Sandkuchen für Herrn Goethe - Peter Ohren - E-Book

Sandkuchen für Herrn Goethe E-Book

Peter Ohren

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Beschreibung

In einem Kölner Café trifft ein Besucher auf einen besonderen Gast. Es entspinnt sich ein Gespräch, bei dem der Gast sich im Laufe der Unterhaltung als der große Dichter Johann Wolfgang von Goethe herausstellt. Aber nur der Besucher erkennt ihn als diesen. Für alle anderen Café Besucher bleibt er ein Gast wie jeder andere. Was Sandkuchen, Köln und Goethes Weimarer Zeit miteinander zu tun haben, darauf darf man gespannt sein.

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INHALT

Kapitel 1

Die Begegnung

Kapitel 2

An jedem Mittwoch

Kapitel 3

Der Abschied

Es kommt nicht darauf an,

dass Freunde zusammenkommen,

sondern darauf, dass sie

übereinstimmen“

Johann Wolfang von Goethe

Kapitel 1

Die Begegnung

1

Eigentlich bin ich gar kein Besucher von Cafés, zumal, wenn ich allein in die Stadt fahre. So wie viele Leute nehme ich am liebsten, wenn schon in einem Café, dann aber an einem Tisch für mich allein Platz.

Zum Glück habe ich den heute erwischt, spüre aber schon, dass irgendwer erpicht ist, ebenfalls an meinem Tisch Platz zunehmen, der leider noch einen freien Stuhl hat. Es geht höflich zu, „mein Herr ist dieser Platz noch frei?“, ja was soll ich sagen, „ja natürlich. Nehmen sie Platz“.

„Ist es immer so voll in diesem Kaffeehaus? Es ist wahrlich ein Problem, einen Platz zu bekommen“, beginnt der Herr sein Gespräch.

„Ich gehe selten in ein Café“, antworte ich, „und muss ihnen sagen, dass auch ich es als voll empfinde.“

Der Herr entsorgt seinen Mantel und den Hut, irgendwie altmodisch anmutend, an einem Haken an der Wand, reibt sich die Hände und nimmt Platz an meinem Tisch, der jetzt ja nicht mehr 'mein' Tisch ist.

„Sie kommen wohl hier aus der Region?“, fragt der Herr. „Ja“, antworte ich verhalten. Das Wort Region irritiert mich etwas. Wir in Köln würden eher sagen: 'Sie kommen wohl aus der Gegend hier?' Ich betrachte mir den Herrn etwas genauer. Er ist von großer Statur und trägt einen eigentümlichen Anzug mit altmodischer Binde. Dabei wirkt er sehr selbstbewusst, aber nicht unangenehm, so dass ich sagen müsste, der Herr hat was. „Ja“, sage ich nochmals, und versuche, das Gespräch wiederaufzunehmen. „Für einen Mittwoch ist es doch wirklich sehr voll hier“.

„Es könnte einen besonderen Grund haben“, überlegt der Herr. Er lehnt sich zurück, schaut sich im Lokal um und hält offenbar nach einer Bedienung Ausschau. Ich frage, welchen besonderen Grund es für den überaus guten Besuch des Cafés, für die vielen Menschen hier geben könnte. „Die Stadt ist voll von Literaten“, postuliert mein Tischnachbar.

„Ach, wieso?“

„Ich bin in diese Stadt gekommen, um zu erfahren, was es mit der Literaturveranstaltung 'Lit. Cologne' so auf sich hat“. Derweil kommt die Bedienung an unseren Tisch, wartet etwas ungeduldig, um die Bestellung aufzunehmen.

Der Herr wendet sich ihr mit erhobenen Augenbrauen zu: „Sie haben uns ja erfreulich viel Zeit gelassen zum Aussuchen, nur ... hier liegt kein Blatt, mit dem ich ... oder sagen wir ... aus dem wir hätten aussuchen können“. Abrupt dreht sich die kleine Person um und holte vom Nachbartisch die Speisekarte, hebt den Kopf und wartete etwas arrogant auf das, was wir zu bestellen gedenken.

Ich bitte um einen 'English Tea' mit Milch und Zucker. Der Herr mir gegenüber bestellt einen kräftigen Kaffee. „Was Verstehen sie unter kräftigem Kaffee? Sie müssten mir schon sagen, was genau sie haben wollen“, tönt die Bedienung. Ich schalte mich ein und erwidere, „der Herr möchte einfach nur einen Kaffee, ist das so kompliziert?“ Er schaut mich an, dann wieder die Bedienung und sagt: „Einfach Kaffee und ein Stück Sandkuchen“.

„Wenn sie Kuchen wollen, müssen sie nach vorn an die Glasvitrine gehen. Da haben wir eine große Auswahl, von allem etwas. Sie bestellen, und ich bringe es ihnen.“

Der Herr schaut wieder mich an. „Wieso aussuchen? Wenn ich Sandkuchen bestelle, dann bekomme ich doch wohl Sandkuchen, ohne dass ich mich bemühen muss, den auch noch auszusuchen. Ich bin es gewohnt, dass man mir ohne große Diskussion das bringt, was ich haben will“. Mit versteinertem Gesicht dreht die Bedienung ihren Kopf zur Seite und geht.

„Übrigens, sie haben 'English Tea' mit Milch und Zucker bestellt, ist das Mode hier?“

„Nein, seit meinem letzten Besuch in Großbritannien habe ich meine Leidenschaft für dieses Getränk entdeckt und ziehe es dem Kaffee vor. Aber Verzeihung mein Herr, sie haben eben die 'Lit. Cologne' erwähnt, haben sie da irgendwie eine Beziehung zu, oder wie soll ich das verstehen?“

„Im Grunde genommen 'ja', doch kann ich nicht mehr öffentlich auftreten. ... Mich gibt es so nicht mehr!“

„Oh, mein Herr Sie werden mir aber jetzt mystisch interessant. Doch, bevor Sie fortfahren, möchte ich ihnen raten: Suchen sie sich selbst ein Stück Kuchen aus, da vorn in der Vitrine. Neben Sandkuchen gibt es dort noch vieles, was für sie geschmacklich infrage käme“.

„Nein, nein, ich möchte einfach Sandkuchen“, beharrt der Herr.

Die Bedienung bringt mir den Tee und für den Herrn eine große Tasse schwarzen Kaffee. Er senkt sein Haupt und bedauert leise, seinen Sandkuchen nicht bekommen zu haben. Ich schlage ihm vor, für ihn das Aussuchen zu übernehmen. Er stimmt zögerlich zu, und ich gehe schließlich zur Vitrine, bestelle ein Stück Rodonkuchen. Das ist ein Napfkuchen, dem Sandkuchen ähnlich.

Der Kuchen wird gebracht, und der Herr bedankt sich bei mir für die Hilfe. Er scheint mit meiner Auswahl zufrieden zu sein.

„Mir ist aufgefallen, dass viele Menschen in dieser Stadt recht freundlich sind. Und Sie gehören dazu“, versichert mir der Herr. Ich schlürfe an meinem 'English Tea' und beobachte mein Gegenüber sehr intensiv, bemühe mich aber, dabei nicht zu aufdringlich zu wirken. „Mein Herr Sie haben mich mit Ihren ... sagen wir ... mysteriösen Bemerkungen von eben unheimlich neugierig gemacht. Habe ich Sie vielleicht schon einmal in irgendeiner Form … erlebt? Sagen wir ... mental, in Form von Literatur?“

„Da bin ich mir sicher“, der Herr blickt mir in die Augen, und ein feines Lächeln empfängt mich. „Lesen Sie gern und viel?“, will er wissen. „Ja, ich lese gern, eigentlich immer. Es vergeht kein Tag ohne. Das Buch ist für mich sogar eine Art … Lebensader. Wenn es die Literatur nicht gäbe, so würde ich sie neu erfinden. Er sieht mich begeistert an: „Mein junger Freund, so darf ich sie nennen, ich bin fasziniert, wie sie das formuliert haben. Ich befinde mich bei ihnen in guter Gesellschaft.“

Mir wird auf einmal ganz blümerant bei dem Gedanken, wer dieser Herr mir gegenüber ist oder sein könnte ... tatsächlich ein großer Schriftsteller? Nein, das kann einfach nicht sein.

„Ich muss noch einmal auf meine Frage zurückkommen“, winde ich mich, „sind Sie irgendwie Teilnehmer bei der 'Lit. Cologne'?“

„Nein“, erwidert der Herr, „ich möchte in Erfahrung bringen, ob heutzutage Bücher noch einen Stellenwert haben. Ich habe mich sehr besorgt gezeigt als ich erfuhr, dass die lesende Welt nun auf ein modernes Instrument umsteigen könnte ... und somit das klassische Buch bedroht ist, ganz aus dieser Welt zu verschwinden. Andererseits, bevor wir uns hier in diesem überfüllten Kaffeehaus begegnet sind, habe ich mich in einem großen Buchladen umgeschaut. Mit Genugtuung musste ich dabei feststellen, die Menschen kaufen noch Bücher und werden auch darin lesen“.

„Tatsächlich teile ich die Sorge mit Ihnen, dass Bücher als Medium verschwinden könnten. Auch ich möchte sehr, dass das Buch als Buch erhalten bleibt“.