden Fall besser, wenn wir beide unsere Liebe noch für kurze Zeit geheim halten. Ich habe noch einen letzten Auftrag zu erledigen, dann werde ich kündigen und wir können endlich ganz offiziell zusammenziehen.“

Nochmals wählte die Frau die Nummer. Abermals ertönte das Freizeichen und wieder meldete sich niemand. Vielleicht war es Ilona aufgrund der intensiven Vertragsarbeiten, so kurz vor dieser wichtigen Firmenübernahme, nicht möglich ans Telefon zu gehen, oder per Handy eine kurze SMS zu senden. Allerdings passte dieses Verhalten einfach nicht zu ihr. Sie war so überaus korrekt und achtete stets darauf Regeln einzuhalten, vor allem wenn es welche waren, die sie beide betraf. Voller Sorge legte die Frau das Telefon beiseite.

Liebe

„Wie geht es, dir mein Liebling?“ Fast zärtlich flüsterte er in das Handy. „Vermisst du mich?“ „Ja, sehr. Bist du auch so allein?“ „Natürlich, wie immer. Du weißt doch, dass ich dich nur anrufe, wenn er nicht da ist. Er ist so verdammt gefährlich. Ich traue ihm einfach alles zu.“ „Ich auch.“ Die Stimme der Frau zitterte leicht, „er geht über Leichen. Leider habe ich erst nach meiner Heirat bemerkt, was für ein teuflischer Mensch er tatsächlich ist. Für ihn sind wir nur Spielfiguren. Ich glaube nicht, dass es irgendjemand auf der Welt gibt, den er als gleichberechtigt ansieht. Wenn er von unserer Beziehung wüsste …“ „… würde er mich töten lassen und dich vermutlich auch. Der übliche Unfall, glaube mir, ich weiß in der Zwischenzeit Bescheid. Ich bin mehr als achtsam, wenn es um uns beide geht.“ „Es wäre schrecklich, wenn du … nicht mehr da wärst, ich könnte nicht mehr weiterleben. Ich würde alles hier aufgeben, nur um mit dir ...“ Die Frau, mit der er gerade sprach und die er über alles liebte, begann zu weinen. Leise schluchzend sprach sie weiter, „… es ist unerträglich … das ganze verdammte Geld, dieser goldene Käfig, in dem ich lebe. Du glaubst gar nicht, wie verlogen das alles ist. Ich würde sofort auf alles verzichten … wirklich auf alles, wenn ich endlich mit dir … leben dürfte, offiziell als Paar … vor aller Welt ...“

„Nicht weinen Liebling, es ist so schon schwer genug. Ich verspreche dir, dass ich mir etwas einfallen lassen werde. Glaube mir, ich finde eine Lösung.“ „Bitte bald ..., ich … ich kann nicht mehr ..., in ein paar Tagen ist er wieder hier, zusammen mit dir. Wenn er mich dann nachts ..., es macht ihm so viel Spaß, weil er genau spürt, dass ich Angst vor ihm habe und mich ekle vor den Dingen, die er von mir verlangt.“ „Bitte sprich nicht weiter, ich kann es nicht ertragen. Wenn ich nur daran denke, dass er dich berühren wird ...“, der Mann brach ab und sah kurz aus dem Fenster. Das Zimmer, in dem er stand, war unbeleuchtet, sodass man ihn von draußen nicht sehen konnte. Ein Auto rollte langsam die große breite Auffahrt hoch. „Ich muss aufhören, er kommt!“ „Bitte pass auf dich auf.“ „Ich liebe dich“. Der Mann unterbrach abrupt die Verbindung. „Mein Gott, wie ich diese Frau liebe und wie ich diesen verdammten Menschen verabscheue und hasse“, murmelte er vor sich hin. Er steckte das Handy ein und trat von dem Fenster etwas zurück. Er wollte sich schon vorsichtig ganz zurückziehen, als er beobachtete, wie der Fahrer entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten, das Auto nicht vor den Parkplätzen stehen ließ, sondern direkt in die große Garage fuhr. Der Betrachter schüttelte überrascht den Kopf und wollte sich bereits abdrehen, als er sah, dass der Mensch, den er über alles auf der Welt hasste, erneut zurückgekommen war. Der Mann blickte sich mehrmals um und betrachtete aufmerksam die große Villa. Als er sich vergewissert hatte, dass alles im Dunkeln lag, hob er etwas aus dem Kofferraum und warf es sich über seine Schulter. Es war aufgrund der Entfernung und der Lichtverhältnisse schwer zu erkennen, was der Mann trug, aber es handelte sich um einen größeren, länglichen Gegenstand. Der Mann am Fenster versuchte mehr zu sehen, aber in diesem Moment schlossen sich die Garagentore. Nachdenklich setzte er sich auf sein Bett und überdachte die Situation. Er wusste, dass er in nächster Zeit sehr achtsam sein musste, vielleicht ergab sich dann endlich die Gelegenheit, auf die er schon so lange gewartet hatte.

Das Verlies

Gegen 23:30 Uhr kam er in seiner Villa an. Er öffnete mit seinem Codegeber das große Stahltor und fuhr anschließend direkt in seine Garage. Langsam stieg er aus und sah sich sorgfältig um. Die Villa lag im Dunkeln, kein Licht war hinter den zahlreichen Fenstern zu sehen. Schließlich betrat er von der Garage aus den Verbindungsflur zum Haus. Auf halbem Weg befand sich die Tür zu seinem großen Weinkeller. Er öffnete diese Tür und betrachtete voller Stolz die umfangreiche Sammlung.

„15.000 Flaschen, davon einige Hundert unbezahlbare Raritäten. Und dazu eines der raffiniertesten Verstecke, dass man sich vorstellen konnte.“

An der Wand befanden sich mehrere große Fässer. Er ging auf jenes zu, das direkt am Ende des Ganges stand. Mit einem Griff in eine versteckte Mulde im Fass löste er den Mechanismus aus, der den großen Behälter in den Boden gleiten ließ. Dies war aber nicht das eigentliche Geheimnis des Kellers, denn er konnte alle seine Weinfässer auf diese Weise in den Boden versenken. Hinter dem letzten Fass befand sich in der Wand eine Stahltür, eine Tatsache, die nur er kannte. Der Mann betätigte erneut seinen Codegeber und die geheime Stahlwand glitt völlig geräuschlos auf.

Eilig ging er zu seinem Auto zurück und holte die gefesselte und mit Folie umwickelte Frau aus dem Kofferraum. Sie war immer noch bewusstlos. Er warf sie sich erneut über die Schulter, nahm die Handtasche und das Glas und ging zurück in seinen Weinkeller. Beim Hinausgehen betätigte er den Mechanismus, welcher das Garagentor verschloss.

Durch die geheime Tür kam er in einen Gang, der nur einen Meter breit war. Der schmale Weg führte circa zehn Meter leicht in die Tiefe und endete vor einer weiteren Stahltür. Auch diese öffnete der Mann unter Zuhilfenahme seines Codegebers. Er betrat einen geräumigen Vorraum, an dessen Ende sich eine große Glasfront befand. Von einer schmalen Tür aus betrat er schließlich das versteckte Zimmer, welches sich hinter der Glasfront verbarg.

Er ließ die Frau gefühllos zu Boden gleiten und sah sich um. Kein Mensch auf der Welt wusste von den geheimen Räumen unter dem Weinkeller. Er hatte beim Bau der Villa den dreißig Quadratmeter großen Kellerraum illegal miteinfügen lassen. Der Raum war in keinem Bauplan eingezeichnet. Nach den Betonierarbeiten hatte er die Stahltür anbringen lassen und abgeschlossen. Die Vorrichtungen im Verlies, wie er den Raum nannte, welche er benötigte, um seinen perversen Neigungen nachgehen zu können, hatte er anschließend selbst eingebaut. Seitdem hatte, außer ihm und ein paar seiner früheren Gefangenen, kein Mensch mehr diese Räume betreten. Und die Personen, die er hier zu seinem Vergnügen festgehalten hatte, waren allesamt einen qualvollen Tod gestorben.

Dreißig Quadratmeter sauber gekachelt, damit er das Zimmer bei Bedarf leichter reinigen konnte. In einer Ecke befanden sich eine WC-Schüssel und eine Dusche. Auf dem Boden lagen noch einige alte, schmuddelige Decken herum. Das war die komplette Einrichtung und sie war für seine Zwecke ausreichend. Wenn keinerlei Gegenstände vorhanden waren, konnten seine Gefangenen diese auch nicht als Waffe gegen ihn benutzen, sinnlose Ausbruchsversuche starten, oder sich, was ihm am meisten ärgern würde, selbst töten. Dieses Recht stand nämlich zuletzt ausschließlich ihm zu.

Er kniete sich zu Ilona Kirsten hinunter und begann sie auszuziehen. Die Frau war sehr gepflegt und hatte einen fast makellosen Körper. Als sie völlig nackt war, spreizte er ihre Beine und betrachtete sie genüsslich. „Wir werden verdammt viel Spaß miteinander haben Ilona.“ Anschließend holte er aus dem Nebenzimmer eine Stahlkette und legte die angeschweißte Fußfessel der Frau um. Sorgfältig schloss er ab und befestigte das andere Ende an einem eigens dafür angebrachten Haken an der Wand. Die Frau konnte sich jetzt im Raum frei bewegen. Die Fußkette war an sich nicht notwendig, da ein Ausbrechen aus dem Verlies völlig unmöglich war. Aber es hatte einen gewissen zusätzlichen demoralisierenden Effekt auf die Gefangene. Zufrieden lächelnd schloss er den Raum ab.

Von der Glasfront des Nebenzimmers aus beobachtete er sein Opfer. Die Wand war eine raffinierte Konstruktion, von dem Vorraum aus konnte er den Raum voll einsehen. Es waren im Grunde zwei Zimmer, die durch eine Glaswand getrennt waren. Vom anderen Raum aus waren die Spiegel blind und geformt wie die Kacheln. Für jemanden der das Geheimnis nicht kannte, war diese Wand genauso gefliest wie der Rest des Zimmers. Die Handtasche seines Opfers ließ er im Vorraum liegen. Er würde sie bei Gelegenheit durchsuchen. Das Glas, aus dem Ilona Kirsten getrunken hatte, nahm er mit, er würde es später zur Reinigung in seine Spülmaschine stellen. Zum Glück hatte er dafür gesorgt, dass sich in seinem Büro und in der Villa dasselbe Geschirr befand. Sorgfältig schloss er sämtliche Türen hinter sich ab. Er ließ das Weinfass wieder aus der Versenkung hochfahren. Für keinen Menschen auf der Welt war nun erkennbar, dass sich hier weitere verborgene Räume befanden.

Er nahm sich aus einem verstaubten Regal nach einigem Zögern eine Flasche Mouton Rothschild 1945, den er immer für besondere Anlässe bereithielt. Anschließend ging er dann zufrieden vor sich hin summend durch den Flur, der Garage und Villa verband, zu seinen Privaträumen. Im Wohnzimmer öffnete er die Flasche und goss den Wein in ein teures antikes Trinkglas. Er hob den Becher gegen das Licht und betrachtete die schimmernde Flüssigkeit. „Auf unsere gemeinsame Zeit Ilona.“ Voller Genuss trank er. Der gemeine Pöbel wusste gar nicht, wie gut Wein schmecken konnte. Hier hatte er nicht viel Auswahl. Aber daheim im Stammsitz der Greens lagerten in einem von Kameras überwachten, voll klimatisierten Weinkeller noch mehr Flaschen Mouton Rothschilds, einige Château Lafitte noch mit tt geschrieben. Dazu selbstverständlich noch viele weitere Raritäten, die er über Mittelsmänner beim Auktionshaus Christie’s, günstig hatte ersteigern lassen.