Der Schrebergarten - Moritz W. Haus - E-Book

Der Schrebergarten E-Book

Moritz W. Haus

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Beschreibung

Der unheimliche Kühlschrank: An einem heißen Wochenende erleben Jack und David, das ein eigentlich harmloser Kühlschrank auch für Angst und Schrecken sorgen kann… Tor des Schreckens: Nele, Jasper und Julian machen während einer Strafarbeit im Keller ihrer Schule eine unheimliche Entdeckung… Der Schrebergarten: Ein Schrebergarten ist eigentlich ein Ort der Erholung und Entspannung. Niemand würde vermuten, dass sich dort auch düstere Geheimnisse verbergen oder Gruselige Dinge passieren könnten. Doch der 12 jährige Swen und seine gleichaltrigen Freunde Lilly, Nico und Sina werden eines besseren belehrt…

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Der unheimliche Kühlschrank

 

Jack trat grade aus der Dusche heraus, als es für ihn völlig unverhofft an der Haustür klingelte. Es war Samstagmorgen und grade mal 8:00 Uhr durch. Wer konnte das nur sein?

Sein Freund David sicher nicht. Der lag sicher noch faul in seinen Federn und wollte ohnehin erst gegen Mittag zu ihm kommen.

Er selbst wäre am liebsten auch noch länger in seinem Bett liegen geblieben, doch die drückende Hitze, die seit Wochen über der Neuhofer Siedlung hing und ein Schwarm blutrünstiger Mücken hatten ihn daran gehindert.

Die Mücken, die immer wieder mit einem schrill pfeifenden Ton seine Ohren angeflogen hatten, hatte er nicht vertreiben können und so war er schließlich zornig aufgestanden.

Zu gerne hätte er mit seinem Baseballschläger jagt auf diese blutsaugenden Plagegeister gemacht, doch waren die Mücken scheinbar spurlos verschwunden. Jack wusste nur zu gut, dass dem nicht so war. Irgendwo würden die kleinen Biester noch auf ihn lauern, versteckt hinter einem Buch, unter dem Bett oder sonst wo in seinem Zimmer. Sie würden dort auf die nächste Nacht warten und ihn dann aufs Neue in den Wahnsinn treiben.

Jack hatte sich ernsthaft vorgenommen noch vor dem Abend etwas gegen diese unerwünschten Eindringlinge zu unternehmen.

Inzwischen hatte er sich abgetrocknet als es zum zweiten Mal an der Haustür klingelte. Diesmal etwas länger und ungeduldiger.

Jack schlüpfte rasch in eine frische Boxershort hinein und öffnete dann das Badezimmerfenster. Doch ein Fliegengitter hinderte ihn daran, direkt hinunter zur Haustüre zu blicken. Deshalb rief er etwas mürrisch: „Wer ist denn da?“

„Spedition Snowman. – Wir liefern den neuen Cooler!“, dröhnte eine laute und ziemlich unfreundliche Männerstimme zu ihm hinauf.

Jack war verwirrt, angesichts dieser unerwarteten Situation. Seine Mutter hatte ihm nichts von einer Lieferung gesagt und schon gar nichts von einem Cooler. Deshalb rief er etwas unsicher: „Cooler was?“

„Na euer neuer Kühlschrank, Junge. Wo sind denn deine Eltern?“, raunzte der Spediteur, den er immer noch nicht sehen konnte, ungehalten zu ihm hinauf.

„Aber unser Kühlschrank ist doch gar nicht kaputt!“, entfuhr es Jack etwas misstrauisch.

Seine Mutter hätte ihn bestimmt darüber informiert, wenn heute irgendetwas geliefert werden sollte. Das tat sie für gewöhnlich immer.

Um Zeit zu gewinnen rief er: „Ich muss mich erst anziehen. Augenblick bitte!“

Schnell sprang er in seine Anziehsachen hinein und spurtete dann in sein Zimmer. Dort nahm er sein Smartphone und wählte die Nummer seiner Mutter. Er wollte einfach nur sicher sein, das sie tatsächlich einen neuen Kühlschrank bestellt hatte. Schließlich funktionierte der alte noch tadellos und war zudem noch keine zwei Jahre alt.

Angespannt lauschte er auf das Freizeichen, was nur zwei Mal ertönte, bevor sich die Sprachbox meldete: „Leider bin ich im…“

„Verdammt!“, schnaubte Jack aufgebracht und warf das Smartphone achtlos auf sein Bett.

Seine Mutter fuhr bestimmt grade über die Autobahn Richtung Berlin, wo sie zu einer Beerdigung einer entfernten Verwandten wollte.

Jack war froh darüber gewesen, das er zuhause bleiben durfte. Wenn auch nur unter der Bedingung, dass sein Freund bei ihm in der kommenden Nacht schlief. Obwohl Jack schon 13 Jahre alt war, wollte sie ihn nicht alleine in dem Haus zurück lassen.

Erneut schrillte die Türklingel, zu der sich jetzt noch zusätzlich ein lautes, ungeduldiges klopfen gesellte. Dazu dröhnte die irgendwie hohl klingende Stimme des Spediteurs: „Verdammt Junge, mach endlich die Tür auf und unterschreibe mir den Lieferschein!“

Unschlüssig stand Jack für einen Augenblick einfach nur da und lauschte in seinen Gedanken der mahnenden Stimme seiner Mutter, die sagte: „Und öffne niemals einem fremden die Türe wenn ich nicht zuhause bin!“

Schließlich gab er sich einen Ruck und lief in dem Flur hinaus zur Treppe und sah angespannt zu der Haustür hinunter. Durch das weißliche Milchglas, durch das für gewöhnlich um diese Uhrzeit das Sonnenlicht hinein strahlte, konnte er aber nichts erkennen. Aber ganz eindeutig stand etwas sehr großes direkt vor der Tür und blockierte so die Sonnenstrahlen.

„Wie lange muss ich den noch hier draußen auf dich warten, du ungezogener Bengel. Du bist schließlich nicht der einzige böse Junge den ich heute noch beliefern muss!“, dröhnte jetzt erneut die unbekannte Männerstimme von draußen, die jetzt nicht nur ungeduldig sondern auch irgendwie drohend und bösartig auf Jack wirkte.

Trotz der brütenden Hitze, die im inneren des Hauses herrschte, lief ihm jetzt ein eisiger Schauer des Entsetzens über den Rücken.

Wer auch immer dort draußen vor der Tür stand konnte kein normaler Spediteur sein und deshalb schrie Jack panisch: „Nein! – Verschwinden Sie oder ich rufe die Polizei!“

Für einen kurzen Augenblick herrschte totenstille, bevor die Männerstimme draußen garstig lachend drohte: „Ich weiß, was du im letzten Winter getan hast, Jack. Und deshalb rate ich dir jetzt dringend meine Lieferung anzunehmen, sonst breche ich die Türe auf!“

„Letzten Winter?“, stammelte Jack fast flüsternd vor sich hin, doch der Fremde vor der Tür schien ihn gehört zu haben. Denn dieser raunte frostig: „Oh ja, letzten Winter. Erinnerst du dich nicht mehr daran? Daran wie du und dein Freund den Spaten aus dem Schuppen geholt habt und...“

An dieser Stelle wurde der Fremde durch ein lautes, drohendes Bellen unterbrochen. Ganz offensichtlich ging grade sein Nachbar mit seinem Hund Brutus an ihrem Haus vorbei.

Insgeheim hasste Jack diesen Monsterhund, der eine Mischung aus einer Doge und irgendwas war und zudem die gefühlte Größe eines ausgewachsenen Esels besaß. Doch in diesem Augenblick liebte er dieses Monstrum. Denn der Fremde schob hastig einen großen Zettel unter der Tür hindurch und verschwand dann mit den Worten: „Wir werden uns wiedersehen, mein kleiner. Oh ja, das werden wir!“

Draußen geriet Brutus inzwischen scheinbar in Rage, denn sein Nachbar konnte das Tier kaum noch unter seiner Kontrolle halten. Laut schreiend versuchte er seinen Hund zu beruhigen, was ihm schließlich auch scheinbar gelang.

Für einen Augenblick herrschte absolute Stille, bevor Jack Schritte hörte, die sich hastig der Haustür näherten. Entsetzt wich er zurück, als es erneut klingelte.

Fast gleichzeitig polterte die Stimme seines Nachbars aufgebracht: „Hallo? Ist hier jemand zuhause?“

Erleichtert atmete Jack aus. Zwar konnte er seinen Nachbarn ebenso wenig leiden wie dessen Hund, doch diesmal sah er darüber hinweg. Er eilte zur Haustür, riss sie ohne zu zögern auf und schrie: „Ja, Herr Glaser, ich bin da. Was...“

Weiter kam Jack nicht mehr, denn der riesige Karton, der direkt vor der Eingangstüre stand, verschlug ihm buchstäblich die Sprache. Es war nicht nur die Größe, die ihn überraschte, sondern auch seine Farbe.

Der Karton war weiß. Schneeweiß.

„Was zum Teufel ist das nur für ein Ding!“, schnappte er schließlich verdattert.

Hinter dem Karton meldete sich Glaser zu Wort und rief: „Das wollte ich dich auch grade fragen. Dieses Ding vor eurer Tür hat erst meinen Hund rasend gemacht und jetzt steht er nur noch zitternd mit eingeklemmten Schwanz auf dem Bürgersteig herum und winselt vor Angst!“

Tatsächlich hörte Jack den Hund erst jetzt erbärmlich vor sich hin winseln und weil er nicht so recht wusste, was er sagen sollte, schwieg er nur.

„Jack?“, rief Glaser, der jetzt versuchte den Karton beiseite zu schieben. Doch sein erster Versuch misslang. Fluchend rief er deshalb: „Man Jack, helf mir doch mal!“

Erst jetzt kam Bewegung in den Jungen, der sich nun mit aller Kraft gegen den Karton stemmte. Gemeinsam schufen sie so einen kleinen Spalt, durch den Jack jetzt hinaus trat.

Sein erster Blick fiel auf die Straße hinunter, wo Brutus tatsächlich völlig verängstigt mit eingeklemmten Schwanz immer noch vor sich hin winselnd auf dem Bürgersteig stand und jetzt, ohne dabei ein Bein zu heben, zu pinkeln begann.

Jack wandte er sich dann seinem Nachbarn Glaser zu, der ihn schnaufend durch seine dicken Brillengläser anstarrte. Schließlich sagte er: „Mein Gott Jack, man könnte meinen du hättest ein Gespenst gesehen. Du bist ja fast so weiß wie dieser Karton hier. Und wo wir schon mal dabei sind, was zum Henker ist da eigentlich drin?“

„Ein Kühlschrank. Jedenfalls sagte mir das der Spediteur.“, flüsterte Jack leise.

„Spediteur? Was für einen Spediteur meinst du denn?“, wollte Glaser von ihm wissen.

„Na der, der grade eben noch vor unserer Tür gestanden hat. Sie müssen ihn doch gesehen haben. Oder wenigstens seinen Lieferwagen!“, entfuhr es Jack etwas ungehalten.

„Glaub mir Junge, hier war kein Mensch. Und einen Lieferwagen habe ich auch nicht gesehen. Außerdem, dieses Ding dort in dem Karton, von dem du behauptest, dass es ein Kühlschrank ist, kann kein Mensch alleine die Treppen hier hinauf getragen haben. Dazu braucht man mit Sicherheit zwei starke Männer. Aber ich habe hier noch nicht einmal einen starken Mann gesehen.“

„Glauben sie mir doch. Als Ihr Hund durchgedreht ist, hat der Spediteur noch mit mir gesprochen und mir einen Lieferschein unter die Tür durchgeschoben. Sie müssen ihn doch gesehen haben!“

Glaser kratzte sich nachdenklich an seinem fast kahlen Kopf und wiederholte dann: „Nein, kein Spediteur und kein Lieferwagen. – Vieleicht hast du dir das nur eingebildet. Nun ja, bei dieser Hitze kann man schon mal durchdrehen. Du solltest mehr trinken, Junge.“

Jack kochte innerlich vor Wut, weil ihn sein Nachbar nicht glauben wollte. Deshalb schrie er wütend: „Und Sie sollten ihren Monsterkalb von Hund auch etwas zum saufen geben. Der pisst und kackt sich nämlich grade vor Angst seine Seele aus dem Leib!“

Glaser schnappte nach Luft. Doch bevor dieser ihn Antworten konnte, hatte sich Jack durch den schmalen Spalt zurück ins Haus gezwängt und wütend die Türe hinter sich zugeknallt.

Eigentlich wollte er gleich wieder in sein Zimmer hinauf gehen, um nochmal seine Mutter anzurufen, doch da fiel sein Blick auf den Zettel, der direkt vor seinen Füssen lag.

„Der Lieferschein.“, flüsterte Jack und hob ihn auf. Er schien aus nur ein einzelnes, zusammen gefaltetes DIN A 4 Blatt zu bestehen, was für einen Lieferschein schon etwas Merkwürdig war. Wo war nur der Durchschlag?

Jack schüttelte seinen Kopf, holte tief Luft und faltete dann das Blatt auseinander. Schließlich konnte davon ja keine Gefahr ausgehen. Doch was er dann erblickte jagte ihn einmal mehr einen Schauer des Entsetzens über den Rücken.

Mit einem schwarzen Stift hatte jemand einen großen Schneemann darauf gemalt. Einen Schneemann, der nicht mehr komplett war. Denn dessen Kopf lag abgetrennt neben seinem restlichen Körper, der statt Armen aus Zweigen, zwei riesige und rostige Mistgabeln besaß.

Die aus Kohlen bestehenden Augen, die in dem Kopf steckten, schienen ihn dabei anklagend anzublicken.

Schlagartig fielen Jack jetzt die Worte des unheimlichen Spediteurs wieder ein. „Ich weiß was du im letzten Winter getan hast, Jack.“

„Aber das war doch nur ein harmloser Jungenstreich.“, flüsterte Jack entsetzt vor sich hin. Dann ließ er die unheimliche Zeichnung einfach fallen und stürmte zu seinem Zimmer hinauf.

Panisch griff er nach seinem Smartphone und wählte per Kurzwahltaste die Nummer seiner Mutter. Doch wie schon zuvor meldete sich nur ihre Sprachbox.

Jack fluchte leise vor sich hin und wählte dann Davids Nummer. Ihm war dabei jetzt völlig egal, ob sein Freund noch schlief oder nicht. Er hoffte nur, dass er sein Handy nicht ausgeschaltet hatte und wartete ungeduldig auf das Freizeichen.

Endlich, nach einer halben Ewigkeit, wie es Jack schien, meldete sich die verschlafende Stimme seines Freundes.

„Was soll das so früh, Jack?“

„Du musst sofort herkommen. Hier gehen seltsame Dinge vor sich. Gruselige Dinge...“

David, der mit seinen 14 Jahren ein Jahr älter war als Jack, unterbrach ihn und maulte: „Das ist doch nicht dein ernst, oder? Du rufst mich in aller Herrgottsfrühe an, nur um mir von deinen Albträumen zu erzählen?“

Jack schnappte nach Luft und schrie beinahe hysterisch: „Nein, kein Albtraum. Es ist noch viel schlimmer und du solltest mir besser erst einmal zuhören. Es betrifft dich nämlich auch!“

„Was betrifft mich?“, gähnte David ungehalten.

„Weißt du noch letzten Winter, als wir bei dem alten Nörgel-Karl über den Zaun geklettert sind und seinem hässlichen Schneemann in der Mache hatten?“

David lachte gehässig auf und rief: „Klar weiß ich das noch. – Das war doch echt cool. Ich meine, der Kerl hat es doch wirklich verdient, dass wir ihm mal einen Streich gespielt haben. Über alles und jeden zieht er her und denk doch nur mal an den ewigen Streit mit unserem Fußballverein. Das ist...“

Jack unterbrach seinen Freund und sagte ernst: „Ich glaube, Karl ist wirklich sauer auf uns. Und was noch viel schlimmer ist, er weiß, was wir beide im letzen Winter mit seinem Schneemann angestellt haben. Und jetzt will er sich dafür an uns rächen!“

„Wie kommst du nur darauf?“, erkundigte sich David am anderen Ende der Leitung etwas unsicher.

Jack holte tief Luft und fasste dann kurz zusammen, was er an diesem Morgen erlebt hatte. Er ließ dabei nichts aus und endete mit den Worten: „Am besten kommst du gleich her und schaust dir selbst einmal diesen unheimlichen Karton an!“

Für eine Weile herrschte absolute Stille in der Leitung und grade, als Jack glaubte, das sein Freund einfach wieder eingeschlafen war, sagte dieser: „Ok, gib mir noch zwei Stunden. Ich muss mich erst noch Duschen, Frühstücken und...“

„Verdammt David, du kommst sofort hierher. Duschen und Frühstücken kannst du auch noch bei mir!“, explodierte Jack aufgebracht.

„Schon gut mein Freund. Bin ja schon unterwegs.“, fauchte David sichtlich genervt und beendete dann ihr Gespräch.

 

 

David stand verärgert auf und zog sich missmutig an. Viel lieber hätte er sich einfach herumgedreht und weiter geschlafen. Doch was sein Freund ihm grade am Telefon erzählt hatte, war mehr als nur beunruhigend für ihn und vertrieb so schnell seine Müdigkeit. Trotzdem war er etwas sauer auf Jack, den er schon seit seiner Kindergartenzeit kannte.

Er schnappte sich seinen schon am Vorabend gepackten Rucksack und lief hinunter in die Küche.

David hasste nichts mehr, als ohne Frühstück aus dem Haus zu gehen und öffnete deshalb den Kühlschrank. Er schnappte sich eine Frikadelle, die noch vom Abendessen übrig geblieben war und wollte grade die Kühlschranktür wieder zu knallen, als ihm plötzlich aus dem nichts heraus eine eisige Kälte ansprang und zu Boden riss. Gleichzeitig spürte er, wie sich etwas Schweres auf seinem Brustkorb nieder ließ und ihn zu Boden drückte. Doch er konnte nicht sehen was es war.

Verzweifelt wand er sich wie ein auf dem Rücken liegender Käfer am Boden herum und versuchte das Unsichtbare Gewicht, was aus purer Kälte zu bestehen schien, wieder los zu werden. Doch er schaffte es nicht. Stattdessen spürte er, wie ihm das unbekannte Etwas langsam aber sicher die Luft aus seinen Lungen presste. Der Panik nahe trat er Blindlinks mit seinen Beinen um sich und traf dabei mit seinen Füßen den kleinen Geschirrwagen, auf dem noch nicht gespültes Geschirr vom letzten Abendessen stand. Der Wagen schwankte und stürzte schließlich scheppernd um.

Klirrend zerschellten etliche Gläser und Teller auf dem Küchenboden, wobei einige Scherben wie Geschosse über den Boden zischten.

David rang weiter nach Luft und grade als ihm schwarz vor Augen wurde, hörte er wie aus weiter Ferne die Stimme seiner Mutter.

„David Köhler, was um alles auf der Welt treibst du hier nur?“

Mit ihren Worten verschwand das unheimliche Gewicht von seinem Körper und mit ihm auch die mörderische Kälte, die sofort wieder durch die brütende Hitze ersetzt wurde, die schon seit Tagen über ihrer Siedlung hing.

Immer noch nach Luft ringend rappelte sich David wieder auf und sah sprachlos seine Mutter an.

Diese stand in einem langen weißen Nachthemd wie ein Geist in der Küche und starrte ihn zornig an.

Da David noch immer keine Worte fand, rief seine Mutter wütend: „Wenn das also deine Art ist sich vor dem spülen zu drücken, in dem du einen Unfall mit unseren Geschirrwagen simulierst, dann verzichte ich lieber auf deine Hilfe. – Du weißt genau, das eine neue Geschirrspülmaschine vorerst nicht drin ist und deshalb alle hier im Haus mit anpacken müssen!“

„Aber, aber Mama, ich...“, stammelte David los, doch seine Mutter winkte nur ab und schrie: „Verschwinde aus meiner Küche, du böser Lümmel. Sonst vergesse ich mich noch!“

David schluckte und zog es lieber vor, so schnell wie möglich das Haus zu verlassen. Zum einen, weil er noch immer über sein Eiskaltes Erlebnis geschockt war und zum anderen, weil seine Mutter ganz offensichtlich mehr als nur verärgert über ihn war. So hatte er sie noch nie erlebt. Hatte sie ihn grade wirklich als einen bösen Lümmel beschimpft?

Verwirrt trat er aus dem Haus und knallte wütend die Türe hinter sich zu.

Trotz der brütenden Hitze, die ihm empfing, ging es ihm sofort etwas besser. Er schulterte seinen Rucksack, lief den kurzen Kieswegs ihres Vorgartens entlang und trat dann durch das geöffnete Gartentor auf die steil abfallende Straße hinaus.

Ihr Haus war das letzte Gebäude an dieser Straße, die wie ein graues Band und schnurgrade vor ihm lag. Sie führte hinunter zum Zentrum ihrer Siedlung, am alten Bauernhof von Nörgel–Karl vorbei, an dem sich dann ihr Sportplatz anschloss und dann weiter, immer noch schnurgrade, auf der anderen Seite wieder steil den Berg hinauf, bis zu dem Haus seines Freundes, das ebenfalls das letzte Gebäude an ihr war.

Wenn man sich ihre Siedlung, die seit gut 20 Jahren existierte, auf einer Karte betrachtete, musste man unweigerlich an ein Spinnennetz denken. Denn neben seiner Straße, gab es noch fünf weitere Hauptstraßen, die das Zentrum kreuzten und alle samt mit Kreisähnlichen Querstraßen verbunden waren.

Kreisähnlich, weil sie im Grunde genommen einzeln für sich gesehen doch grade Abschnitte waren, die in den Hauptstraßen mündeten und dann jeweils auf der anderen Seite in einem schrägen Winkel weiter führten und so aus der Luft betrachtet tatsächlich aussahen wie ein gigantisches Spinnennetz.

David sah hinüber auf die andere Seite des kleinen, trichterförmigen Tals, konnte aber das Haus, in dem sein Freund wohnte, nicht erkennen. Die heiße Luft hing flirrend über der Talsenke und ließ deshalb keinen klaren Blick auf die andere Seite zu.

Grade als er sich in Bewegung setzen wollte, wurde die Haustür aufgerissen und seine Mutter rief: „Warte David!“

Trotzig drehte sich David zu ihr herum und schrie: „Was ist!“

„Kannst du für mich bitte diesen Brief in den Briefkasten werfen? Ich komme heute wohl nicht mehr in die Stadt hinunter. Irgendwie ist mir nicht gut.“

„Mir geht es auch nicht grade gut.“, raunzte David ungehalten, ging aber dann zurück zur Haustüre, wo seine Mutter sich mit dem Brief frische Luft zu fächelte.

Er nahm ihr Wortlos den Brief ab und wandte sich zum gehen, als seine Mutter rief: „Warte David, das eben in der Küche..., es tut mir leid. Ich weiß nicht was da grade in mich gefahren ist. Es war auf einmal so kalt und...“

„Kalt?“, unterbrach sie David überrascht und fuhr herum, „Du hast es also auch gespürt. Ich meine diese eisige Kälte?“

Seine Mutter starrte ihn wie ein hypnotisiertes Kaninchen an und flüsterte dann leise: „Ja, es war irgendwie wie in einem Eisfach. Nur ganz kurz. – Was ich aber eigentlich sagen wollte ist, dass du natürlich kein Lümmel bist. Entschuldige bitte.“

David war erleichtert über die Entschuldigung seiner Mutter, zugleich aber auch etwas beunruhigt darüber, dass sie auch etwas von der Kälte gespürt hatte. Jetzt konnte er sich nicht mehr mit dem Gedanken trösten, dass er einfach nur hingefallen war und sich den Rest der Geschehnisse nur eingebildet hatte.

Schnell schob er diese Gedanken beiseite, gab seiner Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange und sagte dann: „Bis Morgen Abend und wenn was ist Mama, du hast ja meine Nummer!“

„Warum gehst du eigentlich schon so früh zu Jack. Wart ihr beide nicht erst gegen Mittag verabredet?“, rief seine Mutter ihm nach.

David, der schon wieder auf der Straße stand blieb stehen und rief: „Ihm geht’s auch nicht so gut. Die Hitze macht uns wohl allen etwas zu schaffen.“

Seine Mutter nickte nur kurz und verschwand dann wieder im Haus.

Nachdenklich setzte sich David wieder in Bewegung. Er dachte über Jacks verrückte Geschichte nach, die er ihm am Telefon erzählt hatte und fragte sich, in wie weit sein Erlebnis in der Küche mit seiner Geschichte zusammenhing. Immerhin ging es um Kühlschränke. Schließlich murmelte er leise vor sich hin: „Das war sicher nur ein Zufall. Unser Kühlschrank ist alt und fängt an zu spinnen. Ja, so muss es gewesen sein. Ein Kältestau, der mich buchstäblich umgehauen hat, als ich die Tür geöffnet habe.“

Sein Gemurmel wirkte beruhigend auf ihn, doch tief in seinem Innersten wusste er, dass irgendetwas nicht stimmte. Sein Eindruck verstärkte sich noch, als ihm die unnatürliche Stille bewusst wurde, die ihm umgab.

Er blieb stehen und lauschte. Doch da war nichts zuhören. Keine Vögel, kein Hundegebell und auch keine Autos.

Er warf schnell einen Blick auf seine schwarze G–Shock Uhr und schüttelte verwundert seinen Kopf. Es war kurz vor halb Zehn. Um diese Uhrzeit müssten doch eigentlich schon Menschen unterwegs sein. Irgendwo ein Rasenmäher dröhnen oder Kindergeschrei zu hören sein. Doch da war nichts. Nur Stille.

Mit Unbehagen beschleunigte David jetzt seine Schritte und eilte die Straße hinunter. Er wusste, dass viele Bewohner ihrer Siedlung nicht Zuhause waren. Schließlich waren grade Sommerferien und somit auch Reisezeit.

Wer es sich leisten konnte war sicher in den Urlaub gefahren, um der Hitzeglocke, die nun schon seit Wochen über ihrer Siedlung hing, wenigstens für kurze Zeit zu entkommen. Aber das alleine konnte nicht wirklich der Grund für diese trügerische Ruhe sein, die grade in der Siedlung herrschte.

Während er weiter die Straße hinunter eilte, hatte er das ungute Gefühl beobachtet zu werden. Hektisch sah er sich deshalb immer wieder um. Doch nirgends konnte er eine Menschenseele entdecken. Keine Gardinen, die sich hinter den Fenstern der links und rechts stehenden Häuser bewegten. Doch dann sah doch etwas, was ihn abrupt zum stehen brachte. Etwas, was sich direkt über dem Grundstück von Nörgel-Karl befand und dort scheinbar bewegungslos in der Luft hing.

Es war eine schneeweiße Wolke, die reglos über dem Grundstück schwebte.

Sein erster Gedanke war, dass es sich bei dieser merkwürdigen Erscheinung nur um Rauch handeln könnte, verwarf er schnell wieder. Rauch würde sich bewegen, sich ausdehnen und dabei irgendwie rotieren. Doch diese Wolke hing nur bewegungslos über dem Dach des alten Fachwerkhauses, in dem Karl wohnte.

Links und rechts von dem Gebäude standen ein paar mächtige und uralte Buchen. Es waren die letzten stolzen Bäume ihrer Art, die noch vor gut zwanzig Jahren zu Hunderten das ganze Tal bewaldet hatten.

Damals gab es hier nur Karls Einsiedlerhof und ein paar Weiden, die sich rechts an sein Grundstück angeschlossen hatten. Doch heute stand an dieser Stelle ihr Vereinsheim mit samt den dazugehörigen beiden Fußballplätzen.

Inzwischen war David in der Talsenke angekommen und stand nun direkt vor der offenen Einfahrt zum Hof.

Fassungslos starrte er zu der Wolke hinauf, die sich noch immer nicht bewegte. Langsam senkte er seinen Blick wieder und ließ ihn dann über das verwahrloste Grundstück schweifen.

Links neben dem Haupthaus standen die zum Teil mit Unkraut überwucherten Grundmauern einer Scheune, in der auch ein Stall untergebracht gewesen war.

Den Gerüchten nach wurde dieses Gebäude vor vielen Jahren durch ein verehrendes Feuer vernichtet. Doch über die Ursache des Brandes schieden sich die Geister. Einige behaupteten, Karl habe das Feuer damals selbst gelegt. Andere wiederum sprachen von einem Blitzschlag.

David wandte sich von dem für ihn irgendwie trostlosen Anblick ab und sah nun nach rechts, wo sich ein kleiner Gemüsegarten befand, der durch einen hohen Holzzaun gesichert war.

Es war der Zaun, über den er im letzten Winter zusammen mit David geklettert war, um dort Karls Schneemann zu zerstören.

Angesichts dieser Gedanken fröstelte es ihm plötzlich und grade als er weiter gehen wollte, packte ihn etwas Eiskaltes von hinten an seinen Schultern. Entsetzt schrie David auf und wollte sich losreißen, doch er wurde brutal herum gerissen und sah dann unverhofft in das faltige Gesicht einer alten Frau, die nun garstig zu lachen begann und ihn dabei kräftig durchschüttelte.

Hilflos hing er in ihren klauenartigen Händen, die sich wie Schraubstöcke fest in seine Schultern bohrten. Ängstlich starrte er auf die ihm völlig unbekannte Frau.

Sie trug ein langes, weißes Gewand, was ihren Körper fast vollständig verhüllte und das trotz der grade herrschenden Windstille wie von Geisterhand gespenstisch um sie herum flatterte.

Lediglich ihre scheußlichen Hände, die mit eigentümlichen braungrünen Flecken übersät waren und ihr Mumienartiger Kopf, der auf einen mit einem weißen Schal umwickelten dürren Hals saß, waren sichtbar.

Aus ihrem zahnlosen Mund, der Lippenlos zu sein schien, strömte ein Zimtartiger Geruch, während daraus noch immer ein boshaftes Gelächter erklang.

Und während David entsetzt in die unnatürlich schwarzen Augen blickte, die tief in den Augenhöhlen der Fremden lagen und ihn dabei förmlich zu durchbohren schienen, wartete sein Freund schon ungeduldig auf seine Ankunft.

 

 

Jack lief unruhig in seinem Zimmer auf und ab und fragte sich, warum David nur so lange brauchte. War er am Ende vieleicht doch wieder eingeschlafen?

Er lief zum Fenster und spähte ungeduldig durchs Fliegengitter nach draußen, konnte so aber nur einen kleinen Teil der Straße überblicken, auf der David entlang kommen musste. Deshalb zerrte er jetzt entschlossen dass Fliegengitter von seinen Klettbändern herunter, warf es achtlos zu Boden und steckte dann seinen Kopf zum Fenster hinaus. Mit seinen Augen verfolgte er den Verlauf der Straße bis ins Tal hinunter und dann auf der anderen Seite wieder den Berg hinauf. Doch von David fehlte jede Spur.

Erbost wandte er sich wieder vom Fenster ab und ergriff nun sein Smartphone. Er wählte die Nummer seines Freundes und lauschte dann auf ein Freizeichen. Doch da war nichts. Verdutzt sah er auf den Bildschirm und erkannte sofort den Grund dafür. Er hatte kein Netz mehr.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, brüllte er wütend und warf das nun nutzlose Gerät wieder auf sein Bett zurück. Und grade, als er erneut aus dem Fenster schauen wollte, hörte er von unten aus dem Haus ein merkwürdiges Geräusch.

Angespannt hielt Jack seine Luft an und drehte sich dann langsam zu seiner offenen Zimmertüre herum und lauschte angestrengt in die nun wieder eingetretene Stille des Hauses hinein.

Hatte er sich das Geräusch grade nur eingebildet?

Langsam atmete er wieder aus und bewegte sich dabei vorsichtig auf seine Zimmertür zu. Doch bevor er sie erreichen konnte, ertönte erneut das eigentümliche Geräusch von unten zu ihm hinauf, was sich jetzt zügig und schleifend über ihren mit braunen Fliesen ausgelegten Hausflurboden zu bewegen schien.

Entsetzt schrie Jack: „Ist da jemand?“

Doch statt einer direkten Antwort ertönte nur ein leises, gemeines Lachen, was dann von dem knarren ihrer Küchentür abgelöst wurde. Unmittelbar danach setzte sich das schabende Geräusch erneut in Bewegung, bevor dann eine ihm schon bekannte Männerstimme zu ihm hinauf rief: „Ich hatte dir doch versprochen, das ich wieder kommen werde!“

Jack schüttelte ungläubig seinen Kopf und fragte sich, wie der Spediteur in ihr Haus gelangen konnte. Hatte er die Türe aufgebrochen?

Entsetzt schrie Jack: „Verschwinden sie sofort aus unserem Haus oder ich rufe die Polizei!“

„Das hatten wir doch schon, Jack. Von mir aus kannst du anrufen, wenn du willst oder auch um Hilfe schreien. Doch niemand wird dich hören können, mein Junge. – Wir beide, du und ich, sind ganz alleine in diesem Haus und niemand kann mich daran hindern, meine Lieferung ordnungsgemäß abzuliefern. Hast du das jetzt endlich kapiert?“, drang die Antwort zu ihm hinauf.

Jack stutzte, denn irgendwie hatte sich die Stimme des unbekannten verändert. Hatte sie zuvor sehr dunkel und kräftig geklungen, so waren die letzten Worte irgendwie müde und altersschwach bei ihm angekommen. Zudem glaubte er, diese veränderte Stimme zu kennen. Aber woher?

Jack entspannte sich etwas und überlegte. Hilfe per Telefon konnte er nicht holen, da er kein Handynetzt hatte. Auch das Festnetztelefon konnte er vergessen, da es in der Küche an der Wand hing und sich der angebliche Spediteur noch immer darin auf hielt.

---ENDE DER LESEPROBE---