Schule für Kinder mit besonderen Begabungen: Das Weltalter der gefangenen Königin - Florian Rattinger - E-Book

Schule für Kinder mit besonderen Begabungen: Das Weltalter der gefangenen Königin E-Book

Florian Rattinger

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Beschreibung

Nachdem sie ein antikes Königreich vor dem Ruin bewahrt, einen dubiosen Händler hinter Gitter gebracht und einem Verbund krimineller Zauberer das Handwerk gelegt haben, steht den vierzehnjährigen Freunden Magnus, Sheri und Gino nun ein neues Schuljahr voller Abenteuer bevor. Eine Klassenfahrt führt das Trio auf die ferne Insel Madoroco. Sheri verlässt ihre Komfortzone, um sich in einem Wettstreit musikalischer Größen zu messen und die Truppe erkundet den neugebauten geothermischen Tunnelschacht der Schule für Kinder mit besonderen Begabungen – noch vor seiner offiziellen Eröffnung. Immer wieder bekommen es die Achtklässler dabei mit den Rittern der Knoten zu tun: mächtige Gegner, die das Ziel verfolgen, eine vergessene Königin aus ihrem Gefängnis zu befreien. Nach und nach kommen Geheimnisse ans Licht, die den Freunden offenbaren, was sich vor 20 000 Jahren in der Verbotenen Zone Lorislands wirklich zugetragen hat. Böse Mächte agieren aus dem Schatten. Um sich ihnen zu stellen, sind Magnus, Sheri und Gino auf die Unterstützung starker Verbündeter angewiesen. Denn sollte der Aureum Queen die Flucht gelingen, stellt das eine Gefahr für alle 1344 Welten dar.

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Seitenzahl: 461

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Ginos Abenteuer
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Zwischen den Abenteuern
Sheris Abenteuer
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Zwischen den Abenteuern II
Magnus‘ Abenteuer
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Zwischen den Abenteuern III

Alle Rechte an der Geschichte liegen beim Autor.

1. Auflage 2023

Copyright © 2023 Florian Rattinger

Cover Gestaltung » Ahmed Sahil

Illustrationen » Ana Povedano

Verlag (Self-Publishing) » Florian Rattinger

c/o Block Services

Stuttgarter Str. 106

70736 Fellbach

Lektorat » Magdalena Rattinger

Vertrieb » epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Sämtliche Privatpersonen und Handlungen sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit realen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Buchbeschreibung:

»Das Weltalter der gefangenen Königin« ist der zweite Band der Reihe »Schule für Kinder mit besonderen Begabungen«. Er vereint drei neue Abenteuer der Freunde Magnus, Sheri und Gino zu einem kompakten Band. Dieses Mal bekommt es die Truppe mit der Aureum Queen und ihren Rittern der Knoten zu tun. Die Schurken spinnen einen Plan, der eine Gefahr für die Mannigfaltigkeit der Welten darstellt. Die drei Freunde setzen alles daran, zu verhindern, dass die vergessene Königin aus ihrem Gefängnis entkommt. Ansonsten droht ein großes Unheil.

Über den Autor:

Florian Rattinger kam 1989 im schönen Deggendorf, am Rande des Bayerischen Walds, zur Welt. Seit er schreiben kann, werkelt er an Geschichten. Bevor er sich daran machte, Kinder- und Jugendbücher zu verfassen, studierte er das Lehramt für Grundschule an der Universität Passau. Er war Lehrer im Landkreis Landshut und in München. Seit fünf Jahren lebt und arbeitet der Autor mit seiner Familie im beschaulichen Ostalbkreis. Florian Rattinger ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Florian Rattinger

Schule für Kinder mit besonderen Begabungen

Das Weltalter der gefangenen Königin

Roman

Ginos Abenteuer

1

Der Flughafen ist voller eifrig umherlaufender Leute.

Während die meisten von Magnus‘ Mitschülern bereits vor dem Terminal ihres Flugzeugs warten, ist der junge Zauberer noch damit beschäftigt, sich von seinen Eltern zu verabschieden.

„Schreib mir auf jeden Fall eine Postkarte, wenn du angekommen bist, ja?“, trichtert Opal ihrem Sohn ein. Sie hält den Kopf des 14-Jährigen fest in den Händen. „Nein, zwei. Nein, schreib mir jeden Tag, wie es dir geht. Und ruf an. Es ist ganz egal, wie hoch die Roaming-Kosten sind. Wenn es dir an irgendetwas fehlt, dann will ich das wissen. Hast du das verstanden?“

„Ist ja gut, Mama“, sagt Magnus. „Weißt du, das hier ist mir gerade ein bisschen peinlich.“

Magnus versucht, sich aus dem Klammergriff seiner Mutter zu lösen. Doch damit erreicht er bloß, dass Opal ihren Sohn noch fester drückt. Sie gibt ihm einen Kuss auf die Stirn und wuschelt Magnus‘ schwarze Haare, bis seine lockige Mähne in alle Richtungen absteht.

„Mama!“, stöhnt Magnus. „Ich bin kein kleines Kind mehr.“

„Da gebe ich dir Recht!“, sagt Melefer.

„Du musst keine Angst, um deinen Sohn haben“, sagt Melefer zu seiner Frau. „Er hat bewiesen, dass er mit viel größeren Problemen umzugehen weiß als eine Studienfahrt ins Ausland.“

„Er ist trotzdem noch ein Junge“, widerspricht Opal.

„Ja, ein Junge, der sich mit einem Verbund kriminieller Magier angelegt und mich aus ihrer Gefangenschaft befreit hat“, sagt Melefer stolz. Bevor seine Frau weitere Einwände erhebt, fügt Magnus‘ Vater an: „Außerdem sind seine Freunde dabei. Was soll da schon schief gehen?“

Magnus stimmt seinem Vater zu. Er fühlt sich ein wenig erwachsener. Das liegt unter anderem auch daran, dass ihm seit den Sommerferien der erste sanfte Flaum im Gesicht wächst.

Opal sieht ein, dass es keinen Sinn macht, zu streiten. Roland Feynmann – Magnus‘ Rektor – hat die Studienreise organisiert (außerdem fliegt er selbst mit). Sie gehört seit Jahren fest zum Programm der Schule für Kinder mit besonderen Begabungen. Das einzig Ungewöhnliche ist das Verkehrsmittel, mit dem Magnus und seine Mitschüler dieses Jahr auf die Insel Madoroco, mitten im Indischen Ozean, reisen. Es ist ein Passagierflugzeug-Düsenjet, den Sheri Dorli – eine von Magnus‘ besten Freunden – entworfen und gebaut hat. Die Klassenfahrt ist gleichzeitig der erste große Testflug der Maschine.

„Hier!“, sagt Melefer und überreicht seinem Sohn ein kleines Quadrat aus bunt schimmerndem Papier. Man kann es wieder und wieder auffalten. Mit jeder Seite ändert sich das holographische Muster der Glitzerfolie.

„Was ist das?“, fragt Magnus.

„Man nennt es Flexagon. Es ist ein Quadrat mit sechs verschiedenen Flächen, das aus insgesamt 24 Teilen besteht. Es funktioniert so ähnlich wie ein Zauberwürfel. Nur, dass es platt ist.“

„Papa, ich bin aus dem Alter raus, in dem man mich mit Fidget-Spielzeugen beschäftigt!“

„Das ist kein Spielzeug“, antwortet Melefer mit einem breiten Lächeln.

„Dieser Gegenstand ist magisch. Du kannst ihn nutzen, um Erinnerungen aufzubewahren. Du könntest zwar auch Bilder mit deinem Handy machen, aber wieso gewöhnlich fotografieren, wenn es auch extravagant geht?“

„Damit kann man Erinnerungen einfangen?“, wiederholt Magnus und betrachtet, nun doch etwas gespannt, das glitzernde Papier.

„Die Anleitung habe ich dir in den Koffer gepackt“, sagt Melefer.

Magnus steckt das Flexagon ein und umarmt seinen Papa. Seine etwas neidische Mutter schmiegt sich an ihre Männer. Auch, wenn Magnus schiefe Blicke von Tim de Baal – dem Sport-Ass der Schule und seiner neuen besten Freundin Cosima Wendigo (einer der beiden doofen Drillinge) kassiert, ist ihm das im Augenblick ziemlich schnurz.

„Opa wäre stolz auf dich“, sagt Opal, nachdem sie ihren Sohnemann losgelassen hat. Sie hat mit Tränen zu kämpfen.

Magnus guckt, als hätte er einen Schluck saure Milch getrunken. Sein Großvater Ignaz hatte Melefer vor fünf Jahren in den Stern des Osiris eingeschlossen. Erst vor einem halben Jahr war es Magnus und seinen Freunden gelungen, Melefer zu befreien. Seither sitzt Magnus‘ Großvater im Gefängnis. Seine Großmutter Eugenie hat sich nach seiner Verurteilung scheiden lassen und wohnt nun allein in einem riesigen Anwesen.

Ist es da verwunderlich, dass Magnus nicht sonderlich gut auf seinen Großvater zu sprechen ist?

„Ich bin mir sicher, er wäre es“, stimmt seltsamerweise auch Melefer zu.

Seit Wochen durchforstet er schon das Arbeitszimmer seines Schwiegervaters, auf der Suche nach Indizien, die Ignaz‘ Verhalten erklären würden. Melefer geht außerdem davon aus, dass Ignaz bei seinem Plan Hilfe hatte.

Seinen Sohn hat er in seine Überlegungen bisher nicht eingeweiht. Melefer ahnt nicht, dass Magnus über die Forschungen seines Vaters voll im Bilde ist. Er hatte beim Aufräumen Melefers geheime Notizen entdeckt.

Statt zu antworten, lässt Magnus es darauf beruhen.

„Kommt ihr bitte alle!“, ruft plötzlich ein Mann mit grauem Wikinger-Bart. Er trägt ein buntes Shirt mit Blumendruck, kurze Hosen und Sandalen. So leger hat Magnus Professor Feynmann – den Rektor seiner Schule – noch nie erlebt. „Das Boarding beginnt bald. Nicht, dass wir jemanden vergessen.“ Professor Feynmann ist in Begleitung des neuen Astrochemie-Lehrers Herr Michin.

Da Herr Samson nach ihrem Kampf gegen den Wächter des Tors der Zeit Atemutep verschwunden war, hat Feynmann mit Beginn des neuen Semesters Herr Taro Michin aus Süd-Korea eingestellt. Er ist ein dünner, hochgewachsener Kerl mit einem dichten roten Minipli. Insekten aller Art scheinen es ihm angetan zu haben. Am Jackett baumelt ihm stets ein mit schillernden Edelsteinen geschmückter Hirschkäfer. Keine Nachbildung, sondern ein echtes Tier. Ein „Makech“ wie Herr Michin zu Beginn seiner ersten Stunde der überraschten und teils angewiderten Schülerschaft erklärt hatte. Aktuell mimt er den Fluglotsen und weist seine Schülerinnen und Schüler in die richtige Richtung. Herr Michin ist zwar seltsam, aber ganz okay, findet vor allem Magnus. Aber auch Sheri und Gino kommen trotz seiner Eigenheiten mit ihm aus. Magnus‘ persönliches Highlight dieses Semester ist allerdings, dass mit Frau Demir-Magislavs Ausscheiden, Professor Feynmann den Indogermanisch-Unterricht der Mittelstufe übernommen hat. Seither macht ihm das Lernen mehr Spaß – wenn auch nicht so dolle wie Sheri.

„Ich muss dann los“, sagt Magnus zu seinen Eltern.

Zum Abschied gibt es eine letzte feste Umarmung. Magnus stellt sich in die Schlange der wartenden Schüler. Melefer und Opal blicken ihrem Sohn stolz hinterher. Melefer drückt seiner Frau einen Kuss auf die Stirn und sagt: „Alles wird gut.“

Etwas weiter entfernt, in der Kommandozentrale des Flughafen-Towers, stellt sich Sheri Dorli zusammen mit ihrer Klassenkameradin Elvira aus Neu-Lorisland den Fragen interessierter Journalisten. Dass Elvira versucht, ihre von innen leuchtenden Augen – ein Merkmal sämtlicher von der Insel Lorisland stammender Lebewesen – mit einer dunklen Sonnenbrille zu kaschieren, ist nicht unbedingt von Vorteil. Ihre Pupillen scheinen durch das schwarze Glas der Brille durch wie die Augen einer Zerstörungsmaschine aus der Zukunft. Die jungen Damen stehen vor einer 3D-Projektion der Pläne ihrer gemeinsamen Erfindung. Seit diesem Schuljahr hat Sheri ihre Haare schwarz gefärbt – mit Ausnahme von orange-leuchtenden Zopfspitzen. Doch auch der schwarze Farbanteil strahlt im Dunkeln. Zu verdanken ist das der verbesserten Nano-Rezeptur von Regula Dorli, Sheris Mutter. Ihre beiden Eltern stehen am Rand des Geschehens und verfolgen die erste wirkliche Pressekonferenz ihrer Tochter mit extremer Anspannung.

„Wie Sie sehen...“, beginnt Sheri. „...verfügt die Jet-Engine über Technologie, die von oszillierenden Manipulationen der Raumzeit angetrieben wird. Unser Emissionsausstoß liegt bei sagenhaften minus 5000 Kilogramm CO2 pro Kilometer, da der Raketenantrieb zur Kühlung überschüssiges Kohlendioxid und Ozon aus der Atmosphäre zieht.“ Sheri blickt zu Elvira.

Sie und ihr Freund Mosco sind nun schon über ein halbes Jahr hier und haben sich gut in die Schule für Kinder mit besonderen Begabungen eingelebt.

Sheri und Elvira haben den Kern des Jets zusammen entwickelt. Elviras technologisches Know-how ist Sheris ebenbürtig.

„Zu verdanken haben wir diesen Durchbruch meiner geschätzten Kollegin und Mitschülerin Elvira. Sie stammt vom Asteroiden Neu-Lorisland in der Konstellation des Raben. Der technologische Fortschritt dieser Zivilisation wird uns noch in vielen Bereichen außergewöhnliche Entdeckungen bescheren. Ohne sie wäre die Entwicklung der Garuda-Jets Version 1b .1344 nicht möglich gewesen.“

Seit einem Monat war bekannt, dass auf der Erde Aliens wohnen. Bevor Professor Feynmann diese Tatsache öffentlich verkünden durfte, musste er nach Berlin reisen und sich das Okay des Bundeskanzlers einholen.

Die versammelten Journalisten applaudieren.

Das nutzt eine Dame mit fahler Haut und silbergrauen Haaren, um sich nach vorne zu drängen und Fragen zu stellen: „Stimmt es, dass sie sich bei ihrer letzten Reise in den Kosmos mit einer arglistigen Vereinigung krimineller Magier angelegt haben, die versucht hat, die Raumzeit mithilfe eines wahnsinnigen altägyptischen Gottes zu kontrollieren?“

Elviras Augenbrauen schießen durch die Decke. Sheri schmunzelt dagegen amüsiert. Sie flüstert ihrer Klassenkameradin etwas ins Ohr.

„Das ist Kozaks Mutter“, sagt Sheri leise. „Überrascht nicht, oder? Sie arbeitet für einen privaten Nachrichtensender, der es sich auf die Fahne geschrieben hat, die geheime Wahrheit ans Licht zu bringen.“

„Kein Kommentar“, antwortet Sheri mit einem mysteriösen Lächeln. Letztes Schuljahr hätte diese Frage bei Sheri für einen Schweißausbruch gesorgt.

Eine Konfrontation mit einem Gott verändert aber selbst eine von Selbstzweifeln geplagte Junior-Wissenschaftlerin irgendwie.

Doch nun wittern auch weitere Journalisten eine sensationelle Story. Es entwickelt sich ein furchtbares Durcheinander. Es ist so laut, dass Sheri und Elvira sich die Ohren zuhalten.

„Lassen Sie mich mal durch, bitte!“, bellt da plötzlich jemand über das Stimmenwirrwarr. Es ist Herr Michin. Er hält eine Schülerliste in den Händen. Mit seiner freien Hand schubst er Reporter zur Seite. Er drängt sich vor die Kameras ohne jeglichen Anflug von Lampenfieber.

„Kommt ihr bitte? Wir starten in einer halben Stunde. Es wäre eine Schande, wenn wir wegen euch warten müssten.“

Sheri und Elvira nicken sich ehrfürchtig zu.

„Nun, den Rest Ihrer Fragen müssen wir Ihnen leider beim nächsten Mal beantworten. Sie können sie uns jedoch auch schriftlich oder per Mail zukommen lassen“, antwortet Sheri. Sie nimmt Elvira an die Hand und führt sie zu ihrem Terminal. Da Elvira drei Köpfe größer ist als Sheri, wirkt die Szene etwas absurd.

„Kann ich Ihnen noch irgendwie behilflich sein?“, fragt der neue Astrochemie-Lehrer, nachdem die Schülerinnen die Bühne verlassen haben. Der mit Diamanten geschmückte und vergoldete Hirschkäfer an Herrn Michins Jackett breitet seine Flügel aus und dreht aufgeregte Runden um den Kopf seines Besitzers.

Tobendes Geschrei bricht aus, als die Journalistinnen und Journalisten versuchen, mit ihrem schweren Equipment Abstand zu dem summenden und glänzenden Käfer zu gewinnen.

„Ich schätze nicht“, sagt Herr Michin sichtlich enttäuscht, macht zwei Haken auf seiner Liste und verlässt den Tumult, um die restlichen Schüler zusammenzutrommeln.

An anderer Stelle hat Gino Aldente mit der Flughafen-Security zu kämpfen. Von seinen Eltern hatte er sich schon zuhause verabschiedet.

„Für Davino lege ich meine Hand ins Feuer. Er wird sich benehmen.“

Ginos weißer Löwe wimmert und legt die Pfoten über die Augen. Sein Herrchen versucht gerade, ihn irgendwie ins Flugzeug zu schleusen.

„Ich bitte um Verzeihung, aber es ist leider nicht möglich, freilaufende Tiere mit in die Kabine zu nehmen. Außerdem hätten Sie einen Transport-Käfig vorher anmelden müssen“, erklärt ein unverdrossener Flughafenmitarbeiter den immer ungeduldiger werdenden Tierbändiger.

„Hören Sie mal zu!“, knurrt Gino. „Diesen Düsenjet hat meine Freundin entworfen. Sie kennt Davino. Sheri hat sicher nichts dagegen, wenn er mitkommt.“

Der Flughafenmitarbeiter sieht Gino verkniffen an. Er sagt: „Da kann ich leider nichts machen.“

„ARGH!“, brüllt Gino und stampft auf den Boden. Wie Sheri hat er sich einen neuen Stil zugelegt. Er trägt seine Haare in einem dichten Mohawk. Er hat sich die Haare mithilfe von Regulas Rezeptur grün gefärbt (Allerdings hat er sich für die Variante ohne Leuchteffekt entschieden, weil er mit Licht nicht gut schlafen kann).

Seit Beginn dieses Schuljahres darf er nun endlich auch goldene Schulterstacheln tragen. Die nächste Stufe – Diamant – bekommt Gino aber erst nach seinem Schulabschluss.

Wegen der Stacheln hatte der Flughafenmitarbeiter schon ein Auge zugedrückt. Bei Davino sieht er nun eindeutig schwarz.

„Mann ey, doofer Kerl!“, schimpft Gino. Er streichelt seinem Löwen über den Kopf und sagt: „Sorry, Kumpel.“ Gino schultert seinen Rucksack ab. Es ist klein und handlich und aus einer ultraharten und superleichten Metalllegierung. Sheri hatte diesen Rucksack nach dem Vorbild neu-lorisländischer Technologie entworfen. „Du musst da rein.“

Gino zieht eine Schnute. Davino dagegen scheint gar nicht so traurig zu sein. Die Raubkatze legt seine Pfote auf einen kreisrunden Knopf in der Mitte des Rucksacks. Der weiße Löwe leuchtet grell wie ein Stern und löst sich dann in gleißende Funken auf, die von einem extrastarken Sog aus dem Innern des Rucksacks eingefangen werden. Nach der Lichtshow schultert sich Gino den Rucksack wieder um.

„So, zufrieden?“, schnauzt Gino den Flughafenmitarbeiter an.

„Legen Sie Ihren Rucksack bitte auf den Gepäck-Scan“, antwortet Ginos Gegenüber, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Echt jetzt?“, motzt Gino. Bevor er seinen Rucksack auf das Band legt, flüstert er ihm noch zu: „Keine Sorge, euch passiert nichts.“

Der Flughafenmitarbeiter traut seinen Augen nicht. Auf seinem Bildschirm leuchtet ein ganzer Zoo miniaturgroßer Tiere auf. Von einem Gorilla über einen Luchs bis hin zu einem Zwerghamster ist alles dabei. Die Schatten auf dem Röntgengerät bewegen sich.

„Sind das Spielzeuge?“, will der verblüffte Flughafenmitarbeiter wissen.

„Ja, klar“, lügt Gino. Er schnappt sich seinen Rucksack und schultert ihn sich um. Diese neue verbesserte Version stammt von Sheri. Das futuristische Ultraleichtmetall schont Ginos Rücken und bietet Platz für das Fünffache an Tieren. Zuvor hatte Gino sich mit einem waschmaschinengroßen Rucksack herumschlagen müssen. Er fühlt sich am sichersten, wenn Gino seine tierischen Kumpel ganz nah bei sich hat. Vor allem für den Fall, dass Magnus, Sheri und er wieder einer Organisation böser Obertrottel in die Quere kommt.

Gino zeigt dem Flughafenmitarbeiter die Zunge und macht sich auf den Weg zu seinen Freunden.

2

Sheri hatte es so eingerichtet, dass die Freunde im Flugzeug nebeneinandersitzen.

Drei Reihen hinter ihnen unterhalten sich Tim de Baal und Mosco über neue Strategien für das nächste Schul-Derby, Paul Pech legt seine Brechtüten bereit und zwei der Wendigo-Drillinge streiten. Astra, die Dritte im Bunde, hört Musik. Die Lehrer haben Plätze in den vordersten und hintersten Reihen belegt, damit sie die Meute voll im Blick zu haben.

Sheri steht kalter Schweiß auf der Stirn.

„Hey, kein Grund, durchzudrehen“, sagt Gino, als ihm Sheris Verfassung auffällt. „Wird schon schief gehen.“

Elvira auf der anderen Seite meint: „Ach, Gino, kühn wie eh und je!“

Es gleicht einem Wunder, dass sich Elviras pinkleuchtende Augen nicht schon längst in zwei Herzen verwandelt haben. Dass die Neu-Lorisländerin für Gino schwärmt, ist offensichtlich. Sheri ist davon gar nicht begeistert.

„Und sollte etwas schief gehen, sind wir immer noch im Besitz des Schilds von Temez und des Stabs von Avalon“, sagt Magnus. Er meint es gut, schafft es aber nicht, seine Freundin zu beruhigen.

Als Stewardess fungiert Frau Dömdödell, die Lehrerin für Textiles Werken mit exotischen Stoffen. Sie trägt einen selbstgestrickten Pullover aus fluoreszierender Nanowolle mit Holo-Effekt. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel man die Lehrerin betrachtet, ändert sich die Farbe ihres Outfits.

Sie geht durch die Reihen und erinnert ihre Schülerinnen und Schüler daran, sich anzuschnallen. Mit Astra Wendigo hält sie ein nettes Pläuschchen.

Bevor sich der Flieger in die Startposition begibt, erhebt sich Professor Feynmann von seinem Platz und sagt: „In wenigen Minuten geht es los. Bitte achtet darauf, eure Plätze nicht zu verlassen, bis unser Flugzeug die endgültige Flughöhe erreicht hat. Wer noch aufs Klo muss, sollte das jetzt erledigen. Für die Strecke nach Madoroco brauchen wir ungefähr sechzig Minuten. Das sind 5000 Kilometer in etwas mehr als einer Schulstunde. Ein Beweis für die unglaubliche Ingenieurskunst unserer beiden Genies Sheri und Elvira.“ Professor Feynmann applaudiert. Die Insassen des Flugzeugs johlen und jubeln. Da es sich bei dem Flug des Garuda-Jets Version 1b .1344 um einen Testflug handelt, hat keiner der Schülerinnen und Schüler etwas für die Reise zahlen müssen.

„Nun wünsche ich uns aber viel Spaß und eine aufregende Studienreise!“

Professor Feynmann bekommt ebenfalls eine Runde Applaus, dann setzt er sich wieder. Er hat vor, während des Flugs den Programmplänen für die Reise den letzten Schliff zu verpassen.

„Hallo und welcome, liebe Schülerinnen und Schüler der Schule für Kinder mit besonderen Begabungen. Ich bin Marc Hamelin, euer Pilot für diesen Flug. Wir werden uns gleich in Richtung Madoroco nahe der südafrikanischen Ostküste aufmachen. Die Außentemperatur an unserem Zielort beträgt aktuell 30°C. Wir werden knapp fünf Minuten brauchen, um die Exosphäre in Höhe von knapp 500 Kilometer zu erreichen. Dabei wird auf euch, liebe Passagiere teilweise eine Kraft von 5G wirken. Bitte denkt daran, angeschnallt zu bleiben, bis das entsprechende Symbol über den Sitzen erlischt. Es ist mit einigen Turbulenzen zu rechnen, vor allem wenn wir die Grenze zum Weltraum erreichen.“

„WELTRAUM?“, bellt Gino plötzlich verdutzt. „WIR FLIEGEN IN DEN WELTRAUM?“

„Ohne Atmosphäre spart man sich einiges an Antriebskraft“, sagt Sheri und zuckt mit den Schultern. „Ist effizienter, als in der Troposphäre zu bleiben.“

„HÄTTEST DU MICH NICHT VORHER AUFKLÄREN KÖNNEN, DASS ICH IN EINER VERFLIXTEN RAKETE SITZE?“, schrillt Gino.

„Na ja, eigentlich ist es eher eine Art Shuttle“, meint Elvira.

„ICH WILL RAUS HIER!“, bellt Gino. „DAS IST MIR NICHT GEHEUER.“ Elvira legt ihre übergroße Hand auf Ginos Arm und sagt: „Mach dir keine Sorgen, das wird ein sehr angenehmer Flug.“

„Ey, Magnus, sag mal was. Du weißt, wie es um Sheri und ihre Prototypen steht.“

Magnus denkt an die verschiedenen Versionen von Sheris Invisi-MAX-Spray und wie sie ein Bad in Terpentin nehmen mussten, um sich von der Wirkung der unsichtbar machenden Spiegelpartikel zu befreien.

„Hey!“, protestiert Sheri. „Das ist gemein und nicht berechtigt.“

Magnus sieht Sheri direkt in die Augen und fragt: „Wir kommen heil an unserem Ziel an, oder?“

„Ja“, antwortet Sheri nüchtern. „Das ist es nicht, was mir Bauchschmerzen bereitet. Ich bin halt nervös. Wie vor einem Test.“

„Gut, ich vertraue dir“, meint Magnus.

„EY, ALTER!“

„Also“, fasst Marc Hamelin zusammen. Die Freunde hatten seine kleine Ansprache kurz ausgeblendet. „Machen Sie sich bereit für eine außergewöhnliche Reise. Bis später!“

„Oh Magnus, ich halte das für keine gute Idee!“, jammert Gino.

Doch da zünden schon die ersten Triebwerke des Garuda-Jets Version 1b .1344.

„Es geht los!“, sagt Sheri. In ihrem Gesicht steht das breite Grinsen eines durchgedrehten Genies. Die Nervosität ist verflogen.

Keinem der Freunde bleibt Zeit zu reagieren. Sie werden von der einen auf die andere Sekunde tief in ihre Sitze gedrückt. Gino krallt seine Finger in die Armlehne und zermalmt sie und das, obwohl Sheri und Elvira ein besonders strapazierfähiges Sonderpolymer verwendet haben. Gino versucht, etwas zu sagen, aber bis auf „Brlbrbrbrblb!“ bekommt er nichts heraus.

Es dauert eine Minute, bis der grellblaue Himmel von einem brillanten Schwarz abgelöst wird.

Obwohl es mitten am Tag ist, tauchen plötzlich funkelnde Sterne in den Kabinenfenstern auf. Der Sog in die Sitze weicht einem Gefühl der – nun ja – Schwerelosigkeit. Nach fünf Minuten endet der Spuk und der Jet befindet sich wie angekündigt in einer Höhe von 500 Kilometern.

„Oahr, ich glaub mir wird schlecht“, sagt Gino just in dem Moment, als drei von Paul Pechs mitgebrachten Brechtüten an ihnen vorbeifliegen. Gino versucht, sich eine aus der Luft zu fischen, sein Gurt hindert ihn jedoch daran.

„BRRRRAAAAAAH!“ Gino lässt einen gewaltigen Rülpser, fühlt sich danach aber deutlich besser.

Sheris Augen sprühen Funken. Sie sagt: „Genau so habe ich mir das vorgestellt. Drei, zwei, eins.“ Auf Sheris Ansage hin erlöschen die Lichter, die die Fluggäste daran erinnern sollen, angeschnallt zu bleiben. Sheri öffnet ihren Gurt und dreht sofort einen Mehrfachsalto in der Schwerelosigkeit.

Magnus fragt: „Kann ich auch?“

Sheri antwortet: „Klar, pass nur auf, dass du dir nicht den Kopf stößt.“

Magnus schnallt sich ab. Ein Großteil der Schülerschaft tut es ihm gleich. Überall blitzen Handys. Die Schülerinnen und Schüler spielen Schweinchen in der Mitte, nur dass sie selbst die Rolle des Balls übernehmen.

Nur Gino und Paul bleiben auf ihren Plätzen. Es ist das erste Mal, dass Gino mit dem Chemie-Freak sympathisiert. Tim, Mosco und Magnus liefern sich ein Schweberennen. Die Wendigo-Drillinge tanzen. Kozak, selbst ernannter Verschwörungstheoretiker, schwebt von Fenster zu Fenster, um nach Außerirdischen Ausschau zu halten.

Roland Feynmann übt sich im Trockenschwimmen. Frau Dömdödell nutzt die Schwerelosigkeit zum 5-D-Stricken und Herr Michin führt seinen Makech Gassi.

Nach einer halben Stunde dröhnt die Stimme des Piloten aus den Lautsprechern.

„In Kürze beginnen wir mit dem Landeanflug. Ich bitte alle, sich wieder auf die Plätze zu begeben und sich anzuschnallen.“

„Oh, schade“, sagen Magnus und Sheri wie aus einem Mund. Sie schweben grazil zurück auf ihre Plätze.

„Na, hattet ihr Spaß?“, fragt Gino, nachdem seine Freunde ihre Gurte wieder festgezurrt haben.

„Ach, Gino, du bist ja ganz blass“, sagt Elvira. „Du Armer.“

„Ja, ist schon gut“, sagt Gino. Ihm ist sein Zustand etwas peinlich. Von seinen Freunden macht er eigentlich den robustesten Eindruck.

Bald darauf verliert der Garuda-Jet schon wieder an Höhe. Die Freunde genießen einen letzten atemberaubenden Blick auf die höchste Schicht der Erdatmosphäre. Unter ihnen befindet sich ein schier endloses Meer aus Wolken, während über ihren Köpfen Sterne am Fundament wie Gold in dunklem Flusssand schimmern. Feuerschlieren ziehen an den Fenstern vorbei.

„Reibungshitze“, erklärt Sheri.

Plötzlich wird der Boden unter den Füßen der Passagiere durchsichtig. Gino bekommt erneut eine Panikattacke, als er im ersten Moment denkt, er würde ungebremst auf die Erde stürzen.

„Der Metallglas-Boden war Elviras Idee“, sagt Sheri und grinst stolz. „Er basiert auf der Rezeptur meines Plastico-Metalls. Elvira hat sie modifiziert und weiterentwickelt.“

Der Boden gibt den Blick auf eine gigantische Landmasse frei. Eine schier endlose Wüste zieht sich über das Land.

Vereinzelt sind Seen, Flüsse, steppenartige Graslandschaften und Städte zu erkennen.

„Meine lieben Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrkräfte, in wenigen Minuten erreichen wird unseren Zielort – den Flughafen von Machu Pentu im Zentrum der Insel Madoroco. Bitte bleibt bis zur Landung angeschnallt und vermeidet, nach Möglichkeit, Essen oder Getränke zu euch zu nehmen. Genießt ein letztes Mal die atemberaubende Sicht.“

„Hey, Leute!“, schrillt jemand plötzlich von der Reihe hinter den Freunden. Wäre Gino nicht angegurtet gewesen, wäre er vor Schreck an die Decke gegangen. Es ist Mosco – der zweite Student aus der Weltraum-Kolonie Neu-Lorisland. Er hat sich nach vorne geschlichen und sich auf Pauls Pech Platz (oder genauer: seinen Schoß) niedergelassen. Aufgrund von Moscos Größe von über zwei Metern kann Paul nichts gegen seinen Aufsitzer unternehmen, außer genervt zu grunzen. Die Strähnen von Moscos blonder Löwenmähne deuten in alle Richtungen. Sie scheinen, statisch aufgeladen sein. Vielleicht ist es sein Enthusiasmus, der ihm die Haare zu Berge stehen lässt. Moscos orangene Augen leuchten wie glühende Kohlen. Er grinst breit.

„Na, bist du aufgeregt?“, fragt Elvira.

„Hallo?“, schallt Mosco. „Was glaubst du denn? Wir sind der Heimat unserer Vorfahren noch nie so nah gewesen wie in diesem Moment.“

„HÄ?“, grunzt Gino, der immer noch mit angeschlagenen Nerven zu kämpfen hat.

„Das antike Lorisland liegt vor der Küste Madagascars“, erklärt Sheri. „Von Madoroco aus ist das nur ein Katzensprung.“

„Wieso besuchen wir dann nicht Lorisland, sondern diese andere Insel?“, fragt Gino. „Wir könnten den anderen eine Tour geben.“

„Lorisland existiert nicht mehr, schon vergessen?“, antwortet Sheri mit einer Gegenfrage. „Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sich noch Spuren der alten Zivilisation finden ließen.“

„Wir könnten doch suchen“, meint Gino.

„Mit dem Gedanken habe ich tatsächlich auch schon gespielt“, gibt Sheri zu. „Aber nachdem, was wir uns letztes Jahr geleistet haben, will ich nicht schon wieder Ärger machen.“

„Und wie schaut’s mit dir aus, Magnus?“, fragt Gino seinen Freund. Seine Augen funkeln.

„Sorry, aber ich habe sowohl Mum als auch Paps versprochen, dass ich dieses Mal keinen Quatsch mache.“

„Ey, wir könnten doch suchen!“, meint plötzlich Mosco. Er ist für Ginos Idee Feuer und Flamme. Gino ist jedoch nicht so erpicht darauf, irgendetwas gemeinsam mit Mosco zu unternehmen.

„Ja, wir können ja mal gucken“, meint Gino abschließend.

„Einen Ausflug mit Gino nach Alt-Lorisland?“, meint auf einmal Elvira. „Das hätte schon was.“ Als Elvira kichert, tritt eine dicke Vene auf Sheris Stirn hervor. Ginos trainiertes Gehör nimmt außerdem ein dumpfes Knurren wahr.

„Jetzt schauen wir erst einmal, was uns Madoroco zu bieten hat, oder, Leute?“, versucht Magnus zu beschwichtigen. „Ich bin mir sicher, dass so oder so zumindest ein kleines Abenteuer auf uns wartet.“

„Wenn du meinst“, sagt Gino.

Der Garuda-Jet Version 1b .1344 verliert mit einem Schlag rasant an Höhe.

Da Mosco nicht angeschnallt ist, knallt er mit Vollkaracho an die Decke, mit dem Ergebnis, dass die Deckenbeleuchtung flackert. Gino hat nur kurz lachen, denn schon im nächsten Moment landet der zwei Meter-Riese auf seinem Kopf. Den Rest der Landung kriegt Gino nur durch einen Schleier wilder blonder Haare mit.

3

Ein Bus mit Schwebe-Antrieb bringt die Siebtklässler der Schule für Kinder mit besonderen Begabungen zu ihrer Herberge. Der Entwurf für den Supraleiter-Motor stammt aus der Feder von Sheri und Elvira.

Der Weg führt über enge Schluchten, noch engere Straßen und ein Gefälle, das man landläufig als gebirgig bezeichnet. Für den Schwebebus sind die prekären Straßenverhältnisse kein Hindernis. Von der Fahrt hat Magnus seiner Mutter noch keine Bilder geschickt. Sie würde sich sonst zu große Sorgen machen (Er hat geschrieben, dass sie gut angekommen sind, was halbwegs der Wahrheit entspricht).

„Wieso ist hier eigentlich alles ultramodern?“, fragt Gino. Er und seine Freunde sitzen in der Mitte des Busses. Sie hätten auch die Plätze in der letzten Reihe haben können – direkt neben Tim de Baal, Jacques Klaue und Mosco, allerdings hatten sich die drei schon beim Einsteigen gerangelt und darauf hatten weder Magnus, Sheri noch Gino Lust.

„Nachdem der geotherimische Tunnelschacht durch Alghurbans Bazar vollständig finanziert worden war, hat Professor Feynmann das restliche Geld in unzählige andere Projekte gesteckt.

Davon haben Dutzende schulische Partner profitiert. Unter anderem auch Madoroco. Schließlich ist es eine Tradition, dass die Siebtklässler hierherreisen“, erklärt Sheri.

„Schön. Dann haben wir diesem alten Grabräuber nicht umsonst in den Hintern getreten“, meint Gino und grinst.

„Was ist eigentlich aus dem ganzen Gold geworden, das von Alghurbans Villa übrig geblieben ist?“, fragt Magnus.

„Das wurde zur Hälfte zwischen der Stadt und der Schule aufgeteilt. Der Teil für die Schule ging in einen Fond, mit dem unsere Schule zukunftssicher gemacht werden soll“, antwortet Sheri.

„Aha“, antworten Gino und Magnus unisono. Klar, dass Sheri so etwas weiß.

Bald erreicht der Bus ein elektronisches Schild mit der Aufschrift: „Lehrstätte → 2 Kilometer“. Es hat automatisch die Sprache gewechselt, als sich das Schwebegefährt genähert hat.

„Das ist unser Ziel!“, sagt Sheri. Sie holt ihr Handy heraus und zeigt ihren Freunden eine Reihe von Bildern einer Dorfanlage auf dem Gipfel eines hohen Bergs. Die Häuser aus Stein sind mehrere Jahrhunderte alt. Im Zentrum der Anlage steht eine stufig aufgebaute Pyramide mit reich verzierten Tierornamenten.

„Da sollen wir schlafen?“, meint Gino. „Wenn die Betten so sind wie die Häuser, dann krieg ich noch Rücken!“

„So schlimm wird’s nicht sein“, antwortet Sheri. „Keiner der älteren Schüler hat sich bisher über die Reise beschwert, soweit ich weiß. Außerdem sind wir ja vorrangig zum Lernen da und nicht, um Urlaub zu machen.“

Gino stöhnt.

Allerdings bessert sich seine Laune schlagartig, als sie das Dorf erreichen.

Die Realität könnte nicht weiter von Sheris Bildern entfernt sein. Die antiken Fassaden sind nicht angetastet worden, doch ansonsten wurde das Dorf von Grund auf kernsaniert. Die Straßen sind frisch geteert. Die Häuser strahlend weiß gestrichen. Insgesamt wirkt das Dorf wie aus dem Ei gepellt. Mit der Sauberkeit kann nicht einmal Sheris durchorganisiertes Zimmer mithalten. Überall sind Leute unterwegs und verrichten kleine Arbeiten. Teilweise sind noch einige Gerüste zu sehen.

„Was glaubt ihr, wie viel von dem Alghurban-Zaster hier reingeflossen ist?“, fragt Magnus, sichtlich beeindruckt. Seinen Mitschülern und Lehrern geht es ähnlich. Sie haben das Gefühl, in ein Diorama hineingestolpert zu sein.

Der Schwebebus bringt die Gruppe zu ihrem Hotel. Das Gebäude gleicht einem Tempel. Es besteht aus großen, mit dem Relief wilder Tiere beschlagener, Steinblöcke aus weißem Marmor. Die Säulen, die das schwere Dach des Gebäudes tragen, sind aus reinem Gold.

Da staunt sogar Professor Feynmann.

„Heilige Mutter Gottes, mit einer so umfangreichen Modernisierung habe ich nicht gerechnet“, sagt er, als er die Treppe des Hotels erreicht. Schon im nächsten Moment versucht er, sich nichts mehr anmerken zu lassen. Er ruft: „Also meine Lieben, als erstes beziehen wir unsere Zimmer. Nachher treffen wir uns in der Mensa zu einer gemeinsamen Besprechung.“

„Nicht so schnell, geschätzter Kollege!“

Ein Mann groß und breit wie ein Schrank tänzelt grazil die Treppe herunter. Er trägt einen weißen Anzug, darunter ein aufgeknüpftes goldenschimmerndes Hemd. Auf der Haut des Mannes sind unzählige Tattoos zu erkennen.

Er hat die Arme ausgebreitet und empfängt Professor Feynmann mit einer kräftigen Umarmung.

„Das sind klassische Tätowierungen der Inoztaiken“, flüstert Sheri ihren Freunden zu. „Das sind die Ureinwohner dieser Insel.“

„Ari Camaxtli!“, stöhnt Professor Feynmann und ringt an der muskulösen Brust des Riesen um Atem.

„Willkommen liebe Schülerinnen und Schüler im Dorf Calliandra“, begrüßt Camaxtli seine Gäste. Er lässt von Feynmann ab, der im Anschluss wie ein zerknäultes Blatt Papier wirkt. „Schön, dass ihr uns besucht. Es ehrt mich besonders, dich hier zu sehen, Roland, und dass du gekommen bist, um dich mit eigenen Augen zu überzeugen, wie sich das Dorf verändert hat. Dank der großzügigen Spende eures Instituts konnten wir Calliandra zu neuem Glanz verhelfen und dafür sorgen, dass diese Stätte noch vielen Generationen erhalten bleibt.“

Roland Feynmann antwortet: „Das ist doch selbstverständlich“ und wedelt geniert mit den Händen.

Camaxtli kommt ein paar Stufen herab. Er richtet seine Worte an seine jugendlichen Besucher. „Nun fragt ihr euch sicher, was Calliandra zu bieten hat. Zum einen gibt es hier eine reichhaltige Geschichte, die euch als Grundlage für vertiefte Studien dient. Bis vor 500 Jahren war dieser Ort die Heimat des kleinen Volks der Inoztaiken. Für damalige Verhältnisse waren die Inoztaiken hoch entwickelt. Sie verfügten über Häuser, in denen sie Kranke behandelten, hatten ein komplexes Rechtssystem und waren Meister der Astronomie.“

Zum Beweis präsentiert Camaxtli den Jugendlichen einen Steinzylinder mit einer dunkel getönten Glasscheibe an einem Ende. Von der Form her ist klar, dass es sich dabei um ein antikes Teleskop handelt.

„Die Inoztaiken haben unzählige Relikte hinterlassen, die noch heute bestaunt werden können. Durch die Funde, die auf dieser Insel gemacht wurden, wird es euch möglich sein, tief in die faszinierende Geschichte Madorocos einzutauchen.“

Gino ächzt. Für ihn gibt es nichts Langweiligeres als Geschichte. Sheri flüstert derweil Magnus zu: „Weißt du, die Inoztaiken waren außerdem talentierte Zauberer. Ich bin mir sicher, du wirst hier einiges lernen können.“

Es ist eines der wenigen Male, dass Gino die Augen seines Freundes bei der Erwähnung von Lerninhalten funkeln sieht. Ein Großteil der Schülerinnen und Schüler hängt Ari Camaxtli an den Lippen. Gut, Gino muss zugeben, dass der muskulöse Riese eine gewisse Art von Charme versprüht.

Camaxtli lacht.

„Natürlich weiß ich, dass ihr nicht nur hierher gekommen seid, um euch aus erster Hand mit der Geschichte meiner Vorfahren auseinanderzusetzen. Seit den Renovierungen gibt es unzählige Freizeitaktivitäten, denen ihr nach Lust und Laune nachgehen könnt. Es gibt eine riesige Shopping-Mall, ein 4D-Special-Light-Kino, verschiedene Sportanlagen oder auch eine heiße Quelle, solltet ihr euch am Ende eines anstrengenden Tag nach Entspannung sehnen. Lasst hier in Calliandra die Seele baumeln und lernt von den wenigen Hochkulturen, deren Geschichte noch so detailliert erhalten ist.“

Zum Abschied lässt sich Camaxtli von jedem Schüler ein High five geben. Er verabschiedet sich in sein Büro hoch oben an der Spitze der zentralen Pyramide.

Im Anschluss beziehen die Schülerinnen und Schüler ihre Zimmer. Magnus und Gino teilen sich eines, genauso wie Sheri und Elvira.

„Boah, was für ein Luxus!“, meint Gino, nachdem Magnus ihm die Tür geöffnet hat. Magnus‘ Freund trägt beide Koffer. Magnus hätte das Gepäck auch schwerelos zaubern können, Gino wollte die Gelegenheit aber nutzen, um seine Bizepse zu stählen. Nun muss Magnus Acht geben, dass ihm die Koffer nicht auf seine Zehen fallen. Überraschenderweise stellt Gino sie sachte ab, drängt sich an seinem Freund vorbei und begutachtet das Innere des Zimmers genauer. Es verfügt über einen 100 Zoll breiten, an der Wand montieren Fernseher, eine Auswahl mehrerer Spielkonsolen, ein Luxussofa in der Maxi-Ausführung, das zum Lümmeln einlädt, und ein Stockbett mit einer doppelt dicken Federkernmatratze.

„Ey, das musst du dir ansehen!“, schrillt Gino aus dem Bad. Da hat Magnus gerade erst die Koffer über die Schwelle gehext.

„Das ist eine Whirpool-Wanne, Alter!“, ruft Gino. Er hat es sich in der Wanne gemütlich gemacht, ohne Wasser einzulassen. Auch die vergoldete Regendusche und die kleine Infrarotsauna aus duftendem Zedernholz sind mehr als nur prunkvoll.

„Wir lassen‘s uns hier so richtig fett gut gehen!“, meint Gino.

„Aber sowas von!“, stimmt Magnus mit einem breiten Grinsen zu.

Den Nachmittag hat Professor Feynmann seinen Schülerinnen und Schülern zur Akklimatisierung frei gegeben.

Während Magnus erst einmal auf dem Zimmer bleibt, um ausgiebig mit seiner besorgten Mutter zu telefonieren, verabreden sich Sheri und Gino in der Eisdiele des gigantischen Einkaufszentrums im Westen des Dorfs.

Gino türmt über einem 30 Zentimeter hohen Spaghetti-Eisbecher aus allerfeinstem Bourbon-Vanille-Eis.

Sheri löffelt genüsslich zwei Kugeln Feigenkaktus-Eis mit roten Kaffeebohnen.

„Hast du heute noch was vor?“, fragt Gino seine Freundin.

„Wie meinst du das?“, fragt Sheri nervös.

„Ich glaube, Magnus sieht sich später die Bibliothek mit den Zauberbüchern an“, antwortet Gino. „Falls ihm Opal nicht den ganzen Nachmittag das Ohr abkaut.“ Gino lacht bellend.

„Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mit Elvira die astronomischen Aufzeichnungen der Inoztaiken unter die Lupe nehmen. Was das Gebiet der Sternendeuterei angeht, scheinen sie ähnlich weit fortgeschritten zu sein wie die Lorisländer. Es kann sogar sein, dass ein direkter Draht zwischen den zwei Nationen bestanden hat. Elvira wollte heute allerdings doch lieber mit Mosco shoppen gehen.“ Sheri zuckt die Schultern. „Dann schaue ich mir die Aufzeichnungen eben alleine an. Hast du Lust mitzukommen?“

Gino fallen tausend Dinge ein, die spannender sind als wie Magnus und Sheri den ganzen Tag die Nase in Bücher zu stecken.

„Ich kümmere mich um die Tiere. Ich glaube, der Flug ist ihnen nicht so gut bekommen“, sagt Gino. Er selbst hat noch immer einen flauen Magen. „Vielleicht gehe ich ein wenig im Wald spazieren.“

„Okay“, sagt Sheri. „Dann wäre es besser, du hättest das bei dir.“

Sheri reicht ihrem Freund eine kleine Blechdose voller dunkelgrüner Lollis.

„Sind die mit Minzgeschmack?“, fragt Gino und macht dann: „Iiiih!“

„Nein, das sind Lollis mit Coca-Blatt-Extrakt. Die Bewohner hier pflücken die Blätter des Coca-Strauchs und kauen darauf herum. Das hilft, der Höhenkrankheit vorzubeugen.

Wir sind hier schließlich auf fast 5000 Metern über dem Meeresspiegel. Dein Körper braucht eine Weile, bis er sich an den geringen Sauerstoffgehalt der Luft gewöhnt hat. Wenn dir schwindelig wird, dann schleck an so `nem Lolli.“

„Du denkst echt an alles“, sagt Gino mit einem breiten Grinsen und packt die Lollies ein. Sheris Wangen bekommen Farbe, aber wegen seines gigantischen Eis bekommt Gino davon nichts mit.

„Wie kommst du eigentlich mit Elvira klar?“, wechselt Gino das Thema.

„Wir ergänzen uns ganz gut, würde ich sagen. Sie hat einen praktischen Blick auf die Welt, mir geht’s eher um die Theorie“, antwortet Sheri. „Aber wir haben auch Dispute.“

„Ach echt?“

Sheri rutscht auf ihrem Stuhl herum.

„Bestimmte Dinge betrachten wir eben doch aus unterschiedlichen Blickwinkeln.“

„Ach, das kenn ich“, sagt Gino. „Bei mir und Mosco ist es genauso.“

Es folgt eine Anekdote über das Tierbändigen. Gino erzählt, wie Mosco mit aller Kraft versucht hat, sich in Fiffys Training einzumischen. Schließlich haben der Greif und Ginos neuster Klassenkamerad ihre Wurzeln im untergegangenen Königreich Lorisland. Allerdings hat Mosco keinen Schimmer, was bei der Pflege eines Gryphus wirklich zu beachten war. Die Diskussion endete damit, dass sich beide Jungs gegenseitig in den Schwitzkasten genommen haben.

Als Gino demonstriert, wie er Mosco gepackt hat, lacht Sheri lauthals. Auch Gino grinst. Er mag es, Sheri so fröhlich zu erleben.

4

Madorocos Dschungel ist dicht. Überall sprießen dünne Gehölze mit schweren Kronen aus der Erde. Es ist schwül, die Luftfeuchtigkeit hoch. Gino trieft vor Schweiß. Er hechelt wie ein Hund, um sich zu kühlen. Magnus‘ bester Freund hatte ja so seine Zweifel gehabt, was Sheris Lollies angeht, allerdings lindern sie das enge Gefühl in seiner Brust tatsächlich. Außerdem schmecken sie lecker nach Malzbonbons. Ein zusätzliches Extra.

Gino hat die knapp 500 Tiere, die er stets mit sich herumträgt, aus seinem Rucksack entlassen. Greif Fiffy durchkämmt gerade den Himmel auf der Suche nach Nahrung für einen friedlichen Stamm Riesenbienen. Ein paar Falken, Raben, Spatzen und Wellensittiche begleiten ihn. Ginos weißer Löwe Davino ist mit den Steinbockziegen und einer Herde schwarzer Schafe klettern gegangen, Mammut Henryoso hat einen kleinen Fluss entdeckt und badet mit den Siamkatzen Januara und Grobniasu im kühlen Wasser. Auch andere Tiere streifen zum Toben, Entdecken und Spielen im Wald umher. Gino hatte mit ihnen verabredet, sich in einer Stunde beim Eingang des Dorfes zu treffen.

Das einzige „Tier“, das Gino begleitet, ist Robo-Dackeldame DAISY. Sie gehört fest zum Team und war im Schlafmodus im Gepäckabteil von Sheris und Elviras Hyperjet mitgereist. Sheri hatte Gino gebeten, DAISY ein wenig Auslauf zu verschaffen. DAISY rollt mit ihren Raupenfüßen brav hinter Gino her, bellt und scheint ihren Spaziergang grundsätzlich zu genießen. Ab und zu wirft Gino ihr ein paar von Sheris Leckerlis zu.

Computerchips, die Ginos Freundin extra für die Robo-Hündin zusammengelötet hat.

„Puh!“ Gino streckt die Arme aus. „Der Tapetenwechsel tut gut“, sagt er, mehr zu sich als zu seiner Begleitung. „Auch, wenn es für meinen Geschmack gerne ein wenig spannender sein dürfte.“ Gino lacht. „Na ja, man muss aufpassen, was man sich wünscht, oder, DAISY? So eine Konfrontation wie mit den Losern von Popel Äffchen Corgi brauch‘ ich in der nächsten Zeit nicht noch einmal.“ Was Gino mit Popel Äffchen Corgi meint, ist der Verbund krimineller Zauberer, gegen den er und seine Freunde letztes Schuljahr angetreten sind. In Wirklichkeit lautete ihr Name: „Purpura Effodiant Corvi“ – die purpurnen Raben.

Gino lacht derartig laut, dass sich ein Schwarm orange-silberner Bartgeier panisch fliehend in die Lüfte erhebt.

„Oh“, macht Gino. „Ich muss wohl etwas vorsichtiger sein.“ Dann sagt Gino zu DAISY. „Nach unserem Spaziergang strack ich mich erstmal eine ganze Weile auf eine Liege am Pool. Magnus hat gemeint, dass es eine riesige Anlage mit Spaßlandschaft gibt. Das gibt die Wasserschlacht des Jahrhunderts, das schwöre ich dir! Tim de Baal und Mosco können sich warm anziehen. Am besten Neopren-Anzüge!“

Gino geht drei Schritte über steiniges Gelände, dann bückt er sich wie vom Donner gerührt zu DAISY hinunter und sagt: „Stopp!“ Der Junior-Star-Dompteur beißt die Zähne zusammen.

DAISY legt den Kopf schief und lässt die Schlappohren hängen. Auf ihrem Augendisplay erscheinen zwei neongelbe große Fragezeichen.

„Da kommt was“, sagt Gino. Er rümpft die Nase. Schnuppert.

DAISY dreht den Kopf um 360°. Zu den zwei Fragezeichen gesellen sich drei weitere. Sie blinken in den Farben des Regenbogens. DAISY verfügt über hochempfindliche Sensoren. Sie nimmt jedoch keine Anomalie oder Turbulenz in der Nähe wahr.

Gino geht auf den Boden und bedeckt DAISY mit seinem voluminösen Körper. Die Robo-Dackeldame aktiviert ihre Notfallroutine. Sie spielt einen lauten Alarmton und blitzt mit Gammalichtstrahlen, die Ginos Skelett aufleuchten lassen, als wäre er in einen Röntgenapparat gefallen.

„Sh, beruhig dich“, sagt Gino DAISY ins Ohr. „Du musst keine Angst haben.“

DAISY windet sich aus Ginos Griff, da registriert sie mit einem Mal selbst etwas Ungewöhnliches. Sie schaltet sofort von ihrem Alarm- in den Verteidigungsmodus. DAISY klappt ihre Ohren zu Satellitenschüsseln aus, ihr weiches Fell nimmt die Härte von Diamant an und statt Fragezeichen sind plötzlich hellviolette Fadenkreuze auf ihrem Augendisplay zu sehen.

Die Kronen der dürren Bäume schwanken wie bei einem heftigen Sturm. Gino findet es gespenstisch. Und dann ist da dieser Geruch. Ein Gestank wie von Ammoniak oder Schießpulver (, dabei denkt Gino unweigerlich an Paul Pechs Supraschleim und seine erste Begegnung mit der Substanz).

„Da, hinter uns!“

Aus dem Dickicht kommt eine Person angelaufen. Sie springt von Baum zu Baum wie ein Zirkusartist.

„Was zum Seeteufel?“

Es ist eine junge Frau, vielleicht vier oder fünf Jahre älter als Gino. Sie hat goldene Haut und blaues wallendes Haar, das Gino an lodernde Flammen und Pfauenfedern erinnert. Sie kommt näher. Gino stellt sich ihr in den Weg.

„Hey, hey, hey!“, sagt Gino, als die Frau vor ihm mit solch einem Affenzahn abbremst, dass es Staub und Kiesel aufwirbelt. „Immer sachte mit den Pferden.“

Die Blicke der beiden treffen sich. Die Augen des Mädchens glitzern in einem dunklen Schwarz. Die Federn, die der Frau als Augenbrauen dienen, ziehen sich zusammen.

„Verschwinde von hier!“, sagt die Frau. „Schnell!“

Die Frau spricht nicht mit dem Mund, sondern direkt in Ginos Kopf. Es geht in die Hocke und hüpft in die Wipfel eines hohen Baumes und springt davon.

„Heiliges Brimborium!“, stöhnt Gino. „Was war das denn?“

DAISY bellt aufgeregt. Sie hüpft im Kreis. Ihre Warnblinker erlöschen.

Doch dann sagt Gino: „Das Schlimmste kommt noch.“

Der Geruch nach Schießpulver stammt nicht von dieser Frau. Sie war geruchslos. „Wie ein Geist“, denkt Gino unwillkürlich. Plötzlich bebt die Erde.

Gino packt sich die protestierende DAISY unter den Arm und sucht sich ein Versteck hinter einem hellen Kalkfelsen. DAISYs Augendisplay ist voller blinkender Fragezeichen. Es sind zu viele, um sie zu zählen.

Plötzlich kann Gino seinen Atem sehen. Er fröstelt. Die Blätter an den Bäumen verfärben sich dunkel und fallen in Massen ab. Das Holz der Stämme wird brüchig und fällt scherbenweise auseinander.

„Schau dir das an“, sagt Gino zu DAISY. Er richtet die Frontkamera der Robo-Dackeldame auf die Wesen, die wenige Meter von ihnen entfernt auf eine Lichtung treten.

DAISY zeichnet alles auf. Ohne die Bilder wird es später schwierig sein, seinen Freunden zu beweisen, dass er sich nicht alles nur eingebildet hat.

Da sind Tiere – Wildschweine, Hunde, Hirsche und Adler. Sie bestehen aus einer Substanz, die schwarzem Eis gleicht. Von innen heraus leuchtet es in einer tiefpurpurnen Farbe, außerdem stößt es zischendes Gas aus. Die Tiere blicken sich um. Sie kommunizieren in einer Sprache, die aus Krähen, Bellen und Blöken besteht. Alles in der Umgebung dieser Tiere verwelkt und verwittert. Sie verströmen einen intensiven Geruch nach Schießpulver. Gino muss sich zusammennehmen, um nicht eine gewaltige Niessalve auszustoßen. Nach einem Augenblick, der Gino und DAISY wie eine Ewigkeit vorkommt, ziehen die Tiere weiter. Sie laufen in die Richtung, in die die Frau geflohen ist.

Gino tritt sofort auf die Lichtung und untersucht Bäume und Erde. Der Untergrund fühlt sich kalt und warm gleichzeitig an. Die verdorrten Blätter, die aus ihren Kronen gefallen sind, zerstäuben bei der kleinsten Bewegung. Die feinen Holzfasern, die alles bedecken, sind hart und starr. Sie fühlen sich an wie Glas. Gino nimmt eine Handvoll Sand und riecht daran. Er duftet nach abgebrannten Feuerwerksraketen. DAISY sammelt sofort eine Probe ein und analysiert sie auf molekularer Ebene.

Gino blickt tief in den Wald. Man muss kein Fährtenleser sein, um die Spur der Tiere zu verfolgen. Eine Kette aus Tupfen zerstörter Natur markiert den Weg.

„Diese Monster sind hinter der Frau her“, sagt Gino.

Auf DAISYs Augendisplay ist plötzlich folgende Nachricht in orangen Lettern zu lesen.

„DIE ANDEREN RUFEN?“

Gino schüttelt den Kopf.

„Das dauert zu lange. Ich kann nicht zulassen, dass ihr etwas passiert.“

Nach ihrer Konfrontation mit Magnus‘ Großvater, in der eine ältere Sheri und ein älterer Gino aus einer anderen Dimension an Magnus‘ Seite kämpften, hat die Sheri aus dieser Welt sich vorgenommen, die technischen Spielereien ihres Alter-Egos nachzubauen. Quasi als Nebenprojekt zu ihrem Düsenjet. Den absoluten Durchbruch ist ihr noch nicht gelungen, doch die Anfänge ihrer Arbeit lassen sich sehen.

Gino drückt eine versteckte Taste seines Nano-Rucksacks. Plötzlich umgibt flüssiges Metall Ginos Körper. Er verwandelt sich.

5

Sheri-aus-einer-anderen-Welt hatte für Gino-aus-einer-anderen-Welt einen Anzug in der Form eines gigantischen Bären entwickelt. Ginos Sheri hatte jedoch Probleme, so viel Technik auf so geringem Platz unterzubringen. Deswegen hat sie das gesamte Projekt eine Stufe nach unten skaliert.

Gino nimmt die Verfolgung der Tiere aus schwarzem Eis deswegen in einem mechanischen Waschbären-Anzug auf. DAISY sitzt Gino auf dem Kopf und obwohl die Robo-Dackeldame nur über eingeschränkte Gesichtsmimik verfügt, ist Gino klar, dass sie sich ein fieses Grinsen verkneift.

„Du nimmst alles auf, oder?“, fragt Gino seine Gehilfin. Er hätte auch seine Tiere rufen können, doch die Pheromone, die Gino dafür nutzt, sind zu langsam und seine Kumpel dazu noch in alle Richtungen verstreut. DAISY piept schrill.

Mit seinem mechanischen Waschbären-Schwanz hangelt Gino sich von Ast zu Ast. Zur Orientierung nutzt er einzig und allein die Flecken zerstörter Natur.

Ehe er die Tiere aus schwarzem Eis einholt, sieht Gino im Wipfel eines besonders hohen Baums jedoch plötzlich etwas aufblitzen. Er erkennt die Frau mit der glänzenden Haut und den Haaren aus Feuer.

„WAS MACHST DU DA?“, hört Gino mit einem Mal in seinem Kopf.

Tatsächlich weiß Gino erst einmal nicht, wie er reagieren soll. Er ist vollkommen von der Erscheinung des Mädchens eingenommen.

„ICH VERSUCHE, ZU HELFEN!“, schrillt Gino zurück und merkt sofort, dass das ein Fehler gewesen ist. Er spürt das Beben unter seinen Füßen und strenger Ammoniakgeruch beißt ihn in die Nase.

„ICH BRAUCHE KEINE HILFE!“, hört Gino die Stimme der Frau in seinem Kopf. „SCHON GAR NICHT VON EINEM WIE... DIR. DU BIST GENAU WIE SIE!“

„Wie wer?“, fragt sich Gino, doch da ist die Frau bereits verschwunden.

Direkt neben Gino tauchen Tiere aus schwarzem Eis auf.

Ein dunkelpurpur glühender Hund versperrt Gino den Weg und mustert ihn von Kopf bis Fuß. Als er kurz darauf bellt, klingt das wie Lachen. Anschließend schwenkt ein Hirsch sein Geweih ungeduldig in die Richtung, in die die Frau geflohen ist, und das ganze Rudel nimmt die Verfolgung wieder auf, ohne Gino eines weiteren Blicks zu würdigen.

„EY, IHR BLÖDEN VIECHER!“, brüllt Gino den Tieren hinterher. „NA, WARTET!“

Das kann er so nicht stehen lassen.

Gino geht in die Hocke und staucht die Federn in seinen Kniegelenken. Kurz darauf wird der Tierbändiger durch die Luft katapultiert.

Der Adler, dem Gino am nächsten kommt, guckt den Jungen im Waschbär-Anzug komisch an und kräht. Gino schießt eine Kugel aus seinen Armgelenken, die ein straffgestricktes Netz aus Nanowolle enthält. Gino fängt den Adler ein. Der Vogel schlägt heftig mit den Flügeln, hat aber keine Chance, sich zu befreien.

„Ja, nimm das, du Tölpel!“, schimpft Gino, doch statt seinen Triumph auszukosten, muss Gino mitansehen, wie sich der Adler aus schwarzem Eis in zischenden Dampf auflöst und durch die groben Maschen seines Netzes entfleucht. Das hält Gino jedoch nicht davon ab, auch die restlichen Adler mit seinen Netzkugeln zu befeuern. Jeder der fünf Adler löst sich wie der erste in Luft aus.

Das ist zwar nicht genau das, was Gino sich erhofft hat, dennoch hat die geheimnisvolle Frau nun ein paar Verfolger weniger. Die Hirsche und Hunde nimmt Gino sich mit einem rotglühenden Lasso vor. Er bekommt sie an den Bäuchen zu fassen, doch als Gino an seinen Seilen zieht, verdampfen auch sie. Ihre harten, aus schwarzem Eis bestehenden Körper zerbröckeln.

Als Einziges ist noch eine Herde aus vier Wildschweinen übrig. Die Netze sind zu klein, das Lasso passt nicht über ihre massiven Köpfe. Deswegen nutzt Gino die letzte Waffe, die Sheri in seine Handschuhe integriert hat. Er schießt zehn Stäbe aus Metall aus jedem seiner Finger. Die Stäbe teilen sich, vermehren sich und ordnen sich schließlich um die Wildschweine herum zu Käfigen zusammen. Die Käfige poltern wie Spielwürfel, als die Keiler dagegen rennen.

„Nehmt das, ihr blöden Säue!“, brüllt Gino. Doch nach kürzester Zeit ist von ihnen nichts weiter übrig als Dampf. Gino hat sich um sämtliche Verfolger der Frau gekümmert.

Er hebt triumphierend den Arm in die Luft und sagt: „Mensch, da hab‘ ich den anderen nachher einiges zu erzählen. Ich wittere ein Abenteuer.“

Gino birgt die leeren Netze und stellt fest, dass von den Kreaturen bloß kleine Steinfiguren übrig geblieben sind. Sie stellen auf abstrakte Weise Adler, Hunde, Hirsche und Wildschweine dar. Der Stil erinnert Gino sofort an die Inoztaiken. Gino steckt die Figuren ein, als es über ihm in einem Baum raschelt. Es ist die junge Frau. Sie starrt auf den Tierbändiger hinab.

„Gib sie mir!“, hört Gino die Frau erneut in seinem Kopf.

„Sag‘ mir erst, wer du bist und was diese Monster von dir wollten“, antwortet Gino.

„Ich kann dir nicht vertrauen“, antwortet die Frau.

„Tja, dann hast du leider Pech gehabt“, meint Gino. „Die Figuren bekommst du nicht.“

Die Frau presst die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen.

„Zerstöre sie“, sagt die Frau, ohne ihre Lippen zu bewegen. „Sonst wird er dich finden und vernichten.“

„Wer ist er?“, fragt Gino.

Die Frau antwortet: „Prinz Borromean.“

„Prinz Borromean? Hört sich nach keinem angenehmen Gesellen an. Brauchst du vielleicht nicht doch Hilfe?“, fragt Gino.

„Ich komme alleine zurecht. Wie ich es schon immer getan habe“, antwortet die Frau und springt davon. Bevor sie in den Kronen der großen Bäume verschwindet, hört Gino einen letzten Gedanken wie ein Echo in seinem Kopf: „Danke.“

6

Gino fliegt auf Fiffys Rücken zurück nach Calliandra. Kurz bevor er das Dorf erreicht, schreibt er seinen Freunden: „Wir trefen uns in Magnus und meinem zimer. muss euch was erzälen.“

Als Gino in das Zimmer gestürmt kommt, sitzt sein Freund schon auf dem Bett. Er hat einen Bildband über inoztaikische Kunst auf dem Schoß und blättert interessiert darin herum.

„Was guckst du dir da an?“, fragt Gino außer Atem. Magnus runzelt die Stirn und antwortet: „In diesen Sachen hier verstecken sich magische Formeln. Die Ureinwohner von Madoroco sind Zauberer gewesen.“ Magnus legt den Band beiseite. Er kann selbst kaum glauben, dass er freiwillig studiert hat. „Aber jetzt zu dir, wieso wolltest du, dass wir uns treffen?“

„Warten wir noch, bis Sheri kommt, okay?“

Das letzte Mitglied in ihrer kleinen Truppe erscheint fünf Minuten später. In der Zwischenzeit hat Magnus DAISY ein wenig die Ohren gekrault. In dieser Hinsicht ist sie nicht wie andere Dackeldamen. Sheri trägt ihre Tasche bei sich. Ihre Augen wirken matt und müde, wie manchmal, wenn sie sich die ganze Nacht für einen Test vorbereitet hat.

„Sorry, Leute, bin über einem Manuskript hängen geblieben. Ich habe noch nie so viel authentische historische Literatur auf einem Haufen gesehen. Wie es scheint, standen die Inoztaiken mit den Lorisländern tatsächlich in Verbindung. Es kann sogar sein, dass Übersiedler aus Lorisland die Dörfer hier auf Madoroco gegründet haben.“

„Na, warte mal ab, bis Mosco und Elvira das erfahren“, sagt Magnus mit einem breiten Grinsen.

„Bis jetzt ist es nur eine These. Ich habe noch keine eindeutigen Beweise gefunden“, meint Sheri und zuckt die Schultern. „Aber jetzt zu dir, Gino, was gab es denn so Dringendes?“

„Das werdet ihr mir nicht glauben“, beginnt Gino. „Beim Spazieren im Wald bin ich Monstern begegnet.“

„Was?“, grunzt Sheri schrill. „Was meinst du? Meinst du den endemischen Luchs, der hier lebt? Er kann eine Größe von bis zu 2,50 Metern erreichen.“

„Nein, kein Tier. Na ja, eigentlich doch. Es waren aber keine herkömmlichen Tiere. Sie bestanden aus etwas wie... schwarzem Eis? Macht das Sinn? Es sah aus wie Eis und hat von innen heraus dunkelviolett geleuchtet. Da waren mehrere Wildschweine, Hunde, Hirsche und Adler. Als ich sie fangen wollte, haben sie sich in Dampf aufgelöst. Das ist aber noch gar nicht das krasseste.“

„Was dann?“, fragt Magnus.

„Diese Monster haben eine Frau verfolgt.“

„Du hast sie hoffentlich gerettet“, geht Magnus dazwischen.

„Natürlich“, antwortet Gino stolz. „Mithilfe von Sheris Rüstung.“

„Dem Procyon-Prototyp? Hat er funktioniert?“, fragt Sheri mit großen Augen. Procyon hört sich viel cooler an, als das, was es eigentlich meint: eine Waschbär-Rüstung.

„Jap jap“, sagt Gino und fährt fort: „Die Frau war total strange. Sie hatte goldene Haut und Haare, die wie eine Mischung aus blauem Feuer und Pfauenfedern wirkten. Ich bin mir zu 80% sicher, dass das nicht bloß Schminke war.“

„Das klingt absurd“, antwortet Magnus mit einem breiten Grinsen.

„Ja, total gaga, oder?“, pflichtet Gino bei. „Gut, dass ich mit DAISY Gassi gegangen bin. Sie hat die ganze Sache gefilmt.“

„Oahr, das will ich sehen!“, meint Magnus. Die drei Freunde setzen sich auf die untere Matratze von Magnus‘ und Ginos Stockbett. Sheri klopft auf die Mitte des Betts und DAISY hopst ganz automatisch zu den dreien hoch. Mit ihrem Gewicht bringt sie den Lattenrost zum Ächzen.

Sheri verbindet ihr Tablet drahtlos mit DAISYs Speicher. Sie lädt die Aufzeichnungen von Ginos Spaziergang und spielt sie ab.

Es folgt eine herbe Enttäuschung. Zu sehen ist, wie stellenweise Pflanzen verwittern, Blätter auf den Boden fallen, Äste und Stämme schockgefrieren, abbrechen oder aufplatzen. Doch von den Eismonstern und dem Mädchen mit den Flammenhaaren fehlt jeder Spur.

„Das kann nicht sein!“, meint Gino. „Da waren definitiv Monster. Ich hab‘ sie gesehen und sie mir nicht nur eingebildet.“

„Das Phänomen vom plötzlichen Absterben der Flora lässt sich möglicherweise mit einem besonders heftigen Windstoß erklären, der eine bestimmte Art von Kupferstaub mit sich getragen hat“, meint Sheri.

„Boah, Sheri!“, meint Gino. „Hältst du mich jetzt für blöd oder was? Wieso sollte ich euch einen Bären aufbinden wollen?“

„Ich glaube nicht, dass du lügst“, antwortet Sheri ernst. „Ich suche nur nach Erklärungen für das, was ich sehe.“ Sie rückt im Schneidersitz vom rechten auf das linke Knie. Schließlich sagt sie: „Lasst mich mal kurz was nachschauen, okay?“

Die Jungs lassen Sheri.

„Du glaubst mir doch, oder?“

„Ja, klar. Darf ich dich erinnern, dass ich bereits auf einem Drachen geflogen bin, der sich unsichtbar machen konnte?“ Damit meint Magnus den weißen Drachen, dessen Kind sie bei ihrem Abstecher in das antike Lorisland gerettet hatten.

Dann fällt Gino etwas Wichtiges ein. Er hat einen weiteren Beweis dafür, dass sich die Begegnung mit den Eismonstern so zugetragen hat, wie er schilderte.

Gino präsentiert seinen Freunden kleine Steinfiguren, die die Eistiere beim Verdampfen hinterlassen haben.

„Hier!“, sagt Gino und reicht die Figuren an Magnus weiter. Doch statt die Figürchen wirklich in Augenschein zu nehmen, legt Magnus seine Stirn in Falten.

„Wieso zeigst du mir zwei leere Hände?“, fragt der Nachwuchs-Magier.

„Ey, du verscheißerst mich doch, oder?“, bellt Gino. „Ich halte hier 13 kleine Steinfiguren in den Händen. Guck genauer hin, da sind Wildschweine, Hunde... eben die Tiere, die ich vorher auch schon aufgezählt habe.“

Magnus versucht, eine der Figuren zu greifen, doch als er sie mit Pinzettenfingern packt, greift Magnus‘ Freund durch die Figuren hindurch.

„Boah, ne, das kann nicht sein“, sagt Gino. Seine Stimme überschlägt sich. „Ey, Sheri, bitte schau dir das mal an. Ich finde das gerade supergruselig.“

Sheri kommt zurück. Sie betrachtet Ginos Handflächen.

„Sorry, aber ich sehe auch nichts“, sagt Sheri.