Schurken machen Krawall - Frank Schmeißer - E-Book

Schurken machen Krawall E-Book

Frank Schmeißer

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Beschreibung

Das Superheldenteam "Die Unglaublichen Dreieinhalb" will das größte, höchste und tollste Baumhaus der Welt bauen! Das ist für die drei natürlich ein Klacks. Da können sie ganz nebenbei auch noch gegen Superschurken kämpfen!

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Seitenzahl: 173

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Inhalt

Impressum

Auch Superhelden brauchen Urlaub

Tretminen und Fehltritte

Brave Helden

Natur heißt auch Gefahr!

Der Spinnenmann

Zimmerservice, ein Schwur und ein Piratenschatz

Der Katzenstreu-Baron

Das Baumhaus

Das Versteck des Bösen

Ein Guter in Grün

Eine gute Tat

Helden tauchen unter

Ein neuer, ganz schön verwegener Plan für echte Helden

Monsterspinnen, Monsterameisen und Monstermarienkäfer

Schranken und Schwerter

Dem Schurken auf der Spur

Das Spukhaus

Die Keksfalle

Die Erleuchtung

Eine waghalsige Flucht

Neue, verwegene Pläne

Stelzen und Hufe

Action-Bärbel in Action

Helden in Gefahr

Ende gut, alles gut?

Autoreninformation

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Als Ravensburger E-Book erschienen 2013Die Print-Ausgabe erscheint in der Ravensburger Verlag GmbH© 2013 Ravensburger Verlag GmbHText Copyright © Frank SchmeißerUmschlag- und Innenillustrationen: Jörg MühleAlle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbHISBN 978-3-473-38042-8www.ravensburger.de

Auch Superhelden brauchen Urlaub

Eigentlich wollten wir ja nur mal etwas entspannen, die Sommerferien genießen und ganz brave Kinder sein. Aber irgendwie hat das überhaupt nicht hingehauen. Es scheint so, als würden wir – das Superheldenteam „Die Unglaublichen Dreieinhalb“ – Schurken und Abenteuer anziehen wie mein Zeugnis schlechte Noten. Anders kann ich es mir nämlich nicht erklären, dass ich für wenige Sekunden der größte Junge von Buckelbügel war, dass uns ein Spinnenmann im Wald in allergrößte Gefahr brachte und dass wir die scheußlichsten Kekse essen mussten, von denen die Menschheit je gehört hat!

Dabei fing alles so super an. Meine Freundin Barbara, die gleichzeitig meine Superheldenkollegin „Action-Bärbel“ ist, fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, eine Woche Ferien bei ihr zu verbringen. Martin, der als „Das Chamäleon“ ebenfalls ein wichtiges Mitglied der Unglaublichen Dreieinhalb ist, durfte auch kommen, und zwar zusammen mit seinem imaginären Freund Dieter, dessen Superheldenname aus gutem Grund „Der Hosenscheißer“ lautet. Zum ersten Mal sollten die Unglaublichen Dreieinhalb gemeinsam Urlaub machen und außerdem durften wir zum allerallerersten Mal Barbara in ihrem Haus besuchen. Uns standen Spitzenferien bevor, da war ich mir ganz sicher!

Und wir hatten natürlich auch mächtig viel vor! Faulenzen zum Beispiel und ein Baumhaus bauen. Und zwar das größte, höchste und tollste Baumhaus der Welt! Die Pläne dafür hatte ich längst fertig in meiner Schreibtischschublade liegen. Und dann gab es da noch einen mysteriösen Fall zu lösen – einen Fall, der Martin schon seit Wochen in Angst und Schrecken versetzte und Dieter regelrecht panisch werden ließ: Im Wald hinter dem Haus von Barbara trieb angeblich ein geheimnisvoller Spinnenmann sein Unwesen. Klar, dass wir uns des Problemchens annehmen würden. Wir sind schließlich das coolste Superheldenteam weit und breit!

Als feststand, dass ich meine Ferien bei Barbara verbringen würde, war meine Mutter sehr traurig. Was ich gut verstehe. Schließlich bin ich ihr Ein und Alles. Nur zeigen konnte sie ihre Traurigkeit nicht so richtig. Statt zu weinen und zu jammern, rannte sie singend durchs Haus und verbreitete totale Hektik – wahrscheinlich um den furchtbaren Trennungsschmerz zu überspielen und um mir kein schlechtes Gewissen zu machen, weil ich sie eine Woche allein ließ.

Sie stürmte in mein Zimmer und warf Klamotten in meinen neuen, coolen Koffer, obwohl sie normalerweise immer alles megaordentlich zusammenlegt und einen totalen Ausraster bekommt, wenn mein Vater mal ein Hemd in den Schrank legt. Dann setzte sie sich mit Schwung auf den übervollen Koffer und ließ die beiden Schlösser zuklacken.

Ich hatte noch nicht mal meine Schnürsenkel zugebunden, da zerrte mich Mutter schon am Arm aus dem Haus. Ich konnte mir gerade noch meinen selbst gepackten Notfallrucksack für Superhelden schnappen und unter den Arm klemmen. Um ein Haar wäre ich ohne mein Superheldenkostüm und ohne unser Superheldenplakat von Captain Sauerland verreist. Und das ging ja mal gar nicht. Schließlich braucht ein Superheld immer seine Ausrüstung, um im Zweifelsfall gegen das Böse der Welt, gegen die Superschurken des Universums und zu hohe Eispreise in unserer Heimatstadt Buckelbügel kämpfen zu können.

Mutter riss die Autotür auf und warf erst den Koffer und dann mich hinein, eilte nach vorne, sprang auf den Fahrersitz und gab Gas. Nicht mal angeschnallt hatte sie sich, bevor wir durch Buckelbügel brausten. Der Abschiedsschmerz schien sie etwas verrückt zu machen. Ich saß da und tätschelte meinen Notfallrucksack, während Mutter kichernd Lieder aus dem Radio mitträllerte und weiter Vollgas gab.

Tretminen und Fehltritte

Als wir nach gut einer Viertelstunde Höllenfahrt vor dem Tor der Schwemmes Bremsspuren hinterließen, blieb mir die Spucke weg. Die Schwemmes hatten ohne Frage das tollste Haus der Welt! Ach, was sage ich: des Universums! Dabei war ihr Haus im Grunde gar kein richtiges Haus. Es war ein Palast aus verschnörkelten Steinen, die sogar Muster drauf hatten. Einfach toll und riesig war es. Mit Türmen, großen Fenstern und einer gigantischen Eingangstür. Da hätte ich locker auf einer Giraffe durchreiten können, die wiederum auf einem Elefanten reitet, der von Superman huckepack genommen wird! Und nicht mal ducken hätte ich mich müssen, so hoch war die Tür!

Kaum dass meine Mutter den Wagen abgestellt hatte, stand ich auch schon mit meinem Koffer in der Hand vor Schwemmes Auffahrt. Mutter brüllte noch: „Benimm dich!“, und brauste hupend davon. Ich kam noch nicht mal dazu, ihr hinterherzuwinken, so schnell war sie weg. Der Abschiedsschmerz hatte sie wohl endgültig übermannt.

Als ich gerade die Klingel am Tor suchte, stand Barbara schon vor mir. Sie grinste bis über beide Ohren. Neben ihr saß ein Rottweiler, der überhaupt nicht grinste, sondern seine Zähne fletschte und gefährlich knurrte.

„Keine Sorge. Der macht nichts“, beruhigte mich Barbara.

„Ach, will der nur spielen?“, fragte ich zweifelnd.

Barbara sah zu ihrem Hund runter.

„Nö. Der will dich beißen. Aber das darf er nicht“, erklärte sie und öffnete das Tor.

„Weiß der Hund, dass er das nicht darf?“, fragte ich sicherheitshalber noch mal nach.

„Klar. Mach sitz, Prinzessin.“

„Der heißt Prinzessin?“

„Eigentlich heißt er Hasso-Prinzessin. Der war als Welpe total schüchtern und sensibel. Deshalb haben wir ihn auch Prinzessin genannt“, antwortete Barbara, während Prinzessin aus lauter Vorfreude auf einen leckeren Happen Sebastian der Sabber aus den Mundwinkeln tropfte. Seine Schüchternheit hatte der Hund wohl überwunden. Schön für ihn. Schlecht für mich.

„Jetzt ist er aber nicht mehr schüchtern, was?“, fragte ich.

„Nö, gar nicht mehr“, sagte Barbara, ging in die Knie und umarmte den Killerhund. „Dem Martin hast du eben auch ganz schön Angst eingejagt, was, Prinzessin?“

Oje, der arme Martin! Der konnte mit Hunden gar nichts anfangen. Egal wie klein und brav sie auch sein mochten.

Die Koslowskis hatten nämlich früher selber einen Hund. Aber Martin traute ihm nicht. Zwar kläffte der tagsüber alle Fremden weg, aber kaum dass es dunkel wurde, ließ er nahezu alle schrägen Typen ins Haus. Den Weihnachtsmann, den Osterhasen und sogar die Zahnfee. Die fand Martin ganz besonders zweifelhaft. „Die sammelt Zähne von Kindern, das ist doch total irre!“, schimpfte er immerzu.

„Hast du Martin Angst gemacht, Hasso-Prinzessin? Hm? Du bist ein Lieber. Ein lieber Hund bist du.“ Barbara knuddelte ihren Hund so heftig, dass der Sabber in feinen Fäden durch die Gegend flog. „Warte, ich bring Prinzessin mal eben weg“, sagte Barbara und verschwand mit dem Mörderhund um die Ecke.

Ich bin zwar ein tipptopp Superheld und tipptopp Superhelden haben ja bekanntlich vor nichts Angst, aber trotzdem war ich heilfroh, als die knurrende Prinzessin verschwunden war. Wer will schon von einer Prinzessin auf einen Baum gejagt oder in den Allerwertesten gebissen werden?

Nach zwei Minuten war Barbara wieder zurück und wir gingen zum Haus. Das heißt, ich ging und Barbara hopste.

„Martin wartet oben“, sagte Barbara und sprang aufgeregt vor meinen Füßen hin und her. „Los, wir bringen deinen Koffer rein und dann zeig ich dir was!“

Als wir das Haus betraten, stockte mir wieder der Atem. Der Eingangsbereich war so hoch wie eine Kirche. Die Böden waren komplett und die Wände bis in Kopfhöhe gekachelt. Ich kam mir ein bisschen vor wie in einem Schwimmbad, aus dem jemand ein Museum gemacht hatte. Große Gemälde von irgendwelchen Katzen, die glücklich auf Katzenklos saßen oder in Katzenstreu wühlten, hingen in goldenen Rahmen an den Wänden. Und riesige Katzenstatuen standen dreist im Weg rum. Wahrscheinlich weil die Schwemmes ihr Geld mit der Erfindung der Katzenstreu gemacht haben.

Am hinteren Ende der Halle wand sich eine breite Treppe hinauf in den ersten Stock. Und über graue, saudicke Teppiche kam man in die Flure, die links und rechts von der Eingangshalle abzweigten. Barbara bog nach links ab und sauste davon. Ich hinterher.

Mein Koffer geriet in jeder Kurve heftig ins Schleudern und hopste scheppernd über die Kacheln. Mit Barbara Schritt zu halten, ist ja schon schwierig, wenn man keinen Rollkoffer hinter sich herziehen muss.

Nach wenigen Sekunden hatte ich Barbara aus den Augen verloren. Dieses Haus war aber auch riesig! Ich hechelte weiter, bog ein paarmal ab und bremste erst, als ich in einer Sackgasse landete. Der Flur war zu Ende. Ich stand vor einer Tür.

„Barbara?“, rief ich. Und: „Hallo! Ist hier jemand?“ Keine Antwort.

Vorsichtig klopfte ich an. Niemand bat mich rein. Ganz langsam und lautlos öffnete ich die Tür.

„Hallo?“

Nichts. Das Zimmer war menschenleer. Was mich beim Anblick des Zimmers nicht überraschte. Es war ganz furchtbar ungemütlich und hauptsächlich in Weiß gehalten. Weiße Vorhänge, weiße Schränke, weißer Tisch mit weißen Stühlen. Dazu graue Wände und ein graues Bett. So stellte ich mir das Zimmer eines gefühlskalten Superschurken vor. Von einem, dem alles Schöne zuwider war.

„Schön, nicht wahr?“, erklang eine Stimme hinter mir.

Ich zuckte zusammen und fuhr herum. Barbaras Mutter stand kerzengerade und mit vor dem Bauch gefalteten Händen hinter mir und musterte mich mit strengem Blick. Ich hatte sie wohl wegen der dicken Teppiche nicht kommen hören.

„Ja“, log ich. „Schön weiß.“

„Farben lenken vom Wesentlichen ab“, erklärte sie.

Ich verstand nur Bahnhof. Ich hatte immer gedacht, das Wesentliche wäre, sich in einem Zimmer wohlzufühlen und darin stundenlang Comics zu lesen oder zu zeichnen. Aber vielleicht ist das Wesentliche ja auch, den Drang zu bekämpfen, sich aus dem Fenster zu stürzen, um der weißen Einöde zu entkommen? Als eine Art Training des Überlebenswillens?

„Das ist mein altes Kinderzimmer, weißt du? Wir haben alles so gelassen, wie es war“, erzählte mir Barbaras Mutter, während ich sie spontan bedauerte und sie auf der Suche nach schönen Erinnerungen langsam durch ihr Zimmer schritt. Sie blieb vor einem weißen Regal stehen, in dem außer alten Schulbüchern auch eine kleine Puppe stand. Kerzengerade – wie Barbaras Mutter selbst.

Barbaras Mutter sah ein bisschen so aus wie aus der Zeit gefallen. Sie erinnerte mich an die Haushälterin von Heidi. Frau Rottenmeier. Die trug auch immer so viel Kleid, als ob ein Sonnenstrahl auf der Haut sie verdampfen lassen könnte wie einen Vampir im Solarium.

Zaghaft lächelnd nahm Barbaras Mutter die Puppe aus dem Regal und zupfte ihr das Kleidchen gerade. Auf dem Kopf hatte die Puppe einen Dutt. Einen Dutt nennt man den dicken Knoten, den man aus seinen Haaren macht, damit der Kopf strammer auf dem Hals sitzt und nicht so hin und her schlackert. Kennt man ja aus der Schifffahrt. Seemannsknoten und so. Frauen mit Dutt halten daher ihren Kopf immer sehr gerade und müssen ständig damit rechnen, überfahren zu werden, weil sie nicht nach links oder rechts gucken können, bevor sie die Straße überqueren.

„Nun …“ Barbaras Mutter, die gerade noch in Gedanken versunken schien, stellte die Puppe zurück ins Regal und kam auf mich zu. „Ich freue mich, dich mal wiederzusehen.“

„Das glaube ich Ihnen gerne“, sagte ich. „Das geht fast allen so. Ich freue mich auch.“

Dann reichte sie mir ihre Hand und ich wusste für einen Moment nicht, was sie von mir erwartete. Schließlich hatte ich selten mit so feinen Damen zu tun. Meine Familie ist nicht so fein. Eher handfest und körnig wie grobe Leberwurst. Kurz entschlossen schnappte ich mir ihre Hand und küsste sie. Barbaras Mutter war perplex. Damit hatte sie wohl nicht gerechnet. Dass einer wie ich so tolle Manieren hatte. Noch beeindruckender wäre mein Handkuss wohl gewesen, wenn ich vorher daran gedacht hätte, meinen Kaugummi aus dem Mund zu nehmen. Denn der klebte jetzt als rosa Sabberklumpen mitten auf ihrem Handrücken. Barbaras Mutter starrte darauf, zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel wie ein Zauberer und entfernte den Kaugummi.

„Ich bringe dich mal zu Barbaras Zimmer“, sagte sie.

„Sehr gerne, Frau Schwemme.“

Sie nickte mir zu und ging an mir vorbei in den Flur. Ich folgte ihr.

„Was ist denn das?“, fragte Barbaras Mutter auf einmal, ging leicht in die Knie und begutachtete zwei braune Streifen auf dem Teppich.

„Auf den Kacheln geht es weiter“, sagte ich und zeigte den Flur hinunter.

„Das sind keine Kacheln. Das ist Marmor.“

Marmor kannte ich jetzt nur als Kuchen und nicht als Kachel. Aber wenn man Marmorkuchen lange stehen lässt, wird er ja auch bretthart. Ich nahm mir fest vor, der Sache beim nächsten Kaffeeklatsch meiner Mutter mal auf den Grund zu gehen und den Marmorkuchen zu klauen. Den würde ich dann in Scheiben geschnitten so lange unter meinem Bett lagern, bis er hart genug war, dass ich ihn heimlich auf unseren Flurboden kleben konnte. Als Überraschung für meine Mutter, die ja auch gerne ein etwas pompöseres Leben führen würde.

Barbaras Mutter sah erst zu mir hoch und dann meinen Koffer an, der am Ende der braunen Spuren stand.

„Oha. Da bin ich in der Einfahrt wohl durch einen Kackhaufen gefahren“, stellte ich mit leiser Stimme fest. Die braunen Spuren waren definitiv von einem Hundehaufen, und den hatte ich einmal komplett im Haus verteilt.

Barbaras Mutter sagte nichts. Sie stand auf und ging. Ich schnappte mir meinen Koffer, hob ihn hoch, um nicht noch mehr von Prinzessins Tretmine zu verteilen, und folgte ihr schweigend.

Brave Helden

Barbaras Zimmer befand sich im zweiten Stock. Vor einer dunklen Holztür blieb ihre Mutter stehen. „Barbara, dein Freund ist da.“

Sofort flog die Tür auf und Barbara grinste mich an.

„Da bist du ja!“, jubelte sie.

„Hatte mich verirrt“, murmelte ich und stiefelte an ihr vorbei ins Zimmer. Als ich den Koffer abstellen wollte, um Martin und Dieter zu begrüßen, die bereits ihr Quartier in Barbaras Zimmer aufgeschlagen hatten, schritt Barbaras Mutter ein.

„Na, na! Moment!“, rief sie, nahm mir den Koffer ab und schleppte ihn in Barbaras Badezimmer. Die hatte echt ein eigenes Badezimmer! Sogar mit einer großen Wanne! In diese stellte Barbaras Mutter nun meinen Koffer und brauste erst gründlich die Räder ab und anschließend die Wanne. Dann desinfizierte sie beides mit einem Stinkezeug, das schlimmer roch als Hundekacke. Der Geruch erinnerte mich schmerzhaft an meinen letzten Zahnarztbesuch. Und der war alles andere als gut ausgegangen. Nicht für mich und nicht für meinen Zahnarzt.

Ich stand die ganze Zeit bedröppelt daneben und versuchte, so schuldbewusst wie möglich auszusehen. Als Barbaras Mutter fertig war, verabschiedete sie sich und die Unglaublichen Dreieinhalb waren unter sich. Martin keuchte die ganze Zeit und hatte einen knallroten Kopf mit weißen Flecken. Er sah ein bisschen so aus wie ein Fliegenpilz.

„Hab die Luftpumpe vergessen, ich Esel“, stöhnte er und zeigte auf die beiden aufgeblasenen Luftmatratzen, die er ordentlich nebeneinandergelegt hatte – so weit weg von der Tür und möglichen Einbrechern wie möglich.

Manchmal ist es schon doof, mit einem imaginären Freund zu verreisen. So ein Freund wie Dieter, der nur in Martins Kopf existiert, will zwar immer bequem liegen, aber die Luftmatratze aufpumpen kann er natürlich nicht. Das musste Martin für ihn übernehmen. Und der wiederum war nicht gerade der fitteste Junge auf Erden. Eher das Gegenteil. Martin konnte echt froh sein, als Mensch und nicht als Fluchttier auf die Welt gekommen zu sein.

Für mich war als Schlafplatz Barbaras Couch vorgesehen, weil ich seit dem Feuerunfall bei unserem letzten Campingurlaub keinen Schlafsack mehr hatte. Wie schnell so eine Campingausrüstung mitsamt Zelt in Flammen aufgehen kann, glaubt man kaum. Wahnsinn. Ich würde an eurer Stelle dringend auf Kerzen im Zelt verzichten. Auch wenn das Comiclesen mit Kerzen viel gruseliger ist als ohne. So ein Urlaub, der gleich am ersten Tag abgebrochen werden muss, ist nämlich kein Zuckerschlecken. Vor allem nicht die stundenlange Rückfahrt mit zwei total wütenden Eltern.

Die Couch stand neben dem Bücherregal in einer Ecke des Zimmers. Aber was heißt schon Ecke. Barbaras Zimmer war rund, denn es war eines der Turmzimmer. Und wenn man aus dem Fenster schaute, sah man nichts als Wald. Dort also treibt der geheimnisvolle Spinnenmann sein Unwesen, dachte ich finster.

Nachdem wir alle ausgepackt und feierlich das Captain-Sauerland-Bild, das Symbol unseres Superheldenteams, aufgehängt hatten, kam Barbaras Mutter zurück. Sie trug ein großes silbernes Tablett, auf dem eine Teekanne dampfte und drei Tassen und eine Schüssel mit Schokokeksen standen.

„Lasst es euch schmecken“, sagte sie freundlich, stellte das Tablett auf den kleinen Couchtisch und verschwand wieder, ohne ein Geräusch zu machen. Dabei lag in Barbaras Zimmer gar kein Geräusche dämpfender Teppich! Der Boden war aus Holz. Wie machte Barbaras Mutter das? Ich kam ins Grübeln. Ihre Füße hatte ich nicht sehen können. Niemand konnte das, denn sie trug ein bodenlanges Kleid. Schwebte sie etwa? Oder fuhr sie auf einem Luftkissenboot? Oder hatte sie vielleicht sogar einen geräuschlosen Elektroroller unter ihrem Kleid versteckt? Oder war sie etwa ein Gespenst? Und wenn ja, wusste sie das? Wusste das irgendwer? Und wieso spukte sie nicht nachts, sondern am Tag? Ich beschloss, einen günstigen Moment abzuwarten und Frau Schwemme mal ganz unauffällig unter den Rock zu gucken.

Barbara, Martin und ich quetschten uns auf die Couch, tranken Tee und knabberten leckere Plätzchen. Alles war gut, bis Barbara plötzlich sagte: „Jungs, ich muss etwas Wichtiges mit euch besprechen.“

„Oje.“ Martin stöhnte auf. „Es geht um den Spinnenmann, oder?“

„Nein. Leider nicht“, erwiderte Barbara bekümmert. Sie sah auf ihre Füße, und ihre Stimme klang ungewöhnlich leise und zerbrechlich. Wie aus ganz dünnem Porzellan.

„Was’n los?“, fragte ich.

„Meine Eltern wollen, dass ich auf ein Internat gehe.“

„Was? Aber wieso das denn?“, platzte es aus mir heraus, und tausend Gedanken tobten durch meinen Kopf. Meine Gedanken toben ja immer ganz gerne durch meine Gehirngänge. Wahrscheinlich weil ich einfach zu viele Gedanken habe. Das liegt an meinem fotografischen Gedächtnis. Mit dem kann ich mir nahezu alles merken, was ich sehe. Mein Kopf schießt immerzu Fotos. Nur sind meine Fotoalben längst voll und jetzt flattern die Fotos ziellos umher.

„Meine Eltern glauben, dass ich auf einem Internat bessere Noten bekomme. Weil ich nicht so abgelenkt werde“, sagte Barbara und sah weiterhin auf ihre Füße.

„Was meinst du mit ‚abgelenkt‘?“, fragte Martin.

„Von euch abgelenkt“, antwortete Barbara.

„Kapier ich nicht“, sagte ich. „Wieso lenken wir dich ab?“

„Meine Eltern glauben, dass ihr mir nicht guttut. Dass ihr meine Konzentration stört und so weiter.“

Ich schnaufte. Frechheit! Eine Frechheit war das! Schließlich war Barbara der Zappelphilipp und nicht Martin oder ich. Wenn also jemand jemanden im Unterricht störte, dann Barbara uns und nicht umgekehrt. Außerdem waren Barbaras Noten gar nicht so schlecht. Zumindest nicht im Vergleich zu meinen.

„Und wo ist das Internat?“, fragte ich.

„Weit weg“, sagte Barbara.

„Wie weit weg? Eine Viertelstunde mit dem Bus oder noch weiter?“ Ich dachte, dass man sich dann ja immerhin noch nachmittags treffen könnte.

„Eher fünf Stunden mit dem Bus.“

„Was? Aber das geht doch nicht!“, schrie ich. „Wir können doch nicht jeden Tag zehn Stunden mit dem Bus fahren, nur um uns zu sehen. Und außerdem gibt es in diesem Internat vielleicht sogar schon ein Superheldenteam!“

Dass sich Barbara einem anderen Superheldenteam anschließen könnte, machte mich ganz panisch. „Wie stellen sich deine Eltern das denn vor?“, schimpfte ich. Eltern sind manchmal aber auch so was von dämlich.

„Ich glaube, darum ging es ihren Eltern. Sie soll uns nicht mehr sehen. Weil wir einen schlechten Einfluss auf Barbara haben“, warf Martin ein.

Ich starrte Barbara an. Die sagte aber nichts. Sie sah mich nur kurz an und senkte dann wieder den Blick.

„Dann hat Martin Recht? Deine Eltern wollen nicht, dass du dich weiter mit uns triffst?“, hakte ich nach.

Barbara sagte keinen Mucks.

„Und wer passt dann in der Schule auf uns auf?“, fragte Martin besorgt. Und das aus gutem Grund. Nur der hibbeligen, supersportlichen und saustarken Barbara hatten wir es zu verdanken, nicht jede Pause von den Schurken aus der 6b (b wie böse) vermöbelt oder verarscht zu werden. Vor Barbara hatten sogar die Stärksten Respekt.

„Aber eine Sache kapiere ich nicht“, meldete sich Martin wieder zu Wort. „Wenn wir angeblich so schlecht für dich sind, wieso dürfen wir dann eine Woche hier sein?“

„Genau!“, rief ich. „Warum sind wir hier?“

„Zum Abschiednehmen“, schluchzte Barbara, die ich vorher noch nie hatte schluchzen sehen. Nicht ein einziges Mal!

Als ich bemerkte, dass sogar zwei Tränen ihre Wangen hinunterkullerten, schnürte es mir den Hals zu, und ich spürte, wie auch mir die Tränen kamen. Barbara zog die Nase hoch und schüttelte sich.

„Ich habe aber einen Plan!“, sagte sie und versuchte, zu lächeln und irgendwie optimistisch auszusehen.