Schmetterlinge zu Weihnachten - Susanne Sterzenbach - E-Book

Schmetterlinge zu Weihnachten E-Book

Susanne Sterzenbach

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Beschreibung

Drei Erzengel müssen bis Weihnachten die Schmetterlinge vor dem Aussterben retten. Dazu reisen sie nach Mexiko, nach Burgund und nach Bayern. Zwei Sternschnuppen retten einen alten Mann in Italien vor der Corona-Einsamkeit. Die Weihnachtsäpfel erfahren endlich, welche Wunder sie vollbracht haben. Der Kartoffelkönig Patatas kommt als erster beim Kind in der Krippe an und bietet seine Knollen an. Ein Pater schreibt ein Adventslied gegen die Hexenjagd im Dreißigjährigen Krieg, eine Klarinette vertreibt einen Corona-Albtraum und eine Fridays-for-Future-Schülerin überzeugt ihre Familie, dass sie Schnee malen muss.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Susanne Sterzenbach

Schmetterlinge zu Weihnachten

und andere Geschichten

Inhaltsverzeichnis

Impressum

König Patatas

Es war einmal hoch oben in den Anden, dort wo alles Irdische in das Himmlische übergeht.

Dort, wo viele tausend Jahre vor den Inkas schon Völker und Reiche kamen und gingen, und ihre Spuren bis in unsere Gegenwart legten.

Dort lebte um die Zeit von Christi Geburt der Kartoffelkönig Patatas. Patatas und sein Volk hatten sich der Göttergabe angepasst, die sie ernährte. Jeder Untertan glich in Gesicht und Körperbau einer der dreitausend Kartoffelsorten, die hier oben gediehen.

Patatas selbst hatte das feinste, edelste Gesicht – rund, hellhäutig, glatt, mit kugeligen glänzenden Augen und einem kleinen Silberreif um die Stirn, dem Zeichen seiner Königswürde. In seinem Volk gab es Leute, die aussahen wie die Kartoffelsorte „Weißer Wurm“: hager, bleich, die ständig ein langes Gesicht machten. Oder die stämmigen Damen, die der Kartoffel namens Löwin glichen. Die feine eleganten immer in Rosa gekleideten Nelkenkartoffel-Mädchen, oder die Herren, die man „Santo Cachón - Der heilige Gehörnte“ nannte, mit wulstigem Körperbau und fast schwarzer Hautfarbe. Hier wusste auch König Patatas nicht zu sagen, warum die Vorfahren auf 5000 Meter über dem Meer einen Namen wählten, den auch eine Tintenfisch-Art trug. Oder meinten sie wirklich den Betrogenen, der eine heiligmäßige Geduld an den Tag legte? „Die Welt besteht aus vielen Rätseln“, pflegte König Patatas seinen Untertanen zu sagen, „ und ihr müsst sie nicht lösen.“

Einfacher war es da mit den Nachbarn, die der Zapfen-Kartoffel ähnelten oder der Schwarzen, oder gar der roten Stier-Penis-Kartoffel.

Die Patatas-Leute waren friedliche Menschen, die ihre Kartoffeln anbauten, vermehrten, pflanzten und mehrmals im Jahr auf die Märkte an den Küsten brachten. Sie hielten sich für reich beschenkt von den Göttern und verlangten nicht mehr. Überall, wo sie hinkamen und ihre Erdäpfel anboten, wurden sie respektvoll behandelt und gut bezahlt.

Doch ausgerechnet ihr König Patatas sollte auch Missgunst und Verachtung erfahren.

An einem klaren sonnigen Morgen saß er vor seiner Berghütte und wartete auf die Erntearbeiter. Ein Rauschen erfüllte die Luft und aus dem blauen Himmel glitt ein weißer Kondor majestätisch durch das Hochtal und landete direkt vor dem König. Das war eine besondere Ehre, so viel war klar. Der Vogel der Götter, der Bote des Himmels. Und doch war es Patatas recht unheimlich zumute, denn man konnte nie wissen, was der Himmel sich mal wieder ausgedacht hatte. Und welche Folgen das haben würde. Er holte tief Luft. „Und?“ fragte er nur. Der Kondor sah ihn aufmerksam an. „Du willst mir etwas sagen?

Da König und Volk immer an dem Glauben fest gehalten hatten, dass die Kartoffel eine Gottesgeschenk sei und den Göttern opferten, wie es die alten Bräuche forderten, hatten sie sich die Gabe bewahrt, die Sprache der göttlichen Boten zu verstehen. Kurz zusammengefasst handelte es sich um einen Befehl: „Steige auf den weißen Kondor und treffe drei Könige, die unterwegs sind zu einem Kind, das mächtiger sein wird als wir alle und eines Tages auch über unseren Kontinent herrschen wird. Bringe ihm das Beste, was wir haben: die Kartoffel.“

„Si, si“, antwortete König Patatas gehorsam, „a aus órdenes – zu Befehl.“

Aber dann kam noch eine Warnung hinterher: Der Geburtsort des Kindes liegt irgendwo zwischen Europa, Afrika und Asien. Für diese drei Kontinente haben sie Namen und Karten. Unseren Kontinent kennen sie noch nicht. Das heißt, du kannst vor Ort keine Hilfe von uns erwarten. Wir haben dort nichts zu suchen, wir sind dort unbekannt, nicht vorhanden, völlig machtlos. Das einzige, was Du tun kannst, ist den Kondor zu rufen, um dich abzuholen.

„So, so“, dachte König Patatas, „wenn es ernst wird, kneifen sie. Warum fliegt nicht einer von den sonst so großmäuligen Göttern selbst? Oder warum bringt der weiße Kondor die Kartoffeln nicht alleine zu diesem Kind?“

Selbstverständlich sagte er das nicht laut. Aber so wie der Kondor seinen Geierhals drohend hin und her drehte, war schon klar, dass er Gedanken lesen konnte. „Ja, ja, schon gut“, beschwichtigte König Patatas den aufkeimenden Zorn der Götter und machte sich ans Werk. Aus dem Lager mit Notvorräten holte er winzige Knollen der besten Kartoffelarten seines Volkes und legte sie in buntgewebte Etuis mit kleinen Taschen. Die Knollen hatten sie seit Urzeiten aufbewahrt, falls die Vulkane eines Tages ausbrechen und Lava und Asche die Kartoffelpflanzen vernichten würden. „Ihr müsst die Rätsel der Welt nicht lösen, aber es schadet nicht, ein paar Lösungen vorbereitet zu haben“, predigte König Patatas seinem Volk.

Dann schwang er sich – die Etuis in ein Stofftuch geknüpft – auf den Rücken des Kondors und flog davon. Sie bretterten mit Kondor-Höchstgeschwindigkeit von hundert Kmh über die Anden, die Ozeane, die Alpen, die Wüsten bis sie nach vierzig Tagen und zwölftausend Kilometern auf dem Feld vor Betlehem landeten.

Die Hirten waren bereits so geblendet vom Glanz des geschweiftenSterns, dass sie einen weißen Kondor mit einem knollengesichtigen kleinen König als weiteres Wunder hinnahmen. Alles schien möglich, alles schien fraglich. Und sie verstanden sofort, was er wollte, als er sich in unverständlicher Sprache an sie wandte, aber mit klarer Geste auf seine silberne Krone zeigte und drei Finger in die Luft hielt. „Ja, die sind schon da“, sagten sie und führten König Patatas zum Lager der drei Könige. Der weiße Kondor hob sich unterdessen wieder in die Lüfte und folgte dem Schweif des Sterns hinauf in den Himmel.

Die drei Könige aus dem Morgenland empfingen ihren Kollegen mit Wohlwollen und Neugier. Sie zeigten ihm ihre Reittiere: ein goldgezäumter Araberhengst, ein rot -gesatteltes Kamel und ein blaubedeckter Elefant. König Patatas staunte nicht schlecht und zeichnete mit einem Stock ein Lama in den Sand. Die Könige verstanden – das waren also die Reit- und Lastentiere in der Heimat dieses schrumpelgesichtigen Königs. Sie nickten. Sie zeigten stolz auf ihre goldenen Kronen und lächelnd auf den kleinen silbernen Kranz um Patatas Stirn. „Aha“, dachte sich Patatas, „sie wissen nicht, dass mein Land so viel Gold besitzt, wie sie sich gar nicht vorstellen können. Und noch mehr Silber.“ Wenn er seine Götter recht verstanden hatte, würden sie es erst erfahren, wenn sie seinen Kontinent entdecken durften.

Sie zeigten ihm ihre Geschenke für das göttliche Kind: Wieder Gold, das schien ein Symbol für Macht bei ihnen zu sein. Aber auch Weihrauch und Myrrhe. „Ach, wie bei uns“, dachte König Patatas. „Copal“, sagte er. „Unsere Schamanen verbrennen auch Baumharze, um die Götter anzurufen oder böser Geister auszutreiben. Einmal im Jahr sogar, um mich als ihren König zu ehren.“ Er zeigte auf Weihrauch und Myrrhe, nickte mit dem Kopf und zeigte auf sich selbst. Die drei aus dem Morgenland verstanden, dass sie die Bedeutung der Geschenke mit diesem kläglichen kleinen König ohne Hofstaat und Reittier verband. Aber es ärgerte sie auch ein wenig, denn sie waren nicht weise genug, ihn als Gleichen unter Gleichen gelten zu lassen.

König Patatas öffnete seinen bunten Stoffsack, holte die Etuis mit den winzigen Knollen heraus und legte eine ausgewachsene Kartoffel daneben. Die hatte er extra mitgenommen, damit das neugeborene Kind etwas zum Spielen hatte und die reife Frucht begreifen lernte. Die drei Könige aus dem Morgenland lachten und zeigten mit Fingern auf die Knollen. Das war doch kein Geschenk für den künftigen König der Welt. Das war doch wertloser Bauernkram. Und der Schrumpelgesichtige mit dem wertlosen Silberkränzchen war bestimmt ein Betrüger. Sie riefen die Wachen und warfen ihn mitsamt seinem Stoffsack aus ihrem Lager. Aber da kannten sie König Patatas schlecht. „Die Welt ist voller Rätsel“, sagte er sich. „Aber ein König sollte ab und zu eines von ihnen lösen.“ Er schnappte sich das rotgesattelte Kamel, das ihn entfernt an seine Lamas erinnerte, flüsterte ihm etwas ins Ohr und kurz darauf erreichten die beiden den Stall mit der Krippe. Als erster König kniete der kartoffelgesichtige Patatas vor dem Jesuskind und bot ihm seine Schätze dar. Das Kind lächelte, und tatsächlich, auch hier konnte Patatas etwas verstehen. Im Esperanto des Himmels hörte er deutlich die Worte: „Das wertvollste Geschenk von allen, lieber Patatas. Eine wahrhaft göttliche Gabe, die viele Hungersnöte verhindern wird. Aber die Welt hat sie noch nicht verdient. Nimm es wieder mit. In etwa 1500 Jahren dürfen sie die Wohltaten der Kartoffel entdecken und keinen Tag früher. Ich danke dir sehr, guter Kartoffel-König. Gute Heimreise.“

Hochzufrieden stieß König Patatas den Lockruf aus, der Kondor rauschte heran. Er hatte Sternenstaub im weißen Gefieder. „Na, du hast wohl auch ein paar Rätsel dieser Welt versucht zu lösen“, sagte Patatas und tätschelte ihm den Hals.

Und so kam es, dass die Spanier erst um 1550 die Kartoffel in Kolumbien und Peru entdeckten und nach Europa brachten.

---ENDE DER LESEPROBE---