Scherben bringen Glück - Gabriela Stein - E-Book

Scherben bringen Glück E-Book

Gabriela Stein

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. Grelles Licht lag auf den Porzellan-Entwürfen Leslie de Wittes, als sich Chef-Designer Mark Bronan darüberneigte, als dürfe ihm auch nicht die kleinste Formenaussage verborgen bleiben. »Interessant«, murmelte er ein ums andere Mal, als Leiter der Entwurf-Abteilung der Fürstlichen Porzellan-Manufaktur Rautenbach stets auf der Suche nach neuen Talenten und doch immer auch der Linie des traditionsreichen Hauses verpflichtet. Diese Linie aber setzte Grenzen und ließ manches junge Talent mit ausgefallenen Ideen schon bei der ersten Präsentation seiner Arbeiten scheitern. Schade, war das und ein künstlerischer Stillstand der in alten Zwängen gefangenen Manufaktur. So war es auch diesmal. Denn zweifelsohne war die kleine, frisch von der Schule kommende Designerin da vor ihm äußerst begabt, aber für das auf Tradition bedachte Haus viel zu modern und ausgefallen. Aber welch eine Vorstellungskraft begegnete ihm hier! Es war schwer, sich vom Anblick der einzelnen Entwürfe zu trennen, vom Ideenreichtum dieses Talents. So ließ er sich denn auch Zeit bei der Durchsicht der Blätter. Resigniert schob er schließlich mit einer raschen Bewegung die über den Tisch verstreut liegenden Entwürfe wieder zusammen. Immerhin war er leitender Angestellter dieses Hauses und hatte dessen Programm zu vertreten. »Frau de Witte«, begann er, die Stimme leise und etwas nasal. »Ihre Arbeiten sind zweifelsohne recht interessant, aber für unser Haus viel zu modern – und damit zu schnelllebig. Das heißt nun nicht, dass ich Sie gleich an einen Betrieb für billige Massenware verweisen will, schließlich gibt es auch renommierte Häuser, welche qualitativ sehr gutes Porzellan in modernem Design auf den Markt bringen. Vielleicht versuchen Sie es dort einmal …« Mark Bronan, schmal und dunkel gekleidet, bewegte sich nun um den langen Glastisch herum. »Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen Glück.« Leslie de Witte schreckte auf.

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Fürstenkinder – 62 –

Scherben bringen Glück

Wie Leslie einen Preis und das Herz des Fürsten gewann

Gabriela Stein

Grelles Licht lag auf den Porzellan-Entwürfen Leslie de Wittes, als sich Chef-Designer Mark Bronan darüberneigte, als dürfe ihm auch nicht die kleinste Formenaussage verborgen bleiben.

»Interessant«, murmelte er ein ums andere Mal, als Leiter der Entwurf-Abteilung der Fürstlichen Porzellan-Manufaktur Rautenbach stets auf der Suche nach neuen Talenten und doch immer auch der Linie des traditionsreichen Hauses verpflichtet.

Diese Linie aber setzte Grenzen und ließ manches junge Talent mit ausgefallenen Ideen schon bei der ersten Präsentation seiner Arbeiten scheitern. Schade, war das und ein künstlerischer Stillstand der in alten Zwängen gefangenen Manufaktur.

So war es auch diesmal. Denn zweifelsohne war die kleine, frisch von der Schule kommende Designerin da vor ihm äußerst begabt, aber für das auf Tradition bedachte Haus viel zu modern und ausgefallen.

Aber welch eine Vorstellungskraft begegnete ihm hier! Es war schwer, sich vom Anblick der einzelnen Entwürfe zu trennen, vom Ideenreichtum dieses Talents. So ließ er sich denn auch Zeit bei der Durchsicht der Blätter.

Resigniert schob er schließlich mit einer raschen Bewegung die über den Tisch verstreut liegenden Entwürfe wieder zusammen.

Immerhin war er leitender Angestellter dieses Hauses und hatte dessen Programm zu vertreten.

»Frau de Witte«, begann er, die Stimme leise und etwas nasal. »Ihre Arbeiten sind zweifelsohne recht interessant, aber für unser Haus viel zu modern – und damit zu schnelllebig. Das heißt nun nicht, dass ich Sie gleich an einen Betrieb für billige Massenware verweisen will, schließlich gibt es auch renommierte Häuser, welche qualitativ sehr gutes Porzellan in modernem Design auf den Markt bringen. Vielleicht versuchen Sie es dort einmal …«

Mark Bronan, schmal und dunkel gekleidet, bewegte sich nun um den langen Glastisch herum. »Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen Glück.«

Leslie de Witte schreckte auf. Einen Augenblick lang hatte sie sich dem Gefühl einer erfolgreich verlaufenden Präsentation hingegeben, um nun zu begreifen, dass sie bereits wieder verabschiedet wurde.

Das aber durfte nicht sein! Was hatte es für Mühe gekostet, hier überhaupt einen Vorstellungstermin zu bekommen! In diesem überaus renommierten Haus. Wer bekam schon eine solche Chance?

»Halt, nein, warten Sie, Herr Bronan!«, rief sie dann auch wie in höchster Not dem sich der Tür zuwendenden Mann nach, dabei recht unfein alles auf eine Karte setzend. »Ich kann Ihnen auch konservative Entwürfe liefern, das ist überhaupt kein Problem …«

Mark Bronan wandte sich ihr wieder zu, die Brauen erhoben, das schmale gebräunte Gesicht eher abweisend. »Das bezweifle ich«, sagte er, nun wieder ganz Vertreter dieses Hauses und sie dabei von Kopf bis Fuß mit kühlen Augen messend. »Bleiben Sie bei Ihrer Linie – es wäre schade sie zu verlassen, um sich für den Geschmack von gestern zu verbiegen.«

Resignation färbte kurz seine Stimme. Dann sagte er mit einem Blick zum Tisch hin: »Ich werde Ihnen meine Sekretärin schicken, damit sie Ihnen beim Zusammennehmen der Blätter hilft.«

»Bitte …!« Ihre dunklen Augen flehten, hielten ihn fest.

Der Chef-Designer zeigte nun alle Zeichen der Ungeduld. »Sie glauben mir nicht, Frau de Witte?«, fragte er. »Dann sehen Sie sich einmal die Jubiläumsausstellung unseres Hauses im Palais Rautenbach an. Dort finden Sie jene durchgehende Linie, welche unübertroffen bis heute für das Zusammenspiel von Kunst und handwerklichem Können steht. Keine Akademie kann ihren Studenten heute noch dieses Stilgefühl vermitteln.«

Irritiert sah Leslie ihm nach, als er den Raum nun endgültig verließ.

Ein Angepasster, dachte sie, einer, der den Wunsch nach zeitgemäßen Formen dem verkrusteten Firmendenken unterordnen muss, wenn er denn seinen Job behalten will.

Aber war sie nicht drauf und dran, es ihm nachzutun? Hatte nicht auch sie bei der Ablehnung dieser Entwürfe umgehend angeboten, sich etwas im gewünschten Stil der Manufaktur einfallen zu lassen?

Nachdenklich sah sie auf die verstreut liegenden Zeichnungen. Würde sie ihr Talent für klare Formen wirklich verleugnen, um sich einem Programm unterzuordnen, welches im Geschmack einer längst vergangenen Zeit noch seine Zukunft sah?

Ratlos ging sie daran, ihre Entwürfe wieder zusammenzulegen, ahnend, dass auch sie letzten Endes Kompromisse würde schließen müssen, um in dieser Branche Fuß zu fassen. Aber erging es nicht jedem Designer so? Schließlich war sie nichts anderes als ein Ideen-Lieferant – und als solcher stets auf den Abnehmer angewiesen.

Wieso hatte sie eigentlich erwartet, dass gerade dieses Haus sich für ihre fortschrittlichen Entwürfe begeistern würde? Sie lächelte. Aber war nicht jeder Examensabsolvent ein kleiner Revolutionär, der glaubte, alles verändern zu können?

Sie würde sich die Ausstellung ansehen – und vielleicht den Weg der Mitte suchen. Schließlich verkaufte ein Mode-Designer seine spektakulären Entwürfe für den Laufsteg auch nicht ungeschliffen an die Konfektionsbetriebe. Ihr jugendlicher Optimismus kehrte zurück und der Wille, Erfolg zu haben. Vielleicht konnte sie ja nach ein paar Monaten einen neuen Versuch in dieser altehrwürdigen Manufaktur wagen …

Wenig später erklärte ihr die Sekretärin Mark Bronans den Weg zum Palais Rautenbach, während sie ihr behilflich war, ihre Zeichnungen in die Mappe zurückzulegen. »Es ist nicht weit von hier – Sie können das Schloss auch bequem zu Fuß erreichen.«

Dann stand sie wieder im hellen Sonnenlicht, die Mappe unterm Arm und die Träume reduziert. »Du musst Ausdauer haben, um einen Job zu bekommen«, hatte Großvater Ludwig de Witte am Morgen noch am Zug gesagt, »und du musst Hartnäckigkeit zeigen, wenn du an freie Aufträge herankommen willst.«

Sie nickte, murmelte: »Ja, ich weiß, Großpapa«, und dann hielt sie sich gedanklich an ihm fest, so wie sie ihn kannte, in seiner Töpferei stehend, tonbeschmiert und die nie versagende Begeisterung für sein Handwerk in den Augen.

Mit neuem Mut ging sie nun die Straße hinab. Das Leben war wie ein Gefäß, manchmal von vornherein nach oben verengt. Aber ihr Gefäß sollte weit und offen sein und alle Möglichkeiten aufnehmen, das beschloss sie und sah hoffnungsvoll ins Licht.

*

Das Palais lag am Ende einer stark befahrenen Prachtstraße. Und obgleich dort viele alte Villen standen, ließ doch sein Anblick das Herz des Betrachters höherschlagen.

So erging es auch Leslie, als sie durch die kunstvollen Gitterstäbe der Einfahrt auf den dahinter liegenden Schlosshof sah, auf den ockergelben Bau im reinsten Barock. Ein Stadtpalais wie aus dem Bilderbuch, stuckverziert und gediegen vornehm.

Eine Weile stand sie da, die eine Hand an den Gitterstäben, während die andere die Mappe mit den Entwürfen hielt. Das Tor war verschlossen. Vergebens suchte sie auch ein Plakat, welches auf die Ausstellung hinwies.

Was tun? Und war sie überhaupt richtig hier? Während sie dies noch überlegte, öffnete sich plötzlich wie durch Geisterhand das Tor, glitten seine Flügel lautlos auseinander – und nahmen ihre Hand mit.

Erschrocken zog sie sie zurück. Dabei rutschte ihr die Mappe aus der anderen Hand und fiel zu Boden. Beim Sturz öffnete sie sich und gab den Blick auf ihre Zeichnungen frei.

»Habe ich Sie erschreckt?« Die freundliche Männerstimme kam von hinten – und ließ sie herumfahren. Erst jetzt bemerkte Leslie, dass hinter ihr ein Wagen parkte – und sie ihm im Weg stand.

Der Mann aber, der den Wagen verlassen hatte und nun auf sie zukam, wirkte freundlich und entgegenkommend. Dazu war er blond und von jungenhafter Lässigkeit. Eine Art, welche ihn auf den ersten Blick jünger erscheinen ließ, als er bei näherer Betrachtung war.

Diese nähere Betrachtung aber war es dann, die Leslie in heftige Verwirrung stürzte und sie staunend fragen ließ: »Robert Redford?« Ungläubig und errötend sah sie zu ihm auf, die Mappe am Boden vergessend – ja, überhaupt alles vergessend beim Anblick des schmalen, offenen Gesichts, des rotblonden Haars und der blauen Augen.

Er aber schüttelte bedauernd den Kopf. »Tut mir leid, aber der bin ich nicht. Sehr enttäuscht?« Er neigte sich ihr zu, ein Lächeln in den Augen.

»Entschuldigen Sie, aber Sie sehen genauso aus wie dieser Schauspieler …«, stammelte sie, das Gesicht wie von Purpur übergossen, und fühlte sich wie ein linkischer Teenager.

Der Fremde behielt sein Lächeln bei, während er vor ihr in die Hocke ging und ihre Zeichnungen zusammenzusammeln begann, die sich beim Fall aus der Mappe geschoben hatten.

»Sie sind Porzellan-Designerin?«, hörte sie ihn fragen.

Leslie sah auf seinen blonden Kopf, immer noch sehr verwirrt, während sie dies bestätigte, und hinzufügte: »Das heißt, eigentlich will ich es erst noch werden. Ich hatte soeben eine Präsentation in der Manufaktur Rautenbach.«

»Und – wie ist es ausgegangen?« Er hob den Blick von den Entwürfen und schien es bereits zu wissen.

»Negativ. Ich lag völlig daneben. Viel zu modern.«

»Ja, ja, Bronan ist ein treuer Vasall. Nur keine Abweichung von der Firmen-Maxime. Dabei möchte er so gern.« Der Fremde schob das letzte Blatt in die Mappe zurück und richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf. »Sie sind begabt«, sagte er dann mit diesem kleinen Lächeln, welches Mund und Augen gleichermaßen sympathisch machte. »Aber ich denke, wenigstens das wird er Ihnen gesagt haben?«

Leslie nickte. »Er gab mir den Rat, mir die Ausstellung im Palais Rautenbach anzusehen, um die Linie der Manufaktur zu verstehen.«

Der Mann, der aussah wie Robert Redford, aber nicht Robert Redford war, nickte nachdenklich. »Nun, schaden kann es nicht«, meinte er. »Oder doch?« Er sah sie prüfend an. »Lassen Sie sich schnell verunsichern?« Seine Augen waren sehr blau, und die Linien um seinen Mund sprachen von Erfahrungen.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin stur – möchte andererseits aber einen Job bekommen.« Ihr hübsches Gesicht hob sich selbstbewusst und zeigte einen Moment lang ihren starken Willen.

»Und für dieses Ziel verkaufen Sie unter Umständen auch Ihre Überzeugungen?« Er schien es genau wissen zu wollen.

»Ich lass mich nicht verbiegen, wenn Sie das meinen, aber zu Zugeständnissen bin ich bereit, weil ich es wohl sein muss.«

»Schade.« Seine Augen nahmen Abschied von ihrem Gesicht. »Nun, dann kommen Sie mal mit und sehen sich die Ausstellung an.« Er wandte sich von ihr ab und nahm ihre Mappe mit zu dem Geländewagen, zu dem er rein äußerlich passte – so leger, wie er daherkam.

Leslie zögerte eine Sekunde lang, was ihrer anhaltenden Verwirrung zuzuschreiben war – und er schien es zu bemerken. »Sie können auch die offizielle Einlasszeit abwarten, wenn Ihnen das lieber ist. Allerdings müssen Sie dann noch drei Stunden warten …« Er legte ihre Mappe auf den Rücksitz und kletterte hinter das Steuerrad, ihre Reaktion vorausahnend.

Tatsächlich setzte Leslie die langen schlanken Beine in Bewegung, schritt zögernd auf das Fahrzeug zu und kletterte auf den Sitz. Dann saß sie neben ihm und fragte sich, wer er wohl sei. Hemdsärmelig und lässig, schien er ein unkomplizierter Mann zu sein. Aber das täuschte sicherlich, denn er war auch eigenwillig – ein Mann, der ganz sicher gegen Regeln verstieß, wenn er es für richtig hielt.

Er stoppte den Wagen vor dem Hauptportal des Palais und half ihr höflich beim Aussteigen. Dann bat er sie mit einer Geste in das Gebäude hinein. Leslie stockte der Atem, als sie die Ausstellungsräume betrat. Kunst pur empfing sie, schwelgender Barock in Baustil und Inneneinrichtung. In den zahlreichen Glasvitrinen dann die kunstvollsten Kostbarkeiten edelster Porzellane, die sie je gesehen hatte.

Staunend las sie die Namen von Königen und Herzögen, von Fürstbistümern und untergegangenen Kaiserreichen. Epochen, in denen man der Schönheit gehuldigt hatte und den Gegenständen Ewigkeitsdauer beigemessen hatte. Etwas, das sich heute ins Gegenteil verkehrt hatte. Alles war schnelllebig, und die Kunst sollte lediglich noch provozieren.

Leslie ging langsam von Vitrine zu Vitrine, wie benommen von dem Glanz, und fühlte sich dabei immer kleiner.

Ihr blonder Begleiter hielt sich im Hintergrund, aber sie hatte das Gefühl, dass er sie beobachtete. Gelegentlich lieferte er zu besonders ausgefallenen Stücken Kommentare ab.

Das kostbare und sicherlich auch unschätzbar wertvolle Ausstellungsgut zog sich durch drei kleinere Säle hin, dabei zweihundertfünfzig Jahre Manufaktur-Geschichte vermittelnd anhand kostbarer Service, Vasen, Schalen und figürlicher Darstellungen. Welch eine Leistung! Und welch eine Linie gleichbleibender Qualität!

»Wird von diesen Dingen heute noch etwas hergestellt?« Leslie wandte sich ihrem Begleiter zu, von dem sie annehmen musste, dass er zum Haus gehörte und sich auskannte.

»Ja – sicher.« Er trat an ihre Seite. »Da gibt es die Nachbestellungen, die Ergänzungen – und immer auch wieder komplette Neuauflagen.« Er lächelte. »Selbst die arabischen Scheichs erwärmen sich heute für deutsches Rokoko.« Er wies auf feinstes weißes Geschirr mit handgemalten Motiven von großer Perfektion und Farbgebung. »Ein Renner – gerade heute wieder.«

»Das weiße Gold«, murmelte Leslie andächtig. »Ich bin berauscht – und gleichzeitig deprimiert«, bekannte sie dann. »Wie soll man neben dem hier bestehen können? Ist unsere Zeit nicht schrecklich arm?«

Er sah sie prüfend an. »Nein, ich denke nicht. Die Schlichtheit heutiger Formen empfinde ich als wohltuend, wenn es ausgereifte Formen sind.« Seine Augen waren wach und eindringlich, als berühre ihn dieses Thema sehr. »Diese Dinge«, sein Arm vollführte eine weite Bewegung, »gehören in ein anderes Zeitalter – sind aber als künstlerische Ergänzung durchaus zu akzeptieren.«

»Und die Manufaktur Rautenbach stellt überhaupt kein zeitgemäßes Dekor her?« Sie wollte es noch einmal von ihm hören.

»Begrenzt. Wir haben eine Studio-Linie, haben damit auch Preise gewonnen, aber das ist dann auch schon alles.« Seine Stimme wurde überraschend sarkastisch. »Firmen-Maxime eben.« Er wandte sich ab und trat an eines der hohen Fenster.

»Ich würde trotzdem gern in dieser Manufaktur arbeiten«, bekannte Leslie. »Zwar lag ich mit meinen Entwürfen total daneben, aber wer weiß, vielleicht erwärmt man sich eines Tages doch dafür …« Ein Traum lag in ihren Augen.

Er drehte sich ihr wieder zu und lachte angesichts ihres Optimismus. Dann aber fragte er, nun wieder ernst werdend: »Trauen Sie sich zu, mit schwierigen Menschen fertig zu werden – oder lassen Sie sich rasch einschüchtern?« Langsam kam er dabei zurück und blieb vor ihr stehen.

Leslie schüttelte in seine prüfenden Augen hinein den Kopf, dass die dunklen Locken flogen. »Ich lasse mich nie einschüchtern«, log sie; als sie jedoch seinen skeptischen Gesichtsausdruck sah, schränkte sie ein: »Nun, zumindest nicht so schnell.«

Er nickte nachdenklich, ein verhaltenes Lächeln in den blauen Augen. Dann sagte er: »Kommen Sie, ich begleite Sie hinaus.« Kurz berührte er ihren Arm, dann gingen sie durch die Räume zurück, und sie sagte: »Danke für die Führung.«

Draußen öffnete sich erneut das Portal, und während er abschiednehmend die Hand hob und ihr nachsah, ging sie, die Mappe unterm Arm, in die lärmende Welt hinaus.

»Schade«, sagte sie vor sich hin und wusste selbst nicht, wem dieses Bedauern mehr galt – ihrer glücklosen Bewerbung oder aber einer kurzen Begegnung mit einem faszinierenden Fremden, die unwiderruflich vorbei war.

Der blonde Mann aber trat ins Schloss zurück und rief von dort aus Mark Bronan an, den Chef-Designer der Fürstlichen Porzellan-Manufaktur Rautenbach. Ein Lächeln lag dabei auf seinem Gesicht.

*

»Maximilian – ach, da wäre noch eine Angelegenheit, welche ich gern mit dir besprochen hätte.« Fürstin Margarita Frey von Rautenbach schob mit kostbar beringten Händen die Geschäftsvorgänge zur Seite – und erhob sich hinter ihrem französischen Schreibtisch, als wolle sie dem, was sie ihrem Sohn noch zu sagen hatte, eine zusätzliche Betonung verleihen.