Schurken überall! - Frank Schmeißer - E-Book + Hörbuch

Schurken überall! E-Book

Frank Schmeißer

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Beschreibung

Die Unglaublichen Dreieinhalb sind ein echtes Superheldenteam! Zusammen sind sie unschlagbar und der Schrecken aller Schurken in Buckelbügel. Man muss ja nicht jeden Tag die Welt retten ...

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Impressum

Als Ravensburger E-Book erschienen 2011 Die Print-Ausgabe erscheint in der Ravensburger Verlag GmbH © 2011 Ravensburger Verlag GmbH Innenillustrationen: Jörg Mühle Lektorat: Britta Keil Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbHISBN 978-3-473-38447-1www.ravensburger.de

Für Leandra und meine verehrte Kollegin Anna

Platzhalter

Superhelden sind ganz anders

Bevor ich beginne zu erzählen, wie der ganze Schlamassel in der Schule und zu Hause passieren konnte, muss ich darauf hinweisen, dass diese Aufzeichnungen total geheim sind. Es geht niemanden etwas an, warum zum Beispiel Tante Hellas Geburtstag in einer Katastrophe endete, unser Klassenhamster Machmawas Tarnfarben trug und unser Physiklehrer aussah wie ein durchgeknallter farbenblinder Clown.

Und das Allerallerwichtigste: Niemand darf von meiner geheimen Identität erfahren, weil sonst die Welt in Gefahr wäre! Von meiner Würde mal ganz abgesehen. Denn wenn die 6b (b wie böse) und deren noch böserer Klassenlehrer Dr.Knarz herausfinden, dass ich, Sebastian Traugott von Nervköter, in Wahrheit der Superheld „Das Gehirn“ bin, hätte ich keine ruhige Minute mehr. Und meine Kumpels Barbara „Action-Bärbel“ Schwemme und Martin „Das Chamäleon“ Koslowski natürlich auch nicht. Denn wir drei und Martins imaginärer Freund Dieter „Der Hosenscheißer“ sind zusammen das Superheldenteam „Die Unglaublichen Dreieinhalb“. Ohne Quatsch!

Dass ich meine Erlebnisse nicht freiwillig aufschreibe, sollte jedem klar sein, der mal einen Superheldencomic gelesen oder einen Superheldenfilm wie zum Beispiel „Spiderman“ gesehen hat. Niemand darf wissen, wer der Superheld eigentlich ist. Wer hinter der geheimnisvollen Maske steckt. Wer gegen das Unrecht in der Welt, gegen das Böse des Universums und das Geräteturnen im Sportunterricht kämpft! Denn hinter jedem Superhelden verbirgt sich ja ein ganz stinknormaler Mensch. Ich schwöre es.

Darum schreiben Superhelden übrigens auch keine Tagebücher mehr. Aus Angst, sie könnten in die falschen Hände gelangen. Und dann sehen sie total dämlich aus, weil auf dem Einband ihres Tagebuchs ein kleines Einhorn abgebildet ist, das in einer Sprechblase mit blumiger Schrift behauptet, den Superhelden ganz dickedoll lieb zu haben.

Und sie schreiben auch nicht in Poesiealben, egal wie lange die dürre Uschi Schmitz quengelt. Die will doch nur was Handschriftliches von mir haben, um meine Schrift zu fälschen. Und schwuppdiwupp! hab ich allerhand unnützes Zeug und Ärger am Hals.

Nicht mit mir! Dafür fehlt mir eindeutig der Platz!

Aber da mich meine Mutter dazu gezwungen hat, weil mein Psychiater Dr.Klingschön sie gezwungen hat, sich dazu zu zwingen, mich zu zwingen, alles zu Papier zu bringen, was mir so an Abenteuern über den Weg gelaufen ist, muss ich wohl oder übel alles aufschreiben. Obwohl ich eigentlich viel lieber zeichne als zu schreiben. Vor allem Comics, wie ihr wahrscheinlich schon erkannt habt.

Ich hätte Dr.Klingschön natürlich auch alles erzählen können. Aber so leicht mache ich ihm das nicht. Denn ich glaube, dass Dr.Klingschön in Wahrheit gar kein Arzt ist, der den Menschen hilft, sondern einer, der versucht Gedanken zu manipulieren. Und solange ich mir nicht absolut sicher bin, dass Dr.Klingschön keiner der Bösen ist, werde ich meinen Mund halten und gar nix sagen! Kein Wort! Da kann meine Mutter jammern und zetern, wie sie will, dass ich zu Hause nicht mal eine Minute meine Klappe halten kann und beim Doktor mucksmäuschenstill bin.

„Sehen Sie, was ich mit dem Jungen durchmache!“, sagte sie neulich ganz verzweifelt und ergänzte: „Das hat er von seinem Vater. Der hat sie auch nicht alle.“ Mutter starrte Dr.Klingschön Hilfe suchend an. Dann musste sie wieder hicksen. Mutter hat seit meiner Geburt einen Schluckauf. Was ihre Opernsängerinnen-Karriere nach einem schrecklich peinlichen Auftritt abrupt beendete. Sie hat mir bis heute nicht verziehen. Als ob ich was dafür könnte!

Mein Psychiater, das ist übrigens ein Arzt für Menschen, die einen Kopf haben, der nicht richtig funktioniert, behauptet, dass ich ein sogenanntes fotografisches Gedächtnis besitze. Im Grunde heißt das, dass ich mir nahezu alles merken kann, was ich sehe. Dr.Klingschön meint, dass diese Fähigkeit bei mir aber Perlen vor der Sau wären. Weil ich angeblich immer die falschen Rückschlüsse ziehen würde. Wegen meiner so stark blühenden Fantasie. Ich kann mir zwar jederzeit meine Kopffotos angucken, aber angeblich kapiere ich nicht so richtig, was drauf zu sehen ist. Oft erkenne ich wohl nur unwichtige Kleinigkeiten und sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Da spielen erst meine Gedanken verrückt und später dann auch noch meine Lehrer, meine Mutter und alle anderen, die mich kennen, weil sie den Schlamassel ausbaden müssen.

„Das hat er von seinem Vater!“, wiederholte Mutter. „In meiner Familie hat keiner Gedanken!“

Erst wollte ich meine Erlebnisse nicht aufschreiben. Aber dann hat Dr.Klingschön einen Vorschlag gemacht. Wir sollten einen Vertrag aufsetzen, meinte er. Und in diesem Vertrag verpflichteten wir uns zu absoluter Geheimhaltung. Was bedeutete, dass Mutter darüber nicht bei den Nachbarn tratschen durfte wie sonst immer.

Ich hab dann gleich einen Vertrag geschrieben.

„Aufgesetzt, heißt das“, erklärte mir Mutter. „Man setzt einen Vertrag auf!“

Hä? Ja, was setzt man dem denn auf?, hab ich gedacht.

Einen Hut oder wie? Und ein aufgesetztes Verhalten ist ja, wenn man nur so tut als ob und es gar nicht so meint. Mein Vertrag sollte aber so gemeint sein, wie er geschrieben war. Ich hab dann nach langer Diskussion mit Mutter doch einen Vertrag schreiben dürfen, obwohl sie die Augen so komisch verdreht hat.

Mutter wollte erst nicht unterschreiben und behauptete, schon längst verflucht zu sein, und außerdem war ihr der Vertrag nicht vornehm genug. Nach einer Textänderung und Dr.Klingschöns gutem Zureden hat sie dann aber doch unterschrieben.

„Und nimm kein Blatt vor den Mund! Schreib alles auf, egal um was es geht. Alles muss raus!“, meinte Dr.Klingschön. Alles muss raus, den Spruch kannte ich von unserem Hausarzt. Den hat er mal gebracht, nachdem ich Mutters ganzes Kleingeld verschluckt hatte. Mutter hat daraufhin ein Knöllchen bekommen, weil sie kein Geld mehr für die Parkuhr finden konnte. Die Politesse wollte ihr partout nicht glauben, dass ich ihr Kleingeldfach leer gegessen hatte. Na ja.

Ich hab Dr.Klingschön nur zugenickt. Mutter hat schon wieder die Augen verdreht und gehickst. Sie sollte wirklich mal zum Augenarzt gehen. Nicht, dass das mit den Augen auch noch chronisch wird.

So, jetzt wird es aber Zeit, mit der Geschichte zu beginnen.

Die Unglaublichen Dreieinhalb und die mysteriösen Diebstähle

Ich denke, jetzt stelle ich euch erst mal das Superheldenteam genauer vor. Also, mich kennt ihr ja schon. Ich bin Sebastian Traugott von Nervköter, genannt „Das Gehirn“, weil ich mir alles merken kann, tolle Ideen habe und mir so viele Dinge durch den Kopf gehen. Brillante Dinge, meine ich. „Nur Unsinn im Kopf“, behauptet meine Mutter.

Dann gibt es da noch Martin „Das Chamäleon“ Kos-lowski, dessen Superkraft darin besteht, so unscheinbar zu sein, dass er fast unsichtbar ist. Das stimmt wirklich. Manchmal sitzt Martin mit am Tisch und alle unterhalten sich darüber, wo denn Martin schon wieder bleibt.

Martin ist ein Jahr jünger als wir, geht aber trotzdem mit uns in eine Klasse. Er ist hochbegabt, superschlau und hat eine Klasse übersprungen. Auch er wäre gerne „Das Gehirn“ geworden, aber diese Rolle war ja schon vergeben.

Und dann ist da noch „Action-Bärbel“, die eigentlich Barbara Schwemme heißt. Action-Bärbels große Stärke ist es nicht unbedingt, ruhig zu sitzen oder sich lange zu konzentrieren. Dafür hat sie sehr viel Energie. Sie ist so hibbelig, dass sie quasi ständig in Bewegung ist, und daher supertrainiert. Einmal ist sie sogar einen ganzen Marathon gelaufen, nur weil sie den führenden Läufer fragen wollte, ob die anderen Läufer sauer auf ihn sind und ihn einfangen wollen. Der Läufer hat Action-Bärbel wohl nur blöd angestarrt und hat Gas gegeben, um sie abzuhängen. Vergeblich. Action-Bärbel schloss wieder auf, um ihm zu versichern, dass er vor ihr keine Angst haben muss. Action-Bärbel wurde Zweite und gewann 10.000Euro, die sie später im Bus vergaß.

Vervollständigt wird unser Superheldenteam von Dieter– Kampfname: „Der Hosenscheißer“. Das ist der imaginäre Freund von Martin. Imaginär heißt, dass es ihn eigentlich gar nicht gibt oder dass er für alle Menschen außer Martin unsichtbar ist. Martin behauptet steif und fest, Letzteres würde stimmen. Ich hab Dieter noch nie gesehen oder auch nur gehört. Action-Bärbel auch nicht. Daher hat er auch nur eine halbe Stimme, wenn wir über unsere Pläne abstimmen. Und das ist auch gut so, denn Dieter ist ein fürchterlicher Angsthase, der zu allem Nein sagt. Im Grunde genauso wie Martin. Daher lautet das Endresultat unserer Abstimmungen eigentlich immer: zwei dafür, anderthalb Stimmen dagegen. Was Martin immer fuchsteufelswütend macht, sodass er jedes Mal eine weitere Abstimmung darüber verlangt, ob Dieter nicht doch eine ganze Stimme bekommen soll wie wir anderen auch. Das Ergebnis lautet dann immer: anderthalb Stimmen dafür, zwei dagegen– und alles bleibt beim Alten.

Aber auch trotz dieser kleinen Unstimmigkeiten sind die Unglaublichen Dreieinhalb ein tolles Team. Der Schrecken aller Schurken in Buckelbügel und am Wochenende auch der in unserem Nachbarort Kleinsau-Ödbach– da kommt man zur Not prima mit dem Bus hin.

Wir Dreieinhalb gehen übrigens alle gemeinsam in die 6a der Berti-Vogts-Gesamtschule in Buckelbügel. Und unsere Feinde, die gehen alle in die 6b (b wie böse). Irgendwie scheint es so, dass man die Schüler nach folgenden Kriterien in die jeweiligen Klassen verteilt hat: schlau und klein in die 6a– blöd und stark in die 6b (b wie böse).

Aus irgendeinem Grund sind wir auch in unserer eigenen Klasse nur so mittelbeliebt. Ich glaube, das liegt an unserem Geheimnis, das wir niemandem preisgeben dürfen. Die Superheldensache. Aber was will man machen. Das ist die Last, die Superhelden auf der ganzen Welt zu tragen haben. Aber wenigstens werden wir von unseren Klassenkameraden nicht jeden Morgen mit Schwitzkasten, Brennnesseln und Kopfnüssen begrüßt wie von der 6b. Die Einzige von uns, die immer verschont wird, ist Barbara. Erstens ist der quirlige kleine Feger kaum zu fassen. Zweitens ist sie, wie erwähnt, saustark und drittens kann sie Aikido. Das ist so was wie Karate, nur dass man beim Aikido nicht angreifen kann. Aikido ist quasi die Kunst der Abwehr eines Angriffs. Man kann sagen, dass Aikido der Per Mertesacker unter den Kampfsportarten ist. Was ich persönlich blöd finde. Denn mit Aikido kann Barbara uns nicht helfen, solange sie nicht angegriffen wird.

Martin wird übrigens auch nie vermöbelt. Er macht sich, kaum dass sich die Fieslinge nähern, noch unscheinbarer als sonst. Außerdem ist Martin Brillenträger. Also erwischt es immer nur mich.

Am meisten hasse ich Kopfnüsse. Danach ist immer meine Frisur im Eimer und ich sehe aus wie ein aufgescheuchtes Feldhuhn.

Unsere Klassenlehrerin ist übrigens Frau Daffodil. Eine noch recht junge, sehr nette Lehrerin. Die 6b (b wie böse)hat Dr.Knarz zum Klassenlehrer. Zu Recht! Denn Dr.Knarz ist nicht nur der stellvertretende Direktor sondern auch der fieseste Mensch der Welt. Ein Superschurke, der uns in Physik unterrichtet und unsere Klasse hasst.

Frau Daffodil meinte, dass das Quatsch wäre und dass wir uns das bloß einbilden würden, weil Dr.Knarz einfach nur sehr streng wäre. „Er ist halt ein Lehrer alter Schule. Er hasst euch wirklich nicht. Das sieht nur so aus.“

Es wäre echt besser, wenn Dr.Knarz wieder in seine alte Schule gehen würde, von der Frau Daffodil erzählt hat.

Dr.Knarz ist groß und trägt immer karierte, zu große Anzüge mit Schulterpolstern. Er hat fettige Haare und einen Mundgeruch, als wäre ein Nilpferd in seinen Mund gekrabbelt und dort gestorben. Deshalb sitzen bei ihm auch nie Schüler in den ersten drei Reihen. Die sind wie leergefegt. Und wenn man mal nach vorne an die Tafel muss, ist das die Höchststrafe. Wegsehen oder weghören ist ja einfach. Aber wegriechen ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Während Dr.Knarz hässlich, gemein und fiesepampelig ist, ist Frau Daffodil hübsch, nett und eigentlich immer gut gelaunt. Und auch der Unterricht macht bei ihr echt viel Spaß. Sogar Mathe ein kleines bisschen. Hm. Nee, doch nicht. Mathe mag ich nicht. Da soll ich mich immer für eine Lösung entscheiden. Und ich mag mich nicht so gerne festlegen. Dafür bin ich noch zu jung.

Aber heute war irgendwas komisch. Frau Daffodil war nicht so fröhlich wie sonst. Sie wirkte bedrückt, irgendwie traurig. Nach der Unterrichtsstunde sind wir drei (ob Dieter dabei war, weiß ich nicht) zu ihr hin, um zu fragen, was denn los wäre.

„Es wurde wieder etwas gestohlen“, sagte Frau Daffodil.

In letzter Zeit wird jede Menge Schulmaterial geklaut. Und zwar immer aus unserem Klassenzimmer. Erst die Landkarte, dann der Globus und nun ist auch noch das Lexikon verschwunden. Obwohl das tausend Seiten schwere Biest weggeschlossen im Schrank stand.

Dr.Knarz, der unbedingt Direktor anstelle des Direktors werden will, hat Frau Daffodil vorgeworfen, ihre Klasse nicht im Griff zu haben.

„Alles kleine, diebische Elstern! Die ganze Klasse!“

Deshalb hat er ihr eine Versetzung angedroht.

Normalerweise sind Versetzungen eine prima Sache, weil man dann von der 6a in die 7a kommt. In Frau Daffodils Fall bedeutet eine Versetzung allerdings, dass sie die Schule verlassen müsste. Eine totale Katastrophe wäre das.

Wir haben uns alle angesehen und schweigend genickt. Frau Daffodil wurde da auf einmal sehr nervös und fragte uns: „Was habt ihr vor? Ihr habt doch was vor, oder? Bitte sagt mir, dass ihr nichts vorhabt! Ja, warum sagt ihr denn nichts?“

Weil man manchmal nichts sagen muss. Manchmal muss man handeln anstatt zu reden.

Drei Helden und ein Plan

Wir wohnen in einer uralten, etwas baufälligen Villa mit einem tollen, teilweise verwilderten Garten drum herum. Die Treppen sind aus uraltem Holz, was ganz hervorragend ist, weil man sofort hört, wenn sich jemand meinem Zimmer nähert. Mutter weigert sich übrigens, mein Zimmer als Superheldenzentrale anzuerkennen. Sie nennt meine Bude lieber „Saustall“ oder „Rumpelkammer“. Aber das stört mich nicht weiter, denn alle Superhelden der Welt haben als Erstes gegen ihren größten Feind zu kämpfen gehabt: ihre nervige Mutter.

Zu Hause angekommen, bin ich gleich hoch in mein Zimmer gerannt. Schließlich musste ich mein blödes Kinderzimmer noch in eine echte Superheldenzentrale umbauen.

Als Erstes habe ich das doofe Poster abgehängt und unter das Bett geschoben. Das hochnotpeinliche Ding hab ich mal von Oma geschenkt bekommen und meine Mutter hat mich daraufhin gezwungen, es auch aufzuhängen. Gewünscht hatte ich mir ein Poster mit einer Rockband oder vielleicht einem gruseligen Totenkopf drauf. So was Piratenmäßiges.

Bekommen habe ich ein Poster mit einer Stute, einem Fohlen und 261Gänseblümchen. Und als ob das nicht schrecklich genug wäre, hat Oma dann auch noch einen passenden rosafarbenen Rahmen hervorgeholt, damit das gute Stück nicht verknittert und ich ganz, ganz lange was davon habe.

Hey, ich bin ein Junge!, hätte ich sie am liebsten angebrüllt, aber bei Oma macht das keinen Sinn. Die ist quasi taub.

„Altersbedingt“, erklärt Mutter ihre Mutter.

„Pure Sturheit“, meint Vater. „Die hört nur, was sie hören will!“, behauptet er.

Bevor Oma ins Altersheim musste, lebte sie übrigens unter dem Dach, im Zimmer direkt neben dem Büro meines Vaters. Dort saß sie den ganzen Tag an ihrem kleinen Tisch und schrieb Leserbriefe an alle Zeitungen des Universums. In denen beschwerte sie sich über alles, was es auf der Welt gibt. Leserbriefe zum Beispiel.

Also hab ich das Pferdeposter abgehängt und durch ein selbst gezeichnetes ersetzt. Eines mit Captain Sauerland, meinem eigenen Superhelden. Eines Nachts ist mir Captain Sauerland im Traum erschienen und hat mir aufgetragen, dieses Bild zu malen und ein Superheldenteam zu gründen. Seitdem ist dieses Bild so etwas wie ein Heiligtum für die Unglaublichen Dreieinhalb.

Captain Sauerland zeigt darauf mit dem Finger auf den Betrachter und sagt: „Ihr, die Unglaublichen Dreieinhalb, seid echte Helden. Gebraucht eure Kräfte weise.“ Ein tolles, richtig cooles Bild mit einer noch cooleren Aussage! Wenn man mal davon absieht, dass ich „seid“ falsch geschrieben habe. Ja, und „weise“ auch. Mit AI, ich Trottel. Und 1/5 heißt auch nicht einhalb, sondern einfünftel. Aber zum leidigen Thema Mathe hab ich mich ja schon geäußert. Also steht da blöderweise: „Ihr, die Unglaublichen Dreieinfünftel, seit echte Helden. Gebraucht eure Kräfte waise.“ Vor sechs Monaten war ich halt noch jung und dumm. Aber selbst Rechtschreibfehler sind cooler als ein rosa eingerahmtes Pferdeposter.

Captain Sauerland grüßte nun von der Wand und ich verdunkelte das Fenster. Ich holte ein paar Kekse und Kakao und legte mein Superheldenoutfit bereit. Das besteht aus einem Umhang, einem T-Shirt mit selbst gezeichnetem Gehirn drauf, einer Balletthose und einer Maske, die laut Aufschrift eigentlich Zorro und seiner Rache gehört. Aber was Zorro nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Neuerdings ziehen wir uns immer erst in der Superheldenzentrale um. Früher haben Action-Bärbel und Martin „Das Chamäleon“ sich schon zu Hause in Superheldenschale geworfen. Aber da gab es ein paar unschöne Momente im Bus. Seitdem will Martin lieber inkognito anreisen.

Martin hätte lieber ein längs gestreiftes Kostüm. Aber so eines haben wir in Mutters Opernkostümkiste nicht gefunden.

Kaum hatte ich die Taschenlampen herausgeholt und gecheckt, kamen auch schon Martin und Barbara. Wir haben uns erst mal im Schein unserer Taschenlampen umgezogen, weil das irgendwie spannender ist. Taschenlampen sind spitze.

Dann begannen wir Fakten zu sammeln und Pläne zur Rettung von Frau Daffodil zu schmieden.

Fakten: Frau Daffodil war in Gefahr, weil Dinge aus unserem Klassenzimmer gestohlen wurden. Dahinter, da waren wir uns einig, steckten mit hundertprozentiger Sicherheit die Knallköpfe aus der 6b (b wie böse).

Aber wie sollten wir die offensichtlichen Täter überführen? Am besten wäre es, wenn wir die Diebe auf frischer Tat ertappen würden. Wir grübelten und grübelten, während Action-Bärbel meinen Setzkasten mit ein paar extra bereitgelegten Bretterchen und Nägeln hämmernd um einige weitere Fächer ergänzte. So kann sie sich irgendwie besser konzentrieren. Zwischendurch servierte ich die Kekse und schenkte uns starken Kakao ein, damit wir wach blieben.

„Videoüberwachung“, schlug Martin vor. Gute Idee. Leider hatten wir keine Videokamera, sondern nur einen Fotoapparat und zwar den in Martins Handy.

„Dann muss sich einer von uns nach der Schule im Klassenzimmer einschließen lassen und die Einbrecher bei ihrem Diebstahl fotografieren.“

Martin weigerte sich sofort. Das war ihm zu gruselig. Da machte er nicht mit. Bärbel kam auch nicht infrage, denn wenn die sich anfing zu langweilen, was unweigerlich passieren würde, gestaltete sie den Klassenraum um. Anstreichen inklusive. Also blieb es mal wieder an mir hängen.