Schloss Burgdorf - Armand Baeriswyl - E-Book

Schloss Burgdorf E-Book

Armand Baeriswyl

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Beschreibung

Auf dem ins Tal vorspringenden Schlossfelsen errichtete Herzog Berchtold V. von Zähringen um 1200 eine pfalzartige Burganlage und gründete gleichzeitig die Stadt. Er schuf so ein Herrschaftszentrum für ein geplantes Reichsherzogtum Burgund. Die damals entstandene Gestalt mit Bergfried, Palas, Halle und Ringmauer prägt das Schloss bis auf den heutigen Tag. Die ab 1218 nachfolgenden Grafen von Kyburg ergänzten die Herrschaftssymbolik mit frühgotischen Elementen, vor allem durch die Ringmauer mit Bossenquadern und Flankentürmen. 1384 wurde aus der Adelsburg ein bernischer Verwaltungssitz. Einige Umbauten wie die Neukonstruktion des Palasdachstuhls betonten die Herrschaftskontinuität, andere wie die Unterteilung der Säle in kleinere Räume die Funktionalität einer Landvogtei. Dank der fortgesetzten Nutzung und dem geleisteten Bauunterhalt hat Bern das Schloss während mehr als 600 Jahren vor dem Ruin bewahrt. Diese Aufgabe übernahm 2017 die Stiftung Schloss Burgdorf. Sie nutzt das Bauwerk als einzigartige Kombination von Museum, Jugendherberge und Restaurant.

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Jürg Schweizer · Armand Baeriswyl · Daniel Furter

Schloss Burgdorf

Kanton Bern

Geschichte und Baugeschichte

Name, Sage

Die Vorgeschichte

Zähringische Epoche

Geschichte

Baugeschichte

Kyburgische Epoche

Geschichte

Baugeschichte

Berner Epoche, 14.–18. Jahrhundert

Geschichte

Baugeschichte

19. und 20. Jahrhundert

Geschichte

Baugeschichte

21. Jahrhundert

Geschichte

Baugeschichte

Rundgang und Beschreibung

Das Schloss von aussen

Der Aufstieg von der Stadt her

Die Nordseite

Die Vorburg

Im Schlosshof

Rundgang Inneres

Der heutige Haupteingang durch die Arkaden des Kornhauses

Türme und Margarethenkapelle, Assisensaal (heute Teil der Jugendherberge)

Das Museum mit seinen historischen Räumen

Wehrgang zum Torturm, Geschützplattform, «Neues Logement»

Die Stockwerke des Bergfrieds, Ausblicksplattform, Goldkammer

Schultheissenwohnung, Verbindungsbau, Palas 1. Stock

Halle, ab 1546 Südflügel der Schultheissenwohnung

Der Schiltensaal

Der Rittersaal

Die Johanneskapelle

Filmkammer

Palas 3. Stock

Palas Dachstock

Würdigung

Anhang

Die Randbuchstaben im Text verweisen auf den Plan auf S. 68 sowie auf den Grundriss.

ABB. 1 Gesamtansicht von Schloss Burgdorf mit dem Schlossfelsen im Süden und dem Alten Markt im Norden. Übersichtsfotografie mit Blick nach Norden.

Geschichte und Baugeschichte

Name, Sage

Die Bezeichnung «Burgdorf» – als «Dorf bei der Burg» zu verstehen – bezieht sich auf eine Siedlung und nicht auf die Burg. Sie erscheint erstmals 1175 und benennt eine wahrscheinlich im Areal des heutigen «Alten Markts» (ABB. 1) zu suchende Vorburgsiedlung. Die Stadt wurde nämlich erst um 1200 gegründet; damals ging der Name Burgdorf auf diese über. Der französische Name der Stadt, Berthoud, ist ein Hinweis auf den Stadtgründer Herzog Berchtold V. von Zähringen. Die Burg selbst wird erstmals 1210 erwähnt.

Der Chronist Conrad Justinger erwähnt eine Gründungslegende der Burg, nach der zwei Herzöge von Lenzburg, Sintram und Bertram, einen Drachen in einer Höhle auf dem Schlossfelsen erschlugen und anschliessend dort eine erste Feste errichteten.

ABB. 2 Erste präzise Stadtansicht Burgdorfs, von Norden, Stumpf-Chronik 1547. Nordfront des Schlosses, rechts Vorgänger des heutigen Torturms von 1559–1561. Links der Eingangs bogen des neu-kyburgischen Torturms.

Burgdorf: Burg oder Schloss?

Burgen entstanden im Mittelalter als verteidigungsfähige Wohn- und Herrschaftssitze des Adels. Die trutzige Bauweise mit Türmen und Mauern diente auch als Symbol. Damit markierte der Bauherr seine Herrschaftsrechte und signalisierte seine Entschlossenheit, diese falls nötig mit Waffengewalt durchzusetzen.

Die Verbreitung von Feuerwaffen und der Übergang der Landesherrschaft an die eidgenössischen Orte führten zu einem grossen Burgensterben. Andere Anlagen wurden umgestaltet: An die Stelle der wehrhaft-repräsentativen Burgen traten im Laufe des 15. und 16. Jh. die wohnlich-repräsentativen Schlösser (ABB. 2). Sie waren immer noch Wohn- und Herrschaftssitze, aber nicht mehr wehrhaft, sondern prächtig und luxuriös ausgestattet.

Im Staat Bern hatte der Begriff «Schloss» noch eine weitere Bedeutung, nämlich als obrigkeitlicher Verwaltungssitz. Dort residierte der Landvogt, dorthin brachte man die Abgaben, dort wurde Recht gesprochen und dort wurden Missetäter eingekerkert. Bernische Landvogteischlösser konnten auch ehemalige Klöster sein, so etwa in Fraubrunnen oder Interlaken.

Burgdorf war also erst Burg und ist heute Schloss: um 1200 als mittelalterliche Burg errichtet, wurde es später ein Schloss, und zwar aus zwei Gründen: ab 1384 war es Sitz der bernischen Obrigkeit, und ab dem 17. Jh. wurde es Schritt für Schritt immer weniger wehrhaft, dafür wohnlicher.

ABB. 3 Die riesige prähistorische Grube mit einem Grundriss von rund 8 m und einer mutmasslichen Tiefe von über 5 m. Ihre Funktion ist völlig unbekannt.

Die Vorgeschichte

Burgdorf liegt am Übergang vom voralpinen Emmental ins Mittelland, das seit dem Ende der letzten Eiszeit konstant besiedelt war. In diesem Bereich dürfte schon seit Jahrtausenden ein Weg verlaufen sein, der dank der Talenge zwischen dem Oberstadthügel und den Flüen eine kurze Querung der sumpfigen Schwemmebene der Emme erlaubte. Dieser Weg war auf beiden Talseiten von prähistorischen Siedlungen bewacht. So liegt über dem Emmeufer, über der hohen Sandsteinwand der Gisnauflüe, ein im Neolithikum und später genutztes Erdwerk mit Doppelwallanlage. Auch auf dem Schlossfelsen gab es mehrphasige prähistorische Siedlungen, die bis in die Cortaillod-Kultur (4300 bis 3500 v. Chr.) zurückreichen (ABB. 3). In der Spätbronzezeit bestand dort eine Höhensiedlung, von der Gruben und Keramikfunde zeugen (ABB. 4).

Nur spärliche Funde deuten auf eine Siedlungstätigkeit in römischer oder frühmittelalterlicher Zeit hin, auf dem Schlossberg fehlen sie vollständig. Allerdings hat die Errichtung der Burg mit ihren vielen Um- und Neubauten durch die Jahrhunderte ältere Strukturen fast vollständig beseitigt.

ABB. 4 Aus dem Brandschutt einer spätbronzezeitlichen Kellergrube stammt dieses Mondhorn aus Sandstein. Länge 45 cm, maximale Höhe 21 cm.

Zähringische Epoche

Geschichte

Seit 888 gehörte die Region um Burgdorf zum Königreich Burgund, das seit 1032 Teil des römisch-deutschen Reichs war. Damals waren die Grafen von Rheinfelden in diesem Raum begütert und es wird eine Siedlung und Burg vermutet, Belege fehlen. Als die Grafen 1090 ausstarben, traten die Herzöge von Zähringen aus Süddeutschland ihre Erbschaft an, unter anderem übernahmen sie die vermutete Burg auf dem Burgdorfer Schlossfelsen. Eine zugehörige Vorburgsiedlung wird 1175 erwähnt, die Burg selbst allerdings erst 1210.

Mit der Verleihung des Rektorats von Burgund durch König Lothar von Süpplingenburg im Jahr 1127 verstärkten die Zähringer ihre Präsenz im westlichen Schweizer Mittelland. Eine erste Folge war die Gründung der Stadt Freiburg im Üechtland im Jahr 1157. Eine weitere Intensivierung der zähringischen Herrschaft fand um 1200 unter Herzog Berchtold V. statt. Damals wurden die Städte Burgdorf und Bern gegründet sowie Thun zur Stadt ausgebaut.

Die neue Stadt Burgdorf lag kirchlich in der Pfarrei Oberburg. Die mit der Gründung der Stadt um 1200 ohne Vorgänger errichtete Stadtkirche Unserer Lieben Frau war Filiale der Oberburger Pfarrkirche St. Georg. Erst 1401 wurde das Stadtgebiet zur eigenen Pfarrei erhoben. Das neu geschaffene Kirchspiel erstreckte sich über die Grenzen der Stadtflur hinaus und war ziemlich ausgedehnt.

Baugeschichte

Archäologische Untersuchungen in der Stadt konnten belegen, dass Burgdorf als sog. Gründungsstadt erst um 1200 unter Herzog Berchtold V. neu entstanden war. Auch die Burg wurde damals vollständig neu errichtet, in einem Zug und nach einheitlichem Baugedanken. Sie geht über den für diese Zeit üblichen architektonischen Bestand einer «klassischen» Hochadelsburg hinaus und erinnert mit ihrem grosszügigen und vielfältigen Raumangebot an Herzogs- oder Königspfalzen. Die zähringische Anlage wies eine ungewöhnliche Struktur auf: der Kernburg war nicht nur die heute noch bestehende Vorburg im Westen vorgelagert, sondern es gab im Osten, im heutigen östlichen Teil der Kernburg, eine zweite Vorburg. Beide Vorburgen lagen tiefer als die Kernburg und waren je mit einem Tor und einem repräsentativen mehrgeschossigen Wohnbau, wahrscheinlich Burgmannensitzen, ausgestattet. Das Gebäude im Westen wies einen Grundriss von rund 13 x 15 m auf; es wurde 1559 bis auf die Sockelmauern abgebrochen und durch den im Grundriss kleineren heutigen Torturm ersetzt. Der ähnlich grosse Wohnbau im Osten wurde in neu-kyburgischer Zeit vollständig erneuert.

Die gegenüber den beiden Vorburgen erhöht gelegene zähringische Kernburg wurde im Süden und Westen von den Hauptbauwerken Bergfried, Palas und Halle begrenzt, während eine Ringmauer den nordseitigen Abschluss bildete (ABB. 5). Sie erstreckte sich vom Bergfried rund 50 m nach Osten; dort, im Bereich des neu-kyburgischen östlichen Halbrundturms, bildete sie eine Ecke und verlief von da nach Süden. Die ursprünglichen Kernburg war also wesentlich kleiner als die heutige.

Der schlanke Bergfried besetzt den höchsten Punkt und bildet die Nordwestecke der Kernburg. Er war vor allem weithin in die Landschaft hinaus sichtbares Symbol zähringischer Herrschaft. Südseitig folgt der Palas mit seinen hohen Sälen (siehe Umschlagklappe).

ABB. 5 Vision der zähringischen Burg. Kernburg mit Bergfried, Palas, Halle, Kapelle und Zisterne, flankiert von zwei Vorburgen mit je einem Burgmannenhaus.

ABB. 6 Die zähringerzeitliche Zisterne mit Mörtelabdeckung. In der Mitte das Ausrissloch, das beim Entfernen des Schöpfschachtes bei der Aufgabe der Zisterne im späten 13. Jh. entstand. Blick nach Westen.

Ostseitig ist eine Halle angebaut, ein hoher, wohl nicht von Stützen unterteilter Raum, erhellt durch vier grosse, hoch ansetzende Rundbogenfenster im Süden. Der Typus der ebenerdigen Halle stammt aus Westeuropa und ist ein im Burgenbau Süddeutschlands dieser Epoche eher ungewöhnliches und seltenes architektonisches Element. Ein weiteres in diese Zeit gehöriges Bauwerk ist eine in der nordöstlichen Ecke der Kernburg in den Boden eingelassene Filterzisterne mit einem Innendurchmesser von rund 6 m (ABB. 6).

Die drei bis heute erhaltenen zähringischen Hauptbauwerke Bergfried, Palas und Halle unterstreichen ebenso wie die zwei Vorburgen nicht nur den Macht- und Herrschaftsanspruch ihres Erbauers Berchtold V., sondern zeigen auch den beabsichtigten Repräsentationsrahmen. Das reiche Raumprogramm bot Platz für ein differenziertes höfisches Leben am zentralen Ort eines geplanten zähringischen «Herzogtums Burgund». Auffälligste Gemeinsamkeit ist die Verwendung des für diese Zeit in dieser Region noch völlig unbekannten Baumaterials Backstein. Mit diesem Mauerwerk im Verband stehende Balkenlagen weisen dendrochronologisch ermittelte Schlagdaten vom Herbst/Winter 1200/01 auf. Sie datieren die Burganlage.

Kyburgische Epoche

Geschichte

1218 starb Berchtold V. kinderlos. Während die Reichsgüter an den staufischen König zurückfielen, unter anderem die Stadt Bern, erhielten die Grafen von Urach D den zähringischen Eigenbesitz nördlich, die Grafen von Kyburg denjenigen südlich des Rheins. Burgdorf hätte zwar Berchtolds Witwe Clementia zugestanden, doch die Kyburger besetzten das Schloss und Berchtolds Schwager Egino von Urach setzte Clementia gefangen.