Schuld, Sühne, Humor - Claudia Stockinger - E-Book

Schuld, Sühne, Humor E-Book

Claudia Stockinger

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Beschreibung

„Die Bibel zum Beispiel: So ein dickes Buch und nicht ein anständiger Witz drin.“ Äußerungen wie die des Münsteraner Tatortermittlers Thiel machen die Beliebtheit der Fernsehreihe Tatort aus. Keine andere Krimi-Serie erreichte seit ihrer Erstausstrahlung 1970 ein vergleichbares Interesse bei den Zuschauern. Doch welche Rolle spielen religiöse Themen im Tatort? Dieser Frage geht Claudia Stockinger in der Veröffentlichung zur Verleihung des Bad Herrenalber Akademiepreises 2012 nach. Sie stellt fest, dass Religion oberflächlich gesehen vielleicht nur ein Randthema der Serie ist. Bei näherem Hinschauen entpuppt sie sich aber als Motiv-Reihe, an der sich die wandelnde Rolle von Religion in unserer Gesellschaft in den vergangenen vierzig Jahren aufzeigen lässt. Stockingers Analyse zeigt, dass Tatort-Kommissare und Kirchenvertreter mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben: Sie setzen sich für eine bessere Welt ein, können aber nicht sicher sein, dass sich durch ihre Arbeit das moralisch Richtige immer durchsetzt. Für ihren Beitrag „Religion im Tatort“ erhielt Stockinger den Bad Herrenalber Akademiepreis 2012.

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Seitenzahl: 70

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Claudia Stockinger

Schuld, Sühne, Humor

Der Tatort als Spiegel des Religiösen

Herausgegeben von der

Evangelischen Akademie Baden

und dem Freundeskreis der

Evangelischen Akademie Baden e. V.

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte biografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Herrenalber Forum Band 71

Beiträge zur Verleihung des

Bad Herrenalber Akademiepreises 2012

am 14. Oktober 2012 in Bad Herrenalb

E-Book: © Evangelische Akademie Baden, Karlsruhe 2014

Redaktion: Dr. Jochen Hohmann, Ralf Stieber

Satz und Herstellung: Gabi Höhn

Umschlaggestaltung: Ralf Stieber

Titelbild: Bayerischer Rundfunk/Bavaria Film/Stephen Power aus Tatort: „Gesang der toten Dinge“

ISBN 978-3-89674-579-8

Printversion im Buchhandel erhältlich unter ISBN 978-3-89674-572-9

Inhalt

Vorwort

Jan Badewien

Gesellschaftsanalyse im Thrillerformat

Laudatio für Claudia Stockinger

Claudia Stockinger

„Wo Religion beginnt, endet der Humor“

Über das Verhältnis von Komik und Religion in der ARD-Reihe Tatort

Claudia Stockinger

Religion im Tatort

Zur Preisträgerin

Bad Herrenalber Akademiepreis

Vorwort

Der Vorstand des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Baden hat im Jahr 2012 den Bad Herrenalber Akademiepreis an die Göttinger Literaturwissenschaftlerin Claudia Stockinger verliehen. Ausgezeichnet wurde damit ein Vortrag zum Thema „Religion im Tatort“, den Frau Stockinger auf der Akademietagung „Republik im Fadenkreuz. Der Tatort als Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik“ im Oktober 2011 gehalten hat.

Die Preisträgerin, in Karlsruhe aufgewachsen und an der hiesigen Universität mehrere Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Literaturwissenschaft tätig, ist derzeit Professorin für „Neuere deutsche Literatur“ an der Universität Göttingen. Sie leitet gemeinsam mit dem Karlsruher Professor Dr. Stefan Scherer ein DFG-Forschungsprojekt zu „Formen und Verfahren der Serialität in der ARD-Reihe ‚Tatort‘“. Im Rahmen dieser Arbeit ist ihr in besonderer Weise die Frage nach der Rolle der Religionen in diesen Filmen wichtig, die sich parallel zur gesellschaftlichen Wahrnehmung religiöser Riten und religiöser Lebensformen in den letzten 25 Jahren verändert hat.

In ihrem Beitrag legt Frau Stockinger dar, wie die Darstellung von religiösen Lebensweisen von der jeweiligen gesellschaftlichen Akzeptanz geprägt ist: in den ersten Jahren wird das Motiv „Religion“ kaum beachtet, seit religiöse Elemente in der Gesellschaft wieder sichtbarer werden, nimmt die Präsenz von Religion in den Filmen zu. Das geschieht allerdings in durchaus differenzierter Weise: während der Islam als Religion vieler Migranten sachlich behandelt wird, die christlichen Kirchen vor allem in ihren lebensbegleitenden Kasualien (Beerdigung) sichtbar werden, bleibt die Behandlung von Sondergruppen („Sekten“) schematisch und bedrohlich. Die Visualisierung esoterischer Praktiken trägt Züge der Komik.

In ihrem Festvortrag beleuchtet Frau Stockinger das ambivalente Verhältnis von Religion und Humor, und sie plädiert dafür, Religion und Glauben auch von ihrer fröhlichen Seite anzusehen.

Mit der Auszeichnung würdigt der Vorstand des Freundeskreises einen Vortrag, der im Sinne der Vorgaben für die Zuerkennung des Preises Theologie bzw. Kirche in ein Gespräch mit anderen Wissenschaften und Lebenswelten bringt. Das ist in dem Beitrag von Frau Stockinger durch die Zusammenführung von Literaturwissenschaften, Medienwissenschaften und Theologie in besonderer Weise gelungen.

Prof. Dr. Sabine Liebig

Vorsitzende des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Baden e. V.

Dr. Jan Badewien

Akademiedirektor i.R.

Evangelische Akademie Baden

Karlsruhe, im Februar 2013

Gesellschaftsanalyse im Thrillerformat

Laudatio für Prof. Dr. Claudia Stockinger

Jan Badewien

Der Vortrag, der 2012 vom Vorstand des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Baden mit dem Bad Herrenalber Akademiepreis ausgezeichnet wird, kommt aus einem Tagungsprojekt, das in einer langen Tradition unserer Akademie steht. Tagungen zum großen Themenfeld Religion und Gesellschaft – und spe­zifischer: Religion und Kultur – stehen seit Beginn immer wieder an zentraler Stelle auf dem Programm.

Tagungen, die sich mit dem Grenzbereich von Literatur, Kunst, Musik, Film und Theologie befassen, haben eine breite Spur im Akademiegeschehen hinterlassen. Es war dies ein Bereich, der mir in den Jahren meines aktiven Dienstes ganz besonders am Herzen lag – wie auch schon meinem Vorgänger, Michael Nüchtern. Die langjährige Kooperation mit der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe hat dazu beigetragen, die Begegnung von Theologie und Literatur in immer neuen Facetten zu ermöglichen.

Die Tagung, auf der der preisgekrönte Vortrag gehalten wurde, hat sich mit der Fernsehserie „Tatort“ befasst, die seit 40 Jahren regelmäßig am Sonntagabend in der ARD ausgestrahlt wird und in ihrer Vielfalt immer neues Interesse weckt. Interessanterweise waren es vor allem Literaturwissenschaftler, die hier in Bad Herrenalb über diese Filme gesprochen haben.

„Was hat eine Krimiserie im Fernsehen eigentlich mit einer Evangelischen Akademie oder mit der Kirche zu tun?“. So wurde ich häufig gefragt, als im Programm unserer Akademie eine Tagung zum „Tatort“ angekündigt war. Andere Reaktionen allerdings waren spontan positiv und konstruktiv.

Wer öfter die Tatort-Filme gesehen hat, wird schnell einsehen, welche Beziehungen es zu jenen Themen gibt, die die Akademie immer wieder beschäftigen: Fragen der zwischenmenschlichen Beziehungen, von Schuld und Gerechtigkeit, von Verstrickungen und Zufällen, von menschlichen Makeln und menschlicher Hilfsbereitschaft, von gelungener und misslungener Integration, von Flucht und Not, von Unmenschlichkeit und Profitgier. Und nicht immer sind die Täter auch diejenigen, die moralisch die Verantwortung tragen, so dass die Kommissare oft an ihrer Arbeit zweifeln. Aktuelle Fragestellungen werden behandelt, gesellschaftliche Vorurteile zum Thema gemacht, kulturelle Fremdheit mit ihren Schwierigkeiten mit den Regeln unserer Gesellschaft vorgestellt – und auch kirchliche Missstände, die aktuell diskutiert werden.

So nimmt der „Tatort“ die Gesellschaft ins Fadenkreuz und wandelt sich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen. Diesen Veränderungen der letzten 40 Jahre in den sich wandelnden Themen und ihren filmischen Umsetzungen nachzuspüren, war Ziel unserer Tagung.

Ein Themenbereich, in dem dies zum Ausdruck kommt, ist die Art und Weise, wie Kirche, Religion und allgemeine Spiritualität in ihren verschiedenen Spielarten in den Filmen vorkommen und wie sich die Behandlung dieses Themas im Laufe der Zeit wandelt. Noch im „Tatort“-Film am Sonntag vor dieser Preisverleihung spielt ein katholischer Priester eine wichtige Rolle. Er steht als Leiter eines Jugendcamps anfangs unter Verdacht, einen elfjährigen Jungen grausam ermordet zu haben – fälschlicherweise. Es ist ein Verdacht, der auf den Missbrauchsfällen basiert, die in der letzten Zeit aufgedeckt und in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Der Pfarrer ist empört und wehrt sich gegen den Generalverdacht gegen seinen Stand – es ist ein Appell zur Differenzierung. Aber selbst die Diözese hat wohl Angst vor einem neuen Skandal, sie ruft ihn – so kann man ein Telefonat deuten – zur Berichterstattung ins Ordinariat.1

Religion im „Tatort“ – oberflächlich gesehen vielleicht ein Randthema, bei näherer Untersuchung jedoch eine Motivreihe, die der sich wandelnden Rolle von Religion und ihren Formen in der Gesellschaft der letzten 40 Jahre entspricht und immer wieder in den Filmen erscheint. Dies ist das spezielle Thema von Frau Professorin Claudia Stockinger, auf der Akademietagung, aber auch in ihrer weiteren Arbeit.

In ihrem Vortrag hat sie aufgezeigt, wie das Thema Religion in den „Tatort“-Filmen im Lauf der 40 Jahre immer stärker an Bedeutung gewonnen hat – parallel zu einer „Wiederkehr der Religion“, einer neuen Aufgeschlossenheit gegenüber religiösen und spirituellen Fragen auf vielen Ebenen, die seither in der Gesellschaft zu beobachten ist.

So ist es mir eine große Freude, dass mit Frau Stockinger eine Literaturwissenschaftlerin ausgezeich­net wird, für die der Grenzbereich zwischen Literatur und Theologie, Dichtung und Glaubensfragen ein zentrales Forschungsgebiet ist.

Frau Stockinger wurde in Regensburg geboren, sie ist in Karlsruhe aufgewachsen und hat Abitur am Karlsruher Fichte-Gymnasium gemacht. Anschließend studierte sie in Regensburg Deutsche Philologie, Geschichte und Philosophie und arbeitete anschließend am Institut für Literaturwissenschaft der Universität Karlsruhe als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und als Assistentin, hier wurde sie auch promoviert. Seit 2002 ist sie Professorin für Literaturwissenschaft an der Universität Göttingen, seit 2012 als Inhaberin des Lehrstuhls für Deutsche Philologie/Neuere Deutsche Literatur.

Ihre wissenschaftlichen Interessen schlagen sich in ihren Arbeitsschwerpunkten nieder: neben den klassischen Themen für diesen Forschungsbereich seien genannt:

- Literatur und Literaturbetrieb der Gegenwart

- Intermedialitätsforschung

- Theorien der Kanonbildung und der Intertextualität

- Und nicht zuletzt das Verhältnis von Literatur und Religion.

Zu den Arbeiten im Kerngebiet der Germanistik zählen ihre Publikationen zur Literaturgeschichte, vor allem über Autoren des 19. Jahrhunderts. Ich nenne ihre Dissertation über den Romantiker Friedrich de la Motte-Fouqué2, ihre Arbeiten zu Wilhelm Hauff3, Ludwig Tieck4 und das Buch über das Zeitalter des Realismus im 19. Jahrhundert5. Daneben sind es Publikationen über literarische Texte von Theodor Storm6bis Peter Rühmkorf7 und Wilhelm Genazino8. Zu den derzeitigen Methodendiskussionen in der Germanistik hat sie in einem Aufsatz über Emil Staiger9 Stellung bezogen und sich für seine Methode der „werkimmanenten Interpretation“, die lange Zeit in Verruf geraten war, und deren begrenzte Neubewertung eingesetzt.