Schafft ein neues Europa! - Christoph Schalast - E-Book

Schafft ein neues Europa! E-Book

Christoph Schalast

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Beschreibung

Eurokrise und kein Ende in Sicht. Während Regierungen zerbröseln und immer mehr Länder wanken, beschwören die einen die Wirtschafts- und Währungsunion, die angesichts schrecklicher Untergangsszenarien um jeden Preis erhalten werden muss, während die anderen lautstark den Rauswurf der Pleiteländer fordern und das Versagen der EU nahen sehen. Beides ist falsch, sagt Christoph Schalast. Denn die Europäische Gemeinschaft ist nicht das kleinere Übel - es ist die bessere Lösung. Deutschland kann der Motor sein für den Weg in eine neue Kern-EU - zu unser aller Vorteil. Christoph Schalasts leidenschaftliches Plädoyer für eine neue Vision von Europa zeigt, wie das gelingen kann.

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Seitenzahl: 63

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Christoph Schalast

Schafft ein neues Europa!

Campus Verlag Frankfurt/New York

Inhalt

Projekt Europa: Im Strudel der Staatsschuldenkrise

Drei große Fragen

Wir wissen zu wenig über Europa

Wir müssen mehr über die Europäische Union wissen

Europa vor der Europäischen Union

Das europäische Projekt

Die europäischen Institutionen

Binnenmarkt

Antworten für eine neue EU

Kein Königsweg

Demokratie

Rechtsstaat

Friedfertigkeit

Nationalstaat und Union

Eliten vs. Bürger

Die europäische Bürokratie

Transfer und Solidarität

Antworten für Griechenland

Wie geht es weiter?

Eine Vision für Europa: Die Zwiebel

Anmerkungen

Über den Autor

Impressum

Projekt Europa:Im Strudel der Staatsschuldenkrise1

Seit Monaten hält die Staatschuldenkrise die Europäische Union, ihre Mitglieder und die Europäer in Atem und es war zu erwarten, dass diese Zeit nicht ohne Blessuren vorübergeht. Auch wenn die Politik immer wieder zu der rhetorischen Floskel greift, dass die Union gestärkt aus dieser Herausforderung hervorgehen werde. Die wichtigsten – vorrangig – technischen Schwierigkeiten hat Europa in der Tat jetzt gemeistert, Griechenland ist refinanziert und auch ansonsten sind die meisten Brandherde zumindest vorläufig unter Kontrolle beziehungsweise gelöscht. Doch noch nie war die Zukunft der Europäischen Union, des großen Projekts der europäischen Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg, so unklar und so offen wie heute. Möglich, dass die Union nunmehr endlich Schritte in Richtung einer echten Wirtschafts-, Fiskal- und am Ende auch politischen Union in Angriff nimmt. Denkbar ist aber auch, dass die Europäische Union in verschiedene Teile auseinander driftet: die Euroländer, die »Nicht-mehr-Euroländer«, die Nicht-Euroländer und das Vereinigte Königreich. Wenn man der öffentlichen und veröffentlichten Meinung glauben will, dann wissen die Nationen Europas, seien es Deutsche, Griechen, Franzosen oder Italiener, auch nicht mehr so genau, wie sie sich Europa im Jahr 2020 wünschen.

Im Ergebnis steht damit vieles, was in den letzten 50, 60 Jahren zumindest für uns Deutsche selbstverständlich und auch für unser neues postnationales Selbstverständnis konstituierend war, auf dem Prüfstand.

Doch wie konnte es dazu kommen? Warum steht Europa heute am Scheideweg, nachdem es in der Vergangenheit so viele scheinbar unüberwindliche Klippen gemeistert hat, wie die Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich, den britischen Isolationismus, die Wiedervereinigung Deutschlands – eingebettet in die Europäische Union –, die Aussöhnung und die Integration des Ostens und insgesamt die Ingangsetzung eines wohl eimaligen Demokratisierungsprozesses weit über die Grenzen der Union hinaus?

Exemplarisch für die Unsicherheit über den künftigen Weg sind die Äußerungen deutscher Politiker der letzten Monate. So wandte sich etwa Bundesinnenminister Friedrich am 3. November 2011 gegen eine stärkere Integration mit folgenden Worten: »Wer aus der Schuldenkrise den Schluss zieht, dass der europäische Zentralismus jetzt noch verstärkt werden muss, macht sich auf den völlig falschen Weg.«2

Allein schon das Wort »Zentralismus«, das oftmals mit Planwirtschaft verbunden wird, unterstreicht diese klare Positionierung gegen mehr Europa. Besonders überraschend ist allerdings eine solche Äußerung, wenn man Artikel 23 des deutschen Grundgesetzes betrachtet, dem der Innenminister ja ganz besonders verpflichtet ist: »(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist …«

Vielleicht vergessen wir allzu leicht: Unser Grundgesetz verfolgt aus guten Gründen die Idee eines vereinten Europas. Und das kann in letzter Konsequenz nur heißen: die Vereinigten Staaten von Europa.

Dennoch zeigte sich am gleichen Tag wie Friedrich auch der bayerische Ministerpräsident Seehofer überzeugt, »den Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa werden wir nicht einschlagen.«3 Vervollständigt wurden die Meinungsäußerungen der politischen Führungsspitze durch die bekanntermaßen pragmatisch agierende deutsche Bundeskanzlerin, die sich auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos zur deutschen Rolle in Europa äußerte: »Das hat mit Dominanz erst einmal gar nichts zu tun … Dabei ist meine Motivation doch nicht, dass, weil wir Deutsche so gerne sparen, jetzt alle anderen das auch tun müssen.«4 Orchestriert werden solche Positionen durch beiläufige Äußerungen wie die des CDU-Fraktionschefs Kauder zur Veränderung Europas durch die Staatsschuldenkrise: »Auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen.«5 In die gleiche Richtung zielt der Beitrag der Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im deutschen Bundestag, Gerda Hasselfeldt in der FAZ vom 31. Dezember 2011 mit dem programmatischen Titel »Mehr Deutsch in Europa«6

Parallel dazu erscheinen in Deutschland seit Monaten Europauntergangsbücher mit Titeln wie »Europa vor dem Crash«, »Stoppt das Euro-Desaster«, »Rettet unser Geld« und besonders verunglückt von Günter Hannich: »Der Euro, die Endlösung für Europa?«. Gerade beim letzten Titel hätte man sich mehr Sensibilität seitens des Verlags gewünscht, als mit einem Begriff zu polemisieren, der unauslöschlich verknüpft ist mit der Vernichtung der europäischen Juden durch das Dritte Reich.

Da alle genannten Autoren und Politiker auf Publikumserfolg zielen (müssen), kann man davon ausgehen, dass sie glauben, mit solchen Äußerungen und Titeln eine starke Strömung in Deutschland zu bedienen. Die veröffentlichte Meinung stärkt sie dabei von Rechts bis Links. Interessant ist allerdings, dass diese Europaverdrossenheit, die Politik, Presse und Populärliteratur gleichermaßen vor sich hertragen, zumindest nach aktuellen Meinungsumfragen von der breiten Bevölkerung (noch?) nicht geteilt wird. So fragte Infratest dimap Anfang 2012 für den ARD-Deutschlandtrend, ob die Bundesbürger zukünftig mehr oder weniger Europa möchten. Dabei blieb die Anzahl der Antworten: »Wir wollen mehr gemeinsame Politik« mit 58 Prozent gegenüber dem Wert im Oktober 2011 gleich, während die Gruppe derjenigen, die »wieder stärker allein handeln wollen« sogar von 39 Prozent (Oktober 2011) auf 36 Prozent zurückging.7 Diese konstante mehrheitliche Europazustimmung überrascht umso mehr, als die Woche der Umfrage (28. Februar bis 2. März) besonders stark von europapolitischen Kontroversen geprägt war.

Zunächst stimmte der Bundestag dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen über Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik8 mit großer parteiübergreifender Mehrheit zu. Das Verfassungsgericht entschied über die Beschwerde zweier Bundestagsabgeordneter gegen die Übertragung von Mitwirkungsrechten des Bundestages im Falle einer möglichen Erweiterung der Euro-Rettungsmaßnahmen und stärkte damit das Haushaltsrecht des Parlaments.9 Zum Ende der Woche verpflichteten sich 25 EU-Staaten im sogenannten »Fiskalpakt« zu mehr Haushaltsdisziplin und einer Schuldenbremse. Ferner glückte zum Wochenende der Schuldenschnitt in Griechenland, die »größte Umschuldung der Nachkriegszeit«, so die FAZ, war damit perfekt. Und schließlich – als einziges Ereignis, das nicht unmittelbar mit der Schuldenkrise in Verbindung stand – wurde Serbien zum offiziellen Beitrittskandidaten ernannt, wodurch endlich der blutige Zerfall von Jugoslawien in den Neunzigerjahren zu einem Abschluss kommt und allen Nationen Südosteuropas eine gemeinsame Perspektive innerhalb der Europäischen Union eröffnet wird.10

Man möchte geradezu sagen: »Es geht doch!«. Auch wenn die Verbindlichkeiten anderer Zentralbanken bei der Bundesbank als neues Top-Thema am Horizont bereits irrlichtert, scheint die Zeit der Feuerwehreinsätze, die von den Märkten und der öffentlichen Meinung getriebenen kurzfristigen Entscheidungen, erst einmal vorbei zu sein. Umso mehr ist es jetzt an der Zeit, über die Zukunft unseres (fürs Erste) geretteten Europas nachzudenken.

Drei große Fragen

Am 7. Februar 2012 stellte sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Rahmen einer Debatte der BELA-Foundation11 im Treppenhaus des Neuen Museums in Berlin den Fragen von Studenten aus unterschiedlichen europäischen Nationen über die Zukunft der Europäischen Union. Dafür hätte es keinen besseren Ort geben können als jenen Wiederaufbau, der mit den erhaltenen Spuren von Bomben und Einschusslöchern die Narben und Brüche deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert auf eindringliche Weise abbildet.