Schattenlicht - Eve Silverwind - E-Book

Schattenlicht E-Book

Eve Silverwind

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Beschreibung

Cathy besitzt eine außergewöhnliche Fähigkeit, die für sie mehr Fluch als Segen ist. Sie soll zur Waffe werden und steht im ständigen Zwiespalt. Doch Cathy hat genug davon, davonzulaufen und unter dem Druck zusammenzubrechen. Mit der Unterstützung einer neuen Verbündeten kommen neue Details ans Licht, die die Geschichte um ihre Feinde und ihre Herkunft in ein neues Licht rücken. Als eine ihrer Gedenkstätten belagert wird, setzt Cathy alles daran, herauszufinden, was dort vor sich geht. Doch dieser waghalsige Versuch endet in einem verheerenden Rückschlag, der Clay dazu bringt, Cathy mit seinen tief verborgenen Gefühlen zu konfrontieren.

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Seitenzahl: 346

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Schattenlicht

Erwachen

Roman

von

Eve Silverwind

Auflage im April 2025, veröffentlicht über epubli,

Enthält Rechtschreibkorrekturen

www.evesilverwind.de

ISNI 0000000523764975

Eve Silverwind wird vertreten von Evelyn Heine Ulmenweg 22 06231 Bad

Dürrenberg

Alle Rechte liegen beim Urheber, Illustrationen wurden mit KI erstellt

Alle Rechte bei Verlag/Verleger

Copyright © 2025, Eve Silverwind

www.evesilverwind.de

Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a,

10997 BerlinKontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:

[email protected]

Anmerkungen: Kann Formatierungsfehler enthalten, die aufgrund der Konvertierung seitens epubli bestehen. Ich entschuldige mich schon mal und hoffe, euere Leseerlebnis ist trotzdem gut :)

TRIGGERWARNUNG

Gewalt, Kämpfe, Verlust,Ängste, depressive Stimmungen ,Tod

* * *

* * *

* * *

KAPITEL 12

Ich zielte auf das Hindernis, das sich rechter Hand von mir befand. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie direkt vor mir eine weitere Pappfigur nach oben schnellte. Es galt innerhalb von Sekundenbruchteilen zu entscheiden, ob es sich um Freund oder Fein handelte.

»Cathy, pass auf«, gab mir Jadon über die kleinen Funkgeräte in unseren Ohren zu verstehen. Er befand sich irgendwo hinter mir.

Wir waren nicht allein im Hindernisparcours. Clay und Amber bildeten das gegnerische Team. Es war meine Idee, die Teams so aufzuteilen. Ich wollte unbedingt ohne Clay funktionieren. Außerdem half es mir, meine mentalen Fähigkeiten zu trainieren, wenn ich gezwungen war mich vor ihm abzuschotten. Es handelte sich vor allem um ein Training, bei dem unsere Kräfte und Fähigkeiten außen vorgelassen werden sollten.

Wir schossen dabei mit Paintball-Kugeln nicht nur auf Hindernisse, sondern auch aufeinander. Dabei mussten die »Opfer« verschont und alle »Feinde« sowie das gegnerische Team ausgeschaltet werden. Wer einmal getroffen war, schied aus. Bisher führten Jadon und ich.

Jadons Worte veranlassten mich dazu, hinter einem Stapel Holzpaletten in Deckung zu gehen. Dort suchte ich meine Umgebung nach ihm ab und entdeckte ihn auf einem kleinen Vorsprung. Er war auf eines der flachen Gebäude geklettert und gab mir über Handzeichen die Position unserer Gegner durch. Ich schlich mich um den Stapel herum, vorbei an einer kleinen Mauer. »Buh«, machte ich, ehe ich auf Clay zielte und abdrückte. Ich brach in schallendes Gelächter aus, als er sich blitzschnell herumdrehte und die Kugel mitten auf seiner Brust landete. Die bunte Farbe gab seinem schwarzen Sweatshirt den letzten Schliff.

»Wie hast du?«, fragte er verwirrt.

Vor Lachen war ich nicht fähig, zu antworten.

»Sie lernt eben von den Besten«, tönte Jadon, als er zu uns aufschloss. »Und damit meine ich selbstverständlich mich«, feixte er und boxte Clay gegen die Schulter.

Amber verdrehte die Augen. »Wenn du dann fertig bist mit angeben, können wir ja vielleicht weiter machen?«

»Was denn?« Jadon sah mich an, als wisse er nicht, was sie meint. Ich war nicht gewillt darauf einzusteigen und sein ohnehin viel zu großes Ego noch mehr zu stärken.

»Vergiss es einfach Cowboy«, sagte ich deswegen. Ich wendete mich Clay zu und ließ meine Barrieren sinken, um mich mit seiner Kraft zu verbinden. Doch ich fand nicht mehr als das schwache Band, das wir beide sowieso immer wahrnahmen. Clays Barrieren waren immer noch oben. »Wollen wir dann?«, hielt Jadon mich ab, ein Gespräch mit Clay zu beginnen »Rebecca wartet schließlich auf uns.«

Wir hatten uns heute Morgen mit ihr verabredet. Gleich nach dem Training wollten wir sie besuchen, um die neusten Informationen auszutauschen. Da es mir unhöflich vorkam, sie länger warten zu lassen, nickte ich Jadon bestätigend zu.

»Wir räumen auf«, bot Clay an und griff im selben Moment nach meiner Pistole. Als unsere Blicke sich trafen, lächelte er kurz.

»Bis heute Abend dann? Es bliebt doch dabei?«, hakte ich nach, während Jadon sich bereits in Bewegung setzte. »Es bleibt dabei«, antwortete Clay knapp. Noch immer schottete er sich vor mir ab und irgendwas störte mich daran. Es war seltsam für mich, nicht zu wissen was genau in ihm vorging.

»Du trödelst«, rief Jadon mir vom anderen Ende der Halle zu. »Und du sollst mich nicht immer so hetzen«, warf ich ihm atemlos entgegen, als ich zu ihm aufschloss.

Er schenkte mir ein breites Lächeln.

»Was ist?«

»Das war gut heute. Du wirst immer besser, Kitty-Cat. So kann ich dich ohne Sorge nach draußen lassen.«

»Erstens: Nenne mich nicht so. Zweitens: tu nicht so, als wäre das allein dein Verdienst«, mahnte ich ihn, während wir die Gänge entlangliefen. Mir entging sein Grinsen nicht. Er war stolz auf sich und meiner Meinung nach, auch zu Recht. Ich wollte es ihm nicht unter die Nase reiben, aber durch seine Hilfe war ich in den vergangenen Tagen ein Stück weitergekommen. »Mach ich nicht«, gab er zu. »Die Hauptarbeit leistest immerhin du.« Sein Grinsen hätte kaum noch breiter werden können.

Uns kamen ein paar Leute entgegen, die mich freundlich grüßten. Ich kannte sie nicht persönlich, nicht mal ihre Namen. Doch Dank Alister und seinem kleinen Theater im Kuppelsaal vor ein paar Tagen war ich hier allen bekannt. Deswegen grüßte ich ebenso freundlich zurück.

»Eure Hoheit, sie sind ja jetzt eine Berühmtheit – soll ich euch jetzt in der dritten Person ansprechen?«, witzelte Jadon, dem dieses Verhalten der anderen mir gegenüber nicht fremd war. Es war egal wann und wo ich mich in diesem Stützpunkt aufhielt, JEDER nahm mich wahr. Noch mehr als vorher. Jadon machte sich einen Spaß daraus, mich damit aufzuziehen. Oder er tat es, um mich aufzumuntern und von der Tatsache abzulenken, wie sehr ich mittlerweile im Mittelpunkt stand. Inzwischen war es gar nicht mehr notwendig, solche Rücksicht auf mich zu nehmen. Ich kam mit den Dingen, so wie sie jetzt waren klar. Zumindest, nachdem ich geweint hatte, bis keine Träne mehr übrig war. Nachdem ich dem Schauspiel, welches mein Verstand mit mir vollzog, entkommen war. Er wollte mich schützen, vor allem, was auf mich einprallte und ich konnte es ihm nicht verübeln. Die Theorie, ich säße geknebelt in einer Irrenanstalt, war nicht weniger skurril als das, was mir die letzten Monate widerfahren war. Aber da war ja auch noch mein Herz. Und das fing irgendwann ganz leise an zu flüstern, mich zu erinnern, wie echt alles wahr, was ich empfand. Wie echt alles war, was ich in mir trug. Und da ging es nicht allein um die Kraft oder meine Fähigkeit, auch das Band zu Clay, die Gefühle für meine Freunde, meinen Vater- dieser ruhige, stetige Bach, der in mir vor sich hinplätscherte und den ich als Mensch nicht spüren konnte. Der mir das Gefühl gab, angekommen und richtig zu sein. Mir Ruhe gab. So gut konnten keine Tabletten dieser Welt sein, so viel stand fest. Dann, als ich mich nach und nach beruhigte, ging ich in Gedanken immer wieder die Frage durch, warum es gerade MICH mit dieser alles verändernden Fähigkeit traf. Eine süße, banale Fähigkeit wie Feuerkugeln werfen, hätte es doch auch getan, dachte ich bei mir. Bis ich einsah, dass diese Fragen und Zweifel von niemanden beantwortet oder aus dem Weg geräumt werden konnten. Letztlich sah ich die Parallelen zu meinem früheren Leben: All meine Gedanken drehten sich um etwas, das nicht zu ändern war und ich verharrte darin, unfähig den so offensichtlichen Ausweg zu sehen: Es spielte keine Rolle, warum es gerade mich traf. Das war vollkommen egal. Wichtig war nur die Tatsache, welche Fähigkeit ich in mir trug und wie ich von nun an damit umgehen wollte. Als ich es dann schaffte, mich aus Clays Armen zu lösen, und in sein sorgenvolles Gesicht zu blicken, wäre mir fast das Herz zum zweiten Mal an diesem Tag zersprungen. Sein Blick war meilenweit entfernt, in einem ähnlichen Dilemma gefangen wie ich. Er wollte nicht nur für mich leiden, statt mit mir, er suchte

einen Weg, mich vor all dem zu bewahren und war zu demselben Schluss gekommen, wie ich: Den gab es nicht.

Seltsamerweise war es dieser Moment zwischen uns, der mich neue Kraft schöpfen ließ. Ich wollte nicht mehr, dass er für mich stark sein musste. Dass er loszog und nach Möglichkeiten suchte, mich bewahren, schützen und verteidigen wollte. Es war nicht seine Bürde, nicht seine Last. Es war meine, bestenfalls unsere. Doch ich war eben genau so Teil des Ganzen und damit die Sache funktionierte, musste ich meinen verdammten Job machen. Mich zusammenreißen und an mir wachsen. Daran zu zerbrechen würde niemanden nutzen, nicht mir und noch viel weniger Clay. Auch wenn Elans Worte hart waren, so war er in gewisser Weise im Recht. Ich wurde mit einer besonderen Gabe gesegnet und es war meine Pflicht, dieses Potential zu nutzen, so wie ich es für richtig hielt. Der Gabe würdig zu sein. Es würde nichts ändern, mich dagegen zu sträuben und ich wäre nichts weiter als eine Enttäuschung für alle, die auf mich zählten. Ich musste meinen Weg finden und das nicht erst übermorgen. Mich positionieren und mir sicher dessen sein, was ich tun wollte, ansonsten wäre ich ein leichtes Opfer. Nicht nur für die Schatten oder für Alister, sondern für alle, die der Meinung waren, meine Fähigkeit für ihre Zwecke nutzen zu wollen. Das durfte ich nicht zulassen, wenn ich wirklich so mächtig war, wie alle annahmen. Und mich eben sowenig ständig hinter Clay verstecken, mich allein auf ihn verlassen. Ich wollte ihn genauso beschützen wie er mich. Ich wollte hinaustreten, aus seinem Schatten, mehr sein, als ich war und annehmen, was mir noch vor Tagen einen Schock versetzte: Ich war außergewöhnlich. Und das sollte von nun an keine Schwäche mehr sein, sondern zu meiner Stärke werden.

***

»Die Barrieren sind so stark wie noch nie«, begrüßte mich Rebecca, als wir das Labor betraten.

»Ja ich habe dich auch vermisst«, schnaubte ich mit einem belustigten Blick. »Nita war gerade noch hier, du hast sie knapp verpasst.« »Okayyyyy«, ich zog das Wort absichtlich in die Länge. Mir war das Lächeln auf Rebeccas Lippen nicht entgangen. Kaum zwei Wochen war Nita hier und die beiden hatten sich bereits angefreundet.

»Wie war das Training?«

»Gut. Wir haben gewonnen«, sagte ich stolz.

»Und Amber?«

»Was soll mit Amber sein?«

»Wie versteht ihr euch?«

Ich dachte über Rebeccas Frage nach. Seit dem Vorfall in der Kuppelhalle sah ich Amber mit anderen Augen. Es war meine Idee, sie mit in das Training zu involvieren. Auf Grund ihrer Fähigkeiten war sie eine Herausforderung für jeden hier. Als sie einwilligte, freute ich mich sogar darüber. Ich war neugierig darauf, sie kennenzulernen.

»Sie ist großartig«, antwortete ich deswegen.

»Sooooo?«, machte Rebecca, hob eine Augenbraue und sah mich herausfordernd an.

Natürlich verstand ich, worauf sie anspielte. Erst gestern gab sie mir ungefragt zu Protokoll: Amber würde sich ihrer Ansicht nach an Clay ran machen. Nachdem ich Amber die letzten Tage genau im Augenschein nehmen konnte, war ich allerdings zu dem Schluss gekommen, dass es nicht stimmte. Zumindest in meinem Beisein benahm sie sich unauffällig. Das Verhalten, das sie an den Tag legte, als ich sie beim Training mit Clay heimlich beobachtete, konnte ich nie wieder feststellen. Mal ganz davon abgesehen, besaß ich keinen Anspruch auf Clay und er konnte sich treffen, mit wem er wollte.

»An unsere Cathy hier, kommt sie doch sowieso nicht ran«, mischte sich Jadon ins Gespräch und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. »Was hat Nita rausgefunden?«, versuchte ich das Thema zu wechseln. Jadons übertriebene Zuwendung verwirrte mich und ich wollte mich nicht damit beschäftigen.

Rebecca seufzte. »Die bisherigen Erkenntnisse aus Mexiko sind leider nicht alle so bahnbrechend, wie ich am Anfang hoffte. Vieles wurde wohl nur falsch übersetzt.« Sie sah niedergeschlagen aus.

»Allerdings«, fügte sie mit ernster Miene hinzu. »Haben wir erneut Hinweise auf den Andromedanebel gefunden. Und wenn ich den Text nicht völlig falsch interpretiere, bestätigt er unsere bisherigen Annahmen: Die Schatten stammen ursprünglich von dort.«

»Und warum haben sie den Nebel verlassen?«

»Das, meine liebe Cathy, bleibt reine Spekulation. Wahrscheinlich mussten sie von dort fliehen, weil er nicht mehr bewohnbar war, oder sie eine Art Feind hatten, der mächtiger war.«

»Jemanden mit so einem Licht wie Cathy es hat?«, fragte Jadon und sprach damit aus, was ich nur dachte.

»Hm«, machte Rebecca. »Möglich, ich werde mich auf Recherchen in diese Richtung konzentrieren«, sagte sie, während sie sich schnell ein paar Notizen machte,

»Eine Sache ist da aber noch«, sie hob wieder den Blick. »Wenn wir uns nicht irren, dann sind die Schatten schon weitaus länger hier als wir. Bisher haben sich all meine Recherchen darauf ausgerichtet, dass die Schatten mit dem ersten Erwachen unserer Spezies zusammenhängen, bis mich Nita auf eine andere Idee brachte. Sie beschäftigt sich mit Geschichte - ich meine, nicht ausschließlich unsere. Sie ist an Historik interessiert und hat in der Geschichte ihrer Bevölkerung Bräuche entdeckt, die ihren Ursprung entweder im sehr frühen Mittelalter haben oder sogar noch in der Zeit davor.« »Gibt es solche Bräuche nicht überall?«, fragte ich. Ich erinnerte mich sehr gut an meinen früheren Geschichtsunterricht.

»Ganz genau. In jeder Kultur, überall auf der Welt, gibt es Rituale und Zauber, die das Unheil abwenden sollen. Es gibt sogar Geschichten, die sich durch alle Kulturen ziehen, wie die über die zwölf magischen Nächte um den Jahreswechsel, in der die Pforten für die Anderswelt besonders weit offenstanden.«

»Anderswelt?«, fragte Jadon.

»Die Welt des Übernatürlichen, einfach gesagt.«

»Die es ja auch durchaus gibt«, warf ich ein. »Wenn man uns betrachtet. Und nicht nur das. Als kleines Kind bildete ich mir oft ein, Dinge zu sehen, die den Erwachsenen verborgen blieben.«

»Nicht allen von ihnen«, erklärte Rebecca. »Es gab genügend unter ihnen, die die Anderswelt wahrnehmen konnten und in Kontakt zu ihr standen. Meistens lebten sie im Einklang mir der Natur, machten sich ihrer Heilkräfte zu Nutze und wurden dann im frühen Mittelalter als Hexen gejagt.« »Obwohl sie nichts anderes taten als sich und ihren Liebsten zu helfen«, sagte ich traurig.

»Oder gegen etwas anzukämpfen«, warf Rebecca ein und überging meine Stimmung. »Gegen etwas, was ihre Existenz bedrohte und ihnen Angst machte. Etwas, was sich in die Heiligkeit der Anderswelt eingeschlichen hat. Geht man die Geschichtsbücher der Menschen durch, findet man immer wieder Schutzzauber. Vor dem Durchführen von Ritualen zum Beispiel soll man sich ausdrücklich schützen und nur die guten Seelen aus der Anderswelt zu sich einladen.« »Das klingt wirklich verdächtig danach, als hatten die Menschen schon früher mit den Schatten zu tun gehabt«, bestätigte Jadon. »Und warum sind wir dann erst viel später auf diesem Planeten erwacht? Oder sind wir das gar nicht?«, hakte ich nach. »Waren die ersten unserer Spezies vielleicht unter diesen mutmaßlichen Hexen? Ich meine, gibt es irgendwo Hinweise, wo genau unsere Ursprünge liegen? Gibt es irgendwen, der sich an den ersten von uns erinnert? Wird diese Person je erwähnt? Oder waren es gar mehrere?«

Die beiden sahen mich mit demselben entgeisterten Gesichtsausdruck an, wie bei jeder meiner Fragen, von denen ich mir mehr erhoffte. »Nita erzählte mir, dass sie bei ihrer Recherche nach unseren Ursprüngen immer wieder auf neue Mysterien stößt und je tiefer sie gräbt, desto weniger schlüssig wird alles. Als gäbe es eine Art Hindernis, was die Lösung verstecken soll. Wir haben lange darüber debattiert, ob es Zufall sein könnte, dass wir beide nie einen echten Durchbruch erreichen konnten. Doch wir irren uns nicht: Daran ist etwas faul. Wir sollen nicht herausfinden, was hinter allem steckt.« »Das klingt wirklich alles sehr suspekt«, bemerkte ich. »Ich meine. Es ist ja schön und gut, dass unsere Aufzeichnungen lückenhaft sind. Aber es kann doch nicht normal sein, dass jede Recherche ins absolute Nichts führt.« Betroffen sahen sie mich an.

»Du hast Recht Cathy«, ergriff Rebecca wieder das Wort. »Und ich glaube, wir sind näher dran als je zuvor. Ich verspreche dir, wir geben nicht auf, aber momentan fehlt uns die Zeit, rund um die Uhr weiterzuarbeiten« »Weil ihr die Barrieren stärken müsst…«, sagte ich mehr zu mir selbst. Durch meine Anwesenheit hielt ich den halben Stützpunkt auf Trab. Meine Gewissensbisse deswegen waren groß. Die Zaubersprecher wechselten sich zwar untereinander ab, dennoch konnte ich sehen, wie erschöpft sie waren. Auch die Sicherheitsteams befanden sich öfter im Einsatz, die Patrouillen wurden verstärkt und außerhalb des Stützpunktes wieder Wachen postiert. Es kam mir vor, als seien alle nur meinetwegen beschäftigt und unsere Recherchen wurden deswegen ausgebremst. Irgendwie kamen wir nie richtig weiter und das seltsame Gefühl beschlich mich, dass dahinter mehr steckte als eine Reihe an Zufällen. »Das Überwachungssystem rund um die Berge ist bald fertig«, erklärte Jadon, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Wenn es installiert ist, können wir die Patrouillen abziehen und den gesamten Stützpunkt von hier drinnen über Monitore überwachen. Außerdem ist es uns gelungen mit den alten Satelliten ein Kommunikationssystem aufzubauen«, plapperte Jadon weiter. Er versuchte wohl, mich aufzumuntern. Doch der Gedanke an all die Leute, die meinetwegen ihr Leben riskierten, stimmte mich nicht gerade fröhlich. »Was ist mit der Mischung?«, fragte ich an Rebecca gewandt und schob die düsteren Gedanken so weit weg, wie es ging.

Rebeccas Miene verdunkelte sich. »Die eine Kugel muss reichen. Mir fehlen die Ressourcen dazu.« »Wie das?«, fragte Jadon.

»Ich komme nicht an die benötigten Metalle.«

»Wo liegt das Problem?«, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Bei mir«, entgegnete ich. »Wegen der vielen Wachen und verstärkten Sicherheitsmaßnehmen kommt Rebecca nicht ungesehen in alle Bereiche.« Er neigte bestätigend den Kopf, sagte aber nichts. Normalerweise hätte ich eine spitze Bemerkung von ihm erwartet, er konnte sich aber scheinbar beherrschen. Auf gewisse Art war ich ihm dankbar dafür. Das Letzte, was ich gerade gebrauchen konnte, war jemand, der mein schlechtes Gewissen noch größer machte.

»Meine Schicht fängt gleich an«, sagte er stattdessen. Er war dem Sicherheitsteam freiwillig beigetreten und schloss sich den täglichen Patrouillen an. Natürlich tat er das nicht ohne Hintergedanken. Er war der Meinung, keiner Information zu trauen, die man nicht selbst bestätigen konnte. In meinen Augen war er ein wenig paranoid, denn wir konnten sowohl Elan als auch Clay voll vertrauen. Nachdem ihre Freundschaft durch mich aber einen Bruch erlitten hatte, war es vielleicht nicht übel noch jemand an vorderster Front zu wissen. »Sehen wir uns morgen?«, fragte er mit einem Lächeln. »Ja, neun Uhr. Trainingsparcours mit Amber und Clay.« »Aber komm nicht wieder zu spät, Kitty-Cat«, sagte er im Gehen und winkte mir lässig über die Schulter zu.

Ich verdrehte die Augen, auch wenn ich nicht wirklich sauer war.

***

Nach meinem Besuch bei Rebecca setzte ich Clay über alles in Bild. Über die Sache mit dem Ursprung der Schatten im Andromedanebel sagte er nicht viel. Er war damit konform, scheinbar folgte er schon früher öfter Spuren in diese Richtung. Auch hatte er selbst schon die Theorie, dass unser eigener Ursprung dort sein könnte, aber es gab nie die Hoffnung auf Bestätigung. Die Erkenntnisse über die Geschichte der Menschen hingegen ließ ihn hellhörig werden. Er fand diese Tatsache genau so interessant und wenig abwegig wie ich und bezeichnete Nitas Recherchen als echten Zugewinn. Ebenso fand er es merkwürdig, dass Nita mit ihren Nachforschungen auch immer wieder ausgebremst wurde, vor allem wenn es darum ging, tief bis hinein in die Ursprünge unserer Spezies vorzudringen.

Er räumte allerdings ein, dass er sich der Ermittlung der Zusammenhänge erst intensiver gewidmet hat, seit er mit mir verbunden wurde. Seine Stärken lagen eher im Strategiebereich. Im Planen von Missionen, im Ausfindig machen der Feinde, was schon immer schwierig war, da sie ihre Anwesenheit mit Zaubern verschleiern konnten und weder er noch ein anderer Anführer je Hinweise gefunden hatten, wo sich die Basis unserer Feind befinden könnte. Wenn es darum ging, hat er sich die sprichwörtlichen Bücher um die Ohren gehauen, Stunden damit verbracht, einen besseren Weg zu finden, die Schatten aufzuspüren. Auch ihm war es oft so vorgekommen, als unterläge es reiner Willkür, wann sie zu Tage traten und uns angriffen, fast, als müssten sie uns immer in Schach halten.

Vielleicht gelang uns mit Nitas Hilfe der entscheidende Durchbruch, mutmaßte er, als wir zum gemeinsamen Training aufbrachen, um uns dort auf das Ausbauen meiner Fähigkeit zu konzentrieren.

»Kannst du seine Intensität verändern?«. Er stand dicht hinter mir, seine Hände ruhten auf meinen Schultern und strahlten dort Wärme aus. »Ich weiß nicht«, antwortete ich und konzentrierte mich auf das kleine Licht, welches ich gerade erst erschaffen hatte. Wir befanden uns in einer leeren Lagerhalle. Ich wählte diesen Ort, weil ich niemanden in Gefahr bringen wollte. Obwohl Rebecca und Nita der Meinung waren, mein Licht konnte keinen von uns schaden, sondern eher beschützen, wollte ich kein Risiko eingehen. Ich spürte, wie Clays Finger mehr Druck auf meine Schultern ausübten. Zeitgleich drang etwas mehr von seiner Kraft in mich hinein. Doch nichts passierte. Das Licht blieb, wie es war. Seit Tagen war das Ergebnis unserer Arbeit das Gleiche. Zwar konnte ich meine Fähigkeit mittlerweile problemlos heraufbeschwören, aber scheinbar nie eine Grenze überschreiten. »Hm«, machte Clay.

»Was?«, fragte ich, doch er reagierte nicht.

Da ich mich umdrehen und ihm in die Augen schauen wollte, holte ich das Licht zu mir zurück.

»Wow«, entfuhr es Clay überrascht, als das Licht sich in wenigen Sekundenbruchteilen wieder mit seiner Quelle – der Kraft in mir – vereinte. »Das ist wirklich Wahnsinn, es fühlt sich so….«

»Ich weiß«, unterbrach ich ihn. Mir fehlten selbst die Worte für das, was ich dabei empfand. Es als überwältigend zu beschreiben, war untertrieben. »Also, was wolltest du eben sagen, Clay?«

»Gar nichts«, log er. Wohl wissend, ich konnte die Lüge spüren. Ich atmete resigniert aus, verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn streng an.

»Clay«, mahnte ich.

Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Die Lüge zu leugnen, brachte nichts. »Es ist nur ein Gedanke. Und wo er hinführt, gefällt mir nicht.« »Vielleicht gefällt es mir dafür besser. Du musst dir um mich keine Sorgen machen, das haben wir doch geklärt, oder nicht?«

»Eigentlich hast du nur deinen Standpunkt verdeutlicht. Ich unterstütze dich nur, weil du es ansonsten ohne mich durchziehen würdest.« Tatsächlich bekam ich ihn nur mit Mühe und Not dazu überredet, mehr mit mir zu trainieren. Noch immer haderte er damit, was mit mir geschehen war und welche Rolle ich nun einnahm. Mehr als ich selbst. Und obwohl ich jeden Tag besser damit zurechtkam, war offensichtlich, wie sehr er sich wünschte, die Dinge lägen anders. Oder er mir etwas von der Last abnehmen könnte. Noch weniger gefiel ihm wohl der Ehrgeiz, mit dem ich neuerdings vorging. Ich legte ihm dar, wie satt ich es hatte mich nur feige zu verschanzen und der Dinge abzuwarten, die da eventuell kämen. Ich wollte Antworten auf meine Fragen. Dazu konnte ich mir es mir nicht mehr leisten schwach zu sein, andere für mich entscheiden zu lassen oder nicht für mich selbst Partei zu ergreifen. Mir war es lieber, Clay wäre dabei an meiner Seite. Vor allem, da ich auf weitere waghalsige Aktionen verzichten konnte und auf sein Gespür und sein Wissen angewiesen war. Nachdem ich ihm das offenbart hatte, willigte er schließlich ein. Natürlich nicht, ohne seine Bedenken immer wieder zu äußern. »Ich habe es dir doch erklärt«, sagte ich deswegen. Mit festem Blick sah ich ihn an. Meine Entschlossenheit war ungebrochen, denn ich wollte endlich Ergebnisse, die uns wirklich weiterbrachten.

»Das hast du.«

»Wo ist dann das Problem?«

»Ich habe Angst davor, was es mit dir macht.« Bei seinen Worten wurde sein Blick weicher. Es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr es ihn beschäftigte. »Gut, das kann ich verstehen«, lenkte ich ein. »Trotzdem werde ich alles tun, was nötig ist, um voranzukommen. Das ist zu wichtig Clay. Ich kann hier nicht nur danach gehen was für mich angenehm oder unangenehm ist – es geht hier um mehr als um mich. Wie Elan bereits sagte: Die Sache ist zu wichtig. Sie betrifft uns alle und ich muss funktionieren.

Bei der Erwähnung von Elans Namen verdunkelte sich seine Miene. »Was er gesagt hat, war dennoch nicht okay.«

»Nun hör aber auf. Seine Ehrlichkeit war nötig.«

»Aber nicht seine Wortwahl, Cathy. Und sein Umgangston.« »Wie lange willst du ihm das noch vorwerfen?« Ich klang vorwurfsvoller als beabsichtigt. Ich hasste die Tatsache, dass die beiden noch immer zerstritten waren. Clay war, im Gegensatz zu mir, nicht bereit ihm zu verzeihen. Er machte keine Anstalten mir zu antworten. Da ich mich nicht streiten wollte, wechselte ich einfach das Thema.

»Also was ist es, Clay, was in deinem Kopf vor sich geht und du mir nicht sagen willst?«

Immer noch schwieg er mich an, seine Miene wirkte undurchdringlich. Da ich mir nicht anders zu helfen wusste, versuchte ich einen anderen Weg. Ohne Vorwarnung griff ich nach seiner Hand, verflocht unsere Finger und sah ihm fest in die Augen. »Vertraust du mir nicht?« Natürlich waren diese Frage und mein Vorgehen nicht ganz fair.

»Doch, natürlich.«

»Dann raus damit!«

»Ich glaube, du kannst das Licht nicht verändern, weil keine Gefahr droht. Rebecca meinte doch, dein Licht reagiert wahrscheinlich auf die Schatten?« »Ja. So lauteten ihre Worte.«

Ich musterte Clays Gesicht, während mir die Bedeutung des Gesagten klar wurde. »Also muss ich raus in den Kampf!«

»Und das gefällt mir nicht, Cat.« Die Erwähnung dieses Kosenamens verursachte ein leichtes Hochgefühl bei mir. Entweder wollte er mich besänftigen oder von seiner Meinung überzeugen.

»Mir auch nicht«, gab ich ehrlich zu. »Aber wenn es das ist, was dazu nötig ist, werde ich es tun.«

Clay überwand die wenigen Zentimeter zwischen uns, bis er ganz dicht vor mir stand. Seine offene Jacke streifte meinen Arm.

»Du bist tapfer«, wisperte er. Die Worte wehten wie ein sanfter Sommerwind durch mich hindurch. Angenehm und warm – beinah prickelnd. Mit dem Daumen strich er über meinen Handrücken und seine Augen wurden viel weicher.

»Ich habe keine andere Wahl«, flüsterte ich zurück, unfähig lauter zu sprechen. Ich war wie gebannt von seinen Augen. Je länger er mich ansah, umso intensiver wurde sein Blick. Die Luft um uns war binnen Sekunden elektrisch geladen und ich war mir nur all zu bewusst, wie nah wir uns waren. Es fühlte sich anders an als die vielen Male, die er mich schon im Arm halten und mich trösten musste. Irgendwie intimer. Und doch ließ ich es immer mehr zu, wehrte mich nicht mehr so dagegen, wie zu Beginn unserer Ankunft hier. Er hatte mir so viel mehr von sich gezeigt, ich fand es unfair, ihn von mir wegzustoßen, auch wenn ich nie eine gewisse Grenze überschritt, was mich in letzter Zeit mehr meiner Anstrengung kostete als sonst.

»Ich hoffe, ich störe euch nicht«, unterbrach uns eine wohlbekannte Stimme. »Natürlich nicht, Jadon«, antwortete Clay, doch mir entging sein Augenrollen nicht. Als er einen halben Schritt von mir abrückte, fühlte sich das seltsam an. Als wäre da eine plötzliche Leere zwischen uns, obwohl er doch direkt neben mir stand.

»Ich wollte sehen, wie ihr vorankommt.« Mit den Händen in den Hosentaschen kam er auf uns zu geschlendert. Irgendwie wirkte er unzufrieden. »Gar nicht«, entgegnete ich frustriert.

»Warum nicht? Woran hapert es denn?« Er sah mir direkt in die Augen, Clay ignorierte er allerdings gekonnt.

»Vermutlich an der fehlenden Bedrohung.« Als ich die Worte sprach, versteifte sich Clay. Es gefiel ihm nicht, wie ich mit dieser neuen Theorie umging. Ohne Angst, ohne Bedenken. Damit demonstrierte ich, wie ernst es mir war, diesen Umstand zu ändern. »Rebecca und Nita glauben, das Licht reagiert auf die Schatten. Erst dann kann es sein volles Potential entfalten«, fuhr ich unbeirrt fort. »Verstehe«, gab Jadon zu Protokoll. Er musterte mich von oben bis unten. Sein Blick blieb an der Hand hängen, die mit Clays verflochten war. »Sonst noch was?« Clays Ton war schroff, beinah unfreundlich. Er war natürlich nicht begeistert, das erklärte aber nicht, warum er seine Laune jetzt an Jadon ausließ.

Endlich löste Jadon den Blick von mir. In aller Seelenruhe wandte er sich Clay zu. Mit funkelnden Augen sah er ihn herausfordernd an. Wahrscheinlich entging auch ihm die Missbilligung in Clays Stimme nicht und er bezog sie fälschlicherweise auf sich.

»Nein.« Sagte er mit zusammengepressten Kiefern. Es klang ebenso barsch, wie Clays Frage. Anscheinend konnte er sich nur schwer beherrschen. »Dann bis morgen«, blaffte ihn Clay an.

So wie ich Jadon kannte, würde er das nicht auf sich sitzen lassen. Als er sich jedoch umdrehte und ohne Verabschiedung ging, war ich sprachlos. Kaum schlossen sich die Türen hinter ihm, ließ Clay meine Hand los. Ohne ein Wort verließ er ebenfalls die Halle.

Ich blieb stumm zurück. Allein und vollkommen verwirrt.

***

Clay

Es fiel mir schwer Cathy stehen zu lassen, doch ich wollte meine Laune nicht an ihr auslassen.

Jadons Art mit Cathy umzugehen, gefiel mir nicht. Sie hatten sich seit seiner Ankunft mehr und mehr angefreundet und verbrachten öfter Zeit zusammen bei Rebecca.

Meiner Meinung nach war Jadon zu leichtsinnig, ließ sich zu schnell von Cathys Ideen mitreißen. Er war kein bisschen besorgt um sie und sie im Gegenteil noch bei allem zu ermutigen, statt die Risiken abzuwägen. Er versuchte ihr ein Freund zu sein, doch ich vermutete ganz andere Absichten dahinter. Und damit meine ich nicht nur seine Hoffnung, dass Cathy uns im Kampf einen Vorteil bringen kann, sondern auch die Ambitionen, die er ihr gegenüber machte, weil er auf sie stand. Jeder konnte es sehen, nur Cathy nicht. Im Grunde ging mich das natürlich nichts an. Cathy war zwar meine Partnerin, ich konnte ihr deswegen aber nicht vorschreiben, mit wem sie ihre Freizeit verbrachte oder für wen sie vielleicht Gefühle entwickelte. Eigentlich galt meine Wut mir selbst. Ich verhielt mich unlogisch, erst recht seitdem ich wusste, wie es um Cathys Fähigkeit stand. Seit Alister sie so offen beschuldigte und sie damit in eine unmögliche Lage brachte, war mein Beschützerinstinkt unbändig. Sie lag mir immer schon am Herzen, doch nun war es anders. Ich wollte sie am liebsten vor dem ganzen Unheil da draußen bewahren. Mehr noch – davor diese große Verantwortung ganz allein zu tragen. Für mich stand schon immer außer Frage, wie außergewöhnlich sie war. Und als ich ihr Licht dann das erste Mal sah, war mir klar: Cathy würde alles andere tun, als daran zerbrechen. So groß die Demütigung durch Alister auch sein mochte, Cathy war nicht der Typ, der davonlief. Nichts lag ihr ferner, als die Hoffnung, die alle in sie setzten, zu enttäuschen.

Alisters Provokation diente ihrer Bloßstellung, doch sie bewirkte genau das Gegenteil: Cathy wuchs daran und wurde immer stärker. Meine Sorge galt, anders als sie wahrscheinlich annahm, nicht der Bürde, die sie tragen musste. Im Gegenteil war mir bereits jetzt bewusst, wie stark sie sein konnte, wenn sie etwas wirklich wollte. Ich sorgte mich eher darum, was sie alles auf sich nehmen würde, um ihrer Rolle gerecht zu werden. Und was das letztendlich aus ihr machen würde.

Darum brachten mich auch Elans Worte vor ein paar Tagen so in Rage. Weil er nicht begriff, wie stark sie bereits war. Zu was sie einem jeden von uns bringen konnte: nämlich über uns selbst hinaus zu wachsen. Und weil ihm, anders als mir, ihr Seelenwohl nicht am Herzen lag oder er zumindest bereit war es für eine größere Sache zu opfern. Genau wie Jadon.

Sie hatte ein gutes Herz und ich war nicht einverstanden damit, auf welche Art sie sich der Herausforderung stellen wollte. Einen Schatten mit ihrem Licht anzugreifen, bedeutete auch ihn zu vernichten. Eine Schwelle, die Cathy bisher nie übertreten konnte oder wollte. Die Konsequenzen, mit denen sie zu leben hätte, waren nicht vorhersehbar.

Vor allem wollte ich aber, dass sie überlegter vorging. Nichts überstürzte. Jadons Waghalsigkeit und sein übertriebener Drang, den Schatten unbedingt zurückzuzahlen, was sie uns antaten, waren dabei nicht förderlich. Außerdem war Alister eine unvorhersehbare Konstante. Noch immer ging eine große Bedrohung von ihm aus. Nicht nur, weil er bereit war Cathy für seine Zwecke zu opfern. Sondern auch, weil er irgendein Geheimnis wahrte. Anders konnte ich mir seine Reaktion gegenüber Cathy nicht erklären. Rational war sein gesamtes Verhalten nicht zu begründen.

***

Am nächsten Morgen waren wir pünktlich 9 Uhr wieder am Hindernisparcours. Amber und Jadon waren bereits dort und unterhielten sich. »Guten Morgen«, begrüßte ich die beiden freudestrahlend. »Hey ihr zwei«, grüßte Amber freundlich zurück. Die Männer beließen es dabei, sich anzuschweigen. Amber warf mir einen vielsagenden Blick zu, den ich mit einem Augenrollen quittierte.

Das Training verlief ebenso zäh, wie die Begrüßung. Die beiden Kerle benahmen sich wie kleine Jungs, die jede Chance nutzten, um sich eins auszuwischen. Von Teamarbeit war nichts zu spüren, das Ganze glich eher einem wilden Durcheinander. Zu allem Überfluss war es Jadon der am Ende die meisten Treffer kassierte. Sein Ego war gekränkt und seine Laune fast nicht zu ertragen. »Was soll das eigentlich, Jungs?« Amber trat hinter ihrem Versteck hervor, die Arme in die Hüften gestemmt. »Ihr verhaltet euch heute wie zwei Hornochsen. Das können wir gleich noch mal machen. Und diesmal reißt ihr euch bitte zusammen.«

Clay sah zwar schuldbewusst zu Boden, ich konnte aber spüren, wie sehr ihn Jadons Niederlage ihm gegenüber freute. Je größer seine Wut wurde, umso mehr fühlte sich Clay davon angestachelt und ich verstand die Welt nicht mehr. Mir war bewusst, wie wenig Clay von Jadons Übermut hielt und er war alles andere als begeistert davon, dass Jadon mich in jeder meiner Ideen unterstützte. Aber langsam wurde es lächerlich.

»Wir machen fünf Minuten Pause«, sagte ich deswegen und stapfte wütend an den Rand des Parcours. Dort stand eine Wasserflasche, die ich immer zu unserem Training mitbrachte. Als ich trank, sah ich aus dem Augenwinkel eine Person auf mich zukommen – Jadon.

»Tut mir leid Cathy«, gab er kleinlaut zu. Sein blondes Haar schien zerzaust und er war noch leicht außer Atmen. Es tat mir fast ein bisschen leid, ihn so zu sehen. Unter anderen Umständen wäre ich vielleicht eingeknickt und hätte seine Entschuldigung angenommen. So quittierte ich sie aber lediglich mit einem Schweigen. Ich begriff zwar nicht, was hier los war, trotzdem stand mir nicht der Sinn nach Diskussionen oder klärenden Gesprächen. »Es gibt ein Gerücht.« Erst verstand ich die Worte nicht. Ich ging davon aus, er würde weiter seine Entschuldigung stammeln. Als ich nicht reagierte, sprach er einfach weiter. »Morgen sollen die letzten Arbeiten am Sicherheitssystem fertiggestellt werden. Angeblich wurden Aktivitäten der Schatten beobachtet und sie wollen einige von uns mit rausschicken, um die Arbeiten zu sichern.« Als die Worte in mir wirkten, witterte ich meine Chance. Offensichtlich wusste Jadon genau, wie er mich ködern konnte. Meine Laune besserte sich, auch wenn sich die von Clay wahrscheinlich gegen Null gehen würde, wenn er hiervon erfuhr.

»Wer stellt das Team zusammen?«, fragte ich mit gesenkter Stimme. »Laut den Gerüchten ist Elan der Teamleiter.«

Beinah hätte ich angefangen breit zu grinsen, konnte es mir aber gerade noch verkneifen. »Das ist«, räusperte ich mich. »Mir natürlich ein sehr gelegener Zufall.« Elan würde mir meine Bitte nie im Leben abschlagen. Schon gar nicht, wenn ich ihm erkläre, was ich vorhatte. Jadon strahlte mich an. Wie ein kleiner Junge, der für eine gute Tat gelobt wurde. Innerlich schlug ich mir mit der Hand vor den Kopf. Es war schon fast putzig, wie leicht er zu durchschauen war und selbst mir war klar, dass er mich nur beeindrucken wollte.

»Wie viel Schatten sollen denn da draußen sein? Weißt du mehr?«, versuchte ich abzulenken, ehe ich noch angefangen hätte blöd zu kichern. »Nein, aber die Einsatzbesprechung findet nachher statt. Ich nehme dich einfach mit. DIR wird man den Zutritt ganz sicher nicht verweigern.« Er zwinkerte mir vielsagend zu. Wahrscheinlich war er nicht im Unrecht. Mein Beliebtheitsgrad war in den letzten Tagen schlagartig gestiegen. Ich war nicht mehr die seltsame Außenseiterin, sondern die gern gesehene Hoffnungsträgerin. Ob mir das nun gefiel oder nicht, die Leute zählten auf mich. Der Vorteil daran war, dass mir nun alle Türen offenstanden.

»Ja, das wäre prima«, lächelte ich ihn an.

»Was wäre prima?«, grollte Clays Stimme hinter mir. Sein Ärger war ihm deutlich anzusehen.

»Das geht dich nichts an«, blaffte Jadon, ehe ich etwas sagen konnte. Genau das, was ich gebrauchen konnte. Mir war glasklar, wohin das hier gleich führen würde.

»Sag das noch mal«, konterte Clay. Er grinste Jadon herausfordernd an. Die Luft im Raum war nicht nur aufgeladen, hier würde gleich ein Unwetter losbrechen. Wenn es auch nur irgend möglich war, machte Jadon sich noch einen Kopf größer, als er eh schon war, und stellte sich noch ein bisschen breitbeiniger hin. »Ich sagte, es geht dich nichts an. Du kannst sie nicht immer bevormunden und alles kontrollieren. Sie kann ihre eigenen Entscheidungen treffen«, bellte er. Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. War Clay bisher höchstens wütend, wirkte er nun fast haltlos. Als er mit zusammengekniffen Augen die Zähne bleckte, fuhr mir der Schrecken in die Glieder. Solch eine übertriebene Reaktion an ihm war mir völlig fremd. Seine Muskeln zuckten, als wolle er zum Schlag ausholen. Starr vor Schreck konnte ich nur dastehen, anstatt zu reagieren. »Also bitte Jungs«, warf Amber ein, während sie gelassen zu uns herüberkam. Ihr durchtrainierter Körper strahlte Stärke aus, das pechschwarze Haar war wie immer zum Zopf gebunden. Mit jedem Schritt wippte er anmutig mit. »Das führt doch so zu nichts«, warf sie ein und stellte sich zwischen die beiden Männer. In ihrem Blick lag eine Ruhe, wie ich sie in diesem Moment auch gerne besessen hätte. »Cathy, was ist los?«

»Morgen soll ein Sicherungsposten mit nach draußen und ich will mich ihm anschließen. Angeblich sind da draußen Schatten. Ich will meine Fähigkeit testen.«

»Klingt doch vernünftig« Bevor Clay auch nur dazu in der Lage war, etwas zu antworten, hob sie eine Hand und fügte hinzu: »Wir gehen alle mit. Das wird ein Heidenspaß.«

»Abgemacht«, wandte ich mich an sie und ignorierte die beiden Trotzköpfe. »Die Besprechung ist heute Nachmittag«, erklärte ich ihr. »Gerüchten zu Folge, ist Elan der Teamleiter.«

»Dann gehen wir zwei zusammen hin, oder?«

»Das klingt gut«, willigte ich ein. Ich war plötzlich froh, sie an meiner Seite zu wissen. »Am besten, du holst mich nachher bei Rebecca ab. Ich bin noch mit ihr verabredet.«

Sie nickte mir wortlos zu, drehte sich um und ging. »Auf geht es. Wir sind hier noch nicht fertig.«

Ich stellte meine Wasserflasche ab, immer noch nicht gewillt einen der beiden Männer anzusprechen, und folgte Amber. Gemeinsam luden wir die Pistolen wieder mit Farbbällen auf und setzten den Hindernisparcours wieder auf null. Alle Hindernisse klappten nach unten. »Bereit?«, fragte sie an die beiden Männer gewandt. Stillschweigen hatten sie zu uns aufgeschlossen und sich bewaffnet. Mit einer tonlosen Geste signalisierten sie ihre Bereitschaft. Auch wenn sie scheinbar noch immer bockten, gingen sie zumindest nicht aufeinander los. Das war immerhin schon mal ein Fortschritt.

***

Nach dem Training ging ich ohne Clay in unser Quartier. Die beiden Männer hatten sich schließlich doch noch zusammengerissen und das Training war tatsächlich nicht ganz umsonst. Ich wusste nicht, wohin die beiden danach gegangen waren, stellte mir aber vor, wie sie gerade im Boxring aufeinander einprügelten. Mir war das gleich, solange sie sich hinterher wieder normal verhalten würden.

Nachdem ich mich geduscht und etwas gegessen hatte, machte ich mich auf den Weg zu meiner Verabredung mit Rebecca. Als ich das Labor jedoch betrat, fand ich niemanden darin vor. Ich suchte die Labortische und Pinnwände nach einer Notiz oder ähnlichem ab, die erklären würde, wo die beiden waren. Nachdem ich nichts finden konnte, beschloss ich wieder zu gehen und es in ihrem Quartier zu versuchen. Ich machte auf dem Absatz kehrt und stieß beinah mit Jadon zusammen. Unbeholfen stolperte ich einen Schritt zurück. »Wo kommst du denn jetzt her?«

»Aus meinem Quartier«, antwortete er, nicht ohne mich zu mustern. »Was hast du da gewollt?«

»Hast du jetzt auch einen Kontrollwahn entwickelt?« Genervt verdrehte er die Augen.

»Sorry«, stammelte ich. »So war das gar nicht gemeint. Ich dachte nur, ihr würdet euch irgendwo die Köpfe einschlagen.« Ein selbstgefälliges Grinsen trat auf sein Gesicht. »Da hätte dein Partner aber verloren.«

Ich reagierte nicht. Noch immer stand mir nicht der Sinn nach solchen Gesprächen.

»Ist Rebecca da drin?«, wechselte er das Thema. Wahrscheinlich war er nicht so naiv, wie er immer tat.

»Nein, obwohl wir eigentlich verabredet waren. Ich wollte gerade los, um sie zu suchen. Willst du mich begleiten?«, stieg ich darauf ein. Statt einer Antwort deutete er mit dem Kopf Richtung Tür und wandte sich bereits zum Gehen. Ich folgte ihm auf die Gänge hinaus. Dabei fiel mir auf, wie seltsam es sich anfühlte neben ihm herzugehen, statt neben Clay. Unsere Schritte waren nicht so gut aufeinander abgestimmt. Er roch anders und obwohl er den Ton genau so angab, wie Clay, fühlte ich mich nicht wohl dabei. »Was hast du überhaupt gegen Clay?«, platzte es ohne Vorwarnung aus mir heraus. Sofort schallte ich mich, weil ich nicht wusste, wie die Frage bei Jadon ankäme. Keinesfalls wollte ich ihn auf dem falschen Fuß erwischen. »Gar nichts.« Er klang vollkommen ruhig und verzog keine Miene. Da ich das weder glaubte, noch auf sich beruhen lassen wollte, blieb ich stehen und baute mich vor ihm auf.

»Hör mal, irgendwas ist doch da….zwischen euch? Und es hat nichts mit dem Offensichtlichen zu tun: Dass du eher der waghalsige Überflieger bist und Clay dafür der grübelnde Stratege. Ich bin doch nicht dämlich, also hör auf mich zu verschaukeln und leg die Karten auf den Tisch.«

Er sah auf den Boden.

»Jadon…?«

Als er mich wieder ansah, konnte ich seinen Gesichtsausdruck kaum deuten. Auf eine Art wirkte er verlegen, was gar nicht zu ihm passte. Er war immer selbstbewusst und eher der Typ, der mit seinen Muskeln und seinem Können prahlte. Stets einen derben Spruch auf den Lippen und ein wahrer Draufgänger, der zeigen musste, wie viel Testosteron in ihm steckt. Solch eine Miene war mir völlig neu an ihm.

»Er ist einfach immer da und hält irgendwie seine Hand über dich, als würdest du ihm gehören oder so.«

Als ich die Worte verarbeitete, konnte ich ein Lachen nicht unterdrücken. Wie unhöflich es rüberkommen musste, konnte ich mir durchaus vorstellen, trotzdem war ich nicht in der Lage es zu unterbinden.

»Was lachst du denn jetzt so blöd?« Beleidigt stemmte er die Hände in die Hüften.