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Torben Wächtermann hält sich für einen liebevollen Ehemann und Vater. Bis zu jenem verhängnisvollen Morgen, als er nach einem ganz banalen Streit mit seiner Frau beschließt, ein wirklich bösartiger Mensch zu werden. Zu allem Überfluss erfährt er kurz darauf, dass im Kindergarten gegen seine Zwillingssöhne eine Verschwörung im Gange ist. Klar, das Torben sie nicht im Stich lassen kann. Doch es kommt noch schlimmer...
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Dies ist die Geschichte von Torben Wächtermann, der sich ganz spontan dazu entschlossen hatte, ein richtig bösartiger Mensch zu werden. Der Auslöser für sein zugegebenermaßen nicht ganz einfaches Vorhaben, war ein ganz banaler Streit mit seiner Frau. Doch bevor ich Ihnen von diesem schicksalhaften Streit erzähle, müssen Sie noch wissen, dass Torben bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich ein sehr ruhiger und besonnener Mensch war. Ein Mann, der sich liebevoll um seine Familie kümmerte und stets freundlich zu seinen Mitmenschen war.
Beruflich arbeitete er als Nachtwächter in einem Naturkundemuseum und bewachte dort Dinge, die für ihn selbst mehr oder weniger wertlos waren. Morgens in der früh, wenn er geschafft von seiner anspruchsvollen Arbeit nach Hause kam, war er natürlich müde.
Während er sich schlafen legte, stand seine Frau auf und kümmerte sich dann um ihre 6-jährigen Zwillinge. Namentlich Danny und Sammy. Es waren zwei zuckersüße Buben, die so ganz anders waren als ihr Vater. Wahre Rabauken eben und wie seine Frau neulich erwähnte, auch ganz offensichtlich der Alptraum des Kindergartens, in dem sie gingen.
In dem Mietshaus, in dem Torben mit seiner Familie in einer bescheidenen 4 Zimmerwohnung vor sich hin lebte, hatten die Zwillinge einen geradezu legendären Ruf. Denn in der Nachbarschaft wurden die Kinder nur noch ehrfurchtsvoll Rammy & Dammy genannt, was schon einiges über die beiden aussagte.
Ehrlich, Torben war wirklich stolz auf seine beiden Racker.
Doch kommen wir nun wieder zurück zu dem verhängnisvollen Morgen, an dem Torben mit seiner Frau diesen unerfreulichen Streit hatte. Normalerweise konnte Torben, wenn er es dann bis in sein Bett geschafft hatte, ungestört bis 14:00 Uhr vor sich hin träumen. Wie gesagt, normalerweise. Doch an diesem Tag, er war grade in seine Tiefschlafphase eingetreten, wurde er von einem lauten und ziemlich hässlichen Gekreische geweckt.
Für Torben hörte es sich an, als versuchte jemand mit einer Kreissäge einen Stahlträger durchzusägen. Entsetzt sprang er aus den Federn und stürzte in den Flur hinaus. Dort hätte er beinahe seine Kinder über den Haufen gerannt, die schlaftrunken und geweckt durch den Lärm, aus ihrem Zimmer heraus getaumelt kamen.
Danny deutete auf die geschlossene Badezimmertüre und fragte gähnend: „Sind das die Handwerker, die uns das neue Bad einbauen wollen, Papa?“
Torben schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, ich glaube das ist nur Mama.“
Dann eilte er betont langsam zum Badezimmer und riss vorsichtig die Türe auf. Was er dann darin erblickte, war aber einfach nur urkomisch für ihn. Seiner Kehle entsprang deshalb ungewollt ein trockenes Gelächter, doch war dies leider ein Fehler, wie sich später noch heraus stellen sollte.
Seine Frau hing wie Gott sie geschaffen hatte über der Badewanne. Mit ihren Händen und Füssen krallte sie sich am Badewannenrand fest und stemmte dabei krampfhaft ihren mit den Jahren etwas auseinander gegangenen Körper in die Höhe.
Angesichts des Gelächters ihres Mannes begann sie nun erneut mit einem mörderischen Geschrei und fauchte wütend: „Das wirst du mir noch bereuen, du Schuft!“
Torben zuckte entsetzt zusammen und hätte am liebsten die Türe wieder zugeknallt, doch die Zwillinge hatten sich inzwischen an ihm vorbei gezwängt.
Sammy kreischte laut, um seine Mutter zu übertönen: „Was machst du da, Mama?“
Mama verstummte und sah mit aufgerissenen Augen auf etwas, das sich direkt unter ihr in der Wanne befinden musste. Neugierig gingen Torben und die Zwillinge in die Hocke und blickten in die Wanne hinein.
„Da ist ja unser Spinny!“, rief Danny freudig und Sammy fügte schimpfend hinzu: „Böser Spinny. Du solltest doch in Mamas Nähkasten sitzen bleiben!“
Und in der Tat. Auf dem Wannenboden hockte eine unglaublich fette Spinne, deren Körper ohne Beine mindestens so groß war, wie eine ausgewachsene 2€–Münze. Wenn nicht sogar noch etwas größer.
„Das ist eure Spinne?“, fragte Torben fasziniert seine Kinder, doch bevor diese ihm darauf antworten konnten, brüllte seine Frau: „Du holst jetzt sofort den Staubsauger, Torben Wächtermann und saugst mir dieses grässliche Ungeheuer aus meiner Wanne heraus!“
„Unsere Wanne, Schatz. Es ist unsere Wanne.“, verbesserte Torben seine Frau.
Sammy brüllte jetzt: „Das wirst du unserem Spinny doch nicht antun wollen, Papa!“
Mama kreischte zornig: „Doch das wird er!“
Danny begann zu weinen und schniefte: „Wenn du ihn mit dem Saugstauber aufsaugst wird Spinny bestimmt husten müssen und dann qualvoll im Staub ersticken!“
Sammy stimmte jetzt mit in das Heulkonzert ein und jaulte dabei wie ein junger Hund vor sich hin.
Entschlossen stand Torben wieder auf und sagte: „Nein, Kinder, das macht Papa bestimmt nicht. Ich werde eure Spinne retten, bevor Mama noch in die Wanne hinein fällt und das arme Tierchen mit ihrem Bauch noch platt macht!“
Kaum hatte Torben diese Worte ausgesprochen, erkannte er gleich zwei Dinge auf einmal. Und das war schon viel für einen Mann, der eigentlich todmüde war.
Zum einen würde seine Frau ihn verlassen und mit den Kindern sitzen lassen und zum anderen sollte er recht damit haben, wie er schon eine Sekunde später erfuhr. Denn seine Frau verdrehte jetzt ihre Augen und fauchte rasend vor Wut: „Ok, das war‘s. Sobald diese Spinne weg ist, bin ich auch weg. Ich werde dich verlassen, du boshaftes Miststück!“
Ungläubig schnappte Torben nach Luft.
„Ich soll boshaft sein? Ausgerechnet ich, der liebste und treuherzigste Ehemann der Welt?“, fragte er fassungslos.
Bevor seine Frau, namentlich Mareike, ihm darauf antworten konnte, fragte Danny: „Was ist ein Miststück, Mama?“
Jetzt war es Mama, die nach Luft schnappte und Sammy flüsterte leise, aber laut genug für alle: „Das ist Pferdescheiße, du dummer Danny-Mann.“
Danny holte tief Luft und sagte dann in einer fast perfekten Arnold Schwarzenegger–Imitation: „Das war ein mächtig großer Fehler von dir!“
Mit diesen Worten stürzte er sich wütend auf seinen Bruder. Der Tumult, der dabei in dem nicht gerade großen Badezimmer entstand, war unerträglich für Torben‘s empfindsame Ohren.
Er war müde und wollte eigentlich nur noch in sein Bett zurück. Zudem wurde die Luft durch das viele Luft schnappen langsam etwas knapp. Deshalb beschloss er völlig uneigennützig, das sich nun anbahnende Drama zu beenden.
Er schnappte sich die Spinne, die bis dahin völlig unbeeindruckt von dem Lärm bewegungslos in der Wanne gesessen hatte, warf sie in den durchsichtigen Plexiglas Zahnbecher seiner Frau (ehrlich, es war purer Zufall, dass er ausgerechnet ihren Becher erwischte) und hielt ihn fürsorglich mit seiner freien Hand zu.
Mit seiner Beute ging er dann zu der Toilette hinüber, hob den Deckel hoch und brüllte nur ein einziges Wort: „Ruhe!“
Plötzlich war es totenstill im Bad und Torben hatte augenblicklich die volle Aufmerksamkeit seiner Familie. Langsam senkte er den Zahnbecher über die Kloschüssel und seine Frau, die sich jetzt sichtlich erschöpft in die Wanne plumpsen ließ, zischte: „Mach es, jetzt sofort!“
Daraufhin stürzten sich seine Söhne auf ihren überraschten Vater und verkrallten heulend ihre Hände in seinen Beinen.
Sammy plärrte: „Spinny kann doch nicht schwimmen. Er wird ertrinken müssen. Das kannst du doch nicht machen, Papa!“
Damit hatte Sammy völlig recht. Torben konnte es tatsächlich nicht. Denn es gab nichts Schlimmeres für ihn, als seine Kinder zu enttäuschen. Und so übergab er seinen Jungs den Zahnbecher und sagte: „Bringt sie erst einmal in euer Zimmer und später sehen wir dann weiter.“
Nachdem die Zwillinge das Bad verlassen hatten, verließ ihn seine Frau mit den Worten: „Ich gehe zurück zu meiner Mutter und zwar ohne die Kinder. Mit so einem boshaften Menschen wie du einer bist, kann und will ich nicht mehr zusammen leben!“
„Ich soll bösartig sein?“, wiederholte Torben nunmehr schon zum zweiten Mal an diesem Morgen seine Frage, „Wie kommst du nur darauf? Ich bin doch ein liebevoller Mensch und…“
Mareike unterbrach ihn grob und schnaubte: „Du hast mich ausgelacht und mich grade vor den Kindern bloß gestellt. Schon vergessen?“
„Aber du warst doch schon völlig nackt!“, versuchte Torben sie zu beschwichtigen, doch statt einer Antwort verpasste ihm seine Frau eine schallende Ohrfeige.
Torben verstand die Welt nicht mehr.
Und so kam es, dass Torben sich aus lauter Trotz vornahm, wirklich boshaft zu werden. Er würde von nun an seine Mitmenschen, (natürlich nur die, die er nicht leiden konnte), mit seiner Boshaftigkeit in den Wahnsinn treiben.
Torben konnte nicht ahnen, dass er noch am selben Tag im Treppenhaus auf sein erstes Opfer treffen sollte.
Nachdem Mareike ihren kleinen Reisekoffer gepackt hatte, blieb sie noch etwas zögerlich vor der Wohnungstür stehen und drehte sich dann bedächtig langsam zu ihrer abwartenden Familie herum.
Torben hielt sichtlich entsetzt die Luft an, als seine Frau ihren Mund öffnete. Konnte es denn wirklich sein, dass sie ihren Entschluss schon wieder bereute?
Zum Glück kniff sie aber gleich wieder entschlossen ihre spröden Lippen zusammen und öffnete die Tür.
Erleichtert atmete Torben wieder aus und Sammy wollte von ihm wissen: „Wohin geht Mama jetzt?“
„Zu Oma.“, antwortete ihm sein Vater etwas gedehnt und verdrehte dabei mitleidig seine Augen.
„Freiwillig?“, fragte Danny jetzt ungläubig.
Bevor Torben ihm darauf antworten konnte, brüllte seine Noch Ehe–Frau aufgebracht: „Du hast meine Mutter schon immer gehasst. Schon von Anfang an. Und jetzt schreckst du noch nicht einmal davor zurück, unsere Kinder gegen sie aufzuhetzen, du scheinheiliger, hinterhältiger…“
Sammy unterbrach den Redefluss seiner Mutter und fragte neugierig: „Was ist ein Scheinheiliger?“
Sein Bruder hatte zum Glück eine passende Antwort darauf.
„Das ist doch einer von den drei heiligen Königen aus der Jesusgeschichte, die uns die Knittertante im Kindergarten vorgelesen hat. Hast du das etwa schon wieder vergessen?“
Sammy schlug sich daraufhin mit der flachen Hand vor seine Stirn und sagte wissend: „Ach, stimmt ja. – Und sie kamen damals aus dem Hinterhalt angeschlichen, um dem kleinen Jesusbuben Geschenke zu bringen. Einen Nintendo, Lego und was war das Dritte noch gleich, Papa?“
Torben hielt gebannt die Luft an, denn während sein Sohn schonungslose Wahrheiten verbreitete, sah er, wie sich Mareikes Gesicht gefährlich verfärbte. Unweigerlich musste er dabei an das lustige Farbenspiel einer defekten Ampel denken, die neben ihren Standard-Farben jetzt auch noch ein interessantes Giftgrün und ein mörderisches Dunkelrot anzeigen konnte.
Bei Dunkelrot explodierte seine Frau förmlich und schrie hysterisch: „Da hast du den Beweis. Du verdrehst alles, verbreitest Lügen und hetzt die Kinder gegen meine Mutter auf!“
„Du bist gemein zu Papa. Der hat doch gar nichts gesagt!“, plärrte Danny los.
„Ja, das stimmt aber jetzt.“, pflichtete Torben ihm gerührt bei und streichelte ihm liebevoll über seinen Kopf.
Krachend fiel die Wohnungstür hinter Mareike ins Schloss.
Auch Sammy begann jetzt zu weinen und sein Vater sagte tröstend: „Keine Sorge, Mama kommt wieder. Schneller als uns vielleicht lieb sein kann. Ihr kennt doch Oma!“
Während Torben so versuchte, seine Buben über den Verlust ihrer Mutter hinweg zu trösten und sie dabei in seinen Armen hielt, spürte er, wie ihm bei dem Gedanken an seiner Schwiegermutter ein eisiger Schauer des Grauens über den Rücken lief.
Doch jetzt hatte Torben ganz andere Probleme. Die Kinder mussten in den Kindergarten und er dringend in sein Bett. Also zog er sich widerwillig wieder an und machte die Kinder fertig.
Grade als er die Wohnung verlassen wollten, traf ihm mit blankem Entsetzen die Erkenntnis, dass er überhaupt nicht wusste in welchen Kindergarten seine Söhne eigentlich gingen. Um solche Dinge hatte sich bisher nur seine Frau gekümmert.
Torben ging deshalb in die Hocke und fragte seine Kinder mit ernstem Gesicht: „Sagt mal, ihr beiden, wenn wir gleich im Auto sitzen, glaubt ihr, dass ihr mir genau den Weg zum Kindergarten beschreiben könnt?“
„Im Auto?“, fragte Danny sichtlich irritiert.
„Ja klar, wie hat euch Mama denn sonst immer dorthin gebracht?“
Sammy gab ihm zur Antwort: „Zu Fuß natürlich. Mensch Papa, der Kindergarten ist doch gleich hier um die Ecke!“
„Was, echt jetzt?“
Seine Söhne nickten nur stumm und Torben öffnete etwas verlegen die Wohnungstür. Dabei erkannte er schlagartig, dass mit seiner Ehe ganz offensichtlich schon länger etwas nicht gestimmt haben konnte. Warum sonst hatte Mareike ihm fast drei Jahre lang verschwiegen, in welchen Kindergarten sie ihre gemeinsamen Söhne brachte.
Völlig in Gedanken versunken, verschloss er die Wohnungstür von außen, als plötzlich hinter ihm Danny erschrocken flüsterte: „Oh, mein Gott. – Der Hausdrache…“
Torben fuhr herum und sah, dass Danny leider recht hatte. Denn mitten auf der Treppe stand ihre rechte Türnachbarin, die schwer bewaffnet mit einem altertümlichen Wisch-Mopp in seine Richtung drohte.
„Guten Morgen, Frau Bürstig!“, entfuhr es Torben freundlich, weil ihm grade nichts Besseres einfallen mochte. Dabei grinste er sie breit an. Nicht weil er sie mochte, sondern weil ihr Mopp die gleiche Haarfrisur trug wie seine Nachbarin.
„Sparen sie sich Ihre Höflichkeiten für die Hausverwaltung auf, Wächtermann. Sie und ihre ungezogene Brut haben mir heute Morgen mit ihrem lauten Geschrei in ihrem Bad mal wieder den letzten Nerv geraubt. Und das wird Konsequenzen für Sie haben, mein Lieber. Verlassen Sie sich darauf!“
Sie holte tief Luft, doch bevor sie zu einem weiteren Wortschwall ansetzen konnte, sagte Torben, immer noch freundlich: „Tun Sie doch, was Sie nicht lassen können.“ Gleichzeitig drängte er sich mit den Kindern im Schlepptau an ihr vorbei. Dummerweise stieß Torben rein zufällig ihren Putzeimer um, so dass dieser scheppernd die Treppen herunter polterte. Dabei ergoss sich das dreckige Putzwasser über die eben von ihr gereinigten Stufen.
Er hörte, wie Sammy hinter ihm zu der völlig sprachlos erstarrten Frau Bürstig sagte: „Genau, tun Sie das!“
Und Danny fügte noch hinzu: „Und Ihre blöden Konsequenzen können Sie auch behalten. Die brauchen wir nämlich nicht. Papa verdient genug Geld!“
Torben musste grinsen und fast gleichzeitig wusste er, dass damit die Sache für ihn noch lange nicht erledigt war.
Niemand beleidigte seine Kinder ungestraft. Schon gar nicht diese alte, verbiesterte Kackbratze, wie Frau Bürstig eine war. Sie würde sein erstes Opfer auf seinem langen und schwierigen Weg zum Meister der Boshaftigkeit sein.
Mit dem tröstlichen Gedanken, dass jetzt eigentlich nichts Schlimmeres mehr passieren konnte, trat Torben mit seinen Kindern auf die Straße hinaus. Doch dort lauerte schon weiteres Unheil auf ihn.
Und zwar in der Form von Laura, der Frau seines lieben Arbeitskollegen Mario. Eigentlich eine liebe und nette Frau, wenn da nicht ihr mutmaßlicher, gemeinsamer Sohn Rufus gewesen wäre.
Dieser stand neben ihr und fletschte sofort seine mit Karies durchlöcherten Zähne, als er Torben mit seinen Söhnen entdeckte. Und noch ehe Torben mit Laura irgendeine Höflichkeit austauschen konnte, zeigten ihnen ihre Kinder schon, was sie voneinander hielten.
Mit einem unglaublichen Gebrüll stürzten sie sich aufeinander und waren binnen Sekunden nicht mehr als Kinder wieder zu erkennen. Sie sahen jetzt eher wie junge Kampfhunde aus, die sich um irgendeinen alten Knochen stritten.
Sie wälzten sich erst auf dem Bürgersteig herum und verschwanden dann, bis zur Unkenntlichkeit ineinander verkeilt, in einem großen Gebüsch, das zusammen mit einigem anderen unnützen hässlichen Grünzeug, den Zugang zu ihrem Mietshaus säumte.
„Unternimm doch endlich was, Torben!“, fauchte Laura ihn unfreundlich an.
Doch Torben sah sie nur befremdet an und sagte dann gelassen: „Warum ich? Es war doch dein Brutus, der sich auf meine harmlosen Buben gestürzt hat. Jetzt muss dein Junge eben sehen, wie er mit ihnen fertig wird.“
„Rufus, Torben. Mein Sohn heißt Rufus und nicht Brutus. Das müsstest du als sein Taufpate doch eigentlich wissen!“
Torben wusste es und insgeheim bereute er seinen damaligen Entschluss. Doch damals war Rufus, der übrigens am gleichen Tag geboren worden war, wie seine Sprösslinge, ein herzallerliebstes Baby. Wie hätte er denn ahnen können, dass daraus mal ein völlig irrer und unberechenbarer Kampfjunge werden würde.
Er schüttelte sich und sagte dann, ohne dass er es eigentlich wollte: „Hör zu Laura, ich habe bis jetzt schon einen ziemlich beschissenen Morgen hinter mir und bin wirklich mehr als nur müde. Also pfeif deinen Brutus gefälligst selbst zurück. Und noch etwas. Deinen Bengel solltest du künftig besser an die Leine legen und einen Waffenschein für ihn beantragen!“
Mit diesen Worten ließ er Laura einfach stehen und ging zu dem Gebüsch hinüber, aus dem fremdartige und unheimliche Kampfgeräusche zu hören waren und rief: „Rammy, Dammy, kommt sofort zu Papa!“
Doch statt einer Reaktion, hörte Torben wie Danny schrie: „Du mieser, kleiner, hässlicher Zwerg. Ich werde dir dein dämliches Grinsen hier und jetzt für immer aus deinem dummen Gesicht wischen müssen!“
Laura stand inzwischen wieder neben Torben und kreischte in das gefährlich wackelnde Gebüsch hinein: „Rufus ist ein Riese und kein Zwerg!“
Damit hatte Laura zweifellos recht und grade, als Torben seinen Sohn auf diesen Irrtum hinweisen wollte, kam völlig überraschend für beide ein Gartenzwerg aus dem Grünzeug heraus geflogen und landete direkt vor ihren Füssen. Mit einem klirrenden Geräusch zersprang er in tausend Teile.
Torben musste daraufhin boshaft lachen, denn schließlich war es einer dieser wirklich widerlichen Gartenzwerge, die Frau Bürstig eigenmächtig und ohne seine Zustimmung zur Verschönerung ihrer Hausanlage in die beiden Grünstreifen links und rechts des Weges auf gestellt hatte.
Er fand es einfach nur gut, dass sich soeben einer dieser geschmacklosen Zwerge in die ewige Zwergen-Pause verabschiedet hatte. Und deshalb rief er: „Guter Junge, doch jetzt habt ihr genug gespielt. Also kommt endlich da raus!“
Nach einem weiteren kurzen Schlagabtausch, der sowohl mit unschönen Worten als auch mit ziemlich brutalen Geräuschen zwischen den Buben innerhalb des Gebüsches ausgetragen wurde, brach als erster Sammy aus dem Gestrüpp hervor.
Torben sah ihn erstaunt an, denn irgendwie hatte er ihn etwas anders in Erinnerung gehabt.
Sein schönes hellblaues T-Shirt hing jetzt völlig verdreckt und in Fetzen an ihm herunter. Seine Nase blutete und auch der Rest sah nicht grade lecker aus.
Laura schrie bei seinem Anblick tatsächlich entsetzt auf und Torben fragte sie beiläufig: „Wann hast du deinem Jungen eigentlich das letzte Mal seine Krallen geschnitten?“
Jetzt folgte Danny, der genauso aussah wie sein Bruder. Nun ja, es sind ja auch Zwillinge.
Von Rufus jedoch fehlte zunächst jede Spur.
„Rufus?“, schrie jetzt Laura ängstlich und fingerte dabei umständlich ihr Smartphone aus ihrer Tasche heraus.
„Willst du jetzt etwa einen Notarzt rufen?“, fragte Torben ungewollt spöttisch und musterte dabei seine eigenen Kinder.
Ihm wurde dabei klar, dass er sie so verdreckt nicht in den Kindergarten bringen konnte. Besonders ihr Schuhwerk sah übel aus. Deshalb sagte er jetzt zu ihnen: „Ich glaube, ihr beide lauft euch erst mal eure Schuhe im Treppenhaus etwas sauber. Dort gibt es ja jetzt Wasser!“
Fast synchron erstrahlte in den geschundenen Gesichtern der Zwillinge ein teuflisches Grinsen und Torben wusste sofort, dass beide seinen Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hatten.
Grölend verschwanden sie im Treppenhaus und er wandte sich wieder Laura zu, die immer noch versuchte, ihren Sohn aus dem Gebüsch heraus zu locken. Dabei hielt sie ihr Smartphone, das sich inzwischen im Fotobildmodus befand, dicht vor ihre Nase.
„Was wird denn das jetzt?“, erkundigte sich Torben argwöhnisch.
„Ein Beweisfoto. Ein Beweis dafür, was deine tollwütige Brut grade meinem armen Rufus angetan hat. Ich wünschte nur, die Erzieher im Kindergarten hätten das vor zwei Wochen auch gemacht. Dann müssten wir nicht bei dem Elternabend nächste Woche ewig über den Ausschluss deiner Plagen diskutieren!“
Torben glaubte sich verhört zu haben.
Zum einem hatte es innerhalb kürzester Zeit noch jemand gewagt, seine Kinder mit gleich zwei üblen Schimpfworten zu betiteln und zum anderen schien auch noch eine Verschwörung gegen seine beiden Engel im Gange zu sein. Ausgerechnet in dem Kindergarten, in dem sich seine Buben sicher fühlen sollten.
Er war fassungslos und zog nun seinerseits sein Smartphone aus der Tasche. Gleichzeitig erweiterte Torben gedanklich seine Opferliste. Darin wurde Laura ab sofort als Nr. 2 auf geführt.
Inzwischen hatte Torben sein Gerät auch in den Fotobildmodus geschaltet und ebenfalls auf das Gebüsch gerichtet, in dem sich zweifellos noch immer Rufus aufhielt.
Laura lockte: „Komm schon Rufi-Spatz. Mama macht dir auch Bananenbrei mit extra viel Zucker drin!“
Torben war entsetzt, erklärte das doch einiges. Wenigstens die schlechten Zähne und das enorme Übergewicht von Rufus hatten jetzt ein Alibi. Irgendwie tat ihm der Junge plötzlich etwas leid und da er immer müder wurde, beschloss er jetzt die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Er rief deshalb: „Rufus, ich bin’s, der Torben. Dein lieber Patenonkel. Erinnerst du dich noch an mich?