Schurken am Ball! - Frank Schmeißer - E-Book

Schurken am Ball! E-Book

Frank Schmeißer

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Beschreibung

Die Unglaublichen Dreieinhalb müssen im Fußball gegen die größten Schurken des Universums antreten. Wenn ihnen nicht sofort ein blitzgescheiter Plan einfällt, werden sie zu Fischfutter verarbeitet!

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Seitenzahl: 170

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Impressum

Als Ravensburger E-Book erschienen 2012 Die Print-Ausgabe erscheint in der Ravensburger Verlag GmbH © 2012 Ravensburger Verlag GmbH Innenillustrationen: Jörg Mühle Lektorat: Britta Keil Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbHISBN 978-3-473-38461-7www.ravensburger.de

Platzhalter

Alles beginnt mit einer bösen Überraschung

Okay, eines vorneweg: Ich gebe zu, dass sich die folgende Geschichte so anhört, als hätte sie sich Pinocchio ausgedacht, in dessen Kopf sich ein Holzwurm kugelrund futtert. Sie ist aber trotzdem nicht gelogen. Ich stand wirklich auf einmal vor allen Leuten ohne Hosen da, trug zwei Tage einen peinlichen Bart und ließ ein wildes Tier auf meinen Erzfeind los. Die Geschichte ist also absolut wahr! Und sie beginnt ja auch ganz normal. Wenn auch zu früh am Tag. Zumindest für meine Eltern.

Als ich aufwachte, war ich dreimal so hibbelig wie sonst. Wochenlang hatte ich an dem neuen Bild von Captain Sauerland herumgezeichnet. Das alte hatte ich ja blöderweise und völlig aus Versehen meiner Tante Hella geschenkt.

Captain Sauerland ist ein Superheld und das Symbol für die Superheldentruppe „Die Unglaublichen Dreieinhalb“. Und das sind Martin, Barbara, Dieter und ich. Ich konnte es kaum erwarten, das Bild meinen Freunden zu zeigen.

Ich hatte sogar alle Rechtschreibfehler wieder reingebaut. Martin meinte zwar, ohne Rechtschreibfehler würde es auch gehen, aber Barbara und ich waren da anderer Meinung. Wir wollten, dass das neue Bild ganz genauso aussah wie das Original. Und das tat es!

Endlich hatten wir– das Superheldenteam– unseren Superhelden zurück. Und das bedeutete Frieden und Sicherheit für die Menschen unserer Heimatstadt Buckelbügel. Die konnten nun wieder ruhig schlafen. Am Wochenende sogar auch die in Kleinsau Ödbach– da kommt man ja zur Not ganz gut mit dem Bus hin.

Denn die Unglaublichen Dreieinhalb, die Kämpfer gegen alles Böse, waren wieder am Start!

Bereit sich gegen Weltenzerstörer, Superschurken und unmenschliches Geräteturnen zur Wehr zu setzen. Was weder ich, Sebastian Traugott von Nervköter alias „Das Gehirn“, noch Barbara „Action-Bärbel“ Schwemme oder Martin „Das Chamäleon“ Koslowski und sein imaginärer Freund Dieter „Der Hosenscheißer“ ahnten: Es war auch allerhöchste Eisenbahn, denn uns stand ein gewaltiges Abenteuer ins Haus. Unsere Klassenfahrt, auf die wir uns schon so lange freuten, sollte uns geradewegs in die Hölle führen!

Ich beschloss, nicht lange im Bett zu bleiben, sondern unverzüglich aufzustehen und mich reisefertig zu machen. Meinen Koffer hatte ich bereits vor gut zwei Wochen gepackt. Sicherheitshalber. Als Superheld muss man jederzeit damit rechnen, dass einem etwas dazwischenkommt und man dann keine Zeit mehr fürs Kofferpacken, Hausaufgabenmachen oder Zähneputzen findet.

Ich rollte unser neues Captain-Sauerland-Plakat zusammen und steckte es in eine Pappröhre. Dann duschte ich mich superschnell (zwanzig Sekunden), putzte mir die Zähne in Rekordzeit (sieben Sekunden) und weckte meine Eltern. Die mussten mich ja in die Schule fahren. Ich hatte noch kurz darüber nachgedacht, wie ich sie wecken sollte, vorsichtig oder eher zügig.

Bei meinen Eltern stieß mein früher Tatendrang unverständlicherweise auf wenig Begeisterung. Mein Vater patschte mit der Hand wie ein Seelöwe auf dem Nachttisch herum, bis er seine Brille gefunden hatte. Er setzte sie auf und glotzte ungläubig auf den Wecker.

„Spinnst du? Es ist noch nicht mal sechs!“, rief er.

Als Mutter die Uhrzeit hörte, drehte sie sich gleich wieder um.

„Geh ins Bett, Sebastian, und schlaf weiter.“

Einfach weiterpennen und Gefahr laufen, die Abfahrt zu verpassen? Nicht mit mir!

„Aber was ist, wenn wir zu spät kommen?“

„Wir müssen um halb neun da sein und brauchen keine zehn Minuten mit dem Auto“, antwortete Papa. „Es ist also noch Zeit.“

„Aber was, wenn wir eine Panne haben?“

„Wir werden schon keine Panne haben“, sagte Papa genervt.

Mutter rollte sich auf den Rücken und drückte sich frecherweise das Kissen aufs Gesicht, um nichts zu hören.Wir werden schon keine Panne haben.Woher wollte der das wissen? Seit wann war er ein Hellseher?

„Du kannst gar nicht wissen, ob wir eine Panne haben werden!“, protestierte ich. „Schließlich kann man Pannen nicht planen. Die kommen, wann sie wollen.“

Echt wahr: Pannen sind wie Fußpilz oder Mathearbeiten. Sie ereilen einen immer gerade dann, wenn man sie überhaupt nicht gebrauchen kann. Entweder wenn man gerade ins Schwimmbad will oder wenn man tags zuvor im Schwimmbad war und keine Bruchrechnung geübt hat. Allesamt hinterhältige Biester sind das.

Papa stöhnte nur und meinte: „Wenn wir eine Panne haben, werde ich das Auto reparieren und dann sind wir immer noch pünktlich da.“

Das fand jetzt sogar Mutter lustig und wir lachten Papa aus. Mein Vater hat, um das mal festzuhalten, überhaupt keine Ahnung von Autos und reparieren kann er sie schon gleich gar nicht. Der kann ja noch nicht mal die aus den Überraschungseiern zusammenbauen. An Ostern hat er fast zwei Stunden lang versucht, die fünf kleinen Plastikstücke so zusammenzustecken, dass ein Laster daraus wird. Es misslang, und als ihm das sechste Mal eines dieser winzigen knubbeligen Dinger unter die Couch geflutscht war, ist er aufgestanden, hat sich seine Jacke geschnappt und ist drei Stunden spazieren gegangen. Mit knallroter Birne. Nein, ein technisch begabter Mensch ist mein Vater nicht. Auch wenn er das partout nicht einsehen will.

„Wir werden keine Panne haben und jetzt geh ins Bett!“, sagte er wütend. Wahrscheinlich auch, weil Mutter so lachen musste. Aber ich fühlte mich im Recht und wer im Recht ist, muss dafür eintreten.

„Ich erinnere mich noch genau an folgende Unfälle aus dem letzten Jahr“, begann ich. „Dienstag, 15.Februar, zwölf Uhr einundzwanzig: Auffahrunfall an der Ampel Ecke Hauptstraße. Du warst schuld. Samstag, 24.März, fünfzehn Uhr zweiundzwanzig: Beim rückwärts Einparken bist du auf die Terrasse des Eiscafés Salmonelli gebrettert. Am 30.April kam dir gegen elf Uhr auf der sehr breiten Landstraße der sehr kleine Trecker mit der sehr großen Jaucheladung entgegen. Weißt du noch? Wo da dummerweise auch noch die Wandergruppe gerade die Straße überquerte? Ich wette, die haben den Unfall nicht vergessen. So wie die danach gestunken haben und…“

„Ja, ja, ja! Mein Gott!“ Papa schleuderte seine Decke weg, stand auf und stampfte an mir vorbei ins Badezimmer.

Manchmal ist ein so gutes Gedächtnis wie meins echt Gold wert. Ich besitze nämlich ein sogenanntes fotografisches Gedächtnis. Das bedeutet, dass ich mir alles merken kann, weil mein Gehirn die ganze Zeit über Fotos schießt. Die kann ich mir dann immer wieder ins Gedächtnis rufen und in Ruhe anschauen. Mein Kopfarzt Dr.Klingschön ist allerdings davon überzeugt, dass ich diese Fähigkeit nicht richtig nutze. Im Gegenteil. Seiner Meinung nach werfe ich alles wild durcheinander und ziehe viel zu oft die falschen Schlüsse aus den Bildern.

Um Ordnung in mein Gehirn zu bringen, muss ich dieses Tagebuch über meine sozialen Kontakte führen. Wenn ich Dr.Klingschön richtig verstanden habe, entsteht ein sozialer Kontakt immer dann, wenn man andere Menschen trifft. Von Angesicht zu Angesicht oder mit einem Ball in den Magen. Ich persönlich nenne diese Aufzeichnungen aber lieber „Chroniken“, obwohl ich nicht genau weiß, was das eigentlich ist. Auf alle Fälle sind auf den Umschlägen von Chroniken keine Ponys, Einhörner oder Katzen in Taucheranzügen drauf so wie auf den Reinschreibebüchern, die einem die Omas jedes Jahr aufs Neue zum Geburtstag und zu Weihnachten schenken, obwohl man ihnen schon tausendmal gesagt hat, dass man ein Junge ist und mit so einem Ding nix anfangen kann!!!

Meine Chroniken kann ich dann später mit Dr.Klingschön und meiner Mutter durchgehen, um zu sehen, was so alles schiefgelaufen ist oder in welche Fettnäpfchen ich getreten bin.

Nachdem meine Eltern äußerst schnell und stöhnend wieder aus der Dusche gehüpft kamen– ich hatte vorher die Warmwasserleitung zugedreht, damit das Duschen etwas fixer ging–, frühstückten wir zusammen. Mein Vater schmierte sich eine Stulle, verfluchte die kaputte Dusche und das eisige Wasser.

Nach dem Frühstück ging er zum Auto, lud meinen großen Koffer in den Kofferraum und setzte sich hinters Steuer. Meine Mutter verabschiedete mich an der Tür. Sie nahm meinen Kopf in ihre Hände und sah mir tief in die Augen. Auf die Art versuchte sie, in mein Gehirn zu krabbeln. Wenn sie einem so in die Augen starrt, muss man aufpassen, dass man keine Geheimnisse verrät. Sie ist sehr gut darin, Leute so lange anzustarren, bis sie mürbe sind und alles gestehen, was sie verbrochen haben. Fragt mal Martin. Der knickt bei ihr schon nach Sekunden ein.

„Sebastian, ich wünsche dir viel Spaß. Aber wehe, du stellst etwas an! Hast du mich verstanden? Hicks.“ Immer wenn Mutter ernst wird, muss sie hicksen. Ich nehme an, das liegt daran, dass sie so angestrengt versucht, nicht zu hicksen. Das Hicksen hat sie übrigens seit meiner Geburt.

„Klar!“, antwortete ich brav. Und das war nicht gelogen. Ich hatte sie verstanden und auch nicht vor, Blödsinn zu machen.

Papa drückte auf die Hupe, ich warf mir meine Sporttasche über die Schulter, klemmte mir die Papprolle mit dem Captain-Sauerland-Poster unter den Arm und stürmte zum Auto.

Als wir in der Schule ankamen, war die Sonne bereits aufgegangen. Außer uns war noch niemand da. Das war bislang noch nicht so oft vorgekommen. Eigentlich noch nie. In der Regel kam ich immer als Letzter zur Schule. Zehn Sekunden vor dem Läuten des Gongs. Mein Kumpel Martin war immer als Erster da. Lange vor allen anderen Schülern und auch vor den Lehrern. Das liegt daran, dass seine Mutter einen Dachschaden hat und ihn sicherheitshalber immer eine Stunde früher als nötig weckt, damit er sicherheitshalber immer eine Stunde früher mit seinem Fahrrad losfahren kann und auch ganz sicher pünktlich ist. Die sind alle ein bisschen verrückt, die Koslowskis.

Als ich meinem Vater davon erzählte, sagte der nur: „Wegen dir sind wir eineinhalb Stunden zu früh hier.“ Dann holte er meinen Koffer aus dem Kofferraum.

Ich nahm die Papprolle und meine Sporttasche von der Rückbank und stieg aus. In die Tasche hatte ich alles gepackt, was ich während der Autofahrt benötigen könnte– Süßigkeiten, meinen Kram zum Zeichnen und ein paar Superheldencomics. So wie mein Vater fährt, muss man einfach immer damit rechnen, dass einen die Feuerwehr aus dem Auto sägen muss. Und so was kann dauern.

Vater stand mir gegenüber und sah mich lange an. Dann sagte er: „Ich denke, du bist alt genug, dass du hier alleine warten kannst“, stieg wieder ins Auto und düste davon.

Ich sah ihm nach und musste an Familie Koslowski denken. Die war mit Sicherheit auch schon wach und ganz aufgeregt. Martins Mutter ist immer schrecklich in Sorge, wenn es um ihren Sohn geht. Die ganze Familie Koslowski findet Sicherheit in allen Lebenslagen sehr wichtig. Diese Einstellung bereitet Martin mitunter ein paar Probleme. Zumindest dann, wenn er als Superheld „Das Chamäleon“ im Einsatz ist. Obwohl Martin eher nie die gefährlichen Sachen macht. Er ist normalerweise im Hintergrund tätig oder als nahezu unsichtbarer Beobachter und Beschatter. Seine grandiose Superheldenkraft „Unscheinbar bis zur Unsichtbarkeit“ spielt ihm dabei prima in die Hände.

Unsichtbarer als Martin ist eigentlich nur Dieter, der halbe Superheld der Unglaublichen Dreieinhalb. Dieter ist nämlich tatsächlich unsichtbar. Nur Martin kann ihn sehen und hören. Alle, auch Martins Eltern, glauben, dass es Dieter gar nicht gibt. Dass Martin sich Dieter nur einbildet. Wir von den Unglaublichen Dreieinhalb sind uns da nicht so sicher. Schließlich ist Martin ansonsten ein ganz heller Kopf. Er ist sogar der beste Schüler unserer Schule. Seine Lieblingsfächer sind Mathe und Physik. Das muss man sich mal vorstellen! Außerdem liest er nicht nur Comics und Kinderbücher wie Barbara und ich, sondern auch Bücher für Erwachsene. Ganz dicke Wälzer. Ich hatte das auch mal versucht und mir das Lieblingsbuch meiner Mutter geschnappt. Das total zerfledderte Ding hieß „Freibeuter der Liebe“. Freibeuter sind übrigens dasselbe wie Piraten. In dem Buch ging es um eine schiffbrüchige Frau und einen Piraten. Die latschten am Strand lang und verliebten sich irgendwann ineinander und dann wurde es noch langweiliger. Unglaublich, was Erwachsene so lesen. Mein Vater findet die Romane von meiner Mutter auch total bescheuert. Das hat er ihr sogar mal gesagt. Aber Mutter meinte, wenn er nicht so ein unromantischer, unsportlicher Schlaffi wäre, müsste sie nicht solche Geschichten lesen. Vater ist dann beleidigt in sein Büro gestampft und hat mit seinen Hanteln trainiert. Allerdings nur so lange, bis er sich irgendwas verrenkt hatte. Vater hat rumgeschrien wie ein kleines Baby und der Notarzt musste kommen, um ihm eine Spritze zu geben. Als Papa die Spritze sah, hat er gleich wieder angefangen zu schreien wie am Spieß. Reden wir nicht lange drum herum: Als Pirat wäre mein Vater eine Flasche.

Im Grunde ist Dieter auch eine Flasche. Weil er nicht nur unsichtbar, sondern auch ein riesengroßer Feigling ist, hat er bei unseren Abstimmungen immer nur eine halbe Stimme.

Barbara ist das absolute Gegenteil von Dieter. Nicht umsonst trägt sie ihren Kampfnamen „Action-Bärbel“. Sie ist nämlich extrem tapfer, unglaublich sportlich und kann keine zwei Minuten still sitzen. Wo Action-Bärbel auftaucht, brennt der Baum. Die Lehrer nervt das, aber Martin, Dieter und ich finden das meistens spitze. Nicht einmal dem gerissensten Superschurken würde es gelingen, Action-Bärbel aus dem Hinterhalt anzugreifen. Sie ist immer bereit! Wäre sie ein Tier, wäre sie bestimmt irgendein superhektisches, gefährliches Raubtier.

Ich sah auf die Uhr. Mittlerweile war es schon fast halb acht und es war immer noch kein anderer Schüler in Sicht. In ein paar Minuten würden die Lehrer auftauchen, denen zu Hause der Kaffee ausgegangen war.

Ich setzte mich auf den Koffer und übte meine diabolische Überlegenheitslache. Die braucht ein Superheld, um dem Superschurken, den er gerade besiegt hat, noch etwas Hohn und Überlegenheit entgegenzuschleudern.

„Muaahahahaharhihihahahoho!“

Manche Helden bevorzugen es, coole Sprüche abzufeuern, wenn sie ihren Gegner in die Knie gezwungen haben. So was wie „Hasta la vista, Baby!“ oder „Das Gehirn 1, Captain Kannix 0!“. Aber ich fand meine diabolische Lache der Überlegenheit besser.

„Muaahahahaharhihihahahoho!“

Auf einmal glitt ein dickes Auto nahezu geräuschlos auf den Parkplatz. Eine schwarze Luxuslimousine mit getönten Scheiben. Die waren so dunkel, dass man nicht hineinschauen konnte. Der Wagen blieb mitten auf dem Parkplatz stehen. Der leise summende Motor ging aus, aber nichts geschah. Die Motorhaube zeigte auf mich und sofort schrillten meine Alarmglocken. Wem gehörte diese Verbrecherkarre? Und warum stieg niemand aus? Wie viele Leute saßen wohl darin? Waren sie bewaffnet? Und wenn ja, womit? Mit Pistolen, Lasern oder vielleicht sogar Darmviren? Gott bewahre! Gerade ein Darmvirus wäre jetzt blöd gewesen. Schließlich musste ich später noch eine lange Busfahrt aushalten und meine schwache Blase war Bedrohung genug.

Ich ergriff die Papprolle mit Captain Sauerland, die neben mir am Fahrradständer lehnte. Auf einmal öffnete sich die Tür hinten rechts, aber niemand stieg aus. Ich hielt meine Papprolle noch fester umklammert. Damit würde ich mich sicherlich eine Weile verteidigen können. So knapp vier Sekunden, schätzte ich. Dann fiel die Tür wieder zu und der kleine Daniel Barsch stand neben dem Auto. Der war so winzig, dass ich ihn hinter der Tür gar nicht gesehen hatte. Neben ihm stand ein schicker brauner Lederkoffer, der genauso teuer aussah wie die Klamotten, die Daniel trug: Stoffhose, braune Lederschuhe, Polohemd mit einem karierten Pulli drüber.

Daniel Barsch ging in die 6b (b wie böse), obwohl er so klein war, dass er locker in seinen eigenen Koffer gepasst hätte. Es ist nämlich so, dass alle großen, stämmigen, doofen Schüler in die 6b (b wie böse) gelost wurden, während alle eher schmächtigen, dafür aber schlaueren Kinder bei uns in der viel cooleren 6a gelandet waren. Von seinem Körperbau her hätte Daniel Barsch also viel besser zu uns gepasst. Da hatte ihm das Schicksal gehörig in den Hintern getreten.

Der Motor sprang an und die Limousine fuhr wieder vom Parkplatz. Ganz langsam, so als wollte sie mich so lange wie möglich im Auge behalten. Angestrengt versuchte ich, jemanden am Steuer zu erkennen. Keine Chance. Wahrscheinlich wurde der Wagen ferngesteuert. Oder es war ein Roboterauto.

Daniel Barsch belauerte mich, genauso wie ich ihn belauerte. Dann packte er seinen Koffer mit beiden Händen und schleppte ihn mühsam in meine Richtung. Wollte der etwa zu mir? Wusste der denn nicht, dass die 6a und die 6b (b wie böse) Feinde waren? Scheinbar nicht.

Eine Minute später war er bei mir. Er stellte seinen schweren Koffer ab und nickte mir zu. Das sollte wohl „Guten Tag“ heißen. Ich nickte stumm zurück. Das sollte aber nur „Tag“ heißen. Daniel Barsch stopfte seine Hände in die Hosentaschen, wippte auf den Zehenspitzen hoch und runter, starrte in den Himmel und nickte wieder.

„Na? Alles klar?“, fragte er, ohne mich anzusehen.

„Ja“, antwortete ich kurz und knapp und so cool wie möglich. Ich konnte überhaupt nicht einschätzen, wo das hier jetzt hinführen sollte.

„Klassenfahrt, hm?“

„Hm. Ihr auch, ne?“

„Hm.“

Dann schwiegen wir wieder. Ich war überrascht. Ich hätte niemals gedacht, dass man mit einem Typ aus der 6b (b wie böse) ein so gutes Gespräch führen konnte. Deren Stärke lag eher im Zuhauen.

„Wo geht’s denn hin?“, fragte ich ihn.

„Keine Ahnung. Knarz meinte, das ist eine Überraschung. Und ihr?“

„Auch keine Ahnung. Wir sollen auch überrascht werden.“

„Aha. Merkwürdig, oder?“

„Ein bisschen schon“, gab ich zu. Diese Geheimniskrämerei der Lehrer war wirklich seltsam.

In diesem Augenblick wurde Martin von seiner Mutter vorgefahren. Die beiden sprangen aus dem Auto und Martin zerrte hektisch sein Gepäck aus dem Kofferraum, als wäre er um Stunden zu spät gekommen, während ihm seine Mutter am Hemd und an der Krawatte rumfummelte. Martin muss immer Hemd, Krawatte und Sonntagshosen tragen. Ich habe nur eine Sonntagshose. Sonntagshosen sind aus Stoff und besonders kratzig. Scheinbar sind bequeme Hosen, von denen man keinen Ausschlag kriegt, sonntags verboten. Ich nehme an, weil man damit keinen Eindruck schinden kann, falls mal Besuch kommt.

Martins Eltern scheinen immer Besuch zu erwarten. Oder er trägt das Zeug, damit er gut aussieht, falls er mal überraschend ins Fernsehen muss oder zur Konfirmation. Sein Vater ist nämlich Pfarrer. Daher hing Martin wirklich nie hinten das Hemd aus der Hose oder vorne ein Popel aus der Nase. Er sah immer aus wie frisch aus dem Ei gepellt.

„Nicht jetzt, Mama“, protestierte Martin. „Ich lade die Koffer aus.“

„Nur weil man Koffer auslädt, ist das noch lange kein Grund, wie ein Hippie rumzulaufen.“

Frau Koslowski zog ein Taschentuch aus ihrer Jacke, feuchtete es mit Spucke an und wischte Martin damit im Gesicht rum.

„Mama, lass das! Das ist mir peinlich.“

„Was ist an einem sauberen Gesicht peinlich?“

„Mir ist es nur peinlich, deine Spucke in meinem Gesicht zu haben.“

Endlich hatte Martin seine drei (!) Koffer aus dem Kofferraum gehoben und begann damit, den größten zu uns rüberzuwuchten. Stöhnend ließ er den Koloss direkt neben mir fallen. Anstatt uns zu begrüßen, schaute er nur ungläubig Daniel Barsch an.

„Was macht der denn hier?“, fragte er, als wäre Daniel Barsch gar nicht anwesend. Wie gesagt, die 6a und die 6b (b wie böse) sind alles andere als Freunde.

„Schätzchen, was ist mit den anderen Koffern? Glaubst du, denen wachsen Beine, wenn du nur lang genug rumtrödelst?“, schrie Frau Koslowski vom Parkplatz zu uns rüber.

Martin seufzte. „Nein, Mama, das glaube ich nicht!“, schrie er zurück. Martin stapfte wieder zum Auto. Ich ging ihm nach, um ihm bei seinem Gepäck zu helfen.

Als wir bei Martins Mutter ankamen, packte sie mich gleich am Arm und zog mich beiseite.

„Gut, dass ich dich erwische, Sebastian.“

„Guten Morgen, Frau Koslowski.“

„Ja, ja, ja, guten Morgen. Also, ich habe hier eine Liste mit Notfalltelefonnummern. Falls meinem kleinen Liebling was zustößt.“

Frau Koslowski überreichte mir die Liste.

„Danke, aber wäre es nicht besser, wenn Martin…“

„Martin hat die Telefonnummern in seinem Handy gespeichert. Euer Lehrer bekommt diese Liste natürlich auch noch. So…“ Wieder suchte sie in ihrer Handtasche und zog schließlich noch einen Zettel heraus.

„Und hier stehen alle Allergien drauf, unter denen mein Kleiner leidet, inklusive einer genauen Beschreibung der möglichen Symptome und der Notfallmedikamente, die er dann benötigt. Die Medikamente sind übrigens im Notfallkoffer.“

Frau Koslowski zeigte auf ein rotes Monstrum, das Martin gerade ächzend hochhob. Dann drückte sie mir auch die zweite Liste in die Hand und ich begann sie vorzulesen.

„Falls Martin unnatürlich viel pupsen muss und der Geruch seiner Gase extrem streng sein sollte, könnte das an seiner Laktose-Intoleranz liegen.“

Frau Koslowski nickte. „Martin verträgt keine Milchprodukte.“

„Vertrag ich doch!“, zischte Martin sauer.