Sankalpa - Alexander Liebminger - E-Book

Sankalpa E-Book

Alexander Liebminger

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Beschreibung

Was wäre wohl gewesen, wenn Aleg Porter auf die Warnung des Engels der Wandlung gehört hätte? Wäre dann das Schicksal nicht aus seinen Angeln gehievt und der Aufstiegsplan der Lichtgötter in akute Gefahr gebracht worden? Als der Archäologiestudent Aleg Porter zusammen mit seinen Freunden Gerrad und Hario in den Gemäuern der Ruine Reffstone ein uraltes Relikt aus seinem Versteck befreit, geschehen seltsame Ereignisse. Erst friert die Zeit ein, dann dringt eine mysteriöse Lichterscheinung in Alegs Kopf, zudem offenbart sich ihm der Engel der Wandlung, besser bekannt als der Tod. Dieser legt ihm nahe, sich nicht in den Lauf des Schicksals einzumischen. Aleg ignoriert die Warnung und setzt eine Flut von Ereignissen in Gang, die die ganze Welt bedrohen. Tauchen Sie ein in das größte Abenteuer der Menschheitsgeschichte und sehen Sie die Welt mit neuen Augen!

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Seitenzahl: 850

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Inhaltverzeichnis

Impressum

Widmung

Einleitung Prolog

Prolog 1 Das Vermächtnis der Götter

Prolog 2 Die Stimme

Prolog 3 Die Schöpfungsgeschichte

Prolog 4 Illums Flucht

Einleitung

Der göttliche Funke

Das Mal

Goldstaub

Nachrichten aus der Vergangenheit

Ungebetener Besuch im Hause Porter

Nächtliche Begegnungen

Prinzessin Mandara

Der Angriff der Schatten

Crossover: Zu Gast bei den Rafters/ Das Geheimnis der Jailstoner Bibliothek

Die Kapelle zu Glasterhome

Die dunkle Zusammenkunft

Das Attentat

Erste Schritte

Crossover: Im Tempel des Re/Das Ruinenmassaker

Crossover: Das goldene Medaillon

Gefangen

Die Maschine der Götter

Die Frequenz des Seelentransfers

Göttliches Manna

Die Lehren der Anuiten

Aufbruch in die Anderswelt

Danksagung

Pöls – Das wahre Jailston

Quellen

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2014 novum publishing gmbh

ISBN Printausgabe: 978-3-99038-352-0

ISBN e-book: 978-3-99038-353-7

Lektorat: Katja Kulin

Umschlagfoto: Alexander Liebminger

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Widmung

Dieses Buch widme ich allen begeisterten Lesern von Fantasy, Science-Fiction, Esoterik und Abenteuergeschichten.

Ich habe versucht, allen Sparten gleichermaßen gerecht zu werden.

Zudem widme ich diesen Roman sämtlichen Menschen,

die das Zehnfingersystem nicht beherrschen.

Ich habe dieses Buch mit zwei Fingern geschrieben!

Einleitung Prolog

Erst wenige Jahre war das 17. Jahrhundert alt, da wurde es auch schon mit dem dunkelroten Lebenssaft vieler unschuldiger Wesen befleckt. Während das Zeitalter der Renaissance in ganz Europa immer mehr auf dem Vormarsch war und sich Wissenschaft und Forschung allmählich ihrer Kinderschuhe entledigten, eskalierten nach und nach die stetig gewachsenen Spannungen zwischen den vielen, auf engstem Raum zusammenlebenden Menschen mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen.

Die Intoleranz vieler hielt dem Krieg Tür und Tor auf und es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Hass, Habgier und Gewalt zu einem Schleier des Todes bündelten, welcher sich wohl in kürzester Zeit über den ganzen Kontinent legen würde. Was mit dem Prager Fenstersturz und der Krönung von Ferdinand dem II. zum König von Ungarn begann, mündete nach der Niederlage der ehemaligen Ostseemacht Dänemarks im sogenannten Schwedischen Krieg, in dem Gustav Adolf von Schweden seine hegemonialen Ansprüche in Nordosteuropa durchsetzen wollte, und endete schließlich im Schwedisch-Französischen Krieg, dessen Kämpfe ihren Höhepunkt in den 40er-Jahren des 17. Jahrhunderts erreichten und hauptsächlich auf deutschem Boden stattfanden.

Inmitten von Seuchen, Mord und Totschlag hatte sich zudem Anfang der 20er-Jahre im alpenländischen Raum unbemerkt von allen anderen Krieg führenden Parteien eine weitere Hochburg gebildet − die von den Habsburgern als eigenständig anerkannte Provinz Jaresta. Ihr Gründer und zugleich auch alleiniger Herrscher Jares hatte wohl nur auf eine Schwächung der königlichen Truppen gewartet, um seine eigenen Pläne umsetzen zu können. An sämtlichen Fronten wurde immer noch gekämpft und die Pest, gepaart mit vielen weiteren Seuchen, hatte gut ein Drittel der bürgerlichen Bevölkerung dahingerafft, ehe sich ein gigantisches Heer von Jaresta aus Richtung Böhmen in Bewegung setzte.

Zielorientiert folgten die Mannen des Jares stur ihrem Weg und hinterließen in allen Gegenden und Ortschaften, die sie durchquerten, eine Spur des Schreckens und der Zerstörung. Ihre Gräueltaten machten beinahe den Anschein, als ob niemand zurückbleiben sollte, der irgendjemandem von ihnen berichten konnte. Jares wollte seine Angelegenheiten wohl im Mantel der vielen anderen Schlachten verbergen, die zur selben Zeit überall im Lande stattfanden.

Erst nachdem dieser grauenvolle Durchmarsch querfeldein unzählige Opfer gefordert hatte, stellten die Jarestaner an einem unscheinbaren Spätsommertag sämtliche Kampfhandlungen ein und bliesen überraschend zum Rückzug. Kurz zuvor hatten sie auf beinahe bestialische Art und Weise eine böhmische Festung dem Erdboden gleichgemacht. Die Schreie ihrer vielen Opfer waren vom Wind bis in die umliegenden Dörfer getragen worden und der Qualm des lichterloh brennenden Gemäuers war selbst mit bloßem Auge auch aus großer Entfernung immer noch klar zu erkennen.

Es dauerte mehrere Wochen, bis dieses gigantische Heer dieselben Landstriche, welche es meuchelnd bereits einmal durchquert hatte, erneut passierte, bis es schließlich, so schnell wie es gekommen war, in den südlichen Alpen verschwand. Eines war den Jarestanern aber nicht gelungen, nämlich unerkannt zu bleiben und keine Zeugen zurückzulassen! Obwohl nach wie vor immer noch überall in Europa gekämpft wurde, war die Freude über das Abrücken dieser Zehntausend-Mann-Armee unter den Menschen in den betroffenen Gebieten groß. Ein fahler Beigeschmack blieb allerdings zurück, denn niemand konnte sich erklären, warum das Heer aus Jaresta seinen Feldzug ohne einen nachvollziehbaren Grund beendet hatte. Aufschlussreiche Antworten von den höheren Adeligen, die jene Festung bewohnt hatten, welche von den Jarestanern mitsamt des umliegenden Dorfes in Grund und Boden gestampft worden war, vermochte man nicht mehr zu bekommen, da dort niemand mehr am Leben war. Alles, was in den Überresten dieser Grafschaft noch gefunden wurde, waren sterbliche Überreste von Mensch und Tier, die verstümmelt und geschändet an der Stätte des Kampfes zurück geblieben waren.

Jetzt, wo das tägliche Klirren der Schwerter und die Schreie der gepeinigten Menschen verstummt waren, regierte eine beunruhigende Stille die betroffenen Gebiete, in denen die wenigen verstörten und verängstigten Überlebenden dieses feigen, jarestanischen Feldzuges nur sehr langsam in ihr früheres Leben zurückfanden. Obwohl es nun wieder möglich war, gefahrlos sein Tagwerk zu verrichten oder zu später Stunde noch aus dem Haus zu gehen, traute niemand diesem plötzlichen Frieden, denn wer konnte schon mit Gewissheit sagen, dass diese todbringende Armee, welche sich in diesen ohnehin schon schweren Zeiten dann auch noch gegen die eigenen Landsleute gerichtet hatte, nicht erneut wiederkommen würde? Absolut niemand! Deshalb dauerte es auch nicht lange, bis von den Überlebenden jener Ländereien, die unter dem Durchmarsch der Jarestaner gelitten hatten, eine öffentliche Versammlung einberufen wurde, um zu klären, was man nun in dieser Angelegenheit unternehmen sollte. Lange Diskussionen waren nicht vonnöten, denn sowohl der Adel mitsamt dem Rittertum als auch die einfachen Bauern und Bürger waren sich schnell einig und kamen zu dem Schluss, dass man das Übel an der Wurzel packen musste, solange man die Gelegenheit dazu bekam. Für absolut jeden, der dieser Versammlung beiwohnte, gab es nur eine logische Schlussfolgerung. Über kurz oder lang würde Jares sich wohl gegen den König stellen und nach der alleinigen Herrschaft im Lande streben, was zu einer grauenvollen Tyrannei führen würde. Endgültiger Frieden für nachfolgende Generationen würde demnach erst dann gewährleistet sein, wenn Jares gestürzt war! Nur dann konnte er nicht noch einmal schnell und tödlich wie eine Raubkatze zuschlagen, während sich Armeen, die seine Truppen womöglich hätten aufhalten können, anderswo gegenseitig bekämpften.

Einige kurze Vorbereitungen wurden getroffen und schon bald zogen die ersten von vielen, bunt zusammen gewürfelten Truppen still und leise los und drangen mit nur einem Gedanken im Kopf in die Provinz des gnadenlosen Schlächters ein. Jaresta musste fallen!

Ihre Angst hatte sich in Zorn verwandelt und der Schmerz über den Verlust von Angehörigen, den sie alle im Herzen trugen, schwand zusehends und wich grenzenloser Entschlossenheit, um für das Erlittene Vergeltung zu üben. Kein einziger der tapferen Männer, die sich nun auf dem Weg nach Jaresta befanden, kannte den eigentlichen Grund, warum der Tyrann Jares seine Truppen nach Böhmen entsandt hatte. Manche wollten gehört haben, dass er sein Heer unter dem Vorwand, Wallensteins Armee gegen die Dänen verstärken zu wollen, losgeschickt hatte, wodurch seine Truppen kaum auf Gegenwehr gestoßen waren. Andere waren schlicht der Meinung, dass jener Mann, der sich, von der nach ihm benannten Stadt aus ein inzwischen schon gar nicht mehr so kleines Imperium aufgebaut hatte, einfach nur verrückt geworden war. Doch all diese ungeklärten Fragen waren im Grunde nicht mehr wirklich relevant, denn eines stand zweifelsohne fest, nämlich dass an seinen Händen das Blut vieler Unschuldiger klebte, was ihn jetzt zum Ziel der aufgebrachten Meute machte, die sich in diesen Tagen vor den Toren Jarestas versammelte.

Es folgte die in den Wogen des Dreißigjährigen Krieges völlig untergegangene elfmonatige Belagerung von Jaresta, einer gigantischen Stadt, die sich wie eine uneinnehmbare Festung über zwei komplette Täler erstreckte. Auf dem Gipfel des Berges, welcher genau zwischen diesen beiden Tälern lag, geografisch gesehen also unmittelbar im Zentrum von Jaresta, befand sich die persönliche Residenz von Jares. Eine gigantische Burg, die sich hoch in den Himmel erstreckte und bereits aus der Ferne für jedermann erkennbar war. „Steinerner Reif“ wurde sie von den Belagerern aufgrund ihrer rundlichen Bauart auch gerne genannt. Zugleich Autorität und Angst verbreitend kennzeichnete sie für die Freiheitskämpfer jenen Ort, den es nun einzunehmen galt.

Mehrere Stadtmauern und Gräben machten den Angreifern ihr Vorhaben, die Stadt zu unterjochen, alles andere als leicht, dennoch gelang es ihnen bereits nach einem Monat, den ersten Wall zu durchbrechen und sich in der Stadt festzusetzen. Täglich tobten Kämpfe in den Straßen und das Aufeinanderprallen von Schwertern stand für die Einwohner Jarestas längst an der Tagesordnung. Wenn die Besetzer gegen das gigantische Heer des Imperators auch nur den kleinsten Etappensieg feierten, sprach sich dies wie ein Lauffeuer herum, worauf immer mehr Menschen den Mut fanden, sich gegen Jares zu stellen, weshalb die Zahl der Belagerer trotz der vielen Toten in den eigenen Reihen nicht kleiner wurde. Diesen Vorteil hatte Jares, eingesperrt in der von ihm gegründeten Herrscherstadt nun nicht mehr. Sein Heer schrumpfte zusehends und immer mehr Stadtteile fielen in die Hände des Feindes. Allein der steinerne Reif war nach wie vor unantastbar geblieben und schien lachend auf seine Angreifer ins Tal zu blicken. Da des Imperators dezimierte Armee den letzten Mauerwall um den Berg herum verbissen und mit Erfolg zu verteidigen wusste, entstand eine klassische Pattstellung, woran sich auch in den darauffolgenden Wochen nichts änderte.

Der geschickten Kriegslist eines Einzelnen war es schließlich zu verdanken, dass es eines Tages einer kleinen Gruppe von etwa fünfundzwanzig Anuitenkriegern gelang, mitten durch die feindlichen Reihen hindurch bis in Jares Residenz vorzudringen. Doch obwohl sie weiter als alle Anderen vor ihnen gekommen waren, blieb ihnen die Gelegenheit, den Imperator zu Fall zu bringen, verwehrt. Denn bereits wenige Augenblicke, nachdem sie den steinernen Reif betreten hatten, wurden sie von der persönlichen Leibgarde des Eroberers gestellt, den sagenumwobenen Teufelskriegern. Der Mythos um diese speziellen Wächter des Imperators war zwar bis zu den Anuiten vorgedrungen, doch der geistliche Anuitenführer Markus hatte den Fehler gemacht, diese Gerüchte schlicht als Märchen abzutun.

Als Teufel in Menschengestalt waren diese mysteriösen Krieger nämlich von den wenigen Menschen beschrieben worden, welche behaupteten, eine Begegnung mit ihnen überlebt zu haben. Als Dämonen, die schnell und lautlos töteten und denen das Wort Gnade fremd war. Doch zu märchenhaft beziehungsweise übertrieben hatten all diese Geschichten geklungen, deshalb hielten sowohl der Ältestenrat der Anuiten als auch dessen Vorsitzender Markus sie schlicht für erfunden.

Der Kampf zwischen diesen Bestien und den eingedrungenen Anuiten war nur von kurzer Dauer und glich einem Gemetzel, das damit endete, dass nur eine Handvoll jener tollkühnen Anuitenkrieger an der Seite von Aros Mendes es schafften, diesen Ausgeburten der Hölle zu entkommen. Aros, der zum damaligen Zeitpunkt der berüchtigtste jener drei Männer war, die das geheime Heer der Anuiten anführten, zog noch in derselben Stunde knapp vierzig Geistliche von dem Anuitenkontingent ab, welches nach Jaresta geschickt worden war, um die Fortschritte der Belagerer im Kampf gegen Jares an den Ordensleiter Markus weiterzureichen, und verließ zusammen mit ihnen die Stadt des Todes. Das neue Ziel des Heerführers war es, auf schnellstem Wege die Heimstätte der Anuiten, einen geheimen Orden, versteckt in den Bergen Helvetiens, zu erreichen. Denn Aros war sich absolut sicher, dass ohne die Hilfe der Götter, an welche die Geistlichen schon seit ihren Anfängen ihre Gebete richteten, ein Sieg gegen Jares und die Monster, die ihn beschützten, nicht möglich war.

Seine felsenfeste Überzeugung, schon in Kürze mit diesen Göttern in Kontakt treten zu können, war aber weder Zweckoptimismus noch Spinnerei. Denn Aros wusste als einer von nur einer Handvoll Anuiten von dem größten und wohl am meisten behüteten Geheimnis des Ordens. Hierbei handelte es sich um ein Gewölbe, tief im Inneren des Berges verborgen, über dem die Gründerväter der Anuiten ihren Hauptstandort errichtet hatten. An diesem heiligen Platz, weit unter der Erde, befand sich ein uralter goldener Torbogen, durch den die Götter einst in höhere Sphären gelangt sein sollten, um von dort aus über ihre Kinder zu wachen. Noch heute wartete dieses Tor, den Glanz vergangener Tage verbreitend, in der Dunkelheit auf die Rückkehr seiner Erbauer.

Aros war einer der wenigen Anuiten, der die Existenz dieses mystischen Objektes bestätigen konnte, da er es bereits mit seinen eigenen Augen gesehen und mit seinen unwürdigen Händen berührt hatte. Manche Mitglieder des Ordens, welche die Geschichte von diesem goldenen Torbogen nur aus Erzählungen kannten, waren der festen Ansicht, man könnte durch ihn ins Paradies gelangen, aus dem Adam und Eva einst vertrieben worden waren. Diese Thesen beruhten natürlich nur auf Spekulationen, da es seit dem Bestehen des Ordens niemandem aus dem kleinen Kreis der Eingeweihten gelungen war, das Rätsel um die Herkunft und die Inbetriebnahme dieses Reliktes der Götter zu lösen.

Was im Ältestenrat hinter vorgehaltener Hand aber von niemandem bestritten wurde, war, dass es auf jeden Fall als Pforte dienen sollte. Ob es allerdings wirklich in jenes goldene Reich führte, wohin der Göttervater Anu und die anderen Götter nach der Erschaffung von Erde, Mensch und Tier wieder zurückgekehrt sein sollten, war dahingestellt. Fakt war aber, dass er, Aros, der oberste Heerführer der Anuiten es nach vielen Jahren des Suchens tatsächlich geschafft hatte, den vermeintlichen Schlüssel zum Öffnen dieses Tores in seinen Besitz zu bringen, obwohl ihm dies vom Oberhaupt und dem Ältestenrat der Anuiten ausdrücklich verboten worden war …

Prolog 1 Das Vermächtnis der Götter

1628 n. Chr., Mitteleuropa

Etwa drei Tage waren vergangen, seit sie das blutige Schlachtfeld Jaresta hinter sich gelassen hatten, als ihr Blick nach der Durchquerung eines engen Gebirgszuges endlich auf die heiligen Mauern des altehrwürdigen Anuitenklosters fiel. Mitten im Niemandsland errichtet und geschützt durch umliegende Berge, konnte man dieses von Menschenhand erschaffene Wunder wohl als einen der unzugänglichsten und verstecktesten Orte auf der ganzen Welt bezeichnen. Seit vielen Generationen diente dieses überwiegend nur aus Stein bestehende Kloster nun schon als Heim und Ausbildungsstätte für Menschen, die dazu bereit waren, ihren Geist für den wahren Glauben an den Gott Anu zu öffnen. Zudem beherbergte dieser Hauptstandort der Anuiten die ranghöchsten Ordensbrüder, alle Mitglieder des Ältestenrates sowie dessen Führer Markus. Die Ältesten kümmerten sich zum größten Teil selbst um die beinharte Ausbildung der jungen Anuitenrekruten, denn nur den gläubigsten und intelligentesten jungen Männern sollte es vorbehalten sein, in der Gemeinschaft der Anuiten ihren Dienst im Sinne des Gottes Anu zu verrichten.

Für die nicht gerade kleine Gruppe um den Anuitengeneral Aros Mendes gestaltete es sich schwieriger als erwartet, ungesehen von dem halben Dutzend als Wachposten abgestellten Anuitenmönchen in den gut bewachten Orden einzudringen und in den vielen belebten Gängen des Klosters nicht entdeckt zu werden. So dauerte es an die zwei Stunden, bis Aros, der gezwungen war, den Trupp der hierher geführten Anuitensoldaten in mehrere kleine Teams aufzuteilen, endlich jene Stelle erreichte, die den Geheimgang zum Herzstück des Anuitenordens hinter tonnenschweren Steinblöcken verbarg. Eine Treppe, die in ein Gewölbe führte, welches, wohl von Götterhand erschaffen, weit im Inneren des Berges lag. Aros, der eine der wenigen Personen war, die von diesem größten Geheimnis der Anuiten wusste, öffnete in einer langwierigen Prozedur, in der er verschiedene Ziegelsteine in der richtigen Reihenfolge leicht in die Wand schob, den verborgenen Geheimgang, worauf sich vor ihm und seinem Gefolge eine Öffnung auftat, die hinab in die Dunkelheit führte und einem Rachen glich, der sie alle zu verschlingen drohte.

Ohne den Schein der vielen entzündeten Fackeln wäre es wohl unmöglich gewesen, die eigene Hand vor Augen zu sehen, und auch jetzt offenbarte das Licht ihrer lodernden Flammen nur wenige Stufen der steinernen Treppe, die endlos nach unten zu führen schien. Die vielen dumpfen Schritte ihrer mit Leder überzogenen Eisenstiefel beim Abstieg wurden nur von den Geräuschen übertönt, die ihre klirrenden Rüstungen verursachten, wenn eine Stufe nach der anderen nach unten gestiegen wurde. Das dadurch entstandene Echo hallte den ganzen Weg, den sie schon hinter sich gebracht hatten, zurück, eilte ihnen aber zeitgleich auch voraus und verlor sich in der Finsternis vor ihnen.

Aber allen Strapazen der letzten Tage zum Trotz war von den müden Kriegern, an deren Rüstungen immer noch das Blut ihrer Brüder und Feinde vermischt mit ihrem eigenen klebte, kein Wort des Missfallens zu hören. Es wurde weder geredet noch getuschelt. Gelegentliches unterdrücktes Husten war das Einzige, das außer dem Getrappel der vielen Männer in diesem aus dem Stein geschlagenen Treppenhaus noch zu hören war. Den Marsch hierher zum geheimen Hauptquartier der Anuiten hatten sie beinahe laufend hinter sich gebracht, was viel Energie gekostet hatte, aber auch die teilweise am eigenen Leib verspürten Unmenschlichkeiten der Jarestaner bei der Verteidigung ihrer Stadt hatten wie viele kleine Egel langsam, aber kontinuierlich den Großteil ihrer Substanz ausgesaugt. Obwohl ihre Belastungsgrenze durch das jahrelange intensive Training viel höher war als bei anderen Menschen, begannen die Ersten von ihnen sich bereits nach einer zünftigen Mahlzeit und einem anschließenden Nickerchen zu sehnen. Jeder Normalsterbliche wäre unter diesen Umständen wohl schon längst seiner Erschöpfung erlegen, doch der winzige Funke an Kraft, der ihnen noch immer innewohnte, wurde nach wie vor am Leben erhalten von nur zwei Gedanken, die ihre Köpfe im Moment voll ausfüllten. Zum einen war es die Hoffnung, dass der Göttervater Anu ihnen bald beistehen und die Schreckensherrschaft des Tyrannen Jares beenden würde, die sie vorantrieb. Zum anderen war es einfach nur Neugierde, die es schaffte, Reserven zu mobilisieren, denn keiner von diesen einfachen Anuitenbrüdern hätte jemals zu träumen gewagt, dass an den vielen Gerüchten von verborgenen Katakomben mit einem Tor, das zu den Göttern führen sollte, welche schon immer im Orden die Runde gemacht hatten, auch nur das Geringste dran sein könnte.

Was anscheinend keinem von ihnen wirklich bewusst war, war die Tatsache, dass sowohl ihr Anführer Markus als auch die Männer im Rat sehr darum bemüht waren, dieses Geheimnis mit allen erdenklichen Mitteln zu schützen. Selbst ihr Heerführer war, so hatte er es ihnen zumindest mitgeteilt, nur aus purem Zufall darauf gestoßen. Die beiden ihm gleichgestellten Generäle Vladimir Ceresov und Johnatan Ferek, die er in Jaresta von diesen Dingen in Kenntnis gesetzt hatte, waren zwar ebenso wenig begeistert von der Geheimniskrämerei des Ältestenrates gewesen, wollten Aros aber auf keinen Fall bei seinem Vorhaben unterstützen, nach dem Ende des Krieges einen Aufstand anzuzetteln, um Markus und den Rat zu stürzen. Doch den beiden war es ohnehin nicht gelungen, Jaresta lebend zu verlassen, zu tödlich waren die Angriffe der Teufelsgarde gewesen. Von den ursprünglichen drei Anuitengenerälen war also nur noch Aros übrig und er hielt es für seine Pflicht, für seine gefallenen Kameraden diesen Krieg zu beenden, koste es, was es wolle.

Je länger der Abstieg in den Schoß der Erde aber dauerte, umso unruhiger wurden viele der Anuitenkrieger, deren Gesichter mittlerweile nicht mehr alleine von Hoffnung geziert wurden, so wie es vor etwa zehn Minuten noch gewesen war. Nein, eine Mischung aus Anspannung und Unbehagen schien sich mehr und mehr unter ihnen breitzumachen. Doch obwohl sie nicht mit Bestimmtheit wussten, was sie dort unten, tief in der Erde verborgen, nun wirklich erwartete, marschierten sie zügig weiter, bis ihre hart auf die Probe gestellte Geduld nach weiteren fünf endlos scheinenden Minuten endlich belohnt wurde. Die Treppe endete und führte die Anuiten in ein großes, dunkles Gewölbe, dessen Mystik ausnahmslos jeden Einzelnen von ihnen übermannte.

Trotz der Erleichterung, endlich das Ziel ihres Weges erreicht zu haben, wagten es die wenigsten von ihnen, sich mehr als nur ein paar Schritte vom Treppeneingang zu entfernen. Zu winzig wirkten ihre Fackeln auf diesem heiligen Boden, der sich endlos um sie herum auszubreiten schien. Rasch führte dies zu einem Gedränge am Ende der Treppe, und nur sehr widerwillig verließen jene Mönche, die den Abstieg bereits beendet hatten, den Platz vor dem Treppenaufgang und stellten sich mit dem Rücken zu beiden Seiten der Wand auf. Da jeder seine eigene Fackel bei sich trug, dauerte es nicht lange, bis der ständig wachsende Schein ihrer Feuer auf Skulpturen fiel, die an den Seiten der großen Halle jeweils an die fünfzehn Meter entfernt von ihnen die Wände zierten. Wie unterwürfige Diener standen sie auf ihren Podesten, menschliche Gestalten, welche unterschiedliche, an verschiedene Tierarten erinnernde Masken vor ihren Gesichtern trugen. Von der Körperhaltung her leicht gebückt, schienen sie in jene Schalen zu blicken, die sie mit ihren Händen festhielten. Fast so als würden sie ihren Göttern ein Opfer darbringen wollen.

Zwei der Fackelträger traten aus der Menge, füllten erst Spiritus in die rundlichen, an Opferschalen erinnernden Gefäße der am nächsten stehenden beiden Skulpturen und brachten die eingefüllte Flüssigkeit anschließend auch gleich zum Brennen, was anfangs von einem beunruhigenden Knistern und aufsteigendem schwarzen Rauch begleitet wurde. Diese neuen Lichtquellen, die nun durch ihr Flackern gespenstische Schatten an den Wänden ringsum entstehen ließen, waren aber bei Weitem nicht kräftig genug, um das komplette Gewölbe zu erhellen, der hintere Teil des unterirdischen Hohlraumes ließ nach wie vor keinen Blick auf seine Geheimnisse zu.

Einige der Anuitenkrieger ließen angesichts der durch die Schatten der Skulpturen entstandenen gespenstischen Atmosphäre instinktiv ihre Hände zu den Griffen ihrer noch in der Scheide steckenden Schwerter wandern und hoben ihre schweren Schilde leicht an. Trotz ihrer Ausbildung in mehreren Waffengebieten und Kampfsportarten war es für die Mönche kein vertrautes Gefühl, für einen dermaßen langen Zeitraum in ihrer Kampfausrüstung zu stecken, denn seit Markus Amtsantritt hatten die Anuiten sich nicht mehr in die Streitigkeiten anderer Völker eingemischt. Selbst jener Auftrag, von dem sie nun aus Jaresta zurückgekommen waren, war ursprünglich lediglich als Aufklärungsmission gedacht gewesen. Die Generäle Ceresov und Ferek hatten dies auch beherzigt, ließen sich aber von Aros, nachdem er Jaresta erreicht hatte, zu dem waghalsigen Plan überreden, in den steinernen Reif einzudringen, um an Ort und Stelle diesen Wahnsinn zu beenden. Doch anstatt des Ruhmes, welcher ihnen zweifellos zuteilgeworden wäre, wenn es ihnen tatsächlich gelungen wäre, den Imperator zu stürzen, hatten die beiden bei diesem Unterfangen nicht mehr geerntet, als dass ihre Seelen auf eine fast schon bestialische Art und Weise aus ihren Körpern gefetzt worden waren.

Generell weckte dieses Gewölbe bei den meisten der anwesenden Anuiten wegen seiner bedrohlichen Atmosphäre, die nun von den flackernden Schatten noch unheimlicher gemacht wurde, großes Unbehagen. Ausgenommen natürlich bei jenen sechs, sieben Kriegern, die Aros bereits davor schon auf vielen seiner Reisen begleitet, und mit ihrem Heerführer alte Tempel und sonstige Bauten aus jener Zeit, als ihre Götter noch auf Erden gewandelt waren, erkundet hatten.

Im Schein des fahlen Lichtes rückten nun auch die übrigen Krieger, die sich zuvor noch auf der Treppe befunden hatten, in das Gewölbe vor und stellten sich im Halbkreis mit Blickrichtung zum Treppeneingang auf. Dabei fokussierten sie jenen Mann, der als Letzter zu ihnen stieß und auf der vorletzten Stufe Halt machte, ihren Heerführer Aros Mendes. Seine stählerne Rüstung und sein Schwert, dessen Griff mit Rubinen und Smaragden bestückt war, funkelten im Schein der vielen Feuer, während er fast schon anmutig seinen Helm abnahm, sich durch seine dunklen, grau melierten Haare strich und sich so platzierte, dass er mit seinem Blick all die mutigen Männer erreichen konnte, die ihn an diese Stätte begleitet hatten.

Sein ungepflegt wirkender zotteliger Bart und eine tiefe Narbe, die über seine gesamte rechte Gesichtshälfte hinabführte, verrieten, dass er keines von jenen Mitgliedern der Anuiten war, welche nur hinter ihren Büchern hockten und laut Aros vergessen hatten, was einen wahren Anuitenkrieger ausmachte, nämlich den Spuren der Götter zu folgen, um eines Tages einer von ihnen werden zu können! Aber genau diese Personen waren es dann meist, die sich die Lorbeeren anderer aufsetzten, wenn es mit Hilfe von geborgenen Steintafeln und Artefakten gelang, so manche Lücke der alten Schriften, welche von den Göttern überall auf der Welt hinterlassen worden waren, zu schließen. Gerade er, Aros, hatte einige solcher Artefakte von seinen Reisen zurück in den Orden gebracht, wodurch es den Gelehrten der Anuiten gelungen war, annähernd die Hälfte der bisher gefundenen Schriftzeichen zu übersetzen, und was hatte er dafür bekommen? Er wurde nach Jaresta an die Front geschickt, um zu observieren! Diese Aufgabe war einem Mann wie ihm einfach nicht würdig genug, doch wie bereits erwähnt, war es in der Herrscherstadt ja ohnehin nicht beim Beobachten geblieben.

Aros fand, dass es an der Zeit war, den engstirnigen Männern, die sich im Rat eingenistet hatten und für die er nur noch Verachtung empfand, einen Strich durch die Rechnung zu machen. Geplant hatte er diesen Putsch bereits seit einigen Jahren, doch der Schlüssel zur Verwirklichung seines Planes war ihm erst vor knapp vier Monaten in die Hände gefallen. Er war auf einer seiner zahlreichen Reisen darauf gestoßen, die er im Namen des Anuitenordens unternahm, unter dem Vorwand, den Glauben an den Gott Anu in die Welt hinauszutragen. Doch die Absichten von Aros, der immer schon ein tiefgläubiger Anuit gewesen war, hatten sich im Laufe der Jahre ein wenig verändert.

Während der derzeitige Anuitenführer Markus den Anuiten auftrug, die Spuren der einstigen Erschaffer des Menschengeschlechtes zu verwischen, war Aros ein fester Vertreter der Meinung, dass Anus Vermächtnis, welches nicht nur Tempel und altertümliche Städte waren, sondern auch verschiedene sonderbare Anlagen wie beispielsweise jene, die sich nicht weit entfernt von ihnen in diesem Gewölbe tief im Berg versteckt befand, jedem bekannt gemacht und nicht totgeschwiegen werden sollten. Aros hatte es sich zur Aufgabe gemacht, nach Relikten zu suchen, die ihn seinen Schöpfern wieder einen Schritt näher brachten und er war sich nicht zu schmutzig, diese gegebenenfalls auch mit Gewalt in seinen Besitz zu bringen.

Von den ihm unterstellten Anuitenkriegern wurde er verehrt und als Held gefeiert, da er schon mehr als einmal Situationen überstanden hatte, an denen andere ohne Zweifel zerbrochen wären. Nur die Stärksten und Mutigsten seiner Männer hatte er mit auf diese Mission genommen, da selbst er nur ahnen konnte, was genau sie hier nun erwartete. Seine Hände vor sich verschränkt, musterte er nun nachdenklich die zu ihm aufblickenden Männer, während er nach den richtigen Worten suchte, um seine treuen Gefolgsleute in sein Vorhaben einzuweihen, was ihm schließlich auch gelang.

„Ich weiß, euch quälen viele Fragen und seid versichert, ich werde jede einzelne davon beantworten, sobald es an der Zeit ist! Als Erstes aber möchte ich euch danken, für eure Loyalität, für eure Geduld und für das Vertrauen, das ihr mir entgegenbringt. Als einfache Krieger habt ihr nichts zu schaffen mit der Ordenspolitik, und auch nur meine engsten Vertrauten wissen um die wahre Aufgabe der Anuiten. Ich verweise dabei auf die vielen Relikte, die unsere Anuitenbrüder der ersten Stunden, aber auch wir selbst im Laufe der vielen Jahre, die der Anuitenorden nun schon existiert, aus aller Welt zusammengetragen haben! Sie machen unsere Gebete im Prinzip überflüssig, denn mittlerweile wissen wir mit Bestimmtheit, dass Anu und seine Kinder Enki, Enlil und Ninharsag, welche als Schöpfer der Menschheit gelten, einst ebenso auf Erden gewandelt sind, wie wir es heute tun.

Wir brauchen es nicht mehr nur vermuten, wir haben handfeste Beweise dafür entdeckt, aber Markus, der einen Haufen von feigen Mönchen anführt, welcher nicht für seinen Glauben kämpfen will, verhindert mit allen Mitteln, dass absolut jeder die wahre Geschichte um unsere Schöpfung zu hören kriegt! Ich habe es satt, mir vor dem Rat das Gefasel von alten Männern anzuhören, die ständig darauf beharren, dass die Menschheit noch zu jung wäre für die Geheimnisse der Anuiten, und dass die wahre Macht, die von ihnen ausgeht, für Laien viel zu gefährlich wäre! Besonders denke ich da an unseren obersten Anuitenbruder Markus, der ständig von einer großen Gefahr spricht, die vom Vermächtnis unserer Götter ausgehen würde. Doch war er mit uns in Jaresta? Hat er an vorderster Front gekämpft und dabei Freunde und Gefährten sterben sehen? Stand er etwa den Teufeln gegenüber, die mit ihren bloßen Klauen unsere Brüder getötet haben?“ Mit weit aufgerissenen, beinahe schon blutunterlaufenen, runden Augen blickte Aros nun durch die Runde und versuchte, dabei seine Emotionen im Zaum zu halten. Nicht viel hätte gefehlt, und er wäre nach oben gegangen, um einem beliebigen Mitglied des Ältestenrates den Schädel einzuschlagen.

Das Getuschel unter seinen Begleitern wurde lauter, bis ein dunkelblonder muskulöser Mann es wagte, einen Schritt nach vorne zu treten, um im Namen aller anwesenden Anuitenkrieger eine Frage zu stellen, die vielen von ihnen schon seit Langem schlaflose Nächte bereitete. „Immer wieder ist von einem Tor die Rede, von einem goldenen Tor, das zu den Göttern ins Paradies führen soll. Ist dies der Grund dafür, dass Ihr uns an diesen besonderen Ort geführt habt, mein General? Wollt Ihr Euch hier an Anu selbst wenden, um seine Gunst zu erbitten?“ Der Mann, der eben gesprochen hatte, machte eine kurze Verbeugung und trat rasch zurück an seinen Platz in der von den Anuiten gebildete Reihe.

Mit schnellen Schritten verließ Aros die Treppe und ging zwischen seinen Leuten hindurch zum noch im Dunkeln liegenden Teil des Gewölbes. „Leih mir diese beiden Utensilien!“, sagte er zu einem der Anuiten, welcher ihm natürlich augenblicklich seine Fackel und seinen Lederbeutel mit Spiritus überließ, mit denen Aros schnurstracks an der ersten Skulptur vorbei an die Wand schritt, wo jetzt beim genaueren Hinsehen eine bereits in die Steinmauer integrierte, etwa zwanzig Zentimeter tiefe Vorrichtung für entflammbare Flüssigkeiten zu erkennen war, in der sich bereits eine dicke, gallertartige dunkelbraune Masse befand. Die rechteckige Rinne reichte hinter den Skulpturen an beiden Seiten vorbei und führte nach vorne in die Finsternis, aber auch nach hinten unmittelbar bis zum Treppenaufgang. Mehrere der Anuiten schämten sich im Stillen darüber, sie nicht gleich bemerkt zu haben, obwohl sie unmittelbar davor gestanden hatten.

Nachdem Aros den kompletten Inhalt des ellenlangen Lederbeutels in die Rinne geleert hatte, reichte es bereits aus, die Fackel in die Nähe der brennbaren Flüssigkeit zu halten, um sie zu entzünden. Das dadurch entstandene Feuer breitete sich rasch nach beiden Seiten aus und erhellte nun langsam, aber kontinuierlich die komplette rechte Seite des Gewölbes, ließ zusätzlich aber auch erkennen, was sich auf der linken Seite dieser unterirdischen Halle befand. Es erlaubte den Blick auf viele weitere Skulpturen, die im Abstand von etwa acht bis neun Schritten beide Seiten des riesigen Gewölbes zierten, bis das Lauffeuer an der anderen Seite der Halle, genau gegenüber des wartenden Anuitentrupps, plötzlich von irgendetwas gestoppt wurde. Und obwohl sie noch immer vor dem Treppenaufgang standen, war das Glitzern an jener Stelle, an der die Flamme halt gemacht hatte, unschwer zu erkennen. Dies musste es sein, jenes sagenumwobene goldene Tor, welches es wohl vermochte, sie zu ihren Göttern zu führen!

Während alle Anuiten prompt nach vorne liefen, um dieses Wunder genauer zu begutachten, folgte Aros ihnen eher gemächlich und erheiterte sich an den ersten Reaktionen seiner Begleiter. Mit weit offen stehenden Mündern betatschten sie den goldenen Torbogen, der in etwa so groß war wie ein doppelflügeliges Kirchentor. Doch beim genaueren Hinsehen bemerkten die Männer, dass dieser rechteckige Torbogen, so faszinierend er auch war, nach einer etwa zehn Zentimeter messenden Vertiefung in der kompakten Wand endete, wodurch es sich bei ihm niemals um ein Tor handeln konnte, das irgendwo anders hinführen konnte.

„Womöglich konnten die Götter durch Wände gehen, wir können es aber nicht!“, rief einer der Krieger, worauf auch mehrere seiner Kameraden, die wohl einen Blick in den Garten Eden erwartet hatten, durch die eben erfahrene Enttäuschung ihrem Unmut Luft machten.

Jetzt kam alles in ihnen hoch, die Strapazen der letzten Wochen, die Grausamkeiten, die sie in Jaresta gesehen und erlebt hatten, gemischt mit ihren eben gedämpften Erwartungen, ließen sie augenblicklich jegliche Hemmungen verlieren und manch einer ließ sich zu Sätzen hinreißen, an die er sonst nicht einmal zu denken gewagt hätte.

„Wofür haben wir uns wie Vieh hierher treiben lassen?“, rief ein nun sehr erschöpft wirkender, braunhaariger Mann mit Vollbart, warf seinen Helm in eine der Ecken der großen Halle und lehnte sich mit seinem Rücken an die Wand gleich neben dem Torbogen.

„Warum macht der Ältestenrat so einen großen Wind um dieses Gewölbe? Von einem Tor, das zu den Göttern führt, kann hier ja wohl kaum die Rede sein!“, brüllte ein weiterer Anuit und auch er schleuderte seine Waffe und seinen Schild von sich.

Mit einem unterdrückten Schmunzeln beobachtete Aros das zunehmende, respektlose Verhalten seines Gefolges, das aber nicht so weit ging, dass es sich gegen seinen Führer richtete. Nach etwa zwei Minuten beruhigten sich die Männer wieder und blickten fragend zu Aros, der sich ihnen nun näherte und sich unmittelbar neben dem goldenen Torbogen postierte.

„So ähnlich wie euch ist es auch mir ergangen, als ich zum ersten Mal diesen heiligen Ort betrat. Ich zweifelte an allem, was mir zuvor heilig gewesen war und mein eiserner Glaube wurde durch diese Erfahrung zutiefst erschüttert! Ich war damals noch ein junger Rekrut und folgte eines Tages Markus hierher, der sich eine Strohmatte mitten in die Halle schmiss und zu meditieren begann. Auch ich verstand zu diesem Zeitpunkt nicht, was dieses Gewölbe so besonders machen sollte, abgesehen von den vielen Skulpturen zumindest. Ein Torbogen, der in der Wand endet, soll zu unseren Göttern führen? Wohl kaum, dachte ich mir. Das einzig Besondere an diesem Relikt der Götter ist wohl, dass es aus reinem Gold zu bestehen scheint! Doch lasst euch nicht täuschen, der Schein trügt, Gold ist weich, man spürt, wie es nachgibt, wenn man mit den Zähnen seine Echtheit überprüft!“ Aros ließ seinen Blick durch die Menge wandern, bis er jenen Mann erblickte, welcher sich am besten für eine Demonstration eignete. „Severos, sei so gut und versuche mit deinem Schwert an einer der Kanten des Tores eine Kerbe zu verursachen und spare bei deinem Schlag nicht mit Kraft!“

„Jawohl, mein Heerführer!“, meinte der eben von Aros angesprochene Mann, der seine schwarzen lockigen Haare bis zur Schulter trug, und er wies seine Kameraden an, etwas zur Seite zu gehen und zog mit einer beinahe schon graziös wirkenden Handbewegung sein Langschwert.

Anschließend holte er mit seiner scharf geschliffenen Waffe so weit, wie es ihm möglich war, aus und setzte seine ganze Kraft in diesen einen Hieb. Severos, der versuchen wollte, seinem Heerführer seine Kraft zu demonstrieren und größtmöglichen Schaden an dem Tor zu hinterlassen, hatte seine Rechnung aber ohne die Erbauer dieses Gewölbes gemacht. So würde er wohl niemals den Moment vergessen, als sein Schwert mit voller Wucht auf den durch viele Muster reichlich verzierten Torbogen traf. Anstatt sich in das Gold zu bohren, wie er es erwartet hatte, prallte sein Schwert aber von dessen Kante ab, und nur mit aller Kraft gelang es ihm, seine Waffe festzuhalten und somit keinen seiner unmittelbar um ihn herumstehenden Gefährten zu verletzen.

Und Severos traute seinen Augen kaum. Sein scharfes Schwert hatte auf dem Torbogen nicht einmal einen Kratzer hinterlassen! „Bei Anu, wie ist das möglich? Niemals zuvor ist mir ein härteres Metall untergekommen!“, entfuhr es ihm und sein fragender Blick traf auf Aros, welcher aber nicht sonderlich überrascht wirkte und den Ausgang dieser Szene wohl schon vorhergesehen hatte.

„Wer immer diesen Ort vor vielen Hunderten oder gar Tausenden von Jahren entdeckt hat, erkannte ohne Zweifel die Kraft, die ihm bis heute innewohnt. Die Entdeckung dieses Ortes war gleichzeitig wohl auch die Geburt der Anuiten, man wollte dieses Wunder vor der Entdeckung durch Unwürdige schützen und errichtete deshalb das Anuitenkloster direkt am Eingang der Höhle, die an diesen heiligen Ort führt. Die Treppe, über die wir gekommen sind, wurde erst viel später von unseren Anuitenbrüdern in den Fels geschlagen, das haben mir einige Schriftrollen bestätigt, die ich in einer versteckten Lade im Ratssaal entdeckt habe. Nach dem Bau der Treppe wurde auch der Höhleneingang verschlossen, ihr habt ja selbst gesehen, wie langwierig das Prozedere ist, um den Geheimgang, der hierher führt, zu öffnen!“

Obwohl Aros seinen Begleitern noch einige Dinge zu offenbaren hatte, merkte er, wie ungeduldig und fragend die Anuitensoldaten inzwischen wirkten, deshalb beschloss er, die Geschichtsstunde vorerst zu unterbrechen und verwies auf die vielen Statuen, die überall um sie herum standen. „Die Skulpturen, die ihr hier bewundern könnt, sind wahrscheinlich älter als die Menschheit selbst und wurden wohl von den Göttern erschaffen. Seht sie euch einmal genau an, vielleicht fällt euch etwas auf?“, wies Aros seine Gefolgsleute an und wandte sich zu den Statuetten zu seiner rechten, die beide menschliche Krieger mit leichter Bewaffnung darstellten und nebenbei die Einzigen in dieser Reihe stehenden Statuen waren, die weder eine Opferschale in ihren Händen hielten noch eine Tiermaske vor dem Gesicht trugen. Zudem nahmen sie auch keine unterwürfige Haltung ein wie sämtliche der anderen Statuen in dieser Reihe, sondern standen aufrecht da, ihre Gesichter waren von sonderbaren, rundlich geformten Helmen zum größten Teil verdeckt und auch die detailgetreue Kleidung, die ihnen angemeißelt worden war, entsprach in keinster Weise den Vorstellungen einer kampfgerechten Rüstung. Zu dünn schien jene Hülle zu sein, die durchgehend von den Schultern bis zu den Beinen führte. Zudem waren weder Kettenhemden noch Überwürfe aus gegerbtem Leder zu erkennen und auch ihre gezogenen Schwerter wirkten dünn und zerbrechlich.

„Sonderbar!“, wunderte sich einer der Anuiten, der sich zu ihnen begeben hatte. „Niemals würde man einen Kampf mit so schlampiger Rüstung überleben!“

Währenddessen waren andere Anuitensoldaten den Schwertspitzen jener beiden Skulpturen mit ihren Blicken bereits zur gegenüberliegenden Seite des Raumes gefolgt, wo zwei weitere Skulpturen zu sehen waren, die ebensowenig zu dem Schema ihrer steinernen Nachbarn passten, wie es auch bei den beiden eben erwähnten Statuen der Fall war.

„Echsenmenschen?“, entfuhr es Severos, der sich bereits bei ihnen befand. Und der erste Eindruck des tapferen Anuiten täuschte nicht, denn auf einem zumindest von der Statur her menschlichem Körper, der völlig mit Schuppen überzogen war, thronte ein Haupt, das als eine Mischung aus Schlangen- und Echsenkopf zu beschreiben wäre. Auch diese beiden Statuen wiesen nur eine dezente Kampfkleidung auf. In ihren Klauen mit nur vier Fingern hielten sie Äxte, die drohend nach vorne gerichtet waren.

Erst als seine Krieger einige Sekunden Zeit gehabt hatten, um die Statuen zu bewundern, meldete der Heerführer der Anuiten sich erneut zu Wort um sein Wissen mit den Männern, die er hierher gebracht hatte, zu teilen. „In vielen Tempeln auf der ganzen Welt zieren Schriftzeichen die Wände, deren Ursprung und Bedeutung für die Gelehrten unseres Ordens lange ein einziges großes Rätsel war. Selbst die klügsten Köpfe aus den unterschiedlichsten Ländern konnten sich keinen Reim auf die seltsamen Symbole machen, an deren Übersetzung zuvor bereits viele Generationen von Denkern gescheitert sind. Dies blieb auch so, bis mir dieses Artefakt in die Hände gefallen ist!“ Aros zog aus dem Lederbeutel, den er an seinem Gürtel festgebunden hatte, einen etwa fünfundzwanzig Zentimeter langen, achteckigen Kristall mit spitzen Enden hervor, der von sich aus in einem dunklen, blutroten Licht schimmerte, wodurch verschiedene fremdartige Symbole und Schriftzeichen auf ihm sichtbar wurden. Da die Oberfläche des Kristalls selbst aber keine Vertiefungen aufwies, sondern vollkommen glatt war, konnte man darauf schließen, dass alleine durch das gleichmäßige Pulsieren des Lichts diese Zeichen irgendwie von innen an die Oberfläche des Edelsteins projiziert wurden.

Auf die vielen Fragen, die jetzt auf Aros herniedergingen, wusste aber auch er zum Teil keine Antworten. Er wies sein Gefolge an sich zu beruhigen und berichtete ihnen, was er über diesen Kristall bereits herausgefunden hatte. „Wie das mit dem Licht im Inneren des Kristalls funktioniert, übersteigt auch meine Vorstellungskraft. Um euch dies zu erklären, bedarf es eines Gottes. Wichtig jedoch ist die Tatsache, dass es mir mit genau diesen Schriftzeichen, die auf der Oberfläche des Kristalls ständig erscheinen, gelungen ist, einige der Steintafeln, die von den Anuiten im Laufe der Jahre zusammengetragen worden sind, zu entschlüsseln, und ich sage euch eines, das, was ich dort zu lesen bekam, öffnete mir auf brutalste Art und Weise die Augen! In einer jener Schriften war nämlich von reptilienartigen, schlangenähnlichen Wesen die Rede, gegen die Anu einst in den Krieg gezogen sein soll. Mit mächtigen Streitäxten bewaffnet sollen sie stets aufgetreten sein, ihre Waffen drohend in den Himmel gerichtet.“

„Aber wenn Anu gegen diese Reptilienwesen gekämpft hat, warum zieren dann das Zeichen der Anuiten ausgerechnet zwei ineinander verschlungene Schlangen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Anu als sein Wappen das Zeichen seiner Gegner verwendet hat!“, unterbrach ein laut denkender Ordensbruder den Redefluss von Aros und erntete dafür von ringsum mehrere mahnende Blicke.

„Verdammt Rufus nicht für seine Schlussfolgerungen, es ist berechtigt, sich diese Frage zu stellen, sie ging auch mir durch den Kopf! Antworten fand ich in einem Tempel, der weit entfernt von unseren Ufern auf der anderen Seite der Welt zu finden war. Aufzeichnungen dort besagen, dass Anus Herrscherzeichen eigentlich zwei in sich verschmolzene Pyramiden in Form eines Sterns gewesen sind, dieses Symbol bezeichnet man als Stern-Tetraeder, die ersten Anuiten aber für ihr Wappen das Zeichen von Anus Erstgeborenem Enki benutzt haben. Das Zeichen seines Hauses war nämlich das doppelte Schlangensymbol! Ich denke, es war eine reine Provokation von Enki, dieses Wappen zu benutzen, eine Verhöhnung dieser Reptilienwesen. Warum die Anuitengründer allerdings das Wappen von Anus erstgeborenem Enki dem göttlichen Stern des Göttervaters vorgezogen haben, ist auch mir ein Rätsel! Lasst mich nun aber mit meiner ursprünglichen Erzählung fortfahren!“

Obwohl er als Heerführer nicht um Gehör bitten musste, machte Aros es aus Höflichkeit trotzdem und kam nun auf die amphibienähnlichen Skulpturen zurück. „Eigentlich ist es purer Zufall gewesen, dass mir genau jene Stelle des Textes, in denen von diesen Reptilienwesen die Rede ist, durch den Kopf ging, als ich mich gerade hier unten befand und die Statuen studierte!“ Aros lächelte und schweifte einmal mehr absichtlich vom Thema ab. „Doch bevor ich nun das größte Geheimnis dieses Gewölbes lüfte, will ich euch mitteilen, was ich außerdem noch herausgefunden habe, das bin ich euch schuldig!“

Obwohl es die drei Dutzend Anuitenkrieger, die sich vor Aros versammelt hatten und gespannt seinen Erzählungen lauschten, vor Anspannung und Neugierde beinahe zerriss, waren sie bereit, sich die ganze Geschichte ihres Heerführers anzuhören und bettelten ihn beinahe untertänig an, mit seinen Ausführungen fortzufahren, was Aros auch prompt tat.

„Eines steht eindeutig fest, die vier Statuen, die sich von den übrigen Skulpturen unterscheiden, wurden erst viel später erbaut als jene mit den Tiermasken und den Opferschalen. Dies konnte ich eindeutig bei Untersuchungen des Gesteins feststellen. Nun stellte sich für mich die Frage, wozu man sie überhaupt nachjustiert hatte, und durch die Textstelle, die ich zuvor erwähnte, wurde mir einiges klar. Irgendjemandem vor mir war es bereits gelungen, diesen Text zu entschlüsseln, es muss zu den Anfängen der Anuiten gewesen sein, als dieses Gewölbe entdeckt und darüber das Kloster, in dem wir heute leben, erbaut worden ist. Ich denke, dass es einer der ersten Ordensleiter der Anuiten gewesen sein muss, der für die Nachjustierung dieser vier Statuen verantwortlich ist, denn er hat dabei ohne Zweifel auf jene Textstelle zurückgegriffen, in der die Reptilienwesen erwähnt wurden. Doch stand in dem Text wortwörtlich, dass sie ihre Äxte in den Himmel strecken und nicht geradewegs nach vorne!“ Aros sprang auf den Sockel, auf dem sich die rechte der beiden Amphibienstatuen befand, packte jene Hand, in der sie ihre Waffe hielt, und drückte sie nach oben, was allem Anschein nach kein leichtes Unterfangen war, da er sich dabei sichtlich anstrengen musste. Ein dumpfes Geräusch aus der Wand hinter den beiden Statuen war zu hören, als die Axt endlich nach oben gerichtet war.

Aros wies Severos an, den gleichen Vorgang bei der Skulptur daneben zu wiederholen, was dieser auch sofort tat. Doch auch Severos, der sogar noch um eine Spur muskulöser war als sein General, plagte sich einige Momente lang, bis auch diese Axt auf die Höhlendecke über ihnen zeigte. Das dumpfe Geräusch in der Wand wiederholte sich, gefolgt von einem kratzenden Laut, der von jenen Steinblöcken verursacht wurde, welche plötzlich zur Seite wichen und an der Wand gleich hinter den beiden Reptilienskulpturen eine etwa türgroße Öffnung offenbarten.

Dem Staunen der Anuiten machte Aros aber abrupt ein Ende, indem er eine zum Nachdenken anregende Frage in den Raum stellte. „Kann mir einer von euch sagen, was es bedeuten würde, wenn diese beiden Statuen, in denen der Mechanismus zum Öffnen dieser geheimen Kammer verborgen ist, tatsächlich zur selben Zeit errichtet wurden wie der Anuitenorden selbst?“

Nachdem kurz geschwiegen und gründlich nachgedacht worden war, meldete sich ein Anuit zu Wort, der in einer der hinteren Reihen stand. „Dass die Gründer der Anuiten, die dieses Gewölbe entdeckt und für den Bau des Ordens gesorgt haben, von dieser verborgenen Kammer gewusst haben müssen und sie im Zuge der Bauarbeiten des Klosters absichtlich verschlossen haben?“

Obwohl es zum größten Teil nur eine Vermutung war, hatte der Anuitenkrieger Florin genau das wiedergegeben, worauf Aros hinaus wollte, und seine Reaktion auf diese Antwort war dementsprechend euphorisch und laut. „Genauso ist es! Die Erbauer des Anuitenklosters sind ebenso verantwortlich für den Bau dieser vier Statuen und damit verbunden auch für den Mechanismus, der eben diesen Eingang freigegeben hat! Und dies wiederum bedeutet, dass alle Brüder, die sich seit dem Tag, an dem das Kloster fertiggestellt worden ist, den Anuiten angeschlossen haben, nach Strich und Faden belogen worden sind! Vom Ältestenrat und dem Anuitenführer der jeweiligen Epoche, denn niemand kann mir weismachen, dass der Rat diese Informationen nicht an seine Nachfolger weitergegeben hat! Wurdet ihr, nachdem ihr dem Orden beigetreten seid, in dieses Gewölbe geführt, um Anus Vermächtnis mit eigenen Augen zu sehen? Nein! Mir ist es wie euch ergangen, auch ich hörte von den vielen Gerüchten über dieses Tor und beharrlich wartete ich auf die Gelegenheit, jemandem zu folgen, der den Eingang hierher kannte! Wie ich bereits erwähnte, war dieser Jemand niemand geringerer als unser inzwischen zum Ordensleiter ernannter Bruder Markus selbst! Und seit er begriffen hat, dass ich ihm und seinen Vertuschungsversuchen auf die Spur gekommen bin, versucht er ständig, meine Wege in die falschen Richtungen zu lenken! Nichtsdestotrotz habe ich dieses Rätsel gelöst und am Ende dieses Ganges etwas Faszinierendes entdeckt!“ Aros atmete tief durch und verwies erst auf das Tor, dann auf die Öffnung hinter den Amphibien. „Jede Tür oder jedes Tor hat bekanntlich ein Schlüsselloch und den dazu passenden Schlüssel, so auch das goldene Tor, das zu den Göttern führt! Doch wie ihr seht, befindet sich nichts, was einem Schloss ähnlich wäre, in der Nähe des Torbogens, und wollt ihr wissen warum?“ Aros stockte kurz und genoss die angespannte Atmosphäre in vollen Zügen, bevor er die Katze endlich aus dem Sack ließ. „Weil die Öffnungsfunktion dieses göttlichen Torbogens sich in dieser verborgenen Kammer befindet und zudem noch genaue Anweisungen in der Sprache der Götter, wie man sich den Schlüssel zum Öffnen des Tores beschaffen kann!“

Das Staunen der Anuiten wurde immer größer und gipfelte in grenzenloser Euphorie, als Aros, bereits aus Leibeskräften brüllend, ihren Hoffnungen, Unterstützung im Kampf gegen Jares zu bekommen, wieder Leben einhauchte, und ein Medaillon, das an einer Kette hing, unter seiner Rüstung hervorzog, begleitet von den Worten: „Seht her, Brüder, mir ist es nicht nur gelungen, die Schriften in diesem Raum zu übersetzen, sondern ich habe ihn mir auch aus einem mit tödlichen Fallen gespickten Tempel in Ägypten geholt, bevor ich mich nach Jaresta begeben habe: den Schlüssel zum Öffnen der göttlichen Pforte, welche sich in diesem goldenen Torbogen verbirgt − das sagenumwobene Medaillon der Götter!“ Wie auch der blutrote Edelstein, den Aros zuvor wieder in seinen am Gürtel und zusätzlich an seiner Rüstung am Oberschenkel gesicherten Lederbeutel zurückgegeben hatte und von dem nur mehr die Spitze zu sehen war, die zwischen den zugebundenen Bändern heraus schimmerte, hatten sowohl das goldene Medaillon selbst als auch der kleine Kristall in seinem Inneren eine achteckige Form, aber das war nicht das einzige Anzeichen dafür, dass die beiden Gegenstände wohl denselben Ursprung hatten. Denn der mitten auf dem Medaillon angebrachte, sich von dem sonst etwa fingerdicken Metall um noch etwa acht Zentimeter abhebende Kristall verhielt sich genau gleich wie das zweite Artefakt, das Aros heute seinen Begleitern kurz zuvor präsentiert hatte.

Sowohl das gleichmäßig pulsierende Licht, das von ihm ausging, wie auch die Schriftzeichen, die sich dabei offenbarten, waren absolut identisch mit den gespenstischen Eigenschaften des größeren Kristalls, dessen rötliches Schimmern sogar durch den Lederbeutel hindurch noch gut zu erkennen war. Lediglich die Farben der beiden Kristalle waren unterschiedlich, da jener an Kalzit erinnernde Edelstein, der in die Mitte des Medaillons eingearbeitet war, einen silbrigen Schimmer abgab, der jeden seiner staunenden Beobachter verzauberte.

„Ich bin der Meinung, solch wunderbare Dinge können nur aus den Händen unserer Götter stammen, doch wisst ihr was, lasst sie uns das doch einfach fragen, wie es ihnen möglich war, solch herrliche Artefakte zu erschaffen!“ Für die eben gesprochenen Worte erntete Aros einige verdutzte Blicke, was ihn aber nicht daran hinderte, sich pfeilschnell zu dem neuen Durchgang in der Wand zu begeben. Das Medaillon in der rechten Hand haltend, drehte er sich ein letztes Mal zu seinen Anhängern um, mit den Worten: „Männer, haltet euch bereit! Ich werde nun diesen Schlüssel benutzen, um das Tor der Götter zu öffnen!“

Bereits jetzt standen den Anuitenkriegern sämtliche Härchen zu Berge, doch der nachfolgende Satz von Aros ließ jedem von ihnen eine Flut aus kalten Schaudern den Rücken hinunterlaufen.

„Denkt nach, was ihr Anu schon immer fragen wolltet, in Kürze werdet ihr die Gelegenheit dazu bekommen! Anuitenbrüder, seid euch der Wichtigkeit dieses Augenblickes bewusst, schon bald werden wir unseren Schöpfern gegenüberstehen!“ Im Zuge dieser Worte griff er sich die Fackel, welche Severos ihm reichte, nahm sich von dem gleich neben ihm stehenden Anuiten den vollen Beutel mit Spiritus und verschwand durch die knapp zwei Meter hohe Öffnung hinter den Echsenstatuen in der Dunkelheit. Die vielen Anuitenkrieger blieben voller Erwartung in der großen Halle mit dem goldenen Torbogen zurück und feuerten ihren Heeresführer nach Leibeskräften an.

Auch in dieser Nebenkammer, in der Aros sich nun aufhielt, befand sich an der linken Seite des etwa eineinhalb Meter breiten Ganges eine Vorrichtung zum Einfüllen von entflammbaren Flüssigkeiten, wie dies ebenfalls in der Haupthalle der Fall gewesen war. Nachdem Aros für Licht gesorgt hatte, folgte er diesem Gang, der zwar seine Breite behielt, aber zwischenzeitlich so niedrig wurde, dass sich der knapp ein Meter fünfundachtzig große Mann relativ gebückt fortbewegen musste. Der Gang endete aber bereits nach etwa zehn Metern und mündete in einer kleinen Kammer, deren Mauerwerk komplett übersät war mit denselben fremdartigen Symbolen, welche auch die beiden Artefakte zierten, die er bei sich trug.

Einige fehlende Blöcke in der rechten unteren Wand und davor liegender Schmutz und Kiesel ließen vermuten, dass wohl irgendjemand einige Steine absichtlich entfernt hatte, um das Übersetzen der Symbole zu erschweren. Eine Spitzhacke, die rechts an der Wand lehnte, bestätigte diese Theorie. Doch mithilfe des rötlich schimmernden Kristalls war Aros in der Lage gewesen, zumindest einen kleinen Teil der Botschaft zu entschlüsseln, der sich unmittelbar unterhalb der detailgetreuen Abbildung des Medaillons befand, von der er nun mit seiner linken Hand vorsichtig den Staub wischte. Dies machte er auch bei der doppelten achteckigen Einkerbung, die etwa einen halben Meter rechts davon zu finden war. Das größere Achteck schien identisch mit dem Umfang des Medaillons zu sein, während die kleinere Einkerbung tiefer in die Wand hineinreichte, wohl um für den Kristall Platz zu finden.

Den goldenen Gegenstand in seiner rechten Hand betrachtend, ließ Aros noch einmal die vergangenen Monate Revue passieren, in denen er immer wieder diesen Moment herbeigesehnt hatte. Kurz keimten Zweifel in ihm auf, doch dann rief er sich noch einmal die Kreaturen in den Sinn, gegen die er in Jaresta gekämpft hatte, nahm all seinen Mut zusammen und fügte das Medaillon mit dem Kristall voran in die vorhandene Öffnung ein. Der leichte Widerstand, der anfangs zu spüren war, verging zusehends und sofort, nachdem das Medaillon komplett in die vorgesehene Öffnung eingefügt worden war, begann es sich wie von Geisterhand langsam gegen den Uhrzeigersinn zu drehen. Aros, der damit nicht gerechnet hatte, trat einen Schritt zurück und flüsterte beinahe ängstlich: „Mögen die Götter mir gnädig sein!“

Immer schneller drehte sich das Medaillon vor den weit offen stehenden Augen von Aros, und beinahe zeitgleich rückte der Mauerblock, der sich daneben befand, zur Seite. Erst als das Medaillon wieder zum Stillstand gekommen war, näherte sich der Anuitenheerführer zögerlich der eben freigelegten Nische und konnte darin einen Hebel erkennen, welchen er auch sofort betätigte, obwohl sich mittlerweile ein flaues Gefühl in seiner Magengegend breitgemacht hatte. Denn jetzt war der Moment nicht mehr fern, in dem er seinem Gott Anu von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen würde!

Nachdem für einige Sekunden gar nichts geschehen war, ging es nun ohne Vorwarnung Schlag auf Schlag. Das Medaillon fing plötzlich an, kleine Blitze zu erzeugen, die sich in alle Richtungen verteilten und dabei ständig wuchsen. Die kleine Kammer, in der Aros sich befand, wurde taghell und blendendes Licht zwang ihn, seine Augen zu schließen. Langsam bewegten sich die Blitze den niedrigen Gang entlang, der großen Halle entgegen, was von einem lauten Getöse hinter den Wänden ringsum begleitet wurde, welches die Erde zum Erbeben brachte und Aros nach vorne stürzen ließ.

Als Schreie aus dem Gewölbe, in dem sich seine Männer aufhielten, zu hören waren, rappelte sich Aros wieder hoch und folgte in einem Respektsabstand von etwa fünf Schritten den Blitzen, die eben die Haupthalle, welche immer noch stark durchgerüttelt wurde, erreicht hatten. Trotz der Sorge um seine Gefährten wartete Aros ab, bis die Blitze sich von dem Eingang zu dieser Nebenkammer entfernt hatten und gerade in jenem Augenblick, als er sich wieder zu seinen Kameraden begeben wollte, erreichte das Beben seinen Höhepunkt.

Tonnenschwere Felsbrocken fielen von der Decke und verwundeten viele seiner Begleiter trotz deren Helmen und Rüstungen. Einige der Statuen, auf die sein Blick fiel, als er die beiden Amphibienskulpturen endlich erreicht hatte, waren von herabfallenden Steinen sehr in Mitleidenschaft gezogen worden, und auch der brennende Spiritus aus der nun beschädigten Ölrinne verteilte sich wie viele kleine, feurige Schlangen zwischen den panisch umherlaufenden Anuiten.

Aros hielt seinen Schild schützend über sich und senkte ihn erst wieder, als das Beben nach etwa einer halben Minute endlich nachließ. Was seine Augen nun erblickten, schmerzte ihn zutiefst. Geröll und riesige Felsbrocken lagen nun überall in dem Gewölbe verstreut, inmitten der vielen ängstlichen, verstört wirkenden Anuiten. Einige knieten immer noch am Boden und hielten verkrampft ihre vom Steinschlag verbeulten Schilde über sich. Andere hatten in der Nähe der Statuen Schutz gesucht oder waren zum Treppenaufgang geflüchtet. Mehrere blutverschmierte Stellen ringsum auf dem kalten Steinboden ließen Aros vermuten, dass wohl mit einigen Verlusten zu rechnen war. Wie durch ein Wunder aber begannen sich beinahe alle Soldaten, die regungslos am Boden gelegen hatten, wieder zu rühren und kämpften sich auf die Beine.

Doch das Beben hatte auch ein Opfer gefordert. Etwa fünf Meter von dem goldenen Torbogen entfernt stand eine Gruppe von fünf Anuiten schweigend vor dem leblosen Körper eines Gefährten, der von einem zentnerschweren Steinbrocken erschlagen worden war. Aros wollte sich gerade zu ihnen begeben, als es links neben dem Eingang zur Schlüsselkammer zu einer elektrischen Entladung kam, bei der mehrere Blitze beinahe bis zur Mitte des Gewölbes schossen, dabei einen Anuiten in den Rücken trafen und sein Lebenslicht binnen Sekundenbruchteilen zum Erlöschen brachten.

Geistesgegenwärtig hatte sich Aros mit einem Hechtsprung aus der Schusslinie entfernt und war mit einer Rolle zur Seite dieser todbringenden Energieentladung entronnen. Im Fallen war von den Blitzen zum Glück nur sein roter Umhang getroffen worden, der nun in Flammen stand. Gerade als er den an der Nackenseite seiner Rüstung befestigten brennenden Stoff mit seinem Dolch abgeschnitten hatte, folgte an der gegenüberliegenden Seite des Raumes eine weitere Entladung, und auch sie erfasste mehrere Anuiten und schleuderte sie wie Puppen durch den Raum. Funken sprühten an jenen Stellen, an denen die Blitze zum Vorschein gekommen waren, zwischen den Mauersteinen hervor und die aufgebaute Spannung kroch, vergleichbar mit einem Wurm im Sand, auf beiden Seiten der Halle auf den rechteckigen goldenen Torbogen mit der Vertiefung zu. Auf ihrem Weg hinterließ sie verbrannte Linien an den Wänden und wurde begleitet von einem anfangs leisen Summen, das immer lauter wurde, je näher die Energie dem Torbogen kam.

Dann kam er, der Moment, auf den alle gewartet hatten, und trotz ihrer teils schweren Verletzungen starrten absolut alle Anuiten nur mehr auf das Tor der Götter und beobachteten staunend, wie die Blitze zeitgleich von beiden Seiten auf den goldenen Bogen übergriffen und langsam damit begannen, seinen Innenraum völlig auszufüllen.

Niemand wagte es zu sprechen oder sich vom Fleck zu bewegen, bis die Wand, die sich ursprünglich dort befunden hatte, verschwunden war und einen zuvor nicht sichtbaren Weg freigab. Selbst jene Männer, deren Verletzungen so schwer waren, dass es einem Wunder glich, dass sie immer noch bei Bewusstsein waren, rappelten sich hoch und humpelten von hohen Erwartungen getrieben auf das eben entstandene Portal zu. Den Blick ins Paradies hatten die Anwesenden sich aber anders vorgestellt, denn statt göttlichem hellen Licht drang nur ein blasser bläulicher Schimmer zu ihnen in das verwüstete Gewölbe vor.

„Warum empfängt uns niemand? Anu müsste doch spüren, wenn jemand das Tor zu den höheren Sphären geöffnet hat!“, meinte einer der vielen Soldaten, die nun mit glänzenden Augen vor dieser Pforte standen, wie vergleichsweise kleine Kinder vor dem Weihnachtsbaum.

Aros näherte sich der Öffnung bis auf wenige Zentimeter und fuhr vorsichtig und zaghaft mit seiner rechten Hand in die Barriere aus kleinen Blitzen, die alle paar Sekunden von links nach rechts huschten und so nur einen leicht verzerrten Blick auf das möglich machten, was hinter ihr lag. Das anfängliche Kribbeln in seinen Fingern, mit denen er durch die Barriere glitt wie durch Wasser, wurde langsam weniger und die Wellen, die er mit seinen Bewegungen verursachte, zogen ihn so sehr in ihren Bann, dass er nicht einmal die drei Personen bemerkte, die gerade eben mit schnellen Schritten das Gewölbe betreten hatten.

Erst als Severos, der unmittelbar neben ihm stand, ihm ein kurzes „Markus kommt!“ zuflüsterte, vermochte er seinen Blick von diesem faszinierenden Schauspiel zu lösen und wandte sich den Neuankömmlingen zu.

Der Mittlere der drei Männer, die nun auf sie zukamen, dessen Miene eine Mischung aus Sorge und Zorn widerspiegelte, war gekleidet mit einem samtenen dunkelroten Überwurf, der mit zahlreichen goldenen und silbernen Stickereien verziert war, die auch das Wappen der Anuiten, die beiden ineinander verschlungenen Schlangen, beinhalteten. Seine beiden Begleiter, die ihm im Abstand von etwa drei Schritten folgten, trugen nur schlichte schwarze Kutten mit Kapuzen, die ihre Gesichter zum größten Teil verdeckten.

Als Aros den Ordensführer Markus mit seinen gepflegten, goldblond gelockten Haaren und seinen stechenden blauen Augen auf sich zukommen sah, musste er sich beherrschen, nicht gleich auf ihn loszugehen. Aros hatte längst aufgehört, die Situationen zu zählen, in denen er und sein Gegenüber in den letzten Jahren aneinandergeraten waren, seit der immer noch sehr jugendlich wirkende Schönling Markus und nicht er vom Ältestenrat zum neuen Ordensleiter ernannt worden war. Nur um eine Stimme war diese Abstimmung zu seinen Ungunsten ausgefallen, und diese Niederlage hatte der Heerführer der Anuiten, ohne dass er es jemals offen zugeben würde, bis heute nicht verkraftet. Von diesem Tag an hatte Aros, bis zu einem gewissen Grad wohl nur aus Trotz, damit begonnen, gegen Markus zu arbeiten und war auf eigene Faust losgezogen, um den Spuren der Götter zu folgen.

Fast jedes Treffen dieser beiden, wann immer Aros auch von seinen Reisen in den Orden zurückgekehrt war, hatte seitdem mit einem Riesenstreit geendet. Wohl genau deshalb beschränkte Aros seine Aufenthalte im Anuitenkloster meist nur auf jene kurzen Zeitspannen, die er dazu benötigte, um mit den von ihm gefundenen Artefakten die Hinweise in der Schlüsselkammer zu übersetzen. Das letzte Mal waren sie sich vor etwa einem halben Jahr gegenübergestanden, als Aros gerade das Rätsel um den Fundort des Medaillons der Götter gelöst hatte, welches nun wie erwartet als Schlüssel zum Offenhalten des Tores fungierte. Damals wollte Markus ihm verbieten, sich auf die Suche nach diesem Gegenstand zu machen und in der Folge kam es sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen ihnen. Und statt Ceresov und Ferek nach Jaresta zu begleiten, um den dortigen Stand der Dinge zu ermitteln, begab sich Aros mit etwa zwanzig freiwilligen Anuitenkriegern nach Ägypten und stieß erst nach erfolgreichem Abschluss seiner Mission zu seinen Brüdern, die sich in die Metropole des Schreckens eingeschlichen hatten, um den Kampf zwischen Jares und den Belagerern zu überwachen. Zu diesem Zeitpunkt waren aber bereits einige Dinge geschehen, über die Aros noch mit Markus sprechen wollte. Dazu würde er jetzt wohl die Gelegenheit bekommen.

Als Markus bemerkte, dass der goldene Torbogen von Blitzen ausgefüllt war, eilte er mit angsterfüllten Augen und sichtlich nach Worten ringend auf den Heerführer der Anuiten zu, doch sowohl ihm als auch seinen beiden Begleitern wurde von den Soldaten, welche Aros mit einer bestimmenden Handbewegung dazu aufgefordert hatte, der Durchgang versperrt. Das offen stehende Portal nicht aus den Augen lassend, schlug Markus die Hände der beiden Soldaten zur Seite, die ihn an den Schultern festgehalten hatten, und startete einen wahren Redeschwall, welcher eine Mischung aus Anschuldigungen und Warnungen enthielt.