Schlachttage - Georg Unterholzner - E-Book

Schlachttage E-Book

Georg Unterholzner

0,0
13,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"In unserem Dorf wird anständig gestorben, umgebracht wird hier keiner" - so lautet zumindest der Standpunkt des alten Dorfpfarrers. Kaspar, Max und Inspektor Huber hegen daran berechtigte Zweifel. Zu undurchsichtig erscheinen den dreien die Umstände des Todes der alten Bäuerin, die von einem einstürzenden Dach erschlagen wurde. War es ein Unfall oder handelt es sich tatsächlich um Mord? An Verdächtigen mangelt es indes nicht, denn von der großen Erbschaft können einige profitieren. Der zweite Fall der inzwischen 17-jährigen Detektive Kaspar und Max führt ins bayerische Oberland. Dort bilden die Kreisstadt Wolfratshausen und das Internat in Heiligenbeuern den idealen Rahmen für einen spannenden Regionalkrimi.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für Angelika

Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten der Romanfiguren mit lebenden oder toten Personen sind nicht beabsichtigt, ebenso wenig eine Beschreibung der Verhältnisse in tatsächlich existierenden Institutionen, Organisationen oder Vereinigungen.

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2012

© 2014 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheimwww.rosenheimer.com

Lektorat: Karin Janßen, Hilde Gar, Dr. Bettina Maurer, Dr. Daniela McLaughlin, Dr. Sandra Schönreiter Satz: Bernhard Edlmann Verlagsdienstleistungen, Raubling Titelfoto: © Thomas Weitzel – Fotolia.com Autorenfoto in »Worum geht es im Buch?«: Patrick la Banca Datenkonvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

eISBN 978-3-475-54402-6 (epub)

Worum geht es im Buch?

Georg Unterholzner

Schlachttage

»In unserem Dorf wird anständig gestorben, umgebracht wird hier keiner« – so lautet zumindest der Standpunkt des alten Dorfpfarrers. Kaspar, Max und Inspektor Huber hegen daran berechtigte Zweifel. Zu undurchsichtig erscheinen den dreien die Umstände des Todes der alten Bäuerin, die von einem einstürzenden Dach erschlagen wurde. War es ein Unfall oder handelt es sich tatsächlich um Mord? An Verdächtigen mangelt es indes nicht, denn von der großen Erbschaft können einige profitieren.

Der zweite Fall der inzwischen 17-jährigen Detektive Kaspar und Max führt ins bayerische Oberland. Dort bilden die Kreisstadt Wolfratshausen und das Internat in Heiligenbeuern den idealen Rahmen für einen spannenden Regionalkrimi.

Dr. Georg Unterholzner, geboren 1961, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Er arbeitet als Tierarzt und lebt in Oberbayern in der Nähe von Wolfratshausen.

Inhalt

Kapitel IDer Unfall

Kapitel IIDie Beerdigung der Schlickin

Kapitel IIIDer Goldschmied

Kapitel IVZurück im Beusl

Kapitel VPartytime

Kapitel VIBeim Viehhändler

Kapitel VIIDie Waffe

Kapitel VIIIDas Geständnis des Juweliers

Kapitel IXMit der Weisheit am Ende

Kapitel XFerdl

Kapitel XIDie schöne Afra

Kapitel XIIFinale

Epilog

Kapitel I

Der Unfall

»Ja – die Schlickin hat jetzt auch sterben müssen. Fünfundsechzig Jahr’ ist sie bloß g’worden. In der Kirche hat man sie die letzte Zeit oft g’sehen. Grad als wenn sie g’wusst hätt, dass es bald dahingeht mit ihr.«

Die Bäckin meinte betroffen schauen zu müssen, aber Fräulein Amalie, die Pfarrersköchin, fuhr ohne eine Gedenksekunde fort: »Und so saudumm muss das zugegangen sein. Ist ihr doch glatt bei dem starken Wind letzte Woch eine Dachplatte auf den Kopf g’fallen, und sie war sofort maustot.« Sie packte umständlich die gekauften Brezen und Semmeln in ihren bauchigen Einkaufskorb.

»Und es ist sicher ein Unfall g’wesen?«, fragte die spindeldürre Bäckin und nahm den Fünfmarkschein der Pfarrersköchin entgegen. »Bei uns war nämlich ein Polizist und hat g’fragt, ob wir ihm nähere Auskünft’ über den Tod der alten Bäuerin geben könnten.«

»Der Herr Pfarrer sagt, dass sich die Polizei um ihre Angelegenheiten kümmern und anständige Leut in Ruh lassen soll.« Die korpulente Amalie zählte das Wechselgeld nach und ließ es dann in ihrem zierlichen Geldbeutel verschwinden. »Er möcht ja nicht behaupten, dass alle seine Schäflein Engel sind, aber bei uns ist ein Unfall ein Unfall, sagt er. In Deining wird anständig g’storben, um’bracht wird da keiner.«

Mit diesen Worten und einem knappen Gruß verließ sie den Laden.

Max und ich kauften je eine Eiswaffel und zwei Pfund Knödelbrot, das wir meiner Mutter mitbringen sollten. Dann setzten wir uns auf die Treppe vor der Bäckerei und aßen das Eis langsam und bedächtig. Anschließend nahmen wir unsere Räder und schoben sie den schmalen Kiesweg zum Pfarrhof hinauf. Ich wollte den Pfarrer Schoirer bitten, ob er nicht Max und mir während der Pfingstferien Nachhilfestunden in Griechisch und Latein geben könnte.

»Komisch ist das schon mit dieser toten Bäuerin«, bemerkte Max, kurz bevor wir das Pfarrhaus erreicht hatten.

»Was soll da komisch sein?«, gab ich mürrisch zurück. »Vor ein paar Tagen ist der alten Schlickin eine Dachplatte auf den Kopf g’fallen und sie ist an den Verletzungen g’storben. Fertig«

Aber Max gab sich damit nicht zufrieden. Ich kannte ihn nun schon mehr als drei Jahre. Hinter jedem Schlaganfall vermutete er eine Vergiftung und hinter jedem Verkehrsunfall ein angeschnittenes Bremsseil. Bis vor einem halben Jahr hatte er jede Woche mindestens einen Krimi gelesen und mir anschließend die Fehler in den Ermittlungen geschildert. An keinem Kommissar in den Kriminalromanen ließ er ein gutes Haar. Lediglich Hercule Poirot hielt er für einen akzeptablen Kriminalisten, der die Details bei den Verbrechen angemessen beachtete.

Seit einigen Monaten hatte sein Interesse an Verbrechen aber zunehmend nachgelassen. Er hatte eine Freundin, Isabell, ein blondes Juristentöchterchen aus Solln. Hübsch war sie – keine Frage –, aber zickig wie ein Zwergpinscher. Sie konnte mich vom ersten Augenblick an nicht leiden. Ich sie auch nicht.

Am eisernen Gartentor des Pfarrhofs angekommen, läutete ich, und bald erschien Fräulein Amalie.

»Was wollt ihr? Der Pfarrer hat keine Zeit.« Sie war eine sehr resolute Person und zeigte mit keiner Geste, dass wir uns erst vor zehn Minuten gesehen hatten.

»Grüß Gott, Fräulein Amalie«, begann ich mutig, denn sie schien im Augenblick geradezu sanftmütig. »Das ist mein Freund, der Max. Der will nämlich Geistlicher werden und möcht’ aus dem Grund beim Hochwürden vorsprechen.«

Augenblicklich zog es ihre fleischigen Lippen auseinander, die sie gerade noch streng zusammengepresst hatte. Und weil sie ihre hellblauen Augen beseelt gen Himmel richtete, bemerkte sie nicht, wie Max mir den Ellbogen in die Rippen stieß. Die kleine Notlüge war aber notwendig gewesen, sonst wären wir an diesem weiblichen Zerberus niemals vorbeigekommen.

»Ja, das ist natürlich etwas anderes«, lispelte sie. »Kommt nur rein, ich setz auch gleich einen Kaffee auf.«

»Ich mag keinen Kaffee«, stieß Max hervor und schaute ärgerlich in den Boden.

Fräulein Amalie stellte sich taubstumm und lächelte weiter. Sie führte uns hinter das mit Efeu bewachsene Pfarrhaus, wo der gut sechzigjährige, korpulente Priester in seiner schwarzen Soutane auf der Veranda saß und eine Zigarre paffte. Den Kragen des strengen Priestergewandes hatte er geöffnet, die Ärmel aufgestrickt und die mächtigen Füße auf einen Hocker gelegt.

»Gelobt sei Jesus Christus«, grüßte ich den Geistlichen.

»In Ewigkeit, amen«, entgegnete er mürrisch und sah missmutig zu uns her. Max sagte kein Wort.

»Herrschaftzeiten, Amalie, ich hab doch g’sagt, dass ich heut nimmer g’stört werden möcht«, schimpfte der Pfarrer in Richtung Haushälterin.

Doch Amalie hatte beschlossen, uns zu mögen. Ihr nicht enden wollendes Lächeln schien den Pfarrer jedoch noch mehr zu reizen. »Du weißt genau, was heut noch alles ansteht. In zwei Stunden muss ich die Maiandacht halten und danach zum Schafkopfen. Und die Grabred für die tote Schlickin schreibt sich auch nicht von allein.«

Die Sache mit den Nachhilfestunden stand ungünstig, und ich beeilte mich, meine Anliegen vorzutragen: »Ich wollt fragen, ob Sie mir und dem Max«, dabei deutete ich auf meinen Freund, »in den Ferien ein wenig Nachhilfe geben könnten.«

Ich musste aufpassen, dass der geistliche Herr jetzt nicht anfing zu schimpfen. Wenn er sich einmal gegen die Nachhilfe ausgesprochen hatte, konnten wir die Sache vergessen. Jeder im Dorf kannte seine Sturheit.

Schoirer ließ seinen massigen Körper in den alten Korbsessel zurücksinken und nörgelte: »Die Herren Studiosi brauchen also kurz vor Ende des Schuljahres noch eine gute Note, und der alte Dorfpfarrer hat kaum was zu tun. Der hat leicht Zeit, dass er mit ihnen die unregelmäßigen Vokabeln wiederholt.«

Nickend zog er an seiner schwarzen Zigarre, hielt sie dann vor sein breites Gesicht mit den ausgeprägten Hängebacken und sah sie versonnen an.

»Es geht nicht um eine gute Note, sondern ums Überleben«, meinte Max flapsig.

Er hatte es gleich schon für eine saublöde Idee gehalten, zu dem Geistlichen zu gehen. Langsam nahm der Pfarrer die Hand mit der Zigarre zur Seite und sah mit schiefem Kopf interessiert zu meinem Freund hin.

»Ums Überleben geht’s also.« Er lachte leise und schüttelte den massigen, schlohweißen Kopf. »Nein, nein, mein junger Freund. Ums Überleben is’ bei der alten Schlickin ’gangen. Aber da hat nix g’holfen. Sie hat sterben müssen. Ein Mordsloch hat sie im Kopf g’habt. Genau hier, haben die Feuerwehrleut g’sagt, die die Leich geborgen haben.« Er deutete unter seinen auffallend tiefen Haaransatz in die Mitte der Stirn. »Bei euch geht’s bloß um Noten oder vielleicht ums Durchfallen. Gar so ernst sollt man solche Sachen nicht nehmen.« Aufmerksam musterte der alte Priester meinen Freund. »Aber das Wichtigste in der Schul und im ganzen Leben ist der Wille. Wenn einer nicht lernen mag«, redete er Max direkt an, »dann hilft sowieso nix, auch keine Nachhilfe.«

Jetzt zeigte er ein weises Lächeln, mit dem er uns andeutete, dass für ihn die Unterhaltung beendet war. Ich musste es schaffen, zumindest einen Termin für die erste Stunde zu bekommen. Alles Weitere würde sich dann von allein ergeben. Der alte Pfarrer war meine letzte Hoffnung.

»Wie ist denn das Unglück mit der Schlickin überhaupt passiert?«, lenkte ich von unserem eigentlichen Anliegen ab. Vielleicht kamen wir über Umwege doch noch ins Geschäft.

»Ein halbes Vordach ist ihr letzten Mittwoch auf den Kopf g’fallen. Heut ist die Leich aus der Gerichtsmedizin ’kommen, und morgen ist die Beerdigung.«

Von dem Vordach wusste ich bereits, von der Obduktion nicht.

»Gerichtsmedizin?«, wiederholte ich ungläubig.

»Da hat sich bloß ein Polizist wichtig machen wollen«, raunzte der Pfarrer. Mit einer einladenden Handbewegung deutete er Max und mir endlich an, dass wir uns auf die Hausbank an der Längsseite des Gartentisches setzen sollten. »Saudumm muss es zugegangen sein, dass sie g’storben ist. Aber es war halt ein Unglück, wie schon so viele g’schehen sind. Und bei dem Verhau auf dem Schlicker Hof ist es kein Wunder, wenn jemand von einer Dachplatte erschlagen wird. Seit der alte Schlick tot ist, hat auf dem Hof keiner mehr was gerichtet, wahrscheinlich ist nicht einmal mehr anständig aufg’räumt worden. Eine Schand ist das.«

»Aber Sie haben doch g’sagt, dass es ein Unfall war«, warf Max ein. »Warum ist die Tote dann in die Gerichtsmedizin gekommen?

»Ich hab diese Obduktion für einen ausgemachten Schmarrn g’halten und tu es immer noch. Aber ein übergenauer Kriminalbeamter, so ein Tüpferlscheißer, hat offensichtlich darauf bestanden, dass die Leich von der alten Frau untersucht wird.« Der Pfarrer schaute jetzt freundlicher, das Schimpfen hatte ihm gutgetan. »Zum Zeitpunkt des Unfalls war jedenfalls niemand auf dem Hof. Der Sohn der Schlickin ist erst am Abend heimgekommen. Der war beim Wirt. Wer hätt die alte Frau denn umbringen sollen? Und warum?«

Kopfschüttelnd zog er an der dunklen Zigarre. Nach zwei vergeblichen Zügen setzte er sie ab und schaute enttäuscht drein. Sie war ausgegangen.

»Nun zu eurem Anliegen: Dem Kaspar hab ich ja früher schon einmal Nachhilfe in Latein gegeben. Das ist aber schon ein paar Jahr’ her.«

Ich nickte und dachte an eine schwierige Phase in der fünften Klasse zurück. Nur mit Hilfe unseres Dorfpfarrers, zu dem ich in den Schulferien kommen durfte, wurde ich in die sechste Klasse versetzt.

»Mir macht das Lehrerspielen sogar Spaß, wenn ich ehrlich bin.« Mit flinken Augen schaute er Max und mich abwechselnd an. »Also. – Morgen Vormittag ist die Beerdigung, anschließend der Leichenschmaus. Nach meinem Mittagsschlaf – also um drei Uhr – könnt ihr kommen. Passt das?«

Es handelte sich dabei um keine Frage, sondern um eine Feststellung. Ich nickte und erhob mich, denn das Gespräch war nun wirklich beendet. Max und ich verabschiedeten uns und verließen den Pfarrhof. Unsere Räder lehnten am Gartenzaun. Wir schoben sie den schmalen Gehweg bis zur Hauptstraße. Dort stiegen wir auf und fuhren schweigend nach Hause.

Seit den Weihnachtsferien war Max in der Schule immer schlechter geworden. Er war nie ein besonders guter Schüler gewesen, doch seit er Isabell kannte, hagelte es Fünfer und Sechser. In Latein und Griechisch stand er inzwischen auf einer glatten Fünf. Wenn kein Wunder geschah, musste er die Klasse wiederholen. Trotzdem strengte er sich kein bisschen an. Auch seine Eltern waren nicht in der Lage, ihn zu größerem Fleiß zu bewegen. Das gab immer nur Streit, wie mir seine Mutter einmal sagte.

Maxls Vater hatte mir hinter dem Rücken seines Sohnes zweihundert Mark Prämie in Aussicht gestellt, wenn sein Sprössling die Klasse wider Erwarten doch noch schaffen sollte. Die gemeinsamen Pfingstferien bei mir zu Hause auf dem abgeschiedenen Einödhof hielt Herr Stockmeier für die letzte Chance, denn in Wolfratshausen beim Bräu hatte mein Freund zu viel Ablenkung.

Doch auch die ländliche Idylle auf unserem Hof schien nicht den gewünschten Erfolg zu bringen. Max saß oft stundenlang über seinen Büchern, ohne zu klagen. Wenn man ihn jedoch anschließend den Stoff abfragte, den er hätte lernen sollen, hatte er davon keine Ahnung. Er träumte vor sich hin, ganz gleich ob er in ein Latein- oder ein Griechischbuch schaute.

Wenn ich nicht im Zimmer war, um ihn zu überwachen, sah er aus dem Fenster, und jeden Abend schrieb er einen Brief an seine Isabell.

»Wie viel muss ich lernen, dass der Pfarrer uns weiterhin gewogen bleibt?«, fragte Max und riss mich damit aus meinen Überlegungen.

»Wie meinst du das?«

Wir waren gerade daheim angekommen. Ich stieg vom Rad und schob es in die Garage. Max folgte mir und redete unbekümmert weiter.

»Dass ich die Klasse nicht mehr schaffen kann, steht doch fest. Aber der Pfarrer weiß sicher noch eine ganze Menge Details über die Schlickin und die näheren Umständ’ ihres seltsamen Todes. Bei den Nachhilfestunden können wir ihn ganz nebenbei nach den Einzelheiten fragen. Das ist doch viel spannender als Latein und Griechisch.« Ich muss ihn fragend angeschaut haben, denn er fuhr schnell fort: »Ich hätt es dir schon früher sagen sollen, es hat sich aber bis jetzt keine Gelegenheit dazu ergeben.«

Er wurde sehr ernst und sah betroffen zu Boden. Was nun kam, fiel ihm nicht leicht.

»Ich werd die Klasse nicht schaffen, Kaspar, und das weißt du genauso gut wie ich.« Jetzt schaute er mir für einen kurzen Moment in die Augen. »Und wenn ich ehrlich bin, will ich das auch gar nicht. Ich will nach dem Schuljahr raus aus dem Internat und eine Lehre als Bierbrauer machen. In ein paar Jahren verdien ich genug Geld und heirat die Isabell. Dann können sich meine Eltern auf den Kopf stellen mit ihrem ewigen ›Sei doch vernünftig‹ und ›Zuerst musst du aber an deine Ausbildung denken‹. Sollen sie mich halt enterben, wenn ihnen was nicht passt. Mir ist das wurscht.«

Ich war entsetzt. War es möglich, dass mein Freund die schlechten Noten mit Absicht geschrieben hatte?

»Und ich? Was soll mit mir werden?«, brach es aus mir heraus.

»Aber Kaspar«, versuchte Max mich zu beruhigen. »Wir bleiben doch Freunde, auch wenn ich nicht mehr in unserem Internat bin. Bloß dass wir uns nicht mehr so oft sehen.«

»Darauf kann ich scheißen!«

Das konnte er doch nicht machen. Max war mein bester Freund, wahrscheinlich sogar mein einziger. Mit ihm verbrachte ich im Internat die meiste Zeit und saß sowohl in der Schule als auch im Studiersaal neben ihm. Im Schlafsaal hatten wir die Betten nebeneinander. Ich konnte nicht glauben, dass er in wenigen Wochen aus meinem Leben verschwunden sein sollte.

Und daran war nur Isabell schuld, diese Ziege. Vom ersten Augenblick an hatte ich gewusst, dass sie nicht gut war für Max. Und jetzt hatte sie ihn ganz auf ihre Seite gezogen.

Nachdem wir die Räder ohne ein weiteres Wort aufgeräumt hatten, gingen wir in die Küche, und Max aß ein paar Rohrnudeln, die vom Mittagessen übrig geblieben waren. Ich hatte keinen Appetit und las den Sportteil in der Zeitung. Die Löwen hatten das letzte Saisonspiel gegen Braunschweig verloren. Bei denen lief es momentan auch nicht gut.

Anschließend ging Max in mein Zimmer, wo auch sein Bett stand. Er wollte einen Brief an Isabell schreiben. Treffen konnte er sie in den Pfingstferien nicht, weil sie zu einer Tante nach Bonn gefahren war.

Er erwartete seit Tagen Nachricht von ihr und fragte oft, ob der Postbote schon da gewesen wäre. Max hatte ihr meine Adresse gegeben und befürchtete, dass sie diese zu Hause vergessen haben könnte. Doch auch in dem Fall musste langsam Antwort von ihr kommen, denn sicher hatte sie sein erster Brief schon erreicht.

Während der letzten Monate im Beusl hatte ihm Isabell jede Woche mindestens einen Brief geschrieben. Diese Funkstille seit Anfang der Pfingstferien wunderte meinen Freund, und er beklagte sich darüber täglich bei mir. Als Ersatz las er immer wieder die alten Briefe seiner Liebsten, die er in einem verschließbaren Kästchen unter seinem Bett aufbewahrte. Den Schlüssel dazu trug er an einem Kettchen um den Hals.

KapitelII

Die Beerdigung der Schlickin

Mein Vater hatte beschlossen, dass auch Max und ich zur Beerdigung der alten Schlickin gehen sollten. Man hatte die Frau gekannt, und es gehörte sich, ihr die letzte Ehre zu erweisen.

Ich zog meinen dunklen Sonntagsanzug an, und mein Vater band mir seine alte schwarze Krawatte um. Max bekam einen Anzug von meinem älteren Bruder Hans, der ihm natürlich zu klein war, denn Max war über einen Meter neunzig groß und überragte meinen Bruder um Haupteslänge.

Mein Freund war heute sehr ruhig und abwartend. Er hatte sich nicht einmal beschwert, dass er in die Kirche gehen musste. Irgendetwas arbeitete in ihm, das war zu spüren. Ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, ihn auszuhorchen, aber seine gedämpfte Stimmung kam entweder davon, dass Isabell immer noch nicht geschrieben hatte, oder von seinem Interesse an der toten Schlickin. Mit der Schule hatte er ja bereits abgeschlossen, daran konnte es nicht liegen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!