Schiffbruch mit Tiger - Yann Martel - E-Book

Schiffbruch mit Tiger E-Book

Yann Martel

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Beschreibung

Schiffbruch mit Tiger? Diese Geschichte würden Sie nicht glauben? Kein Wunder. Fantastisch. Verwegen. Atemberaubend. Wahnsinnig komisch. Eine Geschichte, die Sie an Gott glauben lässt. Pi Patel, der Sohn eines indischen Zoobesitzers und praktizierender Hindu, Christ und Muslim erleidet mit einer Hyäne, einem Orang-Utan, einem verletzten Zebra und einem 450 Pfund schweren bengalischen Tiger namens Richard Parker Schiffbruch. Bald hat der Tiger alle erledigt - alle, außer Pi. Alleine treiben sie in einem Rettungsboot auf dem Ozean. Eine wundersame, abenteuerliche Odyssee beginnt. ››Martel schreibt wie ein leidenschaftlicher Paul Auster.‹‹ Times Literary Supplement ››Eine Reminiszenz an Italo Calvino.‹‹ Independent on Sunday

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Seitenzahl: 530

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Yann Martel

Schiffbruch mit Tiger

Roman

Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié

FISCHER E-Books

Inhalt

WidmungVorbemerkung des AutorsERSTER TEIL Toronto und PondicherryKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36ZWEITER TEIL Der Pazifische OzeanKapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Kapitel 42Kapitel 43Kapitel 44Kapitel 45Kapitel 46Kapitel 47Kapitel 48Kapitel 49Kapitel 50Kapitel 51Kapitel 52Kapitel 53Kapitel 54Kapitel 55Kapitel 56Kapitel 57Kapitel 58Kapitel 59Kapitel 60Kapitel 61Kapitel 62Kapitel 63Kapitel 64Kapitel 65Kapitel 66Kapitel 67Kapitel 68Kapitel 69Kapitel 70Kapitel 71Kapitel 72Kapitel 73Kapitel 74Kapitel 75Kapitel 76Kapitel 77Kapitel 78Kapitel 79Kapitel 80Kapitel 81Kapitel 82Kapitel 83Kapitel 84Kapitel 85Kapitel 86Kapitel 87Kapitel 88Kapitel 89Kapitel 90Kapitel 91Kapitel 92Kapitel 93Kapitel 94DRITTER TEIL Benito-Juárez-Krankenhaus, Tomatlán, MexikoKapitel 95Kapitel 96Kapitel 97Kapitel 98Kapitel 99Kapitel 100

à mes parents et mon frère

Vorbemerkung des Autors

Dieses Buch ist entstanden, weil ich hungrig war. Das muss ich erklären. Im Frühjahr 1996 kam in Kanada mein zweites Werk, ein Roman, heraus. Es war kein Erfolg. Rezensenten wussten nichts damit anzufangen oder verurteilten es mit halbherzigem Lob. Leser ließen es liegen. Ich mühte mich, im Medienzirkus den Clown oder den Trapezkünstler zu spielen, aber es half alles nichts. Das Buch verkaufte sich nicht. In den Läden standen die Bücher in langen Reihen wie Schuljungen, die zum Fußball oder Baseball angetreten sind, und meines war der picklige, ungelenke Knabe, den keiner in seiner Mannschaft haben wollte. Es verschwand schnell und in aller Stille.

Allzu viel machte mir das Fiasko nicht aus. Ich hatte schon mit einer anderen Geschichte begonnen, einem Roman, der 1939 in Portugal spielte. Aber irgendwie war ich unruhig. Und ich hatte ein wenig Geld.

Also flog ich nach Bombay. So abwegig, wie es sich anhören mag, ist das nicht, wenn man sich erst einmal drei Dinge klarmacht: Dass es kein lebendiges Wesen gibt, dem eine Dosis Indien nicht die Unruhe austreibt; dass man dort auch mit wenig Geld weit kommt; und dass ein Roman, der im Jahr 1939 in Portugal spielt, nicht unbedingt viel mit Portugal und 1939 zu tun haben muss.

Ich war schon einmal in Indien gewesen, fünf Monate im Norden des Landes. Bei jener ersten Reise hatte ich keine Ahnung, was mich auf dem Subkontinent erwartete. Oder besser gesagt, ein einziges Wort hatte ich zur Einstimmung. Als ich einem Freund, der das Land gut kannte, von meinen Reiseplänen erzählte, meinte er: »Die sprechen ein ulkiges Englisch in Indien. Sie mögen Wörter wie bamboozle.« Das fiel mir wieder ein, als mein Flugzeug in Delhi zur Landung ansetzte, und das Wort bamboozle war das eine, was mich auf den Ansturm, den Lärm, die Lebendigkeit des Irrsinns Indien vorbereitete. Bisweilen machte ich Gebrauch von dem Wort, und ich muss sagen, es hat sich gut bewährt. Zu einem Schalterbeamten am Bahnhof: »Das hätte ich ja nicht gedacht, dass die Fahrkarte so teuer ist. Ihr wollt mich doch nicht bamboozeln, oder?« Er lächelte und antwortete in seinem Singsang: »Nein, Sir! Hier wird nicht bamboozelt. Unsere Preise sind korrekt.«

Jetzt beim zweiten Mal wusste ich besser, auf was ich mich einließ, und ich wusste auch, was ich wollte. Ich wollte mir ein Quartier in einer alten hill station suchen, einem Kurort in den Bergen, und dort meinen Roman schreiben. Ich sah es vor mir, wie ich an einem Tisch auf einer großen Veranda sitzen würde, meine Notizen vor mir ausgebreitet und dazu eine dampfende Tasse Tee. Durch die grünen Hügel zu meinen Füßen zögen dicke Nebelschwaden, und die schrillen Schreie der Affen klängen mir in den Ohren. Das Wetter wäre perfekt: Morgens und abends ein dünner Pullover, tagsüber kurze Ärmel. Solcherart ausgestattet, würde ich zur Feder greifen und im Dienste einer höheren Wahrheit aus Portugal eine Fiktion machen. Denn darum geht es doch in Romanen, nicht wahr? Darum, die Wirklichkeit exemplarisch umzuformen. Sie so zu drehen, dass ihr Wesen hervorkommt. Hätte ich dafür nach Portugal fahren sollen?

Meine Zimmerwirtin würde mir Geschichten aus der Zeit erzählen, als sie die Engländer aus dem Land warfen. Wir würden besprechen, was es am nächsten Tag zum Mittag- und Abendessen gab. Wenn mein Arbeitstag zu Ende war, würde ich in den sanften Hügeln der Teeplantagen spazieren gehen.

Leider hatte der Motor meines Romans seine Mucken, er spuckte und spotzte, und schließlich ging er ganz aus. Es geschah in Matheran, nicht weit von Bombay, einem kleinen Erholungsort in den Bergen, wo es ein paar Affen gab, aber keine Plantagen. Nur der verkrachte Schriftsteller kennt das Gefühl. Man hat ein gutes Thema, man schreibt gute Sätze. Man hat sich Gestalten einfallen lassen, die so vor Leben strotzen, dass sie eigentlich Geburtsurkunden bräuchten. Man hat sich eine Handlung für sie ausgedacht, die profund, einfach und ergreifend ist. Man hat recherchiert, hat alle Fakten beisammen — Geschichte, Gesellschaft, Klima, Küche —, alles, was man braucht, damit die Sache sich wirklich echt anfühlt. Die Dialoge sind das reinste Pingpongspiel und knistern nur so vor Spannung. Die Beschreibungen könnten farbiger, kontrastreicher nicht sein, die Details nicht aussagekräftiger. Der Erfolg scheint garantiert. Aber wenn man dann alles zusammenzählt, kommt nichts dabei heraus. So viel versprechend es aussah - es kommt der Augenblick, an dem man einsehen muss, dass jene Flüsterstimme im Hinterkopf, die man schon so lange nicht hören will, die schlichte, schreckliche Wahrheit sagt: Da wird nichts draus. Es fehlt etwas, es fehlt der Funke, der die Geschichte wirklich zum Leben erweckt, und das hat nichts damit zu tun, ob die Fakten stimmen und das richtige Essen auf den Tisch kommt. Innerlich ist die Geschichte tot, und daran lässt sich nichts mehr ändern. Es ist, das kann ich sagen, ein Stich ins Herz, in die Tiefe der Seele. Was bleibt, ist ein brennender Hunger.

Von Matheran gab ich per Brief Nachricht, dass mein Roman gescheitert war. Ich schrieb an eine fiktive Adresse in Sibirien, und als Absender gab ich eine genauso erfundene in Bolivien an. Ich sah noch zu, wie ein Postbeamter den Brief stempelte und in eine Kiste warf, dann saß ich da, todtraurig, entmutigt. »Und jetzt, Tolstoi?«, fragte ich mich. »Was ist der nächste große Plan, was willst du jetzt aus deinem Leben machen?«

Nun, ich hatte immer noch ein wenig Geld, und die Unruhe trieb mich nach wie vor. Ich stand auf und spazierte aus dem Postamt. Ich würde mich in Südindien umsehen.

Den Leuten, die mich fragten, was ich arbeite, hätte ich gern gesagt: »Ich bin Doktor«, denn in unseren heutigen Zeiten sind die Ärzte die Garanten von Magie und Wundertat. Aber ich bin sicher, schon im nächsten Augenblick wären an der Ecke zwei Busse zusammengestoßen, alle hätten mich erwartungsvoll angesehen, und inmitten der Schreie der Verletzten hätte ich erklären müssen, dass es so nicht gemeint gewesen, dass ich Doktor der Jurisprudenz sei; auf die Bitte, ihnen bei der Anklage gegen die Behörden zu helfen, die für das Unglück verantwortlich seien, hätte ich eingestehen müssen, dass es eigentlich doch nur ein Magister in Philosophie sei; auf die aufgeregten Rufe, wo denn der tiefere Sinn einer so blutigen Tragödie zu suchen sei, hätte ich antworten müssen, dass ich mir Kierkegaard für später aufgehoben hätte, und immer so weiter. Da war es schon besser, ich hielt mich an die beschämende Wahrheit.

Unterwegs bekam ich immer wieder einmal zu hören: »Schriftsteller? Tatsächlich? Da habe ich eine Geschichte für Sie.« Meist waren es nur kleine Anekdoten, zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben.

Schließlich kam ich in die Stadt Pondicherry, ein winziges unabhängiges Unionsterritorium südlich von Madras, an der Koromandelküste. Was Größe und Bevölkerung angeht, fällt die Stadt in Indien kaum ins Gewicht, aber die Geschichte hat dafür gesorgt, dass sie etwas Besonderes ist. Denn Pondicherry war einmal die Hauptstadt eines äußerst bescheidenen Kolonialstaates, Französisch-Indien. Die Franzosen hätten mit Freuden den britischen Raj überflügelt, sie lechzten danach, aber sie brachten es auf nicht mehr als eine Hand voll kleiner Häfen. Fast dreihundert Jahre lang klammerten sie sich daran. Pondicherry verließen sie 1954, und zurück blieben schmucke weiße Häuser, breite Straßen im rechten Winkel, Straßen mit Namen wie rue de la Marine oder rue Saint-Louis, und Képis für die Polizisten.

Ich saß im Indian Coffee House an der Nehru Street. Es besteht aus einem einzigen großen Raum mit grünen Wänden und einer hohen Decke. Oben drehen sich Ventilatoren und halten die warme, feuchte Luft in Bewegung. Aller verfügbare Platz ist mit den gleichen quadratischen Tischen ausgefüllt, jeder mit vier Stühlen. Man setzt sich, wo man Platz findet, auch zu anderen an den Tisch. Es gibt guten Kaffee und Käsetoast. Wer sich unterhalten will, findet leicht Gesellschaft. Und so kam es, dass ein rüstiger alter Herr mit strahlenden Augen und schlohweißem Haar mich ansprach. Ich bestätigte ihm, dass es in Kanada kalt ist und dass tatsächlich in manchen Gegenden Französisch gesprochen wird, ich erzählte ihm, wie gut es mir in Indien gefalle und so weiter und so fort - was eben geredet wird zwischen freundlichen, neugierigen Indern und fremden Rucksacktouristen. Als er erfuhr, was ich arbeite, machte er große Augen und nickte bedeutungsvoll. Besser, ich sah zu, dass ich weiterkam. Ich hielt die Hand in die Höhe, versuchte die Aufmerksamkeit des Kellners zu erlangen und wollte die Rechnung bestellen.

Dann sagte der alte Herr: »Ich habe eine Geschichte, die Ihnen den Glauben an Gott geben wird.«

Ich ließ die Hand sinken, aber ich war auf der Hut. Klopfte da ein Zeuge Jehovas an meine Tür? »Spielt Ihre Geschichte vor zweitausend Jahren in einer entlegenen Ecke des römischen Reichs?«, fragte ich.

»Nein.«

Ein muslimischer Missionar womöglich? »Spielt sie im Arabien des siebten Jahrhunderts?«

»Aber nein. Sie fängt hier in Pondicherry an, vor ein paar Jahren, und endet, darf ich zu meiner Freude sagen, in dem Land, aus dem Sie kommen.«

»Und gibt mir den Glauben an Gott.«

»Ja.«

»Da hat sie sich aber viel vorgenommen.«

»Nicht so viel, dass es unmöglich wäre.«

Der Kellner kam. Ich zögerte einen Moment lang. Ich bestellte zwei Kaffee. Wir machten uns miteinander bekannt. Der alte Herr hieß Francis Adirubasamy. »Bitte«, sagte ich, »erzählen Sie mir Ihre Geschichte.«

»Aber Sie müssen gut aufpassen«, antwortete er.

»Das werde ich.« Ich holte Bleistift und Notizblock hervor.

»Verraten Sie mir«, fragte er, »waren Sie im Botanischen Garten?«

»Erst gestern.«

»Sind Ihnen die Schienen der Miniatureisenbahn aufgefallen?«

»Ja.«

»Sonntags fährt auch heute noch ein Zug, zur Unterhaltung für die Kinder. Aber früher fuhren die Bahnen tagein, tagaus, jede halbe Stunde. Haben Sie die Bahnhofsnamen bemerkt?«

»Einer heißt Roseville, gleich neben dem Rosengarten.«

»Stimmt. Und der andere?«

»Das weiß ich nicht mehr.«

»Das Schild haben sie abgenommen. Der andere Bahnhof hieß Zootown. Das waren die beiden Haltestellen für die Miniatureisenbahn: Roseville und Zootown. Früher gab es im Botanischen Garten von Pondicherry nämlich einen Zoo.«

Er erzählte weiter. Ich machte mir Notizen, die Grundzüge der Geschichte. »Sie müssen mit ihm reden«, sagte er und meinte den, der die Geschichte erlebt hatte. »Ich habe ihn sehr, sehr gut gekannt. Heute ist er ein erwachsener Mann. Fragen Sie ihn alles, was Sie wollen.«

Später in Toronto suchte ich unter neun Spalten von Patels im Telefonbuch den Richtigen heraus, den Helden der Geschichte. Mein Herz pochte, als ich die Nummer wählte. Die Stimme, die sich meldete, klang kanadisch, mit indischem Unterton, leicht und doch unmissverständlich, wie ein Hauch Weihrauch in der Luft. »Das ist schon so lange her«, sagte er. Aber mit einem Treffen war er einverstanden. Es wurden viele daraus. Er zeigte mir das Tagebuch, das er damals geführt hatte. Er zeigte mir die vergilbten Zeitungsausschnitte, Dokumente seiner kurzen, kuriosen Berühmtheit. Er erzählte mir, was er erlebt hatte. Und immer machte ich mir Notizen. Fast ein Jahr darauf erhielt ich nach beträchtlichen Anstrengungen ein Tonband und einen Bericht vom japanischen Verkehrsministerium. Und als ich jenem Tonband lauschte, da stimmte ich Mr Adirubasamy zu. Es war tatsächlich eine Geschichte, die einem den Glauben an Gott geben konnte.

Ich fand es nahe liegend, dass Mr Patel sie größtenteils in der Ichform erzählt — mit seiner eigenen Stimme, durch seine eigenen Augen gesehen. Alle Fehler oder Unstimmigkeiten gehen jedoch zu meinen Lasten.

Einigen Leuten sollte ich danken. Am meisten, das liegt auf der Hand, Mr Patel — meine Dankbarkeit ist so unendlich wie der Pazifische Ozean. Ich hoffe, dass er nicht enttäuscht von der Art ist, wie ich seine Geschichte erzählt habe. Mr Adirubasamy danke ich, dass er den Anstoß dazu gab. Dass ich sie vollenden konnte, habe ich drei Männern zu verdanken, deren Gewissenhaftigkeit uns allen ein Vorbild sein kann: Mr Kazuhiko Oda, derzeit an der japanischen Botschaft in Ottawa; Mr Hiroshi Watanabe von der Oika Shipping Company; und ganz besonders Mr Tomohiro Okamoto vom japanischen Verkehrsministerium, jetzt im Ruhestand. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich Mr Moacyr Scliar, der dem Projekt Leben einhauchte. Und zuletzt möchte ich meinen tief empfundenen Dank jener großen Organisation aussprechen, dem Canada Council for the Arts, ohne dessen Stipendium dieses Buch, das nichts mit Portugal im Jahre 1939 zu tun hat, nie Gestalt angenommen hätte. Mitbürger, wenn wir unsere Künstler nicht unterstützen, dann opfern wir die Phantasie unseres Landes auf dem Altar der Alltäglichkeit, und am Ende werden wir an nichts mehr glauben können und keiner unserer Träume wird mehr etwas wert sein.

ERSTER TEILToronto und Pondicherry

Kapitel 1

Ich hatte so viel gelitten, ich war ein finsterer und trauriger Mensch geworden.

Wissenschaftliche Arbeit und der Trost der Religion brachten mich allmählich ins Leben zurück. Meinem Glauben, so abwegig er manch einem auch vorkommen mag, bin ich treu geblieben. Nach einem Jahr auf der High School ging ich an die Universität von Toronto und schrieb mich für einen Bachelor-Studiengang mit zwei Hauptfächern ein. Die beiden Fächer waren Religionswissenschaften und Zoologie. Im ersten widmete ich meinen Examensessay gewissen Aspekten der Kosmogonie Isaak Lurias, des großen Kabbalisten, der im 16. Jahrhundert in Safed tätig war. Als Abschlussarbeit in Zoologie schrieb ich eine Funktionsanalyse der Schilddrüse des Dreifingerfaultiers. Ich wählte das Faultier, weil es mit seinem Lebenswandel — ruhig, still, in sich gekehrt - meinem zerrütteten Ich ein wenig Trost bot.

Es gibt Zweifingerfaultiere und es gibt Dreifingerfaultiere, wobei das Unterscheidungsmerkmal die Vorderbeine sind, denn an den Hinterbeinen haben alle Faultiere drei Finger. Ich hatte das große Glück, dass ich einen Sommer lang das Dreifingerfaultier in den Dschungeln von Äquatorialbrasilien in situ studieren konnte. Es ist ein äußerst faszinierendes Geschöpf. Im Grunde ist die Trägheit sein einziger Wesenszug. Es schläft oder ruht im Durchschnitt zwanzig Stunden am Tag. Unser Team untersuchte die Schlafgewohnheiten von fünf wild lebenden Dreifingerfaultieren, indem wir ihnen am frühen Abend, wenn sie eingeschlafen waren, leuchtend rote, mit Wasser gefüllte Plastikschälchen auf die Köpfe stellten. Wir konnten sehen, dass sie am nächsten Morgen, wenn sich im Wasser schon die Insekten tummelten, noch immer an Ort und Stelle waren. Am regsten ist das Faultier bei Sonnenuntergang, wobei das Wort rege hier mit größtmöglicher Relativität zu verstehen ist. Das Tier bewegt sich in seiner charakteristischen hängenden Haltung mit einer Geschwindigkeit von etwa 400 Metern die Stunde den Ast eines Baumes entlang. Am Boden kriecht es, wenn es motiviert ist, mit einem Tempo von 250 Metern die Stunde zu seinem nächsten Baum, das heißt 440-mal langsamer als ein motivierter Gepard. Unmotiviert legt es vier bis fünf Meter die Stunde zurück.

Über die Außenwelt erfährt das Dreifingerfaultier nicht viel. Auf einer Skala von 2 bis 10, bei der die 2 für außerordentliche Dumpfheit und 10 für extreme Wachheit steht, stufte Beebe (1926) den Tast-, Geschmacks- und Gesichtssinn und das Gehör des Faultiers mit 2 ein, den Geruchssinn mit 3. Trifft man auf freier Wildbahn auf ein schlafendes Dreifingerfaultier, so genügt es in der Regel, es zwei- oder dreimal anzustoßen, um es zu wecken. Es wird sich dann schläfrig in jede erdenkliche Richtung umsehen, nur nicht in die, aus der der Stoß kam. Warum es sich umsieht, weiß man allerdings nicht, denn das Faultier sieht wie Mr Magoo alles nur durch einen Nebel. Was das Gehör angeht, ist ein Faultier nicht wirklich taub; es interessiert sich nur nicht für Geräusche. Beebe berichtet, dass er neben schlafenden oder fressenden Faultieren Gewehre abfeuerte und kaum eine Reaktion damit hervorrief. Und den etwas höher entwickelten Geruchssinn eines Faultiers sollte man auch nicht überschätzen. Es heißt, sie könnten abgestorbene Äste riechen und dann meiden, doch Bullock (1968) berichtet, dass Faultiere »häufig« zu Boden fallen, weil sie sich an abgestorbenen Ästen festhalten.

Man fragt sich, wie ein solches Tier überleben kann.

Es überlebt, weil es so langsam ist. Trägheit und Schläfrigkeit schützen es vor allen Gefahren, sie sorgen dafür, dass ein Jaguar oder Ozelot, dass Harpyien und Anakondas das Faultier überhaupt nicht wahrnehmen. Im Pelz des Faultiers gedeiht eine Algenart, die in der Trockenzeit braun und in der Regenzeit grün ist, und so fügt sich das Tier stets in das Moos und Blattwerk seiner Umgebung ein und wirkt wie ein Ameisen- oder Eichhörnchennest oder einfach nur wie ein Teil des Baumes.

Das Dreifingerfaultier lebt ein friedliches Vegetarierleben in vollkommenem Einklang mit seiner Umgebung. »Stets hat es ein gutmütiges Lächeln auf den Lippen«, schreibt Tirler (1966). Es ist ein Lächeln, das ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Ich bin keiner, der leichtfertig menschliche Charakterzüge oder Gefühlsregungen auf Tiere projiziert, doch viele Male, wenn ich in jenem Monat in Brasilien ein ruhendes Faultier betrachtete, hatte ich den Eindruck, dass ich in der Gegenwart eines an den Füßen hängenden, tief in seine Meditation versenkten Jogis war oder eines ganz dem Gebet ergebenen Eremiten, in der Gegenwart von Wesen großer Weisheit, deren inneres Leben jenseits all meiner wissenschaftlichen Forschungen lag.

Manchmal gerieten mir meine beiden Studienfächer durcheinander. Manche meiner Kommilitonen bei den Religionswissenschaftlern - wirrköpfige Agnostiker, die nicht wussten, welche Seite oben war, allesamt der Vernunft ergeben, jenem Katzengold der Intelligenz - erinnerten mich an das Dreifingerfaultier; und das Dreifingerfaultier, ein so perfektes Beispiel für das Wunder des Lebens, erinnerte mich an Gott.

Mit meinen Naturkundekollegen war das Leben leicht. Naturwissenschaftler sind ein freundliches, gottloses, hart arbeitendes, biertrinkendes Volk, dessen Verstand mit Sex, Schach und Baseball beschäftigt ist, wenn er einmal nicht an Wissenschaft denkt.

Ich war, wenn ich mich selbst loben darf, ein ausgezeichneter Student. Vier Jahre hintereinander war ich der Beste am St. Michael's College. Ich errang jede Auszeichnung, die das Zoologische Seminar zu vergeben hatte. Und wenn ich bei den Religionswissenschaftlern keins bekam, dann lag das schlicht und einfach daran, dass dort keine vergeben wurden (jeder weiß, dass der Lohn für solche Studien nicht in irdischer Hand liegt). Ich hätte die Medaille des Generalgouverneurs bekommen, die höchste Ehre, die von der Universität Toronto an Undergraduates vergeben wird - nicht wenige angesehene Kanadier haben sie erhalten -, wäre da nicht ein rotgesichtiger Rindfleischesser mit einem Hals wie ein Baumstamm und einer unerträglich guten Laune gewesen.

Noch heute tut es ein wenig weh, dass ich übergangen wurde. Wenn man viel im Leben gelitten hat, dann ist jeder neue Schmerz entsetzlich und belanglos zugleich. Mein Leben ist wie ein Vanitasstillleben eines alten Niederländers: Ich habe stets einen grinsenden Totenschädel zur Hand, der mich an die Vergeblichkeit allen menschlichen Strebens gemahnt. Ich verspotte diesen Schädel. Ich sehe ihn an und sage: »Da bist du an den Falschen geraten. Du glaubst vielleicht nicht an das Leben, aber ich glaube nicht an den Tod. Mach, dass du weiterkommst.« Der Schädel lacht gehässig und rückt noch ein Stückchen näher, aber das wundert mich nicht. Es ist ja nicht die biologische Notwendigkeit, die den Tod immer die Nähe des Lebens suchen lässt - es ist der Neid. Das Leben ist so schön, dass der Tod sich in es verliebt hat, ein eifersüchtiger, gieriger Liebhaber, der an sich rafft, was er zu fassen bekommt. Aber das Leben macht mühelos den Sprung über das Vergessen, verliert ein Eckchen oder zwei, nichts Wichtiges, und Düsternis ist nichts als der flüchtige Schatten einer Wolke. Der Rotgesichtige bekam auch das Rhodes-Stipendium. Ich trage es ihm nicht nach und ich hoffe, dass er in Oxford glücklich und weise geworden ist. Sollte Lakshmi, die Göttin des Reichtums, mir jemals wohlgesonnen sein, dann ist Oxford die fünfte auf der Liste der Städte, die ich noch besuchen möchte, bevor meine Tage vorüber sind, nach Mekka, Varanasi, Jerusalem und Paris.

Zu meinem Arbeitsleben weiß ich nichts zu sagen, nur dass eine Krawatte eine Schlinge ist, und auch wenn man sie falsch herum um den Hals hat, kann sie einen Mann erwürgen, wenn er nicht Acht gibt.

Kanada liebe ich. Mir fehlen die indische Hitze, das Essen, die Eidechsen an den Wänden, die Musicals im Kino, die Kühe, die durch die Straßen ziehen, das Krächzen der Krähen, sogar die Diskussionen über Cricket - aber Kanada liebe ich. Es ist ein wunderbares Land, wenn auch nach allen vernünftigen Maßstäben viel zu kalt, ein Land bewohnt von aufrechten, klugen Menschen, die alle dringend einen besseren Friseur bräuchten. Und in Pondicherry habe ich nichts, wohin ich zurückkehren könnte.

Richard Parker ist bei mir geblieben. Ich habe ihn nie vergessen. Darf ich sagen, dass ich ihn vermisse? Ich vermisse ihn. In meinen Träumen erscheint er mir noch. Eigentlich sind es Alpträume, aber Alpträume voller Liebe. So etwas gibt es, so seltsam ist das menschliche Herz. Bis heute verstehe ich nicht, wie er mich einfach so verlassen konnte, ohne einen Abschiedsgruß, ja ohne einen Blick zurück. Das ist ein Schmerz wie ein Axthieb nach meinem Herzen.

Die Ärzte und Schwestern im Hospital in Mexiko waren unendlich freundlich zu mir. Auch die anderen Patienten. Krebskranke, Unfallopfer, sobald sie meine Geschichte hörten, kamen auf Krücken und in Rollstühlen herüber, sie wollten mich sehen, mit ihren ganzen Familien, obwohl kein Einziger von ihnen Englisch sprach, und ich sprach kein Spanisch. Sie lächelten mich an, schüttelten mir die Hand, streichelten mir den Kopf, ließen Essen und Kleider als Geschenke auf meinem Bett zurück. Sie rührten mich so sehr, ich lachte und weinte in einem fort, ich konnte nicht anders.

Schon binnen ein paar Tagen konnte ich stehen, sogar ein, zwei Schritte gehen, trotz Schwindel und Übelkeit und meiner großen Erschöpfung. Bluttests ergaben, dass ich anämisch war, mit sehr hohem Natrium und niedrigem Kaliumgehalt im Blut. Wasser sammelte sich in meinem Körper, und die Beine schwollen entsetzlich an. Es sah aus, als hätte mich jemand auf ein Paar Elefantenbeine gestellt. Mein Urin war ein tiefdunkles Gelb, fast schon Braun. Nach einer guten Woche konnte ich schon wieder einigermaßen gehen und konnte Schuhe anziehen, wenn ich sie nicht zuband. Meine Haut wurde heil, auch wenn ich heute noch Narben auf Schultern und Rücken habe.

Das erste Mal, als ich einen Wasserhahn aufdrehte, war das laute, entsetzlich verschwenderische Gurgeln und Sprudeln ein solcher Schock, dass ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und mir in den Armen einer Krankenschwester die Sinne schwanden.

Als ich zum ersten Mal in Kanada in ein indisches Restaurant ging, aß ich mit den Fingern. Der Kellner sah mich kritisch an, dann sagte er: »Na, frisch vom Boot, was?« Ich erbleichte. Meine Finger, noch in der Sekunde zuvor Geschmacksknospen, die das Essen ein paar Augenblicke früher genossen als die Zunge, wurden schmutzig unter seinen Augen. Sie erstarrten wie Gauner auf frischer Tat ertappt. Ich wagte nicht sie abzulecken. Verstohlen wischte ich sie an meiner Serviette ab. Er wusste nicht, wie tief diese Worte mich verletzten. Wie Nägel, die mir ins Fleisch getrieben wurden. Ich griff zu Messer und Gabel. Ich hatte solche Werkzeuge kaum je benutzt. Mir zitterten die Hände. Mein Sambar schmeckte nach gar nichts mehr.

Kapitel 2

Er wohnt in Scarborough. Ein schmaler, kleiner Mann - höchstens eins fünfundsechzig groß. Dunkles Haar, dunkle Augen. An den Schläfen erstes Grau. Älter als vierzig kann er nicht sein. Angenehm kaffee- braune Farbe. Trotz des milden Herbstwetters zieht er für den Weg zum Lokal einen dicken Winterparka mit Pelzkapuze an. Ausdrucksvolles Gesicht. Spricht schnell, Hände ständig in Bewegung. Kein Smalltalk. Immer gleich zur Sache.

Kapitel 3

Meinen Namen habe ich nach einem Schwimmbad. Sehr merkwürdig, wenn man bedenkt, wie wasserscheu meine Eltern waren. Einer der ersten Geschäftspartner meines Vaters war Francis Adirubasamy. Er wurde ein guter Freund der Familie. Ich habe ihn immer Mamaji genannt — mama ist das tamilische Wort für Onkel und ji ist die Nachsilbe, mit der man in Indien Respekt und Zuneigung ausdrückt. Als junger Mann, lange bevor ich zur Welt kam, war Mamaji ein erfolgreicher Wettkampfschwimmer gewesen, der Champion von ganz Südindien. Und so sah er sein Leben lang aus. Mein Bruder Ravi hat mir einmal erzählt, dass Mamaji bei seiner Geburt nicht aufhören wollte, Wasser zu atmen, und der Arzt musste ihn, damit er nicht erstickte, an den Füßen packen und über seinem Kopf kreisen lassen, immer und immer im Kreis herum.

»Das hat ihn gerettet!«, sagte Ravi und machte über seinem eigenen Kopf wilde Handbewegungen. »Er musste husten, das Wasser kam raus, und von da an hat er Luft geatmet; aber sein ganzes Fleisch und Blut ist dabei in den Oberkörper gegangen. Deshalb ist seine Brust so kräftig und die Beine sind so dünn.«

Ich glaubte es ihm. (Ravi hat mich immer geärgert. Das erste Mal, dass er Mamaji in meiner Gegenwart »Mr Fish« nannte, habe ich ihm eine Bananenschale ins Bett gesteckt.) Selbst als er schon über sechzig war und ein wenig gebeugt ging, als die Schwerkraft eines ganzen Lebens die bei der Geburt nach oben geschleuderten Muskeln wieder erdwärts gezogen hatte, schwamm Mamaji noch jeden Morgen im Pool des Aurobindo-Aschrams seine dreißig Bahnen.

Er mühte sich, meinen Eltern das Schwimmen beizubringen, aber das Äußerste, was er erreichte, war, dass sie am Strand bis zu den Knien ins Wasser gingen und groteske Ruderbewegungen mit den Armen machten; wenn sie das Brustschwimmen übten, wirkten sie, als kämpften sie sich durch den Dschungel und teilten mit den Armen das hohe Gras, und wenn sie kraulten, sahen sie aus, als liefen sie einen Berg hinunter und versuchten mit den Armen die Balance zu halten. Ravi legte ähnliches Geschick an den Tag.

Erst als ich auf den Plan trat, fand Mamaji einen willigen Schüler. Am Tag, an dem ich ins schwimmfähige Alter kam - und das, erklärte Mamaji zum Entsetzen meiner Mutter, sei mit sieben Jahren -, ging er mit mir hinunter an den Strand, breitete die Arme zum Meer und rief: »Das ist mein Geschenk für dich!«

»Und dann hätte er dich beinahe ersäuft«, sagte Mutter.

Ich hielt meinem Schwimmguru die Treue. Unter seinem aufmerksamen Blick strampelte ich mit den Beinen, wühlte mit den Händen den Sand auf und drehte mit jedem Zug den Kopf, um Luft zu holen. Ich muss ausgesehen haben wie ein Kind, das in Zeitlupe einen Wutanfall bekommt. Dann ging es ins Wasser, er hielt mich an der Oberfläche, und ich tat mein Bestes, um zu schwimmen. Es war weit schwieriger als an Land. Aber Mamaji war geduldig und machte mir Mut.

Als ich die Grundbegriffe zu seiner Zufriedenheit erlernt hatte, ließen wir das Lachen und das Kreischen hinter uns, das Durcheinander, das Platschen, die blaugrünen Wellen und die tosende Brandung, und nun kam das ordentliche Rechteck, die gleichmäßige Tiefe (und das Eintrittsgeld) des Schwimmbeckens im Aschram.

Meine ganze Kindheit lang ging ich mit ihm dreimal die Woche dorthin, ein frühmorgendliches Ritual jeden Montag, Mittwoch und Freitag, so gleichmäßig im Takt wie die Bewegungen eines guten Brustschwimmers. Ich sehe es noch vor mir, wie dieser würdige alte Herr neben mir seine Kleider auszog, wie mit jedem sorgfältig abgelegten Stück mehr von seinem Körper zum Vorschein kam, wobei stets der Anstand gewahrt blieb und er sich ganz zum Schluss ein wenig abwandte und dann eine prachtvolle ausländische Profibadehose überstreifte. Er streckte sich, dann war er bereit. Alles war von epischer Schlichtheit. Der Unterricht und später die Übungen waren hart, aber es war eine große Befriedigung, wenn man eine Technik immer schneller und besser beherrschen lernte, immer und immer wieder, fast zur Hypnose, und das Wasser wandelte sich vom geschmolzenen Blei zum flüssigen Licht.

Ans Meer kehrte ich allein zurück, ein heimliches Vergnügen, zu dem mich die mächtigen Wogen lockten, die ihre kleinen Ausläufer in Wellen auf den Strand schickten, sanfte Lassos, mit denen sie ihren willigen indischen Indianerjungen fingen.

Einmal, ich muss ungefähr dreizehn gewesen sein, schenkte ich Mamaji zum Geburtstag meine zwei ersten Bahnen Schmetterlingsstil. Nach der zweiten war ich so erschöpft, dass ich ihm kaum noch zuwinken konnte.

Es wurde nicht nur geschwommen, es wurde auch vom Schwimmen geredet. Das Reden war der Teil, den Vater mochte. Je standhafter er sich weigerte, tatsächlich ins Wasser zu gehen, desto glühender malte er es sich aus. Das Fachsimpeln unter Schwimmern war seine Erholung nach alldem, was täglich bei der Arbeit im Zoo zu bereden war. Wasser ohne ein Flusspferd drin war so viel leichter zu beherrschen als Wasser mit.

Mamaji hatte dank der Großzügigkeit der Kolonialverwaltung zwei Jahre lang in Paris studiert. Das war Anfang der dreißiger Jahre, als die Franzosen noch alles daransetzten, Pondicherry so französisch zu machen, wie die Briten den Rest von Indien britisch machen wollten. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was Mamaji dort studiert hat. Sicher etwas, das mit Wirtschaft zu tun hatte. Er konnte wunderbar Geschichten erzählen, aber auf seine Erlebnisse am Eiffelturm oder im Louvre oder in den Cafes der Champs-Élysées wartete man vergebens. Alle seine Geschichten hatten mit Schwimmbädern und Schwimmwettbewerben zu tun. Da gab es zum Beispiel die Piscine Deligny, das älteste Schwimmbad der Stadt, dessen Anfänge bis ins Jahr 1796 zurückreichten; es war ein offenes Boot, am Quai d'Orsay festgemacht, und im Jahr 1900 der Austragungsort für die Schwimmwettkämpfe der Olympischen Spiele. Doch keine der Zeiten wurde vom Internationalen Schwimmverband anerkannt, denn das Becken war sechs Meter zu lang. Das Wasser in diesem Becken kam direkt aus der Seine, ungeklärt und ungeheizt. »Es war kalt und schmutzig«, sagte Mamaji. »Das Wasser war schon durch ganz Paris geflossen, und so sah es auch aus. Und die Leute, die drin badeten, haben dafür gesorgt, dass es noch ekliger wurde.« Vertraulich flüsternd, mit schockierenden Beispielen, mit denen er seine These untermauerte, versicherte er uns, dass der Standard der Körperhygiene bei den Franzosen ausgesprochen niedrig war. »Deligny war schon schlimm, aber noch schlimmer war das Bain Royal, auch so eine Latrine an der Seine. Im Deligny haben sie wenigstens die toten Fische rausgeholt.« Aber trotz allem war und blieb es ein Olympiabecken, und das machte es unsterblich. Mochte es auch noch so eine Jauchegrube sein, Mamaji sprach von Deligny stets mit einem seligen Lächeln.

Besser war man in den Piscines Chäteau-Landon, Rouvet oder Boulevard de la Gare dran. Das waren Hallenbäder, die rund ums Jahr geöffnet hatten. Sie wurden gespeist vom Kondenswasser der Dampfmaschinen der umliegenden Fabriken, das sauberer und wärmer war. Doch auch diese Bäder waren ein wenig unappetitlich und oft überfüllt. »Da war so viel Schleim und Auswurf im Wasser, dass man das Gefühl hatte, man schwimmt zwischen Quallen«, lachte Mamaji.

Die Piscines Hebert, Ledru-Rollin und Butte-aux-Cailles waren helle, moderne, geräumige Bäder, die ihr Wasser aus eigenen Brunnen bezogen. Sie waren der Maßstab, an dem andere städtische Schwimmbäder gemessen wurden. Außerdem gab es natürlich die Piscine des Tourelles, das andere Olympiabad der Stadt, eröffnet 1924, als die Spiele zum zweiten Mal in Paris ausgetragen wurden. Und es gab weitere, viele weitere.

Doch kein anderes Bad konnte es in Mamajis Augen mit dem Glanz der Piscine Molitor aufnehmen. Das war das Nonplusultra der Badekultur von Paris, ja der gesamten zivilisierten Welt.

»Es war ein Schwimmbad für die Götter. Der Schwimmclub des Molitor war der beste in ganz Paris. Es hatte zwei Becken, ein offenes und ein überdachtes. Beide waren so groß wie zwei kleine Ozeane. Beim Innenbecken waren immer zwei Bahnen reserviert, damit Wettkampfschwimmer üben konnten. Das Wasser war so klar und rein, man hätte seinen Kaffee damit kochen können. Rund um das Becken standen hölzerne Umkleidekabinen, blau und weiß auf zwei Etagen. Von oben konnte man hinuntersehen und alles beobachten. Es gab Angestellte, die die Kabinen mit Kreide markierten, zum Zeichen, dass sie besetzt waren, hinkende alte Männer, freundlich auf ihre bärbeißige Art. Selbst das größte Gebrüll, das lauteste Palaver machte ihnen nichts aus. Die Duschen spendeten wunderbar wohl tuendes heißes Wasser. Es gab ein Dampfbad und eine Turnhalle. Im Winter wurde das Außenbecken zur Eisbahn. Es gab eine Bar, eine Cafeteria, eine große Sonnenterrasse, sogar zwei kleine Strände mit echtem Sand. Alles war Messing, Kacheln und Holz, alles blitzblank. Es war - es war ...«

Es war das einzige Schwimmbad, bei dem Mamaji die Worte fehlten, das einzige, wo er in Gedanken so viele Runden schwamm, dass er sie nicht mehr beschreiben konnte.

Mamaji hatte seine Erinnerungen, Vater seine Träume.

So kam ich zu meinem Namen, als ich drei Jahre nach Ravi als letzter, willkommener Spross meiner Familie das Licht der Welt erblickte: Piscine Molitor Patel.

Kapitel 4

Unsere wackere Nation war gerade erst sieben Jahre alt, da bekam sie mit einem weiteren kleinen Territorium Zuwachs. Am 1.November 1954 trat Pondicherry der Indischen Union bei. Dieses große Ereignis musste angemessen gewürdigt werden. Ein Teil des Botanischen Gartens wurde mietfrei für eine grandiose Geschäftsidee zur Verfügung gestellt, und im Handumdrehen hatte Indien einen nagelneuen Zoo, eingerichtet und betrieben nach den modernsten, biologisch fundierten Prinzipien.

Es war ein riesiger Zoo, hektargroß, so weitläufig, dass man eine Eisenbahn brauchte, um ihn zu erkunden - auch wenn er, die Bahn eingeschlossen, immer kleiner wurde, je älter ich wurde. Heute ist er so klein, dass er in meinen Kopf passt. Man muss sich einen heißen, feuchten Ort vorstellen, sonnendurchflutet und in strahlenden Farben. Rund ums Jahr blühen die Blumen. Bäume, Büsche, Schlingpflanzen wuchern - Pipal- oder Bobäume, Flamboyants, rote Ixoren, Wollbäume, Jakarandas, Mangos, Jackbäume und viele andere, von denen man nie wüsste, wie sie heißen, wenn nicht hübsche Schildchen davor stünden. Es gibt Bänke. Auf den Bänken sieht man Männer ausgestreckt liegen und schlafen, oder es sitzen Paare darauf, junge Paare, die sich verstohlene Blicke zuwerfen und deren Hände sich zufällig beim Gestikulieren berühren. Plötzlich bemerkt man zwischen den hohen, schlanken Bäumen zwei Giraffen, die einen in aller Ruhe betrachten. Der Anblick ist nicht die einzige Überraschung. Schon im nächsten Augenblick bricht eine große Affentruppe in ein ohrenbetäubendes Geschnatter aus, das nur noch von den schrillen Schreien fremdartiger Vögel übertönt wird. Man kommt an ein Drehkreuz. Gedankenverloren zahlt man ein kleines Eintrittsgeld. Man geht weiter und kommt an eine niedrige Mauer. Was erwartet man hinter einer niedrigen Mauer? Wohl kaum eine flache Grube mit zwei mächtigen Indischen Nashörnern. Aber genau das findet man. Und wenn man sich dann umdreht, bemerkt man den Elefanten, der schon die ganze Zeit dort gestanden hat, so groß, dass man ihn gar nicht gesehen hat. Und was da im Teich steht, sind Flusspferde. Je länger man hinsieht, desto mehr sieht man. Willkommen in Zootown!

Bevor er nach Pondicherry kam, führte mein Vater ein großes Hotel in Madras. Aber Tiere waren schon immer seine Leidenschaft gewesen, und so kam er zum Zoo. Ein ganz natürlicher Schritt, könnte man denken, vom Hotelier zum Zooleiter. Aber das stimmt nicht. Ein Zoo ist in vielem das, was für den Hotelier der größte Alptraum ist. Man bedenke: Die Gäste verlassen nie das Zimmer; alle erwarten Vollpension; dauernd bekommen sie Besuch, oft laut und ungezogen. Man muss warten, bis sie sich einmal auf den Balkon bequemen, damit man ihr Zimmer sauber machen kann, und dann muss man warten, bis sie genug von der Aussicht haben und ins Zimmer zurückkehren, bevor man den Balkon putzen kann; und sauber gemacht werden muss viel, denn die Gäste sind rücksichtslos wie Säufer. Jeder weiß ganz genau, was er auf der Speisekarte haben will, jeder beklagt sich über den schlechten Service, und kein Einziger gibt jemals Trinkgeld. Um ehrlich zu sein, haben viele auch einen Zug zum Perversen. Entweder sind sie furchtbar gehemmt, und umso vehementer machen sich die unterdrückten Triebe dann von Zeit zu Zeit Luft, oder sie sind unverhohlen lüstern, und in beiden Fällen sorgen die unerhörtesten Sex- und Inzestorgien für Beschwerden am laufenden Band. Sind das etwa die Gäste, die man in seinem Gasthaus haben will? Der Zoo von Pondicherry war ein Quell von ein wenig Freude und weitaus mehr Kopfschmerz für Mr Santosh Patel - Gründer, Eigentümer, Direktor, Chef von dreiundfünfzig Angestellten und mein Vater.

Für mich war es das Paradies auf Erden. Ich habe an meine Kindheit im Zoo nur schöne Erinnerungen. Es war ein fürstliches Leben. Welcher Sohn eines Maharadschas hatte einen so prachtvollen Garten, in dem er spielen konnte? Welcher Palast hatte eine solche Menagerie? Mein Wecker in meinen Kinderjahren war ein Löwenrudel. Es war zwar keine Schweizer Uhr, aber man konnte sich darauf verlassen, dass sie sich jeden Morgen zwischen halb sechs und sechs die Seele aus dem Leib brüllten. Das Geschrei der Brüllaffen, die Pfiffe der Beos und das Krächzen der Molukkenkakadus war die Begleitmusik zum Frühstück. Wenn ich zur Schule ging, tat ich das nicht nur unter den wohlwollenden Blicken meiner Mutter, sondern auch dem der blitzäugigen Otter, der stämmigen amerikanischen Bisons und der Orang-Utans, die dazu gähnten und sich streckten. Unter den Bäumen hatte ich immer den Blick nach oben gerichtet, auf der Hut vor Pfauen, die einen bekackten. Besser, man hielt sich an jene Bäume, in denen die großen Kolonien von Flughunden hingen; in dieser frühen Morgenstunde war von ihnen kein anderer Angriff zu befürchten als das wilde Durcheinander ihres Pfeif- und Schnatterkonzerts. Auf dem Weg zum Ausgang hielt ich vielleicht noch an den Terrarien und sah mir die glitzernden Frösche an, grasgrün, gelb mit dunklem Blau oder braun und blassgrün. Oder es waren Vögel, die meine Aufmerksamkeit erregten: rosa Flamingos und schwarze Schwäne und Goldhalskasuare, oder etwas Kleineres, Diamanttäubchen, Glanzstare, Inseparables, Nanday- und Goldbauchsittiche. Die Elefanten, die Seehunde, die Tiger und die Bären schliefen um diese Zeit noch, aber Paviane, Makaken, Mangaben, Gibbons, Gazellen, die Tapire, die Lamas, die Giraffen, die Mungos, das waren Frühaufsteher. Und jeden Morgen nahm ich, kurz bevor ich den Zoo durch das Hauptportal verließ, noch ein letztes Bild mit, etwas ganz Alltägliches und doch Unvergessliches: eine Schildkrötenpyramide, die schillernde Schnauze eines Mandrills, das vornehme Schweigen einer Giraffe, das Maul eines gähnenden Flusspferds, ein Ara, der mit Krallen und Schnabel den Drahtzaun emporklettert, das Begrüßungsklappern eines Schuhschnabels, der senile, lüsterne Gesichtsausdruck eines Kamels. All diese Reichtümer konnte ich im Vorbeigehen haben, auf dem Weg in die Schule. Am Nachmittag machte ich dann in Ruhe meine Experimente, wie es war, wenn ein Elefant einem die Kleider absuchte, in der friedlichen Hoffnung, dass er eine versteckte Nuss fand, oder ein Orang-Utan einem die Haare auf der Suche nach einem kleinen Läuseimbiss durchkämmte, das enttäuschte Schnaufen, wenn er einsehen musste, dass auf diesem Kopf nichts zu holen war. Ich wünschte, ich könnte die Vollkommenheit beschreiben, mit der ein Seehund ins Wasser glitt, ein Klammeraffe sich von Ast zu Ast schwang, ein Löwe auch nur seinen Kopf drehte. Doch unsere Sprache scheitert in solcher See. Besser, man malt sich in Gedanken die Bilder aus, wenn man es empfinden möchte.

Wie in der Natur sind auch im Zoo die besten Zeiten für einen Besuch der Sonnenauf- und der Sonnenuntergang. Das sind die Zeiten, zu denen die meisten Tiere zum Leben erwachen. Sie kommen aus ihren Verstecken hervor und schleichen auf Zehenspitzen ans Wasser. Sie zeigen ihre Prachtgewänder. Sie singen ihre Lieder. Sie lassen sich auf den anderen ein, vollführen ihre Rituale. Der Lohn für das aufmerksame Auge, das gespitzte Ohr, ist groß. Ich könnte die Stunden nicht zählen, die ich als stiller Zeuge der so kunstvoll stilisierten und so unendlich vielfältigen Erscheinungsformen des Lebens, der Zierde unseres Planeten, verbracht habe. Es ist etwas so Grelles, Schreiendes, Verrücktes und doch so Zartes, dass es alle Sinne benommen macht.

Über Zoos hört man fast genauso viel Unsinn wie über Gott und die Religion. Wohlmeinende, aber schlecht informierte Leute denken, Tiere in freier Wildbahn seien »glücklich«, weil sie »frei« sind. Die Leute haben dabei meist ein großes, gut aussehendes Raubtier vor Augen, einen Löwen oder Geparden (das Leben eines Gnus oder Erdferkels ist weniger spektakulär). Sie stellen sich das wilde Tier vor, wie es nach dem Verzehr einer Beute, die ihr Los gefügig ertragen hat, einen Verdauungsspaziergang durch die Savanne macht, damit es nach dem viel zu reichlichen Essen kein Fett ansetzt. Sie stellen sich vor, wie dieses Tier stolz und zärtlich für seinen Nachwuchs sorgt, wie die ganze Familie gemeinsam auf den Ästen eines Baumes sitzt, den Sonnenuntergang bewundert und dabei zufrieden seufzt. Das Leben der wilden Tiere, glauben sie, ist einfach, edel und sinnerfüllt. Dann wird ein solches Tier von den bösen Menschen gefangen und in eine winzige Gefängniszelle gesperrt. Mit seinem »Glück« ist es damit vorbei. Es sehnt sich entsetzlich nach seiner »Freiheit« und denkt nur noch daran, wie es entkommen kann. Wird ihm diese »Freiheit« zu lange verwehrt, wird das Tier zum bloßen Schatten seiner selbst, sein Wille gebrochen. So etwas glauben die Leute.

Aber es ist nicht wahr.

Das Leben der Tiere in der Wildnis wird von Zwang und Notwendigkeit bestimmt, sie leben in einem unerbittlichen System von Macht und Unterwerfung, in einer Welt, in der es Furcht im Überfluss gibt und Nahrung knapp ist, in der ein Revier rund um die Uhr verteidigt werden muss und Parasiten nie auszurotten sind. Was bedeutet in so einer Welt Freiheit? In der Praxis sind Tiere der Wildnis weder in der Zeit noch im Raum frei und auch nicht in ihren persönlichen Bindungen. In der Theorie - das heißt als rein physische Möglichkeit betrachtet - könnte ein Tier überallhin gehen und alle sozialen Konventionen und Grenzen seiner Spezies hinter sich lassen. Aber ein solcher Schritt ist im Tierreich noch unwahrscheinlicher, als bei unserer eigenen Gattung, wo zum Beispiel ein Kaufmann mit allen dazugehörigen Bindungen - an Familie, Freunde, die Gesellschaft - alles hinwerfen und sein Leben hinter sich lassen könnte, davonspazieren mit nichts als dem Kleingeld in der Tasche und den Kleidern am Leib. Wenn ein Mensch, das wagemutigste und intelligenteste aller Geschöpfe, nicht einfach hinaus in die Welt zieht und ein Fremder unter Fremden wird, warum sollte dann ein Tier, das von Natur aus weit konservativer ist, es tun? Denn genau das sind Tiere: konservativ, ja geradezu reaktionär. Die kleinsten Veränderungen bringen sie aus der Fassung. Sie wollen, dass die Dinge bleiben, wie sie sie kennen, Tag für Tag, Monat für Monat. Überraschungen sind ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack. Man sieht das an ihrem Revierverhalten. Ein Tier, ob im Zoo oder in der Wildnis, bewohnt einen bestimmten Raum, wie Schachfiguren sich über ein Schachbrett bewegen - jeder Zug bedeutet etwas. Wenn eine Eidechse, ein Bär oder ein Reh an einer bestimmten Stelle steht, dann ist das genauso wenig zufällig, genauso wenig »frei« wie die Stellung eines Springers auf einem Schachbrett. Beide künden von einem Muster, einer Absicht. Ein Tier in der Wildnis nimmt immer wieder denselben Weg, Jahr für Jahr, und immer wieder aus demselben Grund. Wenn im Zoo ein Tier nicht an seinem gewohnten Platz in seiner gewohnten Haltung zur gewohnten Stunde ist, dann bedeutet das etwas. Vielleicht ist es nur der Niederschlag einer winzigen Veränderung in seiner Umgebung. Ein zusammengerollter Schlauch, den der Wärter vergessen hat, wirkt wie eine Bedrohung. Eine Pfütze ist entstanden und irritiert. Eine Leiter wirft einen Schatten. Aber es könnte auch mehr bedeuten. Im schlimmsten Falle könnte es das sein, was ein Zoodirektor am meisten fürchtet: ein Symptom, das Vorzeichen einer kommenden Katastrophe, ein Anlass, den Kot zu inspizieren, den Wärter ins Verhör zu nehmen, den Tierarzt zu rufen. Und alles nur, weil ein Storch anderswo steht und nicht an seinem üblichen Platz!

Aber zunächst wollen wir uns auf einen einzelnen Aspekt dieser Frage konzentrieren.

Wenn Sie zu einem Haus gingen, die Tür einträten, die Leute, die dort wohnen, hinaus auf die Straße scheuchten und riefen: »Geht! Ihr seid frei! Frei wie ein Vogel! Hinaus mit euch!« — meinen Sie, die Leute würden vor Freude tanzen? Bestimmt nicht. Vögel sind nicht frei. Die Leute, die Sie gerade vertrieben haben, würden protestieren: »Was gibt dir das Recht, uns hinauszuwerfen? Das ist unser Zuhause. Das gehört uns. Wir wohnen hier schon seit Jahren. Wir holen die Polizei, du Ganove.«

Sagen wir denn nicht: »Trautes Heim, Glück allein«? Und genau das sagen die Tiere auch. Tiere haben ein Revier. Das ist die Grundlage für ihre Orientierung. Nur in einem festen Revier können sie die beiden Aufgaben bewältigen, die ihnen die Wildnis ihr Leben lang stellt: nimm dich in Acht vor deinen Feinden, suche Nahrung und Wasser. Ein biologisch korrektes Zoogehege- ob Käfig, Grube, Insel, Pferch, Terrarium, Aquarium oder Volière — ist ein Territorium wie jedes andere; der einzige Unterschied ist die beschränkte Größe und die Nähe zum Revier der Menschen. Gewiss, es ist kleiner als in der Natur. Aber Reviere in der Natur sind nicht groß, weil die Tiere es gern haben, sondern weil die Notwendigkeit es fordert. In einem Zoo bieten wir den Tieren das, was wir uns selbst mit unseren Häusern bieten: wir konzentrieren auf engem Raum, was in der Wildnis weit verteilt ist. In früheren Zeiten war hier die Höhle, dort der Fluss, die Jagdgründe eine Meile entfernt, der Ausguck zwei Felsen weiter, und die Beeren wuchsen wiederum anderswo - und überall Löwen, Schlangen, Ameisen, Blutegel und Fingerhut —; heute kommt der Fluss aus dem Wasserhahn, und wir können uns gleich an unserem Schlafplatz waschen, wir können da essen, wo wir kochen, und wir können alles mit einer Mauer umgeben, die uns schützt und die uns hilft, es sauber und warm zu haben. Ein Haus ist ein komprimiertes Revier, in dem wir unsere Grundbedürfnisse in Sicherheit und in nächster Nähe erfüllen können. Das Gegenstück für ein Tier ist ein gutes Zoogehege (wobei, anders als in menschlichen Behausungen, die Feuerstelle oder Vergleichbares fehlt). Wenn ein Tier an diesem einen Ort alle Orte findet, die es braucht — einen Beobachtungsposten, einen Ruheplatz, Nahrung, Wasser, einen Platz, an dem es baden und sich pflegen kann und so weiter -, und wenn es feststellt, dass es gar nicht mehr jagen muss, weil alle Tage lang der Fressnapf gefüllt wird, dann wird ein Tier seinen Lebensraum im Zoo genauso in Besitz nehmen, wie es sich in einem neu gefundenen Raum in der Wildnis einrichten würde, es würde ihn erforschen und nach der Art seiner Spezies markieren, mit Urin vielleicht. Ist dieses Einzugsritual erst einmal beendet und das Tier hat sich eingerichtet, wird es sich nicht unsicher wie ein Mieter fühlen und schon gar nicht wie ein Gefangener, sondern eher wie ein Landbesitzer, und es wird sich in seinem Gehege genau so verhalten, wie es das in seinem Revier in der Wildnis tun würde - und es mit Zähnen und Klauen verteidigen, sollte jemand eindringen wollen. Ein solches Gehege wird ein Tier weder als besser noch als schlechter empfinden als die Wildnis; solange es die Bedürfnisse eines Tieres erfüllt, ist ein Revier, ob nun künstlich oder natürlich, einfach da, es wird nicht beurteilt, sondern als selbstverständlich genommen wie die Flecken eines Leoparden. Man könnte sogar anführen, dass ein Tier, könnte es mit Verstand seine Lebensbedingungen wählen, sich für den Zoo entscheiden würde, denn der Hauptunterschied ist, dass es im Zoo keine Parasiten und keine Feinde gibt, dafür Nahrung im Überfluss, anders als in der Wildnis, wo daran stets Mangel herrscht. Überlegen Sie doch: Würden Sie nicht auch lieber im Ritz leben, Zimmerservice und medizinische Versorgung kostenlos, statt auf der Straße, wo keiner sich um Sie kümmert? Aber Tiere können keine solchen Entscheidungen fällen. Sie nehmen, was sie finden, und richten sich damit ein, so gut es ihre Natur erlaubt.

Ein guter Zoo hat gute Demarkationslinien: Genau da, wo ein Tier uns mit seinem Urin oder sonst einem Sekret zu verstehen gibt: »Bleib draußen!«, sagen wir mit unseren Zäunen zu ihm: »Bleib drin!« Mit einem solchen Burgfrieden sind die Tiere stets zufrieden, und man kann entspannt einen Blick aufeinander werfen.

In der Fachliteratur finden sich massenhaft Berichte über Tiere, die die Möglichkeit hatten zu fliehen und die trotzdem geblieben sind oder die entflohen und zurückkehrten. Da ist zum Beispiel der Fall des Schimpansen, dessen Käfigtür unverschlossen geblieben war und sich geöffnet hatte. Der Affe geriet mehr und mehr in Panik, schrie laut und schlug - jedes Mal mit einem ohrenbetäubenden Knall - immer wieder die Tür zu, bis ein Besucher den Wärter holte, der die Ordnung wiederherstellte. In einem europäischen Zoo wurde einmal das Gatter zu einem Wildgehege offen gelassen, und ein Rudel Rehe entwich. Aus Furcht vor den Besuchern flohen sie in einen nahe gelegenen Wald, der einen eigenen Rehbestand hatte und weitere Tiere hätte ernähren können. Trotzdem kehrten die Zootiere schon bald in ihr Gehege zurück. In einem anderen Zoo ging ein Arbeiter frühmorgens zu seiner Baustelle, ein Bündel Bretter auf der Schulter, als zu seinem Schrecken aus dem Morgennebel ein Bär auftauchte und direkt auf ihn zukam. Der Mann ließ die Bretter fallen und lief um sein Leben. Die Zoobelegschaft machte sich sogleich auf die Suche nach dem entlaufenen Bären. Sie fand ihn in seiner Grube, wohin er über den umgestürzten Baum, der ihn auch in die Freiheit geführt hatte, zurückgeklettert war. Vermutlich hatte der Lärm der zu Boden prasselnden Bretter ihn erschreckt.

Aber ich will Ihnen nicht zur Last fallen. Ich will Ihnen die Zoos nicht anpreisen. Schließen Sie sie alle, wenn Sie wollen (und lassen Sie uns hoffen, dass das, was vom Tierleben noch bleibt, in dem überleben kann, was von der Natur noch bleibt). Ich weiß, die Menschen mögen keine Zoos mehr. Und keine Religion. Beide sind einem Trugbild, einer falschen Idee von Freiheit zum Opfer gefallen.

Den Zoo von Pondicherry gibt es nicht mehr. Seine Gruben sind mit Erde zugeschüttet, die Käfige niedergerissen. Wenn ich ihn heute besuche, dann besuche ich ihn am einzigen Ort, der ihm geblieben ist-in meiner Erinnerung.

Kapitel 5

Die Geschichte mit meinem Namen ist noch nicht zu Ende. Wenn jemand Bob heißt, dann fragt keiner: »Wie schreibt sich das?« Bei Piscine Molitor Patel ist das anders.

Manche glaubten, der Vorname heiße P. Singh; sie schlossen daraus, dass ich Sikh bin und fragten, wo mein Turban sei.

In Studientagen bin ich einmal mit Freunden nach Montreal gefahren. Abends wurde Pizza bestellt, und einmal war ich damit an der Reihe. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass wieder einer von den Frankokanadiern losprustete, wenn ich meinen Namen sagte, und als der Mann vom Pizzaservice am Telefon fragte: »Ihren Nam' bitte?«, antwortete ich auf Englisch: »I am who I am«, ich bin, wer ich bin. Eine halbe Stunde darauf kamen zwei Pizzas, adressiert an »Ian Hoolihan«.

Eine Weisheit sagt, dass Menschen, denen wir begegnen, uns verändern, und manchmal verändern sie uns so sehr, dass wir danach nicht mehr dieselben sind, ja nicht einmal mehr denselben Namen haben. Denken Sie an Simon, der zum Petrus wird, Matthäus, der einmal Levi hieß, Nathaniel, der sich zum Bartholomäus wandelte, Judas -nicht Ischariot —, der den Namen Thaddäus annahm; Simeon hatte einmal Niger geheißen, und Saulus wurde zum Paulus.

Mein römischer Soldat stand eines Morgens, als ich zwölf Jahre alt war, auf dem Schulhof. Ich war eben eingetroffen, und ein Geistesblitz des Bösen fuhr ihm durch seinen dumpfen Verstand. Er hob den Arm, zeigte mit dem Finger auf mich und brüllte: »He, da ist Pisser Patel!«

Im nächsten Augenblick lachten alle. Es verebbte, als wir zum Unterrichtsbeginn Aufstellung nahmen. Ich trat als Letzter in die Klasse, auf dem Haupt meine Dornenkrone.

Jeder weiß, wie grausam Kinder sind. Immer wieder drangen unerwartet, unvorbereitet die Worte über den Schulhof zu mir: »Ich muss mal. Wo ist denn hier für Pisser?« Oder: »Du stehst ja da an der Wand wie 'n Pisser.« Oder sonst etwas in dieser Art. Ich stand da wie erstarrt oder machte im Gegenteil umso beflissener mit dem weiter, womit ich gerade beschäftigt war, und tat, als hätte ich nichts gehört. Der Klang verschwand, aber der Schmerz blieb, so wie es weiter nach Pisse riecht, wenn sie schon längst getrocknet ist.

Selbst die Lehrer machten mit. Es muss die Hitze gewesen sein. Als der Tag voranschritt, weitete sich die Erdkundestunde, die am Morgen kompakt wie eine Oase begonnen hatte, zur Wüste Thar; die Geschichtsstunde, so lebendig, als der Tag noch jung war, trocknete ein; die Mathematikstunde, die so präzise ihren Anfang nahm, verlief im Sande. In der Erschöpfung des Nachmittags, als sie sich Stirn und Nacken mit ihren Taschentüchern wischten, vergaßen selbst die Lehrer, die mir nichts Böses, nicht einmal einen Lacher ernten wollten, das Versprechen des kühlen Nass, das mein Name war, und sprachen ihn aus schierer Trägheit auf seine beleidigende Weise aus. Es waren kaum wahrnehmbare Veränderungen der Laute, aber ich hörte sie doch. Ihre Zungen waren wie antike Wagenlenker, denen die Pferde durchgingen. Die erste Silbe, das Pi, bewältigten sie noch gut, aber dann wurde die Hitze zu groß, sie ließen den Rössern, die mit schäumendem Maul dahinstoben, die Zügel schießen, und es gelang ihnen nicht mehr, sie durch die zweite Silbe, das scine, zu steuern. Das Wort verlief sich, war kaum noch mehr als ein se, und schon war der Schaden angerichtet. Ich meldete mich, wollte eine Antwort geben, und wurde mit einem »Ja, Pisser?« drangenommen. Oft merkten die Lehrer überhaupt nicht, was sie da gerade gesagt hatten. Sie warteten, dann sahen sie mich fragend an, weil keine Antwort kam. Und manchmal war die ganze Klasse so niedergedrückt von der Hitze, dass keiner mehr reagierte. Kein Kichern, kein Lächeln. Aber ich hörte die Demütigung doch.

Mein letztes Jahr an der Sankt-Joseph-Schule verbrachte ich wie der verfolgte Prophet Mohammed in Mekka, Friede sei mit ihm. Doch so wie er seine Flucht nach Medina plante, die Hedschra, die zum Anfang der muslimischen Zeitrechnung werden sollte, so plante ich meinen Schulabgang als den Beginn einer neuen Ära.

Als ich die Joseph-Schule hinter mir hatte, ging ich aufs Petit Seminaire, die beste englischsprachige Privat-Oberschule in Pondicherry. Ravi war schon dort, und wie jeder jüngere Bruder hatte ich es schwer, als ich in die Fußstapfen des erfolgreichen älteren trat. Er war am Petit Seminaire der beste Sportler seiner Generation, ein perfekter Ball- und ein gefürchteter Schlagmann, Captain der besten Cricketmannschaft der Stadt, der Kapil Dev von Pondicherry. Dass ich schwimmen konnte, rührte keinen; es ist anscheinend ein Naturgesetz, dass Leute, die am Meer wohnen, nichts von Schwimmern halten, so wie Bergbewohner den Bergsteigern misstrauen. Aber nicht der Schatten, den mein großer Bruder warf, sollte mein Entkommen sein, auch wenn mir jeder Name lieber gewesen wäre als »Pisser«, sogar »Ravis Bruder«. Aber ich hatte einen besseren Plan.

Gleich am ersten Schultag setzte ich ihn in die Tat um, in der ersten Stunde. Ich saß zwischen anderen Schülern von Sankt Joseph in meiner Bank. Der Unterricht begann, wie stets der erste Schultag beginnt, mit dem Aufsagen der Namen. Jeder sagte seinen Namen, in der Reihenfolge, in der wir saßen.

»Ganapathy Kumar«, sagte Ganapathy Kumar.

»Vipin Nath«, sagte Vipin Nath.

»Shamshool Hudha«, sagte Shamshool Hudha.

»Peter Dharmaraj«, sagte Peter Dharmaraj.

Bei jedem Namen machte der Lehrer ein Häkchen auf seiner Liste und sah kurz auf, um sich das Gesicht einzuprägen. Ich war entsetzlich aufgeregt.

»Ajith Giadson«, sagte Ajith Giadson, vier Reihen weiter vorn ...

»Sampath Saroja«, sagte Sampath Saroja, drei Reihen ...

»Stanley Kumar«, sagte Stanley Kumar, zwei Reihen ...

»Sylvester Naveen«, sagte Sylvester Naveen, direkt vor mir.

Jetzt war ich dran. Zeit, Satan in seine Schranken zu weisen. Auf nach Medina.

Ich sprang auf und lief an die Tafel. Bevor der Lehrer etwas einwenden konnte, griff ich mir ein Stück Kreide und schrieb mit, was ich sagte:

Ich heiße Piscine Molitor Patel, besser bekannt als

— ich unterstrich doppelt die ersten beiden Buchstaben meines Vornamens —

Pi Patel

Und um es noch deutlicher zu machen, fügte ich hinzu:

und zeichnete einen großen Kreis, den ich dann mit einem Strich durch die Mitte in zwei Hälften teilte, damit auch der Letzte begriff, auf welchen Grundsatz der Geometrie ich anspielte.

Alles schwieg. Der Lehrer starrte die Tafel an. Mir stockte der Atem. Dann sagte er: »Gut, Pi. Setzen. Aber das nächste Mal fragst du um Erlaubnis, bevor du deinen Platz verlässt.«

»Jawohl, Sir.«

Er machte sein Häkchen hinter meinen Namen. Und sah den nächsten Jungen an.

»Mansoor Ahamad«, sagte Mansoor Ahamad.

Ich war gerettet.

»Gautham Selvaraj«, sagte Gautham Selvaraj.

Ich konnte wieder atmen.

»Arun Annaji«, sagte Arun Annaji.

Ein neuer Anfang.

Ich wiederholte das Kunststück bei jedem Lehrer. Wiederholung ist wichtig, ob man nun Tiere trainiert oder Menschen. Eingerahmt von zwei Jungen mit ganz gewöhnlichen Namen, stürmte ich nach vorn und schrieb, bisweilen unter grässlichem Quietschen, den Namen meiner Neugeburt an die Wand. Es dauerte nicht lange, und die Jungs sprachen im Gleichklang mit, ein Crescendo, das, nachdem alle in dem Augenblick, in dem ich die richtige Note unterstrich, Luft geholt hatten, so triumphal in meinem neuen Namen gipfelte, dass es der Stolz jedes Chorleiters gewesen wäre. Ich schrieb, so schnell ich konnte, und ein paar Jungs feuerten mich mit einem »Drei! Komma! Eins! Vier!« an, und das Konzert endete mit meinem Strich durch den Kreis, den ich mit einer solchen Vehemenz zog, dass die Kreidestücke flogen.

Wenn ich an jenem Tag die Hand hob - und ich tat es bei jeder Gelegenheit -, dann erteilten die Lehrer mir das Wort mit einer einzigen Silbe, die Musik in meinen Ohren war. Die Schüler schlossen sich an, selbst die Teufel von Sankt Joseph. Der Name setzte sich durch. Wahrlich, wir sind eine Nation von Baumeistern: kurz danach benannte ein Junge namens Omprakash sich in Omega um, ein anderer nannte sich Ypsilon, und eine Zeit lang hatten wir auch Gamma, Lambda und Delta. Aber ich war der Erste und Dauerhafteste unter den Griechen vom Petit Seminaire. Selbst mein Bruder, der Captain der Cricketmannschaft, Liebling der Stadt, fand Gefallen daran. In der folgenden Woche nahm er mich beiseite.

»Ich höre, du hast einen neuen Spitznamen?«, fragte er.

Ich blieb still. Was immer er sich an Gemeinheit ausgedacht hatte, würde ich ertragen müssen. Es gab kein Entkommen.

»Wusste ja gar nicht, dass du so für die Farbe Gelb schwärmst.«

Gelb? Ich sah mich um. Keiner durfte hören, was jetzt kommen würde, schon gar nicht die Schläger. »Ravi, was meinst du damit?«, flüsterte ich.

»Oh, mir ist das egal, Bruderherz. Alles ist besser als ›Pisser‹. Sogar ›Pipi‹.«

Als er sich davonmachte, sagte er noch: »Du siehst ziemlich rot im Gesicht aus.«

Aber er behielt es für sich.

Und so fand ich in dem griechischen Buchstaben, der aussieht wie ein Schuppen mit einem Wellblechdach drauf, in jener rätselhaften, irrationalen Zahl, mit der die Wissenschaftler das Universum begreifen wollen, meine Zuflucht.

Kapitel 6

Er ist ein ausgezeichneter Koch. Sein stets überheiztes Haus ist erfüllt von Essensduft. Sein Gewürzregal sieht aus wie ein Apothekerladen. Wenn er Schrank oder Kühlschrank öffnet, sehe ich viele Markennamen, von denen ich noch nie gehört habe; ich könnte nicht einmal sagen, in welcher Sprache die Etiketten sind. Wir sind in Indien. Aber auch die westliche Küche beherrscht er