Schule aus - Claus Küsters - E-Book

Schule aus E-Book

Claus Küsters

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Beschreibung

Ein Englisch- und Sportlehrer, der als J oder Johannes und in weiteren Variationen auftritt, wirft den Blick auf das Ganze. Sein Kopf ist voller Wissen, betankt mit der Vielfalt kluger Bücher. Zudem leitet er die Theatergruppe. Es tauchen Schüler auf, die verunsichern. Dazu blasse Lehrpersonen und saftlose Vorgesetzte. Das Bild von Schule wird hier vollkommen ungewohnt gezeichnet. Nach und nach wird klar, wie dieser Mann sich der Welt gegenübersieht, aber sein Ich auch mehr und mehr vom „normalen“ Alltag abtrennt. Das ist eine Art von Rebellion. Seine Zweifel an allem Geschehen, die genaue Beobachtung von Menschen, das stete Verarbeiten, dazu immer wieder sein scharfer Blick auf unterschiedlichste Themen, machen diesen modernen Roman, genauer: diesen roman­artigen Bericht, zu einer Form von Abrechnung, zugleich aber auch Weltdurchleuchtung. Johannes hadert mit dem Organismus Schule. Er gerät vielfach in Konflikte mit dem System ... und dem Ablauf des Lebens überhaupt. Es tauchen auch mehrere Frauen auf: Barbara, Maria, Carmen, der Mix von Anziehung, Liebe, Abstoßung, losen Gefühlen. Und Gestalten, die das Leben auf seltsamen Wegen bestreiten. Darunter: der Obdachlose, der Großkotz, die Angepassten. – „Schule aus“ schöpft aus langen Schul-, Lebens- und Lesejahren. Aufregend, wütend, zweifelnd, weitsichtig.

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Seitenzahl: 265

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Claus Küsters

 

Schule aus

 

Romanartiger Bericht

 

 

 

K|U|U|U|K

V E R L A G

MIT 3 U

Inhalt

Ein Englisch- und Sportlehrer, der als J oder Johannes und in weiteren Variationen auftritt, wirft den Blick auf das Ganze. Sein Kopf ist voller Wissen, betankt mit der Vielfalt kluger Bücher. Zudem leitet er die Theatergruppe. Es tauchen Schüler auf, die verunsichern. Dazu blasse Lehrpersonen und saftlose Vorgesetzte. Das Bild von Schule wird hier vollkommen ungewohnt gezeichnet. Nach und nach wird klar, wie dieser Mann sich der Welt gegenübersieht, aber sein Ich auch mehr und mehr vom „normalen“ Alltag abtrennt. Das ist eine Art von Rebellion. Seine Zweifel an allem Geschehen, die genaue Beobachtung von Menschen, das stete Verarbeiten, dazu immer wieder sein scharfer Blick auf unterschiedlichste Themen, machen diesen modernen Roman, genauer: diesen roman­artigen Bericht, zu einer Form von Abrechnung, zugleich aber auch Weltdurchleuchtung. Johannes hadert mit dem Organismus Schule. Er gerät vielfach in Konflikte mit dem System ... und dem Ablauf des Lebens überhaupt. Es tauchen auch mehrere Frauen auf: Barbara, Maria, Carmen, der Mix von Anziehung, Liebe, Abstoßung, losen Gefühlen. Und Gestalten, die das Leben auf seltsamen Wegen bestreiten. Darunter: der Obdachlose, der Großkotz, die Angepassten. – „Schule aus“ schöpft aus langen Schul-, Lebens- und Lesejahren. Aufregend, wütend, zweifelnd, weitsichtig.

Autor

Der Autor Claus Küsters wurde noch im Zweiten Weltkrieg – 1942 – im rauchigen Duisburg geboren. Zog mit den Eltern dann nach Essen, wo er Abitur machte, um darauf in Bonn und Köln Englisch, Diplom-Sportlehrer, Literatur und Kunstgeschichte in vollen Hörsälen zu studieren. Danach wollte er ins Grüne – Umgebung bei Pforzheim –, wo er als Gymnasiallehrer dreißig lange Jahre seine Fächer unterrichtete. Dann pensionierte er sich vorzeitig. Zur Zeit schreibt und malt er anderer und sein Leben. Das Leben anderer ist das Interessantere.

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek erfasst diesen Buchtitel in der Deutschen Nationalbibliografie. Die bibliografischen Daten können im Internet unter http://dnb.dnb.de abgerufen werden.

 

Alle Rechte vorbehalten. Insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und Medien – auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere neuartige Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

HINWEIS: Deutsch ist überaus vielschichtig und komplex. Der Verlag versucht, nach bestem Wissen und Gewissen alle Bücher zu lektorieren und zu korrigieren. Oft gibt es allerdings mehrere erlaubte Schreibweisen parallel. Da will entschieden werden. Zudem ergeben sich immer wieder Zweifelsfälle, wozu es oft auch keine eindeutigen Antworten gibt. Schlussendlich haben auch die Autorinnen und Autoren ureigene Sprach- und Layout-Präferenzen, die sich dann bis in die Zeilenabstände, in die Zeichensetzung (u. a. Bindestrich-Setzung), Wortwahl und manche Schreibung auswirken.

 

Coverfoto © Claus Küsters ||| Lektorat: KUUUK

 

E-BOOK-ISBN 978-3-96290-035-9

 

HINWEIS: Es gibt dieses Buch auch als Papierbuch.

 

Erste Auflage Juni 2022

KUUUK Verlag und Medien Klaus Jans

Königswinter bei Bonn

 

K|U|U|U|K – Der Verlag mit 3 U

www.kuuuk.com

Alle Rechte [Copyright]

© KUUUK Verlag | [email protected] und © Claus Küsters

INHALT ZUM KLICKEN

 

Hier direkt ein Teilstück anklicken beim E-Book Schule aus

 

Vorbemerkung vom KUUUK Verlag mit 3 U zum E-Book SCHULE AUS: Der Roman ist ein ganzes, fortlaufendes Stück Text mit sehr oft jeweils drei (!) hintereinanderfolgenden Leerzeilen zwischen den Textstücken. (Man vergleiche die Papierbuch-Ausgabe.) Für das Lesen in einem E-Book ist es aber notwendig, sich schnell zu unterschiedlichen Stellen des Buches weiterklicken zu können. Außerdem sollen die einzelnen Teile eines E-Books auch aus technischen Gründen nicht so datengroß sein. Also gibt es (hier in diesem E-Book zu diesem konkreten Buch SCHULE AUS, vorgenommen vom Verlag) eine Unterteilung in 10 Textstücke ... wohlgemerkt: eine Unterteilung, welche aber mit der Romanidee als solcher ganz und gar nicht in Verbindung steht. Es gilt nämlich: Große Kapitelüberschriften und auch andersartige (z. B. durch Fettdruck) herausgehobene Überschriften kennt der »romanartige Bericht« von Claus Küsters nicht. Es geht hier bei der Aufteilung in 10 Romanblöcke also nur um einen (für ein E-Book üblichen, oft auch notwendigen) Lese- und Klick-Service seitens des Verlages.

 

1.

 

2.

 

3.

 

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10.

 

...

 

 

 

Für Chr.

AUFTEILUNGS-TEIL __1__

 

 

 

Das war ihm in der alltäglichen Berufsnotdurft noch nicht vorgekommen: Zwölfte Klassenstufe, Rückgabe einer korrigierten Englischklausur. Die Schüler waren leistungsmäßig so lala, aber nun wurde einer auch noch kriminell. Nach zwanzig Minuten allgemeinen Brütens über die immer noch erhebliche Fehlerquantität trat dieser da mit dem alterthümlichen Namen Wolfgang neumodisch keck an ihn heran, ihm zu beweisen, dass er ihm fünf Fehler zu viel angestrichen, angelastet hätte. Zum Beispiel stand da: „She don’t see, what it means to“...Des Johannes, des Teachers roter Fehlerstrich lag unter „don’t“, weil es ja „doesn’t“ zu heißen hatte. Nun war aber über „don’t“ das „doesn’t“ als richtig darübergeschrieben und „don’t“ durchgestrichen, sodass es schien, wie in weiteren und ähnlichen Fällen, er habe das Richtige oben ignoriert und die falsche Version dennoch angestrichen. Warf dieser Wolf ihm Bosheit und Ignoranz vor? Ja! Er, der Lehrer, brauchte eine kopfschüttelnde Bedenkpause! Bis ihm eben auffiel, dass Wolfgang sich einen Streich zu viel erlaubt hatte, indem er gerade eben fünf seiner Fehler durch aktuelles Darüberschreiben des grammatisch Richtigen korrigiert hatte und ihm, dem Lehrer, als Anstreichfehler seinerseits zur Last legen wollte. Des Johannes Erkenntnisvorgang dieses Schändlichen hatte 30 Minuten und einen Tag gedauert, nach welcher Zeit der grammatisch ignorante Wolf seine Verfehlung sogar zugab. Grammatisch minder, aber im gemeinsamen Theaterstück schauspielerisch schon jetzt hochbegabt. Er, Lehrer Johannes Weiß, verachtete ihn als kriminell leicht Überführten, brauchte ihn aber dringend als Ausgezeichneten in seinem Theaterunternehmen! Was also? Erst einmal drohen: Sie, Wolfgang, gehen mit mir zum Direktor! (Dümmliche, normale Drohgebärde.) Der W. grinste: Zu dem?! Das ist doch gar nicht Ihre Art. Dann fällt wohl ab jetzt unser Theater weg?!

– Lehrer: Sieht so aus, ist aber noch nicht so. Ich bin allerdings beleidigt, dass Sie mich, Sie Wolfgang, für so dämlich gehalten haben, Ihre Schliche nicht erkennen zu können. Jetzt bin ich hinter selbige gekommen – und was machen wir jetzt?

– Wolf: Wir spielen einfach weiter gemeinsam Theater, und ich lasse etwas Reue und Entschuldigung durchscheinen.

(Kurze Bedenkzeit)

– Lehrer: Sie haben...du hast wohl...ich bin beleidigt, dass du mich für blöd gehalten hast. Lass also etwas Zerknirschung rüberkommen...

– W: Ich bitte um etwas Entschuldigung, Herr Schwarz.

– Lehrer: ...rüberkommen, und wir machen mit dem Kompromiss weiter. Keine Direktorbehörde, Theater anstatt. Außerdem: Mein Name ist Weiß.

– W: Sorry again.

– Lehrer: Keine Entschuldigungsinflation! Bis zur Probe also.

Eine gewisse Freundschaftlichkeit war geblieben. Das Problem war gelöst und uninteressant geworden.

 

 

 

Der Direktor! Es wäre ihm geradezu peinlich gewesen, wenn er gerade den um bestrafende Hilfe gebeten hätte. Dieser beamtete Viereckmensch. Ein Vorgesetzter, der einem einfach so vorgesetzt wird. Weil er als verlässliches Rechteck keine Rundung hat. Passend in jedes politische System. Korrekt bis zur Stacheligkeit für Untergebene, weichlich nickend für jede Weisung von oben. Hier war Herr Weiß in diese Gemütsfalle festgesetzt worden, wo er seine Flexibilität aber nicht verlieren wollte, da war dieser Wolfgang gerade der rechte Test gewesen. Was war nun unaushaltbarer – dieser sich windende Betrüger oder jener senkrechte Ordnungsmensch? Der aushielt ganze Nachmittage in seinem Dienstzimmer, sogar die Rechnungen und Verpackungen des Klopapiers abstempelte und sammelte für Nachfolger als Beweis seiner Scheißbeflissenheit. So einer träumt nie lyrisch, er träumt ordentlich, wenn überhaupt. Denn die Aufgabe des Schlafes ist die pflichtige Erholung, die keine Traumablenkung duldet. Geh ihm aus seinem pfeilgeraden Weg und lächle nur, wenn du ihn passiert hast. Wolf, du kleiner Krimineller, du bist aushaltbar und hast mir gezeigt, wie ich mich wegwenden muss. Am nächsten Morgen stand auf seinem Lehrerzimmerplatz eine Flasche Chevas Regal (Whisky): Wolf war – aha – dankbar und hatte also doch ein wenig Angst vor einer rechtwinkligen Strafe gehabt.

 

 

 

Die Theaterproben gelangen ohne jede Störung. Ein idealer Ort! Wo der sonstige obere Lehrer nur noch Spielleiter ist, und die Schüler lernen und spielen und sich keine Klassentüre hinter ihnen schließt.

– Sagt mal, ihr lernt hier freiwillig Textmengen, gebt Freizeit dahin, warum tut ihr das nicht für die einzelnen „Fächer“?

– Wolfgang: Ach, Herr Lehrer (er grinste), das verstehen Sie nicht! Das hier ist nicht Schule, das hier ist Freihändigkeit! Für uns und ein bisschen auch für Sie und gegen...raten Sie mal!

Dieser Wolf spielte, so jung er war, hervorragend, lässig richtig, als habe er bereits Schauspielunterricht genossen. Brauchte selten Regiekorrekturen und nahm sie an oder nicht. Bedankte sich geradezu nach der Hälfte der Proben bei ihm, da er nun wisse, was er wolle, nämlich Schauspieler werden...wenn ich’s Abitur bestehe.

 

 

 

Schauspielerei kommt überall im Leben, nicht nur auf der Bühne vor, das kannst du generell, du Wolf. Und fürs Abitur lerne halt selbst die Widerspenstigkeiten auswendig und labere sie ohne Theaterbetonung runter, dann sind doch alle zufrieden! Und Mathe…

– Da gibt’s nix zu labern, da pfusch ich mich durch. Manche Texte kann ich einfach nicht. Soll ich Ihnen mal’n paar Tricks…?

– Nicht! Seit Ihrem Bescheißversuch kenn ich jetzt alle, danke!

Diese Theatergemeinschaft in der Schule, aber ohne das Schulische war disziplinmäßig freundlich spannungslos. Kein rangmäßig Oben und Unten, freundschaftlich kumpelhaft im sonst unterrichtsstraffen Gebäude als Gegenentwurf zum immer noch herrscherlichen Frontalunterrichtgezerre. Lernen und kreativ darbieten ohne Notenenge und das Schielen auf kalkulierten Erfolg. Das Atrium, der große Innenraum umrundet von Klassen- und Lernzimmern glänzte, und hier wurden Schüler zu Menschen! Gegen Schule in der Lernanstalt – ach, er wurde sentimental.

 

 

 

Kein Kollege konnte gegen diesen Zustand bestehen. Oder der da? Sie waren alle Herrscher im vorderen Pultdrittel jeglichen Klassenzimmers und erzählten, oder ließen durchblicken, wie überlegen sie alle Disziplinarprobleme meisterten, bis hin zu diesem Typ, der gerne wiederholte: „Meine Schüler lieben mich!“ Warum sagte Johannes es nicht: Ich dich nicht! Niemand liebt oder achtet hier jemanden, jeder war hier ein Herrscher, musste sich durchsetzen, tat es auch oder ging nervlich bergab. Diese Bergabgänger waren gerüchteweise alle bekannt, konnten sich auf ihrem Abwärts aber nicht wie umgekehrt Till Eulenspiegel auf das folgende Aufwärts freuen, denn es gab nur dieses tödliche Hinab. Nicht wenige waren sogar für Gerüchte unempfänglich, gingen geraden Blickes durch alles hindurch, unterrichteten und sonst nichts, blieben immer Privatleute, Ohrstöpsel im Gemüt, waren nach Unterricht sofort verschwunden, fertig. Das, tönte Johannes, waren die hellbraunen Pappkameraden. Äußerlich wie innerlich leer und unansehnlich. Aber funktionsfähig bis zum kleinen Anschlag. Dutzendweise (um Schopenhauer abändernd zu zitieren). Diese Ego-Ausschließlichkeit war Desinteresse am Außen, mitmenschlich, politisch, kulturell – Ich-Monaden überall. Kritikloses Schweigen war der stillstehende Hauptgrund für Beförderung, also gab es wochenlang auch keine Interesse, keine Zeichen der Betroffenheit – ich erzähle das hier zum zweiten Mal –, als 2001 die Türme des World Trade Centers einstürzten und alle Medien von diesem Ereignis überquollen. Dem Johannes schwindelte, man konnte doch nicht so einfach im Lehrplan fortfahren, weil...Doch man konnte! Vier Wochen lang! Bis auf einen Befehl der Oberen Behörde ein Befehl erging, eine diesbezügliche Gedenkstunde für die ganze Beleg- und Schülerschaft abzuhalten! Da war Johannes längst erkrankt und nahm nicht teil. Er war verwundet durch dieses viehisch geplante Verbrechen und die offen sichtbare Beamtenignoranz. Von da an ging’s bergab.

Wegwendung von da, Hinwendung zu Welt und Kultur. Sein einstiges Berufszentrum wurde bloß nastige, nötige Nebensache, witzlos verachtet. Es waren zu viele differente Aktionen oder deren Unterbleibungen, haltlose „Haltungen“, die ihm die Bröckeligkeit der Welt vor Augen stellten, atemloses Privat-Hin-Her, er war nicht mehr bloß Zuschauer, jetzt hatte es ihn zentral erwischt! Selbst der da, den er für etwas gehalten hatte, hatte geschwiegen.

– Johannes: Warum?

– Der da: Weiß nicht. Wäre wohl störend aufgefallen.

– J: Störend ist das Wort! Und bei mir bist du, sind Sie, allerdings unliebsam aufgefallen, ihr hier in eurem Hasenkäfig! Ich werde schockkrank und ihr schafft und schlafft weiter wie immer!

– Ach du, mit deinem ewigen Kritikmatsch!

– J: Ach ihr mit eurer faden Trantütigkeit, ihr tränt daher und wacht ja nur auf Befehl der Behörde auf. Ihr studierten Hohlkörper. Kein Wunder, dass es keine Vorbilder mehr gibt, Abziehbilder seid ihr! Und jetzt hopphopp in deinen Unterricht, du bist schon zu spät! Das fällt auf und wird gerügt, und dann wirst du nicht befördert...Hau ab!

Hier wieder ein Bröckelchen, das weggebrochen war. Er hatte seine Enttäuschung nicht zurückgehalten, und jetzt war er allein, die anderen kramten vor sich hin. Erst sammelt man Bekannte, manche als „Freunde“, bis sie alle zurück als lose Bekanntschaften enden. Selber schuld und Ursache. Und wenn er dabei noch mit einer dieser weiblichen Randständigen geschlafen hätte, so wäre die Enttäuschung besonders groß gewesen wie die Wut auf Blindheit und seine Lust. Also vermeiden bis zum eigenen Zölibat! Es ist egal, welches Bröckelchen man nimmt, sie führen in alle Richtungen, aber keineswegs nach Rom. Nicht selten sehnte er sich glatt konservativ nach einem Rom, so wie alle AfD-Wähler nach dem erneuerten Nationalstaat mit „Wir sind das Volk“. Volk seid ihr schon, aber das Pack-falsche! Das Bedeutsame an dem Weggebröckelten ist, dass die Splitterteile sich nie wieder vereinigen. Totale Zerstörung! Man passt nicht zusammen, fertig! Ich, Johannes, gehe nicht mehr auf die Suche, denn wer straff sucht, findet nicht, ich hoffe auf den kreativen Zufall. Das ist mein trostloser Satz, gefährlich einseitig.

Es kam so: Dieser Wolf-Schüler fehlte drei Tage, erzeugte fragende Blicke, identisch-ignorante Sätze. Der Obere wusste mehr. Man hatte W. festgenommen wegen versuchtem Ladendiebstahl und Unterschriftenfälschung. Der war also einer, der in verschiedene Verhaltensbrocken zerfiel.

 

 

 

Und das Theater, das verlogene, passte ihm genau in sein verlogenes Kriminalleben! Der Wolf zerfiel gar nicht in verschiedene Verhaltensteile, er war eine theatralisch-kriminalistische Einheit, die so log, wie die Verstellung in eine Rolle auf der Bühne und im sog. normalen Leben nötig macht.

Für ihn war „All the world’s a stage“, nur dass das Außerbühnische direkt an die Polizei grenzt. Johannes verstand es so und tat ihm so kein Unrecht. Wolf war die Einheit von Kunst, Recht und dessen Gegenteil, dem rechtmäßigen, spielerisch erlaubten perfiden Theater und dem unrechtmäßigen Kriminellen, der traut sich das eine wie das andere, nur dass man wegen lüstern-lügigem Schauspiel nicht verhaftet wird. Der Wolf ging ab jetzt seinen eigenen Gang. Theater und Krimi(nalität) passen gut zusammen: Bist du kriminell, brauchst du auch Theatertalent.

Er blieb mir sympathisch. Das einzige Fruststück für mich war, dass ich nun meine eigenen Texte zu lernen und zu spielen hatte. Lernen durch dauerndes Wiederholen hatte ich, weil mir langweilig und anstrengend, vermeiden wollen, deshalb lieber selbst schreiben, das strengt kreativ heiter an, dann Regisseur spielen, der den Text nicht auswendigen musste. Ich Regisseur war also der Kreativste und Faulste von allen! So ging es dahin, und die zwanzig plus Unterrichtsmethoden hatte ich auch schon alle durch, da musste…! Es blieb nämlich und stieg das alltägliche Grauen, die immergleiche Thematik des Zähneputzens und all dieser Paraphernalia. Mal was Neues bitte, und meinen theatralischen Kriminellen besuchen, der sich auch nur aus Langeweile verabseitigt hatte.

 

 

 

– Diese neue Kollegin hat dich ja in der Konferenz ganz kaltböse kritisiert wegen deiner Oberstufenmeinung. Die ist für dich doch sicher schon gestorben.

– Ach, so schnell stirbt man bei mir nicht. Denn – so gar nicht nebenbei – haste nich ihre tolle, ich sage, höchst ansehnliche Figur gesehen?!

– Hab ich.

– Unbeamtisch attraktiv!

– Aber sie ist Sportlehrerin.

– Aber?

– Du weißt schon.

– Aber sie ist nicht sportlich stramm schön, sondern aesthetisch erotisch.

– Ob sie das weiß?

– Was hast du gegen Sportler?

– Sind so diesseitig. Ich zitiere dich bloß.

– Ich hoffe, sie gibt mir ihre aestheterotische Chance. Außerdem…

– Sei still, da kommt so keiner Einer!

 

 

 

Was Neues bitte, und ach ja, – an die neue Kollegin hatte ich mich auch noch nicht rangemacht. Tu es, bevor dieser sexdominierte, unterjochte Typ dir zuvorkommt. Ich versuchte also einen Ausbruch aus dem akkumulierten Kleinkarierten, da gibt’s keine ordentliche Tür, da bricht man durch Wände, die anfänglich nur aus Sperrholz sind, während, schmerzlicher, meine schon aus Stein waren. Der Beruf war zum bloßen Job geworden, das ist ja schon das Ende am Anfang meines Tagebuchs. Das Diary soll meine bewusstseinssteigernde Maßnahme sein, selbst wenn nur Tagesidentisches notiert wird. Doch weiterhin gilt, Lebensabwechslung als belebende Sensation selbst zu generieren. Es gelingt selten. Oder man wartet, bis etwas von Außen in einen hineinfällt, wird bewegt und ist dankbar. Tagebuch also, dass du immer nur mein belangloses Leben in dich hineinfrisst, nie kommentierst, nie hilfst und immer gleichbeschriebenes Papier bleibst. Kein Dialog, Repetition bloß, die niemanden, nicht mal mich, morgen interessiert. Lebensbrocken werden erinnert als Wechsel von Aktionen und Nichts. Wozu? Verdopplung und Ansammlung von Geschehenem und dem Gefühl von beklagenswerter Ödnis als vollzogene Sekundäraktivität. Kurze Befreiung von langer Weile. Weitere Therapie erwarte ich nicht. Ich bespiegele mich. So analysiert erscheint es mir von vornherein als unnötig. Jedenfalls hab ich den negativ aktiven Wolf schon mal schreibend festgehalten, weil er ein herausgefallenes Bürschchen ist. Mal besuchen, denn es ist zweifelhaft, ob er nochmal zu uns zurückkommt. Möglicherweise eignet er sich auch für andere Schandtaten...auch Verbrecher haben eine Entwicklung, allerdings hinab in immer größere Tiefen (stelle ich mir vor). –

Natürlich gab es für Johannes auch eigenartig heitere Schulereignisse, die sich in seiner Erinnerung ansiedelten. Dieser Andreas: Trug seine Verachtung für Mitschüler und Lehrer mit sich herum und vor sich her. Johannes hatte den Eindruck, dass er selber davon ein wenig ausgenommen sei. Jedenfalls lagen die schriftlichen Klausurnoten des A. weit unter dem, wofür Johannes ihn für fähig hielt. Der Schüler missachtete alle staatlichen Lernanforderungen und fühlte sich frei und überlegen. So hätte er auch lebenslang im Kindergarten bleiben können. Johannes hielt diese Haltung für änderbar und bat A. zu einem persönlichen Gespräch am Ende des morgendlichen Unterrichts. Der A. kam sogar pünktlich.

– Johannes: Ich sehe Ihre Verachtung für alles und alles, was Schule und öffentliche Arbeitserwartungen betrifft. Sehe ich da richtig?

– Andreas: In etwa.

– J: Man sagt hintenrum, Sie seien ein Alternativer, der keine Alternativen hat.

– A: Der Spruch stammt von mir selber. Ich suche ein bisschen. Aber nicht mehr lange.

– J: So früh am Ende?

– A: Halbzeit.

– J: Wir diskutieren hier jetzt nicht Ihre Gründe, aber für unser beider Fach Englisch weiß ich, dass du bei etwas weniger Pessimismus erstklassige Leistungen erzielen könntest!

– A: Ist das ein Ziel?

– J: Wir beide sind uns näher, als bisher bekannt. Tu’s einfach für mich. Ohne dir zuwidrige Angeberei. Für mich und dich!

– A: Okay.

Danach sprachen sie nicht mehr viel privat miteinander, die speziellen fachlichen Leistungen des An­dreas aber wurden „Sehr gut“.

 

 

 

Wo war die neue und außer-ordentlich attraktive Kollegin?

Man hatte sie zu vertreten.

 

 

 

Etwas weiteres Heiteres sollte es sein. Dieser dicke Kollege war gut aufgelegt, erzählte kichernd, er habe einmal eine grammatische Erscheinung des Englischen mit den Grammatikvorschriften eines ganz anderen Kapitels erklärt und fast über diese Missleistung auch noch eine Klassenarbeit geschrieben, hätte nicht sein bester Schüler, quasi von oben herab, ihm seinen Fehler nachgewiesen. Johannes kam das nicht heiter, sondern peinlich vor, da die jobmäßige Gleichgültigkeit hier schon in dünnflüssige Unfähigkeit hinab war. Der Dicke aber lachte weiter, Johannes staunte weitgeöffneten Auges. Der da fuhr fort, er werde morgen „eben mal“ Shakespeare’s Macbeth in Kürze durchmachen: „Fair is foul, and foul is fair, hahaha!“

– J: Tu das, deine Stunden scheinen ja mehr foul als fair zu sein, aber William verträgt auch das und walzt dich auf Papierdicke nieder. Die Schüler vertragen’s weniger. Du hast also damals grammatisch gesehen die Reifung der Pflaume mit dem Liebesleben des Rhinozeros erklärt. – (Aber warum erzählt er mir freiwillig seine Schwächen? Ist er voll billigem Whisky aus seinem bevorzugten Discount?)

Freiwillig, weil ihm inzwischen alles egal war, er grinsend neben sich stand und nichts mehr ernst nahm, sich selbst ausgenommen. Zerfall in seine vielen Fett-teilchen. Die Schulinstitution wird also nur noch durch die gängige Bürokratie zusammengehalten, nicht durch die in ihr und durch sie Beschäftigten. Die sind längst „angekommen“, innerlich aus Gewohnheit fertiggerundet glatt. Wozu also der Beamteneid am Anfang einer Karriere, die keine ist?! Was bleibt, ist bloße Beschäftigung mit seinsverankerter Unkündbarkeit und dem typischen Streikverbot. Johannes zählte dies alles dem trägen Schwergewichtigen nicht auf, es hätte ihn nicht befeuert, da er ja längst ausgebrannt war. Ein „tiefes“ Interesse war ihm doch geblieben: Die Billigpreise bei Aldi und Lidl.

 

 

 

Der Johannes erzählt mir sporadisch über seinen Job, der ihm mal Beruf hätte sein sollen. Seine neue schöne usw. Kollegin war nach kurzem pädagogischem Vorspiel nicht wieder erschienen. War sie zum Film gegangen? Zu welchem Genre? Porno? Damit kann Johannes nicht umgehen, obwohl er sich als unprüde bezeichnet. Und ganz unprüde war er scharf auf sie gewesen und folgte nun allen Gerüchten oder Fakten, die sie betrafen. Denn der Unterricht war ihm zweitwichtig geworden, die Lernanstalt ablenkend erotisiert. Er fragte den Direktor und gab vor, sie als Germanistin geschätzt zu haben, eine Lüge, denn die Schätzung beruhte unruhig ja nur auf auf dem so inspirierenden Mann-Frau-Kontrast. Johannes also hörte betroffen, sie sei – der Chef sprach leise – psychisch erkrankt, und niemand wisse, wann sie wiederkäme. Hannes wollte sie besuchen und sagte mir, nur solche Extremfälle rechtfertigten zudem sein Tagebuch als Erwähnung des Un- oder Wideralltags, von Enttäuschungen, Furcht und Herausforderungen. Sie also nach so kurzer Lehrerzeit schon an diesem Ende?! Aber bei ihr gingen überraschenderweise, sagte Johannes, Attraktivität und Intellektualität zusammen, eine seltene Kombination! Die sonstigen Kolleginnen, Schimärenfrauen, durchaus lieb, fachlich befriedigend, meist unbemannt und trockennormal. Zwei wurden hemmungslos als „Fräulein“ angeredet, eine sprachliche Männerbarriere. Sie vertrockneten vor sich hin, und selten wurde bemerkt, dass sie überhaupt noch da sind. Außer mit solchen Extrabeobachtungen, sagte Johannes, werde sein Tagebuch mit nichts gefüttert, was zeige, dass er auch schon vertrocknet. Bröckelige Einzelerwähnungen, Einzelteilchen, die zu keiner kausalgelenkten Handlungskette zusammenfließen. So kam es bei einigen dieser Nebenkollegen mangels Kontakt dazu, dass er sie wieder sie-zte und dabei blieb, wo doch das „Du“ ihn anfänglich in die hiesige Gemeinschaft aufgenommen hatte. Also unfreundliche Kontaktumkehrung, betroffen machend, da er die anderen zu den Anderen machte, zu bloß automatischen Bekanntschaften degradierte im Nachhinein. Es wurde nicht bemerkt, oder wenn, dann wurde es hingenommen.

 

 

 

Heiterer Witz ist ein prekäres Gut, schmerzlich, wenn er ganz fehlt, schwierig, ihn als durchgängige Stimmung aufrecht zu erhalten. Nichts und besonders sich selbst gilt es nicht als anmaßend ernst zu nehmen. Der Humor wohnt gemütlich nebenan, aber er macht keinen Nachbarlärm. Sein Tischnachbar im Pausenzimmer zum Beispiel blickte immer ernst als Mathematiker, und meinte abwiegelnd gegen des Johannes Statement: „Aber Gödel und andere waren doch reine Mathematikphilosophen!“ – meinte also, dass Mathe bloß ein Hilfsmittel sei und „sonst nichts“. Das war eng gedacht. Und die (ungelöste) Frage, ob sein „Fach“ und die Naturkonstanten etwa Gottesbeweise sein könnten, entglitt total seinem Interesse. Er hätte auch „alles Blödsinn“ sagen können. Völliges Desinteresse war der Unwitz seines Wesens.

– Ich schließe die Berechnung mit doppelt unterstrichenem Resultat ab, und darauf kommt es an. Mathematik sagt immer: Basta!

– Ach was, stichelte Johannes, und schon hatte er einen Freund weniger, der ins Unbekannte sich verlor, basta!

Witzlosigkeit ist grau und holperig wie eine Römerstraße, aber doch nicht so weitführend wie sie! Witz ist keine Witzelei und das Gegenteil vom Witz­erzählen. Nein, hier war der Job ernstmatt, erspritlos. Trockenheit bis zur Verwelkung, er spürte es auf der Zunge, am Gaumen. Johannes fiel, wie er hier gefangen war, kein erlösender Witz über die hiesige auch frauliche Mannschaft ein, in der doch jeder sich und sein Fach für erschöpfend wichtig hielt. Nur immer erinnerte er jenen weltkürzesten Försterwitz: Treffen sich zwei Förster. Beide tot. – Könnte es sowas Ähnliches auch für die hier…? Treffen sich zwei Pauker in der Sauna. Sagt der eine: Ist mal ganz schön, so unbedrängt nackt zu sein. Der andere: Endlich mal ich selber! Oder: Nackt sind wir doch bei unseren Disziplinlümmeln tagtäglich...A: Warum sind Sie Lehrer geworden? B: Ich war schon immer schlecht in der Schule. Dabei bin ich geblieben. – Kaum witzig, so passte Johannes hier hin. Und der Psychiater sagte ihm noch dazu, dass regredierende Jobakzeptanz „typisch für Pädagogen“ sei. Hannes also als bloß grassierender Typ, jobmäßig eingepasst, selbst mit seiner Fluchttendenz. Und auch meine vielen und großen Ferien sind nicht meine, sondern der Jugend der Schüler und der gängelnden Behörde zu verdanken.

 

 

 

Bei der schriftlichen Abiturprüfung 19hundertsoundsoviel kippte passend zur Tragik der geforderten Deutschthemen eine Schülerin (18) psychisch überanstrengt bewusstlos vom Stuhl, und sein Co-Aufsichtskollege jammerte: Machen Sie das, Sie sind Sportlehrer...ich meine wegen Erster Hilfe! Er zog sich rückwärts an die Wandtafel gepresst zurück. Johannes leistete also die allererste Hilfe und tröstete, dass das Mädchen ja die Deutschklausur nachholen konnte, no problem! – Heiterer ging’s auch: Dreizehnter Jahrgang, die besonders Attraktive hinten links, die ein Verhältnis mit diesem anderen Sportheini haben sollte – wie man flüstern hörte –, stand schwankend auf, lächelte halb, wankte zur Tür, um dort zusammenzusacken – oder: ...und sackte dort bewusstlos zusammen.

Ich war verblüfft, nicht geschockt, also handeln! Ich nahm sie auf beide Arme, ihr Lächelkopf sanft nach hinten, sie auf ihren Platz, auf den inzwischen geräumten Tisch zu legen. Man kann eine Schülerin nicht vor einer Tür liegen lassen. Dreißig Sekunden. Sie, die Schöne, legte langsam ihren freien Arm lasziv um meinen Nacken und küsste mich wie klebenbleibend auf den Mund. Der wehrte sich nicht. Etwas zog lüstig durch meinen Leib, interessierte Stille der anderen Weiber um uns herum, das also geht untergründlich durch diese Hirne und Körper selbst hier im Beton, gegen diese Rohputzmauern. Alles bleibt und blieb unter uns, dreizehnter Jahrgang, wir wissen Bescheid. Ich bettete sie auf den Tisch, sie erhob sich, setzte sich auf ihren Stuhl, lächelte, legte den Kopf auf ihre auf dem Tisch verschränkten Arme, Ende, alles gut, bestens! Ich schickte zwei Schülerinnen um kaltes Wasser für ihre Stirn.

– Ich frage: Wollen Sie nach Hause...soll ich Krankenwa…?

– Sie: Neinnein, danke, geht schon, ich mach jetzt meine Pause, gleich kommt Mathe, die will ich eh nicht…

Jede hatte alles gesehen, es war, als ginge ein verstehendes Lächeln durch die Klasse, wortlos, ich tat unbetroffen, fühlte mich hier in diesem Betonbau plötzlich anders an unvermutetem Ort, Ende der Stunde.

 

 

 

Es gibt vieles jenseits von Beruf und Job. Man muss nur gewärtig sein, dass es nicht von Letzteren weggesogen wird, sodass es nicht einmal mehr in den cerebralen Wunscharealen vorkommt. Ein Jenseits vom Dauernden, vom Alltag, soll bleiben bis zum Sündhaften, dem das Sündhafte abhanden gekommen ist! Anti-grau. A-religiös. Hinweg, dann hingeneigt zur Natur, der Erweiterung, der schillernden Lust! Dann sind „Sonst“ und „Dennoch“ Freunde. Kurze Ereignisse, jenseitige Stunden, in die ich eintauche, aus denen es mühsam unwillig aufzutauchen gilt. Das „Sonst“ ist neu zu lernen!

 

 

 

Die Sommerferien waren zu Ende. Die Zähne waren wieder zum Zusammenbeißen. Was war geschehen, etwas Besonderes? Man kann es als Typisches zusammenfassen, man berichtete:

– Der Urlaub war wun-der-schön! Alles bei der Hand! Hotel hervorragend. Der Bus hat uns jeden Morgen zum Strand gebracht. Stundenlanges Nichtstun…

 

 

 

– Oder: Der Strand war leider zweieinhalb Kilometer entfernt, da haben wir eben den tollen Hotelpool genommen. Essen sehr gut. Sonne jeden Tag (oder: etwas zu heiß, aber sonst ging’s).

– Johannes: Was habt ihr denn so gemacht den Tag über?

– Nix. Gesonnt, Zeitung vielleicht, aber ich kann kein Spanisch, geschwommen, gegessen, nix…

– Joh: Aha. Nix. Ganze Menge.

– Erholung.

– Nix ist Erholung?

– Was sonst?!

– J: Dann wird, wie ich anderweitig und nicht selten hörte, der neue Schulbeginn zur Bedrohung.

– Ja. So.

– J: Beruf als Job wird Scheißäktschen. Und was macht das Hirn im Nix?

– Nix.

– J: Es schlenkert mitte (mit den) Beine als Restbewegung. Ihr seid Touristen.

– Genau. Alle um die Zeit. Ist doch erlaubt.

– J: Nee.

– Wieso?!

– J: Dutzendware.

– Ja, billig war’s grade nich, aber wir ham’s uns gegönnt. Und jetzt wieder das Übliche.

– J: Der Urlaub ist ja auch immer das Übliche. Üblich erholsames Nichts.

– So isses.

– J: Kein „Sonst“.

– Wat sonst? Das Reisebüro hat alles besorgt. Plus Extras.

– J: Entertainmant als Schutzparavent vor Selbsterkenntnis.

– Was?

Johannes hatte mal wieder seine unbefriedigte, kritische Sau rausgelassen. Die, da Sau, doch nichts ändert in etwa unsäuischen Zustand hinein. Hannes lernt und akzeptiert das nie.

 

 

 

Der Krimi-Wolfgang war zu Hause, wartend auf seine Gerichtsverhandlung. Begrüßte den Johannes freundlich, weil der ihm ja damals die Strafe erspart hatte, die ihm in anderer Form jetzt drohte: Diebstahl, Urkundenfälschung. Er machte also richtungsmäßig so weiter, wie es mit dem kleinen Betrug in der Schule angefangen hatte. Der Beginn seines erwachsenen Lebens war eindeutig verfärbt. Es sei ihm, sagte er, alles „als was anderes im Vergleich zum Alltag vorgekommen, aufregend interessanter, das Normale hält man ja nicht aus, ich halte das nicht aus!“

Und so lieferte er dem Johannes keine Entschuldigung, sondern eine halbwitzige Erklärung seiner abseitigen Bedürfnisse. Die würden bleiben, wie Wolf’s Grinsen bestätigte, und so würde dessen Leben – stellte Johannes sich vor – im Wechsel von langweilendem Gefängnis und ebensolchem Leben in sogenannter Freiheit ablaufen. Immer unzufrieden. Leben im Wechsel ohne erhöhte Gefühle, berufs-, ziellos herumschlenkernd. Wolf grinste weiter. Sein Leben als lügender Schauspieler in changierenden Strafbarkeitsrollen. Das habe er, sagte er, beim harmlosen Schulschauspiel gemerkt, diese Schulverpflichtung habe er hinter sich gelassen, „ohne dass vorne alles klar ist – und alles ist ja nie klar“. Dem Johannes erlaube er, ihn in irgendeinem Zuhause oder in jeweiligen Gefängnissen zu besuchen. Das Gespräch glitt ins Absurde, aber Wolf hatte sich je länger, desto tiefer in diese Gedanken festgebissen. Johannes wusste anschließend nicht mehr, wie ernst alles Wölfische gemeint war, verabschiedete sich aber mit betontem „Auf Wiedersehen!“.

– Wolf: Die moralischen sind so langweilig wie die Naturgesetze. Ich will da raus. Aus allem!

– Johannes: Wohin?

 

 

 

Tagebuch:

Was hatte dieses spezielle Wolfs-kraut mit „da raus“ gemeint? Ich kann mich nur auf meine eigenen Gedanken berufen. „Da“ heißt bei mir „aus allem raus“, aus diesem Leben, ablehnend auch aus einer etwaigen Ewigkeit mit vorgelagertem Gericht, wie bekannt aus hiesigen Religionen. Danach soll also nichts mehr „sein“! Hier gelingen kann nur der Selbstmord, das ewig Weitere wird sich als möglich nachtodliches Faktum dann nicht vermeiden lassen. „Da“ kommt man eben nicht ganz raus, wir sind irgendwo „drin“, wie es scheint – aber nur „scheint“. Und jeder Suizid nimmt an, dass nach hiesiger Lebensablehnung alles gelöscht ist. Das hieße, dass vor der Geburt nichts war, und nach dem Tod nichts sein wird. Und welch seltsame Qualität hat dann dieses Lebensintermezzo mit all seinen Spiel- und Kriegsarten, Moralitäten und Verpflichtungen?! Es wäre bloß eine Anhäufung von Dingwerk, Bröckel­events und Stückwerkgedanken mit Meta sogar, gleichgültig, wie man diese Ansammlung zubringt. Gleich-gültige Handlungskumulation. Und das Tagebuch ist bloß die diesseitige Memorierung belangloser Lebensteilchen, was man auch unterlassen könnte, denn es kommt ja nichts nach, und niemand ist interessiert. Einen „letzten Sinn“ gibt es nicht, und man steht vorn und am Ende verlassen und löst sich in Null, Zero, Nill, nothing at all auf – Bezeichnungen, die immerhin hier, vom Nichts umschlossen, noch existieren.

 

 

 

Johannes ist – seinen nichtigen Gedanken entgegen – mal wieder in die Kirche gegangen für irgendeinen Trost, wozu er bereits die dauernegativen Nachrichten, News, seit einer Woche vermieden hatte. Katholisch würde er wohl immer bleiben, da die gepredigte Aussicht auf eine gnädig gewährte Ewigkeit tröstlich „besser als nichts“ ist. So predigte der Pfarrer eindringlich wieder gegen den gesellschaftstötenden Egoismus, denn Jesus habe gesagt und gezeigt, dass...undsoweiter. Die Messe nahm ihr Ende und man stand vor der Kirche in Grüppchen beieinander, Johannes mit Pfarrer und anderen Wortführern. Der Lauteste gab ein Lebensstückchen von sich, das er nur erfolgreich bestanden habe, „indem ich mich auf mich selbst besann, alles ablehnte und nur mein Ich bestimmen ließ – da war ich ganz Ich, verdammtnochmal!“

– Aber, sagte Johannes grinsend, da haben Sie sich ja genau entgegen der Aussage der eben gehörten Predigt verhalten, die doch den Egoismus überwinden wollte!

Der Mann stutzte, lächelte quer, „denn“, sagte Johannes böse, „was in der Kirche gepredigt wird, gilt schon kurz außerhalb derselben nicht mehr. Oder?“

– Was Sie da sagen…

– Jaja…

– Sie sind zu radikal. Man muss das nicht so…

– Johannes: Herr Pfarrer, ich schlage radikal vor, die Predigt und das Neue Testament wegzulassen.

Man ging auseinander dem Mittagessen entgegen.