Schwarz wie dein Herz - Julie Craner - E-Book

Schwarz wie dein Herz E-Book

Julie Craner

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Beschreibung

"13.April 1936 - Vampire! Sie existieren wirklich! Und jetzt ist es meine Aufgabe sie zu bekämpfen." Als Aurora anfängt diese Worte im Tagebuch ihrer Großmutter zu lesen, ist sie schon mittendrin in einer Welt, an die sie nie geglaubt hat. Eric, ihr attraktiver Nachbar mit diesem gefährlichen Feuer in den Augen, entpuppt sich als Vampir. Doch statt ihr in den Hals zu beißen, hilft er ihr dabei, ihre Rolle als Jägerin anzunehmen. Wenn es nur nicht so schwer wäre, seinem Charme zu widerstehen. Während scheinbar immer mehr ihrer Feinde Jagd auf Menschen machen, fängt die Vampirjägerin an, gefährliche Gefühle zu entwickeln. Kann sie Eric vertrauen?

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Schwarz wie dein Herz

Seelen der Dunkelheit 1

Von Julie Craner

"13.April 1936 - Vampire! Sie existieren wirklich! Und jetzt ist es meine Aufgabe sie zu bekämpfen."

Als Aurora anfängt diese Worte im Tagebuch ihrer Großmutter zu lesen, ist sie schon mittendrin in einer Welt, an die sie nie geglaubt hat. Eric, ihr attraktiver Nachbar mit diesem gefährlichen Feuer in den Augen, entpuppt sich als Vampir.

Doch statt ihr in den Hals zu beißen, hilft er ihr dabei, ihre Rolle als Jägerin anzunehmen. Wenn es nur nicht so schwer wäre, seinem Charme zu widerstehen. Während scheinbar immer mehr ihrer Feinde Jagd auf Menschen machen, fängt die Vampirjägerin an, gefährliche Gefühle zu entwickeln.

Kann sie Eric vertrauen?

Über den Autor:

Geboren und aufgewachsen in Berlin konnte sich Julie Craner nie von dieser Stadt trennen, auch wenn es sie immer wieder auf Entdeckungsreise an andere Orte zieht.

Ihr Geld verdient sie als Apothekerin, quasi eine moderne Hexe, wie sie diesen Job selbst gern betitelt.

Doch ihre Leidenschaft gilt seit der Schulzeit dem Schreiben. Ganze Heftseiten wurden mit Geschichten gefüllt bis sie sich endlich getraut hat, diese zu veröffentlichen.

Impressum

Schwarz wie dein Herz – Seelen der Dunkelheit 1

von Julie Craner

c/o Autorenservices.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

[email protected]

Lektorat: www.textschnipsel.de – Martha Wilhelm

Umschlaggestaltung durch Kim Leopold (ungecovert – Buchcover und mehr) unter Verwendung von Bildmaterial von www.shutterstock.com (Marco Govel, HorenkO, Good Shop Background) sowie (Supakit Kumwiwat, jager, Olga Korneeva)

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Anm.: Im Buch verwende ich eine umgewandelte Geschichte der Familie Romanow. Bis auf die Ermordung der russischen Zarenfamilie und dem Anschlag von Dimitri Romanow auf Rasputin, ist alles andere frei erfunden und entspricht nicht der Wahrheit.

1

Abwesend blätterte Aurora in der Tageszeitung. Die Berichte über diese Morde mit fast blutleeren Leichen waren einfach zu sehr an den Haaren herbei gezogen, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Sie blickte aus dem Fenster, an das Regentropfen immer wieder neue Muster malten. In dem kleinen Studentencafé, nur ein paar Nebenstraßen von ihrer Arbeit entfernt, war es so kurz vor Mittag ruhig. Sie liebte die bunt zusammengewürfelten Polstermöbel, den Geruch von frisch gebrühtem Kaffee und süßem Gebäck. Dieses charmante Chaos ließ Aurora immer wieder gerne vor oder nach der Arbeit hier lesen oder träumend an einem Milchkaffee nippen. Doch das Koffein half ihr heute nicht, sich auf ihre Lektüre zu konzentrieren.

Das musste am grauen Wetter liegen, das mehr nach London als nach Berlin passte. Vielleicht war das ein Zeichen, sich das Londoner Wetter endlich live anzusehen, so wie sie es sich schon ewig vorgenommen hatte. Seit sie klein war, wollte sie die Welt entdecken. Aber damals hatte ihre Familie nicht viel Geld gehabt und sie hatten sich höchstens einen Campingurlaub an der Ostsee leisten können.

Doch vor ein paar Tagen hatte ihre Freundin angerufen und sie nach Paris eingeladen. Diese lebte seit einem Jahr dort, hatte eine kleine Wohnung in der Stadt und drängte Aurora, sie zu besuchen. Nachdenklich drehte sie eine ihrer langen Strähnen über den Zeigefinger. Sie könnte ihren Bruder Markus fragen, ob er sie in seinen Semesterferien begleiten wollte. Statt immer nur vom Reisen zu träumen, sollte sie es endlich tun. In ihrem Job verdiente sie genug, um nicht nur über Reiseführern imaginäre Tripps zu planen, sondern endlich wirklich loszulegen.

Lächelnd sprach sie sich Mut zu, als sie wieder an diesen seltsamen Traum denken musste.

Seit sie heute früh schweißgebadet hochgeschreckt war, fühlte sie sich rastlos. Erst nach einer langen, heißen Dusche hatte sie die Nacht größtenteils hinter sich lassen können. An viel konnte sie sich nicht mehr erinnern, nur Fragmente ihres Traumes waren geblieben: Silberklingen, unheimlich blitzende Augen und überall Blut. Rostrot war es um ihre Füße geflossen.

Sie schüttelte den Kopf, um die lästigen Bilder zu vertreiben, und versuchte sich auf ihre Zeitung zu konzentrieren.

„Fräulein Zantoni?“ Blinzelnd schaute sie auf und riss erstaunt die Augen auf. Vor ihr stand ein weißhaariger, älterer Mann in einer schwarzen Mönchskutte. Die Kapuze hing auf seinem Rücken und entblößte kurzgeschnittene Haare, die fast so hell waren wie der weiße Gürtel um seinen Bauch.

„Ja? Das bin ich!“ Fragend sah sie in das von Falten zerfurchte Gesicht. Sie war sich sicher, dass sie diesen Mann noch nie vorher gesehen hatte. Woher kannte er sie dann?

„Sie sehen genauso aus wie Ihre Großmutter!“ Der alte Mann schien ihre Gedanken lesen zu können.

„Was? Sie kannten sie?“ Er konnte nur ihre unbekannte Großmutter väterlicherseits meinen, da Aurora nur wenig Ähnlichkeit mit der Familie ihrer Mutter hatte.

„Nur flüchtig. Ich hatte die große Ehre, sie in meiner Jugend kennen zu lernen, und nun sitzen Sie vor mir, wie ihr Ebenbild!“

Neugierig musterte sie ihn. Von der Familie ihres Vaters wusste sie so gut wie gar nichts. Ihre Großeltern waren schon früh gestorben und ihr Vater hatte nie von ihnen erzählt. Doch woher kannte dieser Fremde ihre Großmutter?

„Darf ich mich kurz zu Ihnen setzen?“

Aurora deutete auf den Stuhl neben sich. „Bitte!“

„Ich bin Bruder Michael!“

Sie nickte ihm zu. „Ich bin Aurora Zantoni. Also, woher kannten Sie meine Großmutter?“

Der mollige Mönch neben ihr seufzte kurz auf und schaute ihr forschend in die Augen. „Sie werden es mir wahrscheinlich nicht glauben, aber ihre Großmutter war eine Vampirjägerin.“ Wachsam beobachtete er sie. „So wie Ihre Vorfahren, Ihr Erbe lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurück verfolgen.“

Fast hätte sie sich an ihrem Kaffee verschluckt. Irritiert sah sie sich um, doch die wenigen Besucher saßen weit genug weg, um nichts von seinen Märchen gehört zu haben. „Wie bitte?“

Unbehaglich rutschte der Mönch neben ihr auf dem Stuhl hin und her. „Auch Ihr Vater war einer, aber er war seiner Aufgabe nicht gewachsen.“

Verächtlich schnaubte sie. „Mein Vater war sehr vielen Sachen nicht gewachsen!“ Ein harter Ausdruck trat auf ihr Gesicht. Ihr Vater hatte seine Seele lieber an den Alkohol verkauft, statt sich um seine Familie zu kümmern. Das hatte ihn auch umgebracht.

Mitfühlend nickte der Mönch ihr zu. „Ich würde Ihre Familie gerne in Ruhe lassen, aber die Vampire sind in letzter Zeit wieder stärker geworden. Es hat sehr viele Übergriffe gegeben.“ Er räusperte sich. „Ihre Familie hat sich diesem Kampf seit Jahrhunderten verpflichtet und jetzt muss ich Sie als Nachfahrin bitten, wieder in diesen Dienst zu treten.“

Ungläubig schaute Aurora ihn an. „Ich glaube Sie sind verwirrt. Vielleicht sollten Sie schnellstmöglich einen Arzt aufsuchen!“

„Ich bin nicht verrückt, Fräulein Zantoni! Alles, was ich sage, ist die Wahrheit. Sie und ihr Bruder sind die Einzigen in Berlin, die uns beistehen können. Ich habe Hilfe von anderen Jägergruppen angefordert, aber es scheint weltweit gerade große Probleme zu geben.“ Er wirkte so überzeugt von seiner Geschichte, als wäre es keine Wahnvorstellung.

„Bitte gehen Sie doch zu Ihrem Kloster zurück. Da kann man sich besser um Sie kümmern.“ Zwar hatte sie durch ihre Arbeit vereinzelt mit verwirrten Leuten zu tun gehabt, doch mit seinem Gerede wurde ihr der Fremde unheimlich.

„Verstehen Sie denn nicht? Es wird immer schlimmer. Die Vampire bereiten sich auf einen Krieg vor. Viele Unschuldige könnten sterben!“

„Dann kümmern Sie sich doch selber darum!“ Sorgenvoll schaute sie auf den rundlichen Mann vor sich. Er schien jedes Wort zu glauben, was er sagte, und wirkte dabei völlig normal, nicht eine Spur verwirrt. Solch einem Verrückten war sie noch nie begegnet.

„Das ist nicht die Aufgabe, die Gott mir zugewiesen hat. Aber vielleicht hätte ich zuerst mit Ihrem Bruder reden sollen!“

Entsetzt sprang sie auf. „Lassen Sie ihn mit diesem Unsinn in Ruhe. Markus hat genug andere Sachen im Kopf!“ Sie griff nach ihrer Tasche. „Sie sollten jetzt lieber gehen, bevor ich die Polizei rufe!“ Lange genug hatte sie versucht ruhig zu bleiben, aber das klang fast, als wolle dieser Mann ihren Bruder bedrohen.

Beschwichtigend hob er die Hände. „Es lag nicht in meiner Absicht, Sie zu beunruhigen, aber Sie müssen mir glauben! Ihre Familie hat damals zur Zeit der Türkenkriege in Rumänien gelebt und viele Überfälle mitgemacht. Vor Jahrhunderten hat Ihr Urahn geschworen, dass seine Nachkommen diese Verbrechen nicht länger mit ansehen und die Vampire auslöschen werden!“ Bewegt stand der Mönch auf. „Er hat es im Namen unseres Herrn geschworen und dieser Pflicht können Sie sich nicht entziehen; weder Sie noch Ihr Bruder!“

Von der Diskussion müde schüttelte sie den Kopf. „Sie brauchen dringend professionelle Hilfe!“ Sie wandte sich ab, als er nach ihrem Arm griff.

„Bitte Fräulein Zantoni, Sie sind in Gefahr.“ Er drückte ihr einen kleinen Zettel in die Hand. „Hier können Sie mich finden, wenn Sie Hilfe brauchen. Und ich fürchte, dass wird bald der Fall sein.“

Sie schaute auf das Papier in ihrer Hand. Ohne weiter zu überlegen, steckte sie es in ihre Tasche und verließ das Café. Nur schnell weg von dem verrückten Alten. Dabei hatte er anfangs einen so netten Eindruck gemacht. Ihre Menschenkenntnis ließ wirklich zu wünschen übrig. Da ließ sie sich einfach von Mönchen ansprechen, die sich dann als Entlaufene einer Psychiatrie herausstellten. Wenn sie das ihrem Bruder erzählte! Er würde sich wahrscheinlich köstlich darüber amüsieren.

Sie fuhr sich durch die Haare. Wie kam der Mönch nur auf diese Vampiridee?

Wieder sah sie die rot leuchtenden Augen aus ihrem Traum vor sich und dann lange, blitzende Eckzähne. Für einen Augenblick wurde die Welt um sie herum dunkel. Der Boden unter ihr war matschig vom Blut unschuldiger Familien, während dunkle Rauchschwaden immer wieder ihre Sicht behinderten. Schneeweiße Gesichter starrten sie aus dem Nebel an, dann konnte sie ein paar lange, blitzende Eckzähne ausmachen, die in Sekundenschnelle auf sie zukamen.

Das Klingeln einer Straßenbahn riss sie aus den Bildern. Im letzten Moment sprang sie auf den Bürgersteig zurück und lehnte sich an einen Straßenpfeiler. Der Alptraum von letzter Nacht. Es war alles wieder da.

Dieses Gerede von Vampiren hatte den Schleier von ihrem Gedächtnis gerissen. Doch nur weil sie von ihnen träumte und ein alter Mönch von ihnen sprach, hieß das nicht, dass sie existierten. Oder?

Sie streifte ihre abstrusen Gedanken ab und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Dort konnte sie so etwas nicht gebrauchen.

Müde stieg sie aus der S-Bahn. Nach der Arbeit war sie mit einer Kollegin noch einer Fortbildung gewesen. Leider war der Vortrag über die neue Gefahrstoffverordnung genauso langweilig gewesen, wie es klang, aber dafür hatte es leckeres Essen gegeben. Jetzt gegen elf Uhr Abends war es schon ruhig hier in dem Außenbezirk von Berlin, nicht zu vergleichen mit den Partyvierteln in der Innenstadt. Es nieselte, zusätzlich kam dieser Nebel dazu. Das Licht der Straßenlaternen bildete kleine Inseln in der Dunkelheit. Wie gut, dass sie seit ihrer Kindheit hier lebte, sonst hätte sie sich auf ihrem Nachhauseweg sicher gegruselt. Doch so kannte sie jeden Stein, auch wenn der Nebel vieles im Verborgenen ließ und nur dunkle Umrisse zu erkennen waren.

Seit sie dem Mönch begegnet war, fühlte Aurora sich unsicher. Noch immer konnte sie nicht glauben, was er ihr hatte erzählen wollen.

Vampire! Und ihre Familie Vampirjäger! Der Mann schien dement zu sein, obwohl er anfangs nicht den Eindruck gemacht hatte. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Ihr Vater sollte ein Vampirjäger gewesen sein? Und weil er das Grauen nicht ertragen konnte, war er Alkoholiker geworden? Hart lachte sie auf und sah sich erschrocken um, doch sie erkannte nur weit hinten auf dem Weg drei Gestalten, die sicher nichts mitbekommen hatten.

Aurora hatte seit der Scheidung ihrer Eltern kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater gehabt und bis zu seinem Tod waren sie nicht ins Reine gekommen.

Das Geräusch von Schritten weckte sie aus ihren Gedanken. Die drei Schatten waren plötzlich sehr nah vor ihr im Nebel. Beunruhigt blieb sie stehen. Wie war das möglich? Gerade noch waren sie weit entfernt gewesen. In ihrem Kopf gingen die Alarmglocken los. Um diese Zeit war sonst niemand außer ihr unterwegs. Doch bevor sie ausweichen konnte, waren die drei schon vor ihr in den Lichtkegel einer Straßenlaterne getreten und schienen Aurora genau zu mustern.

Die erste Gestalt war eine junge Frau in einem langen blutroten Ledermantel. Lange, rotblonde Haare umrahmten ein wunderschönes, schneeweißes Gesicht mit dunklen Augen, die sie gefährlich anfunkelten. Flankiert wurde sie von zwei kräftigen Männern in schwarzen Ledermänteln. Deren kantige Gesichter waren ebenfalls unnatürlich weiß. Die drei Gestalten blieben stehen und musterten sie. Die Frau nickte in ihre Richtung.

„Sie ist es wirklich. Haltet sie!“ Aurora wunderte sich noch über die weiche Engelsstimme, bevor ihr Verstand die Gefahr erfasste, in der sie sich befand. Doch da wurde sie schon von den beiden Männern gepackt. Stahlharte Finger hielten ihre Arme fest und präsentierten sie der Frau wie eine Opfergabe. Diese lächelte zufrieden und stand im nächsten Moment direkt vor ihr. Erschrocken versuchte Aurora zurückzuweichen und sich aus dem festen Griff der Männer zu winden. Ihr Mund öffnete sich, doch die Angst schnürte ihre Kehle zu.

„Sie riecht wie die große Jägerin der Vergangenheit!“ Während die zarte Frauengestalt vor ihr redete, konnte Aurora deren süßen, lockenden Atem riechen. Er hinterließ ein betäubendes Gefühl auf ihrem Gesicht. Verzückt schaute sie auf den Todesengel vor sich hinab und vergaß dabei die Gefahr.

Doch im nächsten Moment verlor sich dieses Gefühl. Ein Brennen ging durch ihr rechtes Handgelenk. Schockiert sah sie zur Seite. Einer der Männer hatte seinen Kopf über ihren Arm gesenkt und biss hinein. Stöhnend versuchte Aurora ihre rechte Hand aus seiner Gewalt zu befreien, doch er hielt sie fest umklammert.

„Alexej, nicht zu viel! Jetzt sind wir dran.“ Das Gesicht der Frau neigte sich ihrem Hals zu, der geöffnete Mund auf Auroras Schulterhöhe.

„Halt! Was tut ihr da?“ Eine kräftige Stimme aus dem Nebel ließ die drei innehalten. „Verschwindet sofort!“ Es war Aurora, als hörte sie das leise Knurren eines Tiers aus der Richtung. Ein dunkelblonder Mann in schwarzen Hosen und grauem Rollkragenpullover trat vor ihr in den Schein der Straßenlaterne.

Im nächsten Moment war sie aus dem festen Griff befreit und ihre drei Angreifer waren verschwunden. Unbeholfen taumelte sie vorwärts und wäre auf dem harten Asphalt aufgeschlagen, hätte der Fremde sie nicht aufgefangen. Mit Tränen in den Augen schaute sie zu ihrem Retter auf. Dunkelblonde, kinnlange Locken fielen halb in wachsame Augen. Das scharf geschnittene Gesicht mit der ausgeprägten Kinnlinie erkannte sie erst jetzt. Seufzend ließ sie sich in die Arme ihres Nachbarn fallen. Willkommen sank sie in die Bewusstlosigkeit, während er sie hochhob und vom Ort der Attacke trug.

Langsam tauchte sie aus der Dunkelheit auf. Wo war sie? Vorsichtig sah sie sich um. Sie lag in ihrem schwarzen, langärmligen Hemd und der dunkelblauen Jeans auf einem schwarzen Ledersofa. Ihr olivgrüner Parka hing über der Lehne zu ihren Füßen. Der Raum um sie war fast leer, als wäre jemand gerade erst dabei, einzuziehen. Bis auf das Sofa mit einem passenden Sessel, stand nur ein Glastisch vor ihr. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein schwarzer Metallschrank mit einem Plasmabildschirm darauf. Der Parkettboden und die weißen Wände ließen den Raum noch größer erscheinen. Es gab weder Bilder noch Fotos an den Wänden, nicht einmal eine Zeitung lag auf dem Tisch.

Als sie vorsichtig den Kopf hob, strömten die Erinnerungen auf sie ein und sie stöhnte. Ihr rechtes Handgelenk brannte fürchterlich. Sie blickte zur Seite. Ihr rechter Arm lag auf dem niedrigen Glastisch, eingewickelt in ein schwarzes Frotteehandtuch.

„Ah, du bist zu dir gekommen“, erklang eine dunkle, angenehme Stimme hinter ihr.

Sie versuchte sich aufzusetzen und zuckte keuchend zurück. Dabei hätte sie sich lieber nicht auf ihre verletzte Hand stützen sollen.

„Nicht, bleib erst mal liegen.“ Gerne folgte sie den Anweisungen ihres gutaussehenden Nachbarn und Retters, der sich jetzt in ihr Gesichtsfeld schob. Der schwarze Rollkragenpullover brachte die schlanke, trainierte Gestalt des ungefähr Dreißigjährigen gut zur Geltung. „Ich hab dich mit zu mir genommen. Hier bist du in Sicherheit.“ Vorsichtig setzte er sich neben ihren Knien auf das Sofa und stellte ein Tablett mit Verbandsmaterialien und einem Wasserglas auf den Tisch.

„Hier, nimm erst mal eine von denen, dann geht es dir in zehn Minuten schon viel besser!“ Er hielt ihr lächelnd eine Tablette entgegen.

„Was ist das?“ Mit großen Augen sah sie ihn an.

Räuspernd strich er sich eine dunkelblonde Haarsträhne aus dem Gesicht. „Nur ein niedrig dosiertes Morphin!“

Erschrocken setzte sie sich auf und stöhnte. Sie hätte ihr verletztes Handgelenk nicht bewegen sollen. „Du gibst mir einfach so ein Betäubungsmittel? Wo hast du das überhaupt her?“ Morphin bekam man nur mit einem speziellen Rezept und auch nur in Ausnahmefällen. Bei wem war sie hier gelandet? War er ein Drogendealer? Kein Wunder, dass sie ihren Nachbarn so selten sah, obwohl er schon seit einem halben Jahr neben ihr wohnte.

„Hey, keine Angst. Ich bin Arzt. Das habe ich aus meinem Notfallvorrat!“

„Ach so.“ Das wäre auch eine Erklärung dafür, dass man ihn selten sah.

Schmunzelnd reichte er ihr ein Wasserglas und beobachtete, wie sie die Schmerztablette nahm. „Ich heiße übrigens Eric!“

„Ich bin Aurora.“

Er zog erstaunt die linke Augenbraue nach oben. „Aurora!? Wie die warme Morgenröte, die die kalte Nacht vertreibt!“ Seine dunkle Stimme sandte ihr Schauer über den Rücken, während ihr vor Verlegenheit die Hitze in die Wangen schoss.

„Hmm!“ Sie nahm die Hand, die er ihr anbot und zuckte gleich zurück. Seine Haut war eiskalt, fast unnatürlich.

Er zog seine Hand zurück. „Oh, entschuldige. Die kalten Hände liegen bei mir in der Familie!“ Schnell ließ er sie in seinen Schoß gleiten. „Haben deine Schmerzen schon etwas nachgelassen?“

Vorsichtig bewegte sie ihr Handgelenk. Es kribbelte, aber der Schmerz war gedämpft worden. Langsam nickte sie ihm zu. Das Morphin war in ihrem Blut angekommen und vernebelte leicht ihren Verstand.

„Gut, dann kann ich mich um deine Wunde kümmern.“ Er zog ein paar Gummihandschuhe über und schaute sie zweifelnd an. „Vielleicht solltest du dich lieber wieder zurücklegen und an die Decke starren.“

Sie schüttelte mit zusammengekniffenen Lippen den Kopf. Sie wollte unbedingt wissen, was diese Bestien ihr angetan hatten.

Er lehnte sich über ihr Handgelenk, doch sie konnte gut über seine Schulter linsen. Vorsichtig schlug er das Handtuch zurück. Zischend atmete sie ein. Ihr gesamter Unterarm war blutbeschmiert.

„Ganz ruhig ein- und ausatmen. Das sieht schlimmer aus, als es ist.“ Er schaute ihr lange in die Augen.

Aurora kniff die Lider erstaunt zusammen. Es sah fast so aus als wären Erics schwarze Pupillen von blutroten Ringen umgeben. Das musste am Licht liegen und am Schmerzmittel. Während ihre Gedanken langsam um seine ungewöhnlichen Augen kreisten, hatte er ihren Arm schon gesäubert. Nun blieb nur noch die halbmondförmige Bisswunde über dem Handgelenk, aus der langsam Blut sickerte.

„Das sieht gut aus, keine abgerissene Dermis oder verletzte Hauptgefäße. Ich hatte schon Angst, ich müsste es nähen. Aber da reichen ein paar Klammerpflaster.“

Aurora lächelte erleichtert. Wäre er jetzt mit Nadel und Faden angekommen, wäre sie direkt auf seiner Couch umgekippt oder hätte ihr Abendbrot wieder von sich gegeben. Das wäre wohl kein Start für eine gute Nachbarschaft.

„Willst du eigentlich zur Polizei?“ Aurora konnte sehen wie sich Erics Rücken versteifte, obwohl er die Frage ganz beiläufig beim Verbinden gestellt hatte.

Seufzend schüttelte sie den Kopf. „Nein, das bringt nicht viel. Ich kann mich nicht einmal an deren Gesichter erinnern.“ Und was sollte sie auch auf dem Revier erzählen? Dass sie von Verrückten gebissen wurde? Vielleicht war doch etwas an der Geschichte des Mönches dran. Sollte sie der Polizei erzählen, dass es vielleicht sogar Vampire waren, die sie überfallen hatten? Damit würde sie nur in einer schönen Gummizelle landen.

„Ach so!“ Er wickelte ihr einen weißen Verband um das Handgelenk, aber sie konnte sehen, dass er sich bei ihrer Antwort wieder entspannte. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, das Schmerzmittel ließ ihre Gedanken langsam verschwimmen.

Mühsam unterdrückte sie ein Gähnen. Der ganze Tag war einfach zu viel. Sie wollte jetzt nur noch ins Bett.

„Fertig!“ Er strich vorsichtig über ihren Arm. Selbst durch den Verband fühlten sich seine Finger kalt an, aber jetzt war das sehr angenehm. Sie schloss kurz die Augen. Im nächsten Moment lagen seine Hände an ihren Schultern. „Hey, alles in Ordnung?“

Nur mit aller Kraft konnte sie ihre Lider öffnen. „Ja, ich muss unbedingt ins Bett.“

„Ähm, also wenn du möchtest, kannst du hier schlafen.“

Es dauerte einen Moment bis sie begriff, was er von ihr wollte. Sie blickte in sein sorgenvolles Gesicht. Das war ein reizvolles Angebot. Offenbar wollte er sie nicht allein lassen, für den Fall, dass sie Angst bekam. Wäre er ein guter Freund gewesen und nicht nur ein Gesicht, dass sie erst ein paar Mal im Hausflur gegrüßt hatte, hätte sie wohl zugestimmt.

„Nein, das ist nett gemeint, aber ich schlafe lieber bei mir.“ Schwankend stand sie auf. Eric hielt ihr seine ausgestreckten Hände entgegen und sie war kurz versucht, danach zu greifen.

Nein, du kommst ganz gut alleine klar!

„Falls irgendetwas ist, ich bin zu Hause. Du kannst jederzeit klingeln.“ Er begleitete sie bis in das hellgraue Treppenhaus. Aus den Wohnungen unter ihnen und über ihnen war kein Laut mehr zu hören um diese Uhrzeit.

Dankbar lächelte sie ihm zu und ging zu ihrer ihm genau gegenüberliegenden Wohnungstür. „Gut zu wissen. Aber ich denke, ich komme zurecht.“

Eric lächelte breit zurück und ließ damit ihre Knie zu Butter schmelzen. Er sah fast wie ein Engel aus. Schwach hielt sie sich am Türknauf fest und nickte ihm zu.

„Also dann, gute Nacht, Eric.“

„Ich wünsche dir auch eine gute Nacht, Aurora.“

Nachdem sie ihre Wohnung betreten hatte, lehnte sie seufzend ihren Rücken an die geschlossene Tür und glitt zu Boden. Das war einfach zu viel. Erst kam ein verwirrter Mönch zu ihr und erzählte ihr von Vampiren und am gleichen Tag wurde sie abends von drei Verrückten überfallen. War das nur Zufall gewesen oder konnten es wirklich Vampire gewesen sein?

Wie gut, dass Eric gerade da war! Kurz stutzte sie. Was hatte er um diese Zeit dort zu tun gehabt? Sie überlegte, ob sie ihn fragen sollte, als es neben ihr raschelte. Unbemerkt war ihr die Tasche von der Schulter gerutscht.

Mit klopfendem Herzen presste sie ihren Rücken an die Tür und tastete nach dem Lichtschalter. Niemand war hier! Für alle Fälle machte sie in sämtlichen Zimmern Licht und schaute nach. Weder im Arbeitszimmer mit dem großen Bücherregal, noch im Schlafzimmer mit dem buchefarbenen Kleiderschrank und dem Bett mit der hellblauen Bettwäsche, noch in den anderen in bunten Farben eingerichtete Zimmern war etwas ungewöhnliches zu erkennen. Über sich selbst den Kopf schüttelnd schaute sie auf die vielen Fotos an ihrer Wohnzimmerwand. Natürlich nicht, wie sollte hier auch jemand hereinkommen?

Auch wenn sie nicht wusste, ob Vampire über irgendwelche magischen Fähigkeiten verfügten! Panik stieg eiskalt in ihr hoch. Nach den ganzen Ereignissen hielt sie es gar nicht mehr für so abwegig, dass das wirklich Vampire waren.

Als sie kurz davor war mit ihrem Schlafanzug zu Eric zu rennen, wühlte sie in ihrem Wohnzimmerschrank. Irgendwo hier hatte ihr Bruder Markus doch immer eine Schachtel Zigaretten deponiert. Für den Fall, dass er nach einem ihrer Filmnächte keine Lust mehr hatte, nach Hause zu fahren. Da war sie ja!

Nachdenklich schaute sie auf die rote Box in ihrer Hand. Gleich nach dem Studium hatte sie aufgehört mit dem Rauchen, aber heute brauchte sie etwas zur Nervenberuhigung. Seufzend legte sie die Schachtel wieder zur Seite und kochte sich in der Küche ihre Spezialmischung Beruhigungstee auf. Aber Markus Zigaretten wollten ihr nicht mehr aus dem Kopf. Frustriert griff sie danach und öffnete die Balkontür. Nur einmal noch, das konnte ihr nach diesem Tag keiner übel nehmen, versuchte sie ihr Verhalten zu verteidigen.

Mit der voll beleuchteten Wohnung hinter ihr zündete sie sich auf dem Balkon eine Zigarette an. Drei Etagen unter ihr lag der kleine Park im Dunkeln. Ob dort einer der Vampire stand und sie beobachtete? Sie schnappte panisch nach Luft und hielt sich am Geländer fest.

„Hey, alles in Ordnung?“

Quiekend sprang sie zur Seite und schaute auf den Nachbarbalkon, von wo die Stimme kam.

„Gott, hast du mich erschreckt!“ Zittrig hielt sie sich die Hand auf ihr flatterndes Herz. Langsam atmend drängte sie die Angst zurück, die sie überfallen hatte und versuchte ihre verkrampften Muskeln zu entspannen. Hätte sie nicht gerade an ihre Angreifer gedacht, wäre sie vielleicht nicht so sensibel gewesen.

Eric lehnte sich angeleuchtet von seinem Wohnungslicht an die Brüstung, die ihre zwei Balkoneinheiten voneinander trennte. Lässig hielt er einen Zigarillo in der Hand, an dem er kurz zog. „Mein Angebot steht noch, wenn du nicht allein sein möchtest.“ Er lächelte ihr einladend zu.

Kopfschüttelnd drückte sie die Zigarette in dem kleinen Aschenbecher aus, den sie extra auf dem kleinen Fenstervorsprung für ihren Bruder deponiert hatte. „Nein, mir geht es gut.“

„Den Eindruck hast du aber gerade nicht gemacht.“ Skeptisch hatte er die Augenbrauen zusammen gezogen, was ein warmes Gefühl in Auroras Bauchraum hinterließ. Er schien sich Sorgen zu machen.

„Ich habe nur seit Ewigkeiten keine Zigarette geraucht“, wehrte sie ab. „Mir war ein wenig schwummrig.“

„Na, wenn du das sagst.“

„Ja.“ Sie rieb sich den rechten Oberarm. Die Nachtluft war zur Herbstzeit schon unangenehm kühl. „So, jetzt werde ich aber wirklich schlafen gehen. War ein langer Tag.“ Sie stieß die Balkontür auf und sah ein letztes Mal in sein perfektes Gesicht. „Gute Nacht nochmal!“

„Ich hoffe, du kannst dich gut erholen. Schlaf schön, Aurora.“ Schnell huschte sie in ihr Wohnzimmer und schloss die Tür. Ihre Wangen fühlten sich ganz heiß an. Das war vielleicht peinlich gewesen. Vor Erics Augen so zusammen zu fahren, echt toll.

Sie sprang unter die heiße Dusche und konnte sich ein bisschen entspannen. Dabei hielt sie ihren rechten Arm weit vom Strahl entfernt, um den Verband nicht nass zu machen. Es war zwar etwas umständlich, sich mit links einzuseifen, aber es ging schon irgendwie.

Im nächsten Moment spürte sie, wie ihr Magen rebellierte, und eilte zu ihrer Toilette. Die Schmerzmittel oder einfach der Schock. Mit kaltem Schweiß auf der Stirn hob sie träge den Kopf. Wie gut, dass ein Großteil des Morphiums ihr Blut schon erreicht hatte. Nachdem sie den bitteren Geschmack aus ihrem Mund gespült hatte, trank sie ihren Beruhigungstee. Die Melisse und der Lavendel würden nicht nur ihre Nerven, sondern auch ihren flauen Magen gleich mit beruhigen.

Sie zog sich ihren hellblauen Flanellschlafanzug an und kuschelte sich ins Bett. Mit Erics lächelndem Gesicht vor Augen schlief sie erstaunlich schnell ein.

2

Völlig gerädert kam sie zu sich. Ihre beängstigenden Träume hatten sie auch in dieser Nacht nicht in Ruhe gelassen. Grummelnd schlug sie mit der rechten Hand auf den Wecker und zuckte vor Schmerzen zusammen. Sie hielt sich ihren Arm mit dem Verband vor die blinzelnden Augen.

Es war also kein weiterer Traum gewesen. Ihr puckerndes Handgelenk bewies es. Schnell stand sie auf und wankte zu ihrer Tasche, die sie gestern Abend da gelassen hatte, wo sie ihr von der Schulter gerutscht war. Eric hatte sie ihr beim Verlassen seiner Wohnung zusammen mit ihrer Jacke in die Hand gedrückt. Im Flur ließ sie sich auf die Knie sinken und wühlte darin, bis sie die Visitenkarte des Mönches endlich fand.

So verrückt war er dann wohl doch nicht gewesen!

Nachdenklich betrachtete sie die Adresse. Das Franziskaner-Kloster lag im Zentrum der Stadt, gar nicht so weit weg von ihrer Arbeit.

Als um sechzehn Uhr ihr Feierabend läutete, eilte sie aus der Apotheke. Ihren Kollegen hatte sie erklärt, dass sie sich das Handgelenk sehr unglücklich an Papier aufgeschnitten hatte und deshalb den Verband trug. Offenbar war sie sehr überzeugend gewesen, denn keiner hatte ihre kleine Lüge durchschaut. Dafür hatte sie sich aber auch den halben Tag zum Herstellen von Cremes und Lösungen, die die Hautärzte speziell für ihre Patienten aufgeschrieben hatten, im Labor verschanzt. Somit konnten Aurora weiteren Fragen ihrer Kolleginnen aus dem Weg gehen.

Nach einer kurzen Bahnfahrt folgte sie der Wegbeschreibung, die ihr das Handy anzeigte. Sie landete vor einem langen, roten Backsteingebäude, dessen winzige Fenster über ihrem Kopf begannen. Eine graue, gusseiserne Tür schien der einzige Eingang zu sein. Zur Sicherheit schaute sie auf die Visitenkarte und auf die kleine Nummer neben der Tür. Hier war sie definitiv richtig, auch wenn es nicht sehr einladend aussah.

Zögernd drückte sie die Klingel. Einen Moment später öffnete sich eine kleine Klappe und durch ein Gitter schaute sie ein schwarzbärtiger Mann an.

„Sie wünschen?“ Die Stimme klang abweisend, doch sie ließ sich nicht davon einschüchtern.

„Ich würde gern mit Bruder Michael sprechen! Mein Name ist Aurora Zantoni!“

„Ah, verstehe!“ Die Klappe schloss sich scheppernd. Nach einigem Klirren auf der anderen Seite öffnete sich das Tor. „Treten Sie ein.“ Der Mönch klang schon freundlicher. Aurora folgte dem Mann in der schwarzen Kutte und betrachtete ihn verstohlen. Unter der Kapuze zeigten sich neugierige, wissende Augen und ein freundliches Lächeln.

„Bitte warten Sie hier.“ Er deutete auf einen Raum. „Bruder Michael wird gleich bei Ihnen sein.“ Sie ging in das kalkweiße Wartezimmer und setzte sich auf eine der dunkelbraunen Holzbänke. Durch zwei kleine Fensteröffnungen unter der Decke schien ein wenig Licht in den schmucklosen Raum.

Seufzend blickte sie zu den Sonnenflecken auf dem Boden. Was sollte sie machen, wenn ihr der Mönch nicht helfen konnte?

Schritte näherten sich und Aurora blickte auf. Der alte Mönch vom Café kam ohne Scheu auf sie zu und reichte ihr die Hand.

„Fräulein Zantoni! Es freut mich, Sie wieder zu sehen.“

Sie erhob sich schnell. „Guten Tag, Bruder Michael.“ Sie zögerte weiterzureden. Hinter ihm stand der Türwächter. Konnte sie wirklich offen sprechen?

„Wie wäre es mit einem Spaziergang?“ Aufmunternd lächelte ihr der Alte zu. „Wir haben hier einen kleinen Arzneigarten, für Sie als Apothekerin ist der doch sicher interessant.“

Sie nickte dankbar und folgte ihm durch einen dunklen Gang hinaus in den quadratischen Hof. Über einen modernen Weg aus Milchglasplatten gingen sie an den Beeten vorbei zu einer der vier Steinbänke, die im Zentrum des Gartens zu einem Quadrat aufgestellt worden waren. Tief atmete sie durch, nachdem sie sich neben ihn gesetzt hatte und schaute den Mönch an. Sein Lächeln vertiefte die Falten in dem alten Gesicht und forderte sie zum Reden auf.

„Es ist alles wahr, was Sie gestern gesagt haben, nicht?“, musterte sie ihn. „Da draußen gibt es wirklich V…äh, Sie wissen schon.“

„Was ist passiert?“, wollte er wissen.

Sie schloss kurz die Augen und atmete langsam ein und aus. „Gestern wurde ich von dreien von ihnen überfallen. Einer hat mich in den Arm gebissen.“ Zittrig hielt sie ihr verbundenes Handgelenk in die Höhe. „Wäre nicht zufällig mein Nachbar vorbei gekommen, würde ich jetzt nicht neben Ihnen sitzen.“ Seufzend blickte sie ihm in die Augen. „Und die Vampire machten den Eindruck, als würden sie mich kennen.“

Langsam nickte Bruder Michael. „Das ist ernst.“ Er erhob sich nachdenklich. „Wir müssen gleich anfangen!“

Erstaunt sah sie zu ihm auf. „Womit?“

„Mit Ihrem Training natürlich!“, sagte er bestimmt und deutete ihr, ihm zu folgen.

Verwirrt ging Aurora ihm auf dem Glasweg in einen anderen Teil des Komplexes nach. Sie hielten vor einem Fahrstuhl.

„Ich wusste gar nicht, dass es so etwas im Kloster gibt“, rutschte es ihr unpassenderweise heraus.

„Nun, nur weil das Gebäude schon etwas älter ist, heißt das nicht, dass wir uns dem Fortschritt verschließen!“ Die metallenen Türen öffneten sich und sie traten in die kleine Kabine. „Einige unserer Brüder sind schon sehr alt, für sie ist es eine enorme Hilfe“, belehrte er sie und drückte den untersten Knopf. „Es wird Sie vielleicht in Erstaunen versetzen, aber wir haben in unserer Bibliothek sogar einen Computer mit Internetzugang“, zwinkerte er. Mit hochroten Wangen nickte sie dem Mönch zu.

„Stimmt es, dass man zu einem Vampir wird, wenn man von ihnen gebissen wurde?“, fragte sie unsicher. Zwar fühlte sie sich nicht anders als sonst, aber vielleicht dauerte es nur einige Zeit, bis sie endgültig verwandelt war.

Der Mönch schüttelte den Kopf und lächelte sie aufmunternd an. „Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Sie müssen das Blut eines Vampirs trinken, nachdem Sie fast blutleer sind. Mit einem simplen Biss werden Sie sich nicht gleich verwandeln.“

Der Fahrstuhl ruckte und die Tür öffnete sich in einen dunklen Backsteingang. Vorsichtig atmete Aurora ein. Die Luft roch modrig und abgestanden, ein gutes Lüftungssystem schien es nicht zu geben. Ganz offensichtlich waren sie hier im Keller. Nur alle fünf Meter erhellte eine Lampe den düsteren Flur. An den Wänden hingen ein paar Bilder mit kämpfenden Engeln und Dämonen, dann und wann sah man eine verschlossene Holztür. Sonst war alles kahl. Fröstelnd wickelte sich Aurora enger in ihre Jacke.

Sie folgte dem Mönch durch den unheimlichen Gang. Als dieser endete, blieb Bruder Michael vor einem Wandteppich mit der Abbildung des „Letzten Abendmahles“ stehen. Stirnrunzelnd blickte Aurora ihn an. Hatte er sie nur hier herunter gebracht, damit sie sich ein Bild ansah?

Kurz lächelte er ihr verschwörerisch zu, bevor er den Stoff vorsichtig beiseite schob. Dahinter befand sich eine dunkle, eisenbeschlagene Tür. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. Bruder Michael zog unter seiner schwarzen Kutte einen Schlüsselbund hervor und öffnete. Obwohl er keinen Lichtschalter betätigt hatte, war der Raum hinter der Tür hell erleuchtet. Vorsichtig trat Aurora hinter ihm ein und schaute verwundert an die Decke. Durch ein Kreuz aus Milchglas drang Helligkeit in den Raum.

„Das Licht scheint durch den Glasplattenweg unseres Gartens. Dadurch braucht man hier unten weniger Lampen.“

Ihr Blick folgte dem Mönch, der an der Wand entlang ging, um nicht die große blaue Matte in der Mitte des Raums zu berühren. Blinzelnd sah sie sich um. An den Wänden hingen Schwerter, Wurfsterne und andere Waffen. Dies war nicht die Ausstattung, die man in einem Kloster vermuten würde, sondern eher in einer Kampfsportschule.

„Wo sind wir hier?“

„Das ist eine Trainingshalle! Wir haben sie vor vielen Jahren hier einbauen lassen.“

Mit großen Augen sah sie ihn an. „Aber wozu?“

Er winkte ihr und sie folgte ihm in einen Nachbarraum. Neugierig schaute sich Aurora in dem schmalen, langen Zimmer um, nachdem er die Beleuchtung angeschaltet hatte. Auf der einen Seite stand ein langer schwarzer Schrank mit vielen Türen, während an der weißgekalkten Wand gegenüber Fotos und Porträts hingen. Auf dem Foto neben der Tür war eine junge Frau in einem weißen, langen Kleid und mit hochgesteckten Haaren unter einem Brautschleier zu sehen. In ihrem schüchternen Lächeln erkannte Aurora sich selbst wieder. Die Ähnlichkeit war verblüffend.

„Ist das meine Großmutter?“ Sie trat einen Schritt näher, um es besser betrachten zu können.

„Ja, das ist sie. Dieses Bild stammt von der Hochzeit mit Ihrem Großvater.“

Neugierig drehte sich Aurora zu ihm um. „Ihn haben Sie auch kennengelernt?“

Bruder Michael nickte wehmütig. „Ich habe mit ihnen trainiert und sie auf ihren Reisen begleitet!“

„Mein Großvater hat auch gegen Vampire gekämpft?“

„Ja, auch seine Familie gehörte schon seit Generationen zu den Vampirjägern. So lernten sich die beiden auch kennen und lieben, im Kampf.“ Er trat zur Seite und deutete auf das Foto eines schwarzhaarigen jungen Mannes. „Das ist er. Er wurde getötet, als er sich einer Gruppe Vampire in den Weg stellte, damit seine Frau und sein kleiner Sohn fliehen konnten.“ Aurora konnte Schmerz und Bedauern in seinem Gesicht sehen. „Verstehen sie, Fräulein Zantoni? Es ist Ihre Blutpflicht! Sie und Ihr Bruder sind die Nachkommen zweier starker Familien von Jägern!“ Beschwörend sah er sie an.

Überwältigt trat Aurora einen Schritt zurück. Irgendwie erschien es ihr immer noch wie ein Traum. Vampire sollten wirklich existieren? Ihre Finger strichen über den Verband, der die Bisswunde verdeckte. Aber das wäre die Erklärung dafür, warum ihre Angreifer so schnell bei ihr sein konnten und warum sich Aurora, trotz der Gefahr, fast zu ihnen hingezogen gefühlt hatte. Würden diese Wesen auch die Menschen in ihrer Umgebung angreifen? Würden sie Markus verletzen? Seufzend kniff sie die Lippen zusammen. Noch einmal wollte sie sich nicht einfach überfallen lassen. Beim nächsten Mal wollte sie in der Lage sein, sich zu wehren. Denn wenn die drei sie so gezielt ausgesucht hatten, würden sie bestimmt wieder kommen. Also musste sie lernen zu kämpfen, um sich und ihre Lieben zu schützen.

Entschlossen zog sie ihre Schultern zurück. „Okay, aber lassen Sie Markus daraus. Er muss davon nichts wissen. Wenn es sein muss, nehme ich allein den Platz unserer Familie ein.“ Sie hatte nicht wirklich vor, zu einer Vampirjägerin zu werden, aber der Mann vor ihr musste das nicht wissen. Schließlich sollte er ihr beibringen, wie sie bei der nächsten Attacke ihre Angreifer ausschalten konnte.

Der Mönch schüttelte den Kopf. „Sie können Hilfe gut gebrauchen. Die Vampire sind schnell und stark, unterschätzen Sie sie nicht!“

Nachdenklich schaute sie auf ihren Verband. „Ich weiß, aber es muss auch so gehen. Mein Bruder soll mit der ganzen Sache nichts zu tun haben. Es muss doch noch andere Jäger geben. Was ist mit denen? Warum kommen Sie jetzt auf einmal zu mir?“

„Es gab weltweit viele Übergriffe in den letzten Wochen und die Jäger, die für diese Region zuständig sind, wurden entweder in schlimmere Gegenden abgezogen oder sind verschwunden.“ Tief seufzte er, schien in seinen Gedanken versunken, während sie sich fragte, wie sie als ungelernte Kämpferin plötzlich den Platz ausgebildeter Jäger ausfüllen sollte. Hatte der Mönch darüber nachgedacht?

Er nickte ihr zu. „Nun gut!“ Er drehte sich zum Schrank und öffnete eine der Türen. „Hier drin sind die Sachen Ihrer Großmutter.“ Er holte eine längliche Holzkiste heraus. „Ich denke, es wird endlich Zeit, dass sie weitergegeben werden.“

Mit gerunzelter Stirn schaute Aurora auf die Kiste, die der Mönch ihr in die ausgestreckten Arme legte. „Aber was war mit meinem Vater?“ Hatte er nicht erzählt, dass ihr verstorbener Vater auch gegen Vampire gekämpft hatte?

„Er wollte mit der ganzen Sache nichts zu tun haben!“ Der Mönch führte sie zu einem kleinen Tisch mit zwei Holzstühlen. „Ihr Vater hat schon als Kind Dinge gesehen, die Sie sich niemals vorstellen könnten.“ Er nahm ihr die Kiste aus der Hand und deutete ihr sich zu setzen. „Als Ihre Großmutter starb, wollte er mit damit abschließen. Er zog in eine andere Stadt und lernte Ihre Mutter kennen. Ein paar Jahre schien alles gut zu gehen, doch dann hatten die Vampire ihn gefunden.“ Er schüttelte den Kopf und schaute sie entschuldigend an. „Ihr Vater hat gegen seine Feinde gekämpft und es mit unserer Hilfe geschafft, seine Familie vor ihnen zu verbergen. Doch kurz nachdem er begonnen hatte, gegen sie zu kämpfen, fing er an zu trinken.“ Mit zusammengekniffenen Lippen nickte Aurora ihm zu. Sie wusste sehr genau, dass ihr Vater ein Alkoholiker gewesen war. „Verstehen Sie, ich will Ihren Vater nicht in Schutz nehmen, aber es gab Gründe für seine Krankheit. Er schaffte es nicht mit dem Grauen fertigzuwerden, das er gesehen hatte, und versuchte es zu vergessen.“

Sie schnaubte. „Seine Krankheit war es, die ihn von seiner Familie trennte und schließlich hat der Alkohol ihn umgebracht!“ Aufgebracht strich sie sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht. „Oder stimmt das etwa nicht?“ Sie wollte nicht die Wut auf den Mann verlieren, der sie mit seiner Schwäche verletzt hatte. Sie konnte ihm nicht einfach vergeben, nur weil er Geheimnisse gehabt und schlimme Sachen gesehen hatte. So einfach verschwanden Gefühle nicht, auch wenn sich ein kleiner Funken Schuld in ihr Herz schleichen wollte.

„Ja, es ist wahr. Es waren keine Vampire, die ihn umbrachten, sondern seine kaputte Leber!“

Eine Weile saßen sie sich schweigend gegenüber, dann zog Bruder Michael die Kiste zu sich und öffnete das kleine Schloss an der Seite. „Doch jetzt geht es um das Erbe Ihrer Großmutter!“ Er holte einen langen in Leder gewickelten Gegenstand heraus. Vorsichtig streifte er das Leder ab und überreichte ihr einen langen Dolch mit einer schwarzen Klinge. Aufmerksam betrachtete Aurora die Waffe, die unnatürlich im Licht schimmerte.

„Dieser Dolch befindet sich seit Jahrhunderten im Besitz Ihrer Familie. Es heißt, Gott selbst habe ihn aus Höllengestein geschmiedet und ihn Ihrer Familie geschenkt, um sie auf der Jagd zu schützen. Einige unserer Wissenschaftler glauben jedoch, es handelt sich um Reste eines Meteoriten.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wie auch immer, er ist effektiver als ein Holzpflock. Sie können einen Vampir damit schwer verletzen und sogar töten.“

Mit geweiteten Augen sah sie auf das blitzende Metall in ihrer Hand. „Aha, danke!“ Was für ein Kloster war das, dass Vampirjäger ausbildete und sogar Wissenschaftler hatte? Vorsichtig legte sie den Dolch vor sich ab.

Er holte eine kleine Schmuckschatulle aus der Kiste hervor und drückte sie ihr in die Hand. „Dies war das Hochzeitsgeschenk Ihres Großvaters an seine junge Frau.“

Neugierig öffnete Aurora die Schatulle und sah eine goldene Halskette mit einem Granatanhänger. Vorsichtig nahm sie den Schmuck heraus. Die Kette selbst war sehr einfach, das Besondere war der daumengroße Stein, der eine geheimnisvolle Flamme in seinem Inneren gefangen zu halten schien.

„Diese Kette wurde zum Talisman Ihrer Großmutter, denn sie verrät Vampire.“ Fragend schaute Aurora auf. „Wenn Sie in der Nähe eines Vampirs sind, beginnt der Stein zu leuchten und wird heiß. Ich habe es selbst miterlebt, es ist also nicht nur eine Legende.“ Bruder Michaels Blick war in die Ferne gerichtet. „Ich weiß nicht, was Ihr Großvater dafür alles getan hat. Eines Tages stand er verletzt vor meiner Tür und zeigte mir voller Stolz den Anhänger. Auf meine Frage, wie er daran gekommen war, hat er nie geantwortet.“

Vorsichtig strich sie über den kühlen Stein. "Den hätte ich gestern gut gebrauchen können!" Sie legte die Kette in die Schatulle zurück und schob sie dem Mönch zu.

Kopfschüttelnd drückte er ihr das Kästchen in die Hand. „Das sind jetzt Ihre Sachen. Wir haben sie nur für Ihre Familie aufbewahrt.“ Er holte ein kleines in Leder eingebundenes Buch aus der Kiste. „Das hier ist das Tagebuch Ihrer Großmutter. Es enthält viele Informationen über Vampire und erzählt von ihren Kämpfen. Ich denke, es kann Ihnen nützlich sein.“

Behutsam schlug Aurora das Buch auf und sah auf die kleine Schrift. Es war nicht so leicht zu entziffern, zur Zeit ihrer Großmutter wurden die Worte noch etwas anders geschrieben.

„Vielleicht sollten wir jetzt mit Ihrer ersten Trainingsstunde beginnen!“

„Was? Trainingsstunde?“ Sie schaute verwirrt von dem kleinen Buch hoch, das ihr wie ein großer Schatz erschien.

„Nun, es macht mir etwas Sorge, dass die Vampire Sie so schnell gefunden haben. Das Blut von Jägern scheint Vampire irgendwie anzuziehen, deshalb haben wir um Ihre Wohnung Siegel angebracht, um sie fern zu halten. Übrigens auch bei Ihrem Bruder und anderen Jägerfamilien. Irgendetwas muss den Abwehrzauber beschädigt haben. Ich werde Ihnen ein paar kleine Tricks beibringen, um die Vampire abzulenken und zu verletzen, damit Sie ohne weiteres entkommen können.“ Aurora sah auf ihr Sweatshirt und ihre Jeans. Konnte sie darin überhaupt üben? „Wie gesagt, nur ein paar Tricks. Fürs nächste Mal können Sie sich gerne Sportsachen mitbringen oder wir stellen Ihnen etwas zur Verfügung.“ Sie nickte und hoffte, dass sie mit dem älteren Mann mithalten konnte. Sie hatte als Kind gerne getanzt und machte manchmal im Fitnessstudio bei einem der Aerobic-Kurse mit. Aber von irgendwelchen Kampftechniken oder Verteidigungsgriffen hatte sie keine Ahnung.

Aurora folgte dem Mönch zurück in die große Trainingshalle und ließ sich von ihm in den nächsten Stunden zeigen, wie sie einen Vampir abwehren konnte. Der alte Mann war wendig und flink, was Aurora überraschte, sah er doch mit seiner Leibesfülle eher aus, als würde er ein gemütliches Leben führen. Sie lernte schnell die Selbstverteidigungsgriffe umzusetzen und einige Schnitte mit dem Dolch zu setzen, so dass Bruder Michael sie nach einiger Zeit erstaunt ansah.

„Es scheint wirklich in Ihren Genen zu liegen. Ihre Großmutter war genauso geschickt wie Sie.“ Aurora lächelte freudig über dieses Kompliment, wurde jedoch im nächsten Augenblick von dem Mönch auf die Matte gelegt. „Lassen Sie sich niemals ablenken. Das ist die wichtigste Regel!“ Sie war fasziniert davon, dass dieser alte Mann mit ihr mithalten konnte, ohne dabei stark aus der Puste zu geraten. Wahrscheinlich sollte sie sich mehr als einmal im Monat im Fitnessstudio blicken lassen, um an ihrer Ausdauer zu arbeiten.

Bruder Michael schaute nach oben. „Die Sonne geht bald unter. Es wird Zeit für mein Abendgebet. Für heute ist es genug!“ Er lächelte sie an und wischte sich einige Schweißtropfen von der Stirn. „Sie können jederzeit wieder zum Üben vorbei kommen. Ich kenne noch eine Menge Tricks, die ich Ihnen beibringen möchte.“

Aurora schnappte nach Luft. „Das wäre wunderbar, ich habe noch eine Menge zu lernen. Aber bitte nennen Sie mich Aurora. Sie können mich gerne duzen, schließlich werden wir uns öfter sehen.“

Er klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. „Wenn du das Tagebuch deiner Großmutter gelesen hast, bist du schon um einiges schlauer. Hol dir deine Sachen, ich muss kurz telefonieren.“ Irgendwo aus einer versteckten Tasche seiner Kutte holte er ein Handy hervor. Erstaunt starrte sie darauf. „Du kannst mir gerne deine Telefonnummer geben, damit ich dich erreichen kann.“ Blinzelnd diktierte sie ihm die Zahlen. Während er mit seinem Telefonat begann, ging Aurora in den kleinen Raum nebenan und packte das Buch und den Dolch in ihre Tasche. Die Halskette legte sie sich gleich um. Einen Glücksbringer konnte sie gut gebrauchen. Als sie wieder zurück in die Trainingshalle kam, war der Mönch bereits fertig. „Ich habe jemandem Bescheid gegeben, die Vampirbannsiegel um ihre Wohnung und um die Wohnung ihres Bruders zu erneuern und zu verstärken. Du solltest wieder in Sicherheit sein, wenn du nach Hause kommst.“

„Ich danke Ihnen, Bruder Michael. Und ich komme bestimmt bald wieder.“

„Das würde mich freuen.“ Er brachte sie bis zum Ausgang und lächelte ihr offen zu. „Aurora, du kannst jederzeit wiederkommen, egal wann. Das ist mein Ernst.“

„Danke schön.“

Als sie auf ihre Haustür zuging, kam gerade ihr Nachbar in Begleitung einer hübschen Frau heraus. Beide waren festlich gekleidet, er in einem schwarzen Anzug und sie in einem dunkelblauen Kleid, die schwarzen Haare kunstvoll aufgesteckt.

Aurora versuchte ihn unauffällig zu mustern, als sie von einem heißen Punkt zwischen ihren Schlüsselbeinen abgelenkt wurde. Irritiert schaute sie auf den Stein, der blutrot leuchtete. Hier mussten Vampire in der Nähe sein, doch außer den beiden konnte sie keine andere Person entdecken.

„Oh, Eric, du hast mir gar nicht erzählt, dass sie in der Nähe wohnt.“ Erschrocken blickte Aurora zu der Frau mit der glockenhellen Stimme, die einen Schritt auf sie zu machte. Während die Frau von ihr lachend zu Eric schaute, rann Eis durch Auroras Adern und ließ sie erstarren.

„Sei still, Francesca!“ Ihr Nachbar legte eine Hand auf die nackte Schulter der Frau, als wollte er sie daran hindern, Aurora noch näher zu kommen.

„Du… du bist einer von ihnen!“ Erschüttert sah sie in seine schwarzen Augen. „Deshalb haben sie dich gestern nicht angegriffen.“

Besorgt schüttelte er den Kopf. „Das ist der Grund, warum sie dich gehen ließen!“

Sie spürte heiße Wut in sich hochsteigen. Er hatte sie in seine Wohnung gebracht, ihre Wunde versorgt und ihr angeboten, bei ihm zu übernachten. War das eine Falle gewesen? Hatte er vorgehabt, ihr auch das Blut auszusaugen? Wie hatte er sie so betrügen können? „Du Bastard, du elender Lügner!“

„Na hör mal, ich hab dir das Leben gerettet. Da dürfte doch wenigstens ein bisschen Dankbarkeit drin sein!“, funkelte er sie an.

„Das kannst du dir in die Haare schmieren.“ Er machte einen Schritt auf sie zu. Sie starrte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Wag' es ja nicht noch näher zu kommen.“ Ihre Reaktion ihm gegenüber war völlig unlogisch, aber sie konnte ihre Gefühle nicht hinunterschlucken. Eigentlich sollte sie jetzt Angst vor ihm haben, aber sie war einfach stinksauer. Ihr ganzer Körper zitterte vor unterdrückter Wut. „Ich will dich nie wiedersehen!“ In großem Bogen stürmte sie an den beiden vorbei und rannte in ihre Wohnung.

Erst hinter ihrer geschlossenen Wohnungstür hielt sie inne. Musste sich ihr begehrenswerter Nachbar als Blutsauger herausstellen? Dabei war er gestern so nett gewesen. Er hatte sich um ihre Wunde gekümmert, war nicht über sie hergefallen, obwohl sie geblutet hatte.

Verwirrt ließ sie sich am kühlen Holz der Tür zu Boden gleiten und kauerte sich hin. Entmutigt ließ sie ihren Kopf auf die Knie sinken. Ohne das Medaillon ihrer Großmutter hätte sie immer noch nicht gewusst, dass Eric ein Vampir war. Ihre innere Alarmanlage hatte sich bei ihm total abgestellt.

Aber warum hatte er sie gestern nicht getötet? Abwesend starrte sie auf die kleinen, gelben Rauten ihres Teppichs. Was hatte er vorgehabt? Sie in Sicherheit wiegen, um sie dann auszusaugen? In seiner Wohnung hätte es genug Gelegenheiten dazu gegeben. Er war stärker als sie, hätte sie jederzeit überwältigen können. Warum hatte er das nicht getan?

Im Wohnzimmer klingelt ihr Telefon, aber bevor sie sich erhoben hatte, war es wieder still. Sie zog sich Jacke und Schuhe aus. Am besten würde sie jetzt ein heißes Bad nehmen, irgendetwas essen und danach gleich ins Bett gehen. Dann konnte sie diesen Tag endlich hinter sich lassen.

Ihr Handy fing in ihrer Tasche laut an zu läuten. Auf dem Display stand „Markus“.

„Hallo Bruderherz. Was gibt es?“

„Hey, geht es dir gut? Hab schon lange nichts mehr von dir gehört.“ Ihr Bruder schien einen Radar für ihre Gefühle zu haben, denn sie hatten erst vor ein paar Tagen miteinander telefoniert.

„Alles gut!“

„Wir wollten heute ins Kino und ich habe beschlossen, dass du mitkommst.“

Sie schnaubte in den Hörer. Wieso fühlte sich ihr kleiner Bruder immer berufen, sie unter Leute zu zerren. Manchmal war es doch schön, einfach zu Hause zu gammeln. „Und wer ist wir?“

„Vera, Peter und ich!“

„Redest du von meiner Vera? Unserer frischgebackenen Mutti?“ Sie hörte ein Seufzen von der anderen Seite.

„Ja, unsere glücklichen jungen Eltern haben es doch tatsächlich über sich gebracht und werden Peters Eltern babysitten lassen, damit sie mit uns mal wieder weggehen können.“ Markus ächzte theatralisch in den Hörer. „Das war ganz schön harte Arbeit für mich. Eigentlich wolltest du mich doch dabei unterstützen und jetzt musste ich sie ganz alleine überreden.“

„Es war in letzter Zeit ein wenig stressig bei mir!“

„Oho, gibt es da etwa einen neuen Mann in deinem Leben?“ Sofort sah sie Erics Gesicht vor sich. Diese dunklen Augen, die sie magisch anzuziehen schienen. Sie räusperte sich und fand den Weg in die Realität zurück. Er war ein V… Verräter. „Nein, ich hatte nur viel auf Arbeit zu tun. Gestern hatte ich abends noch eine Fortbildung, deshalb bin ich heute ganz schön müde!“

„Das ist aber noch lange kein Grund, nicht mitzukommen!“ Ihr Bruder hatte Recht. Jetzt wo er es geschafft hatte, ihre Freunde zum Ausgehen zu überreden, musste sie sich schon was Besseres einfallen lassen.

„Was wollt ihr euch denn eigentlich anschauen?“

„Den neuen Actionfilm mit den illegalen Straßenrennen!“ Das hörte sich ganz verlockend an; schicke Autos und muskulöse Machos. Eine Liebesschnulze wäre das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte.

„Vielleicht lasse ich mich blicken. Um acht geht es los?“

„Genau, wie immer. Das werte ich als Ja. Ich besorge dann schon mal die Karten. Wir treffen uns vor dem Kino. Ach ja, kann sein, dass Gregor auch mitkommt!“

„Was? Markus, tu das nicht!“

„Aurora? Ich versteh dich ganz schlecht. Hier muss ein Funkloch sein.“ Sie konnte das Lachen in seiner Stimme hören und glaubte ihm kein Wort. „Wir sehen uns nachher!“ Dann hatte er aufgelegt.

Frustriert schaute sie auf ihr Handy. Wollte dieser schreckliche Tag denn nie enden? Ihr Bruder hatte es immer noch nicht aufgegeben, sie zu verkuppeln. Heute Abend würde er sicher wieder zur Bestform auflaufen, um sie an den Mann zu bekommen. Stöhnend warf sie sich kopfüber auf ihr Sofa.

3

Fast hatte sie das Kino erreicht. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass sie wirklich hier war. Dabei hätte sie nach der Enttäuschung mit Eric jetzt lieber in ihrer Wohnung vor sich hin gedämmert.

Markus sah sie schon von weitem und rannte auf sie zu. Stürmisch riss er sie in die Arme und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel.

„Schwesterchen, ich hatte schon Angst, du kommst doch nicht!“

Neckend schaute sie zu dem schlanken jungen Mann hoch, der sie um einen Kopf überragte. „Ich habe auch mit dem Gedanken gespielt.“

Lachend fuhr er sich durch die kurzen, braunen Haare. „Wie gut, dass du es dir anders überlegt hast.“ Schalkhaft blitzten seine grauen Augen auf. „Gregor hat schon nach dir gefragt!“

Stöhnend blieb sie stehen und sah ihn vorwurfsvoll an. „Markus, bitte! Tu mir das nicht an!“

„Wieso? Er ist doch sehr nett und du verstehst dich gut mit ihm!“ Schulterzuckend schaute er auf sie herunter. Manchmal hasste sie es, dass ihr vier Jahre jüngerer Bruder fast einen Kopf größer war als sie.

„Das klingt, als wolltest du mir etwas verkaufen.“

„Ich mach mir einfach Sorgen. Seit du dich von Sascha getrennt hast, ziehst du dich noch mehr zurück. Mal ehrlich, wann warst du das letzte Mal aus?“ Mit einem angedeuteten Lächeln wuschelte er durch ihre langen Haare.

Schnaufend schlug sie seine Hände zur Seite. Warum musste er gerade jetzt mit ihrem untreuen Ex-Freund kommen? Das hatte rein gar nichts damit zu tun. „Ich war letzten Monat erst mit meiner Kollegin Silvie in einem Feierabendclub.“

„Was? Ein Monat? Du bist Mitte zwanzig und Single. Du solltest jedes Wochenende feiern gehen und dein Leben genießen.“ Ihr Bruder klang fast empört und sie konnte sich ein Lachen nicht mehr verkneifen.

„Markus, vergleiche dein ausschweifendes Studentenleben nicht mit mir. Nach vierzig Wochenstunden, in denen ich fast ausschließlich mit Menschen rede, freue ich mich über Ruhe.“ Sie hängte sich lächelnd an seinen Arm. „Also tue nicht so, als würde ich komplett vereinsamen.“

„Aber immer in deiner Wohnung zu bleiben, ist auch nicht gut. Mit einem Mann wie Gregor wärst du nicht mehr allein.“

„Das heißt doch aber nicht, dass ich mit ihm zusammenkommen muss.“

Seufzend legte ihr Markus den Arm um die Schulter. „Jetzt block nicht gleich ab. Er mag dich und ich glaube, er kann dich glücklich machen. Gib dem armen Kerl wenigstens eine Chance.“

„Das sagst du nur, weil er dein bester Kumpel ist.“ Sie versuchte die Rührung zu überspielen, die seine Sorge in ihr auslöste.

„Nein, das sage ich, weil du meine Schwester bist. Du vereinsamst noch!“ Er zwinkerte ihr zu und drückte ihre Schulter. „Ich kann doch nichts dafür, dass er zufällig auch mein bester Freund ist.“

„Aber er arbeitet in einer Bank“, jammerte sie. Gregor war lieb, aber es gab nichts, was sie gemeinsam hatten.

Belustigt schaute ihr Bruder sie an. „Und du arbeitest in einer Apotheke.“ Spielerisch zog er an einer ihrer Strähnen. „Auch nicht gerade ein Job mit Nervenkitzel.“ Sah man davon ab, dass sie sich heute irgendwie dazu bereit erklärt hatte eine Vampirjägerin zu werden, fügte sie in Gedanken hinzu. „Ihr habt euch seit einem halben Jahr nicht gesehen. Warte erst mal ab. Vielleicht überrascht dich Gregor ja!“

„Das bezweifle ich.“ Sie ignorierte Markus‘ Lachen neben sich. Es war länger als ein halbes Jahr her, seit sie Gregor gesehen hatte, sie wusste es genau. Allein der Gedanke daran ließ sie rot werden.

Zu Silvester hatte Markus eine große Party geschmissen. Als es Mitternacht geworden war, hatte sie zufällig neben Gregor gestanden und ihm einen harmlosen Kuss auf die Lippen gedrückt. Doch Gregor hatte sie fest in seine Arme gezogen und ihn stürmisch erwidert. Ihr Alkoholspiegel hatte sie dazu gebracht, ihn leidenschaftlich zurückzuküssen. Kurz hatte sie sich der Illusion hingegeben, dem Prickeln der Berührung, doch es hatte nichts in ihrem Inneren berührt und schnell hatte sie sich aus seiner Umarmung gelöst. Leider hatte ihr Bruder diese Szene mitbekommen und versuchte sie beide seither zu verkuppeln. Lange hatte sie Gregor aus dem Weg gehen können, doch heute war das Glück ihr nicht hold.

Tief atmete sie ein und betrat mit Markus das Kinofoyer. Der Erste, den sie sah, war natürlich Gregor. Mit seinen fast zwei Metern Körpergröße überragte er die meisten anderen Menschen ohne Schwierigkeiten. Er trug seine braunen Locken jetzt länger, es sah richtig verwegen aus, wie sich ein paar Strähnen in seinem Nacken kringelten. Warme braune Augen lächelten ihr zu. Erstaunt stellte sie fest, dass er gut aussah. Seine Schultern waren breiter geworden und seine Oberarme hatten richtige Muskeln bekommen. Irritiert musterte sie ihn. Markus hatte ihr gar nicht erzählt, dass Gregor Krafttraining machte. Es stand ihm. Langsam ging er in ihre Richtung. Da war kein Rest seiner jugendlichen Schlaksigkeit mehr zu finden, stellte sie erstaunt fest. Sein Blick richtete sich auf etwas auf ihrem Dekolleté und er schien verwirrt seinen Kopf zur Seite zu legen.

Eine kleine Gestalt mit schwarzen, fliegenden Haaren kam vor ihm auf sie zugerannt und warf stürmisch die Arme um ihren Hals. „Ich bin so froh, dass du hier bist. Endlich weibliche Verstärkung!“

Aurora drückte die kleine Frau an sich. Es war so lange her, dass sie Vera gesehen hatte. Sie musste sich unbedingt mehr Zeit für ihre Freunde nehmen. Vielleicht war an Markus‘ Befürchtung, sie würde vereinsamen, wirklich etwas dran. Auch wenn sie das nie offen vor ihm zugeben würde.

„Was denn? Ärgern dich die Männer?“ Mit hochgezogener Augenbraue schaute sie zu ihrem Bruder, der abwehrend die Hände hochhielt.

„Ich hab nichts gemacht! Wirklich, ich bin unschuldig!“

„Na, wer’s glaubt!“

„Diesmal hat er wirklich nichts damit zu tun. Die beiden sind schuld.“ Mit ausgestrecktem Finger deutete Vera auf Peter und Gregor, die sich zu ihrer kleinen Gruppe gesellt hatten.

Gespielt entrüstet stemmte Aurora die Hände in die Hüften und schaute die beiden grinsenden Männer an. „Also, was habt ihr meiner Kleinen angetan?“ Sowohl Gregor als auch der kleinere, schwarzhaarige Mann neben ihm schauten unschuldig an die Decke.

„Sie haben sich darüber lustig gemacht, dass ich mich zwischen Eiskonfekt, Nachos und Popcorn nicht entscheiden konnte und alles kaufen wollte“, erklärte Vera die Situation.

„Es sah sehr verfressen aus, wie du auf die Theke gesabbert hast!“ Sie konnte ein unterdrücktes Kichern von Markus und Gregor hören, während Vera ihren Mann schwungvoll in die Seite boxte.

„Deine blöden Kommentare kannst du dir sparen! Seit sechs Monaten komme ich das erste Mal wieder unter Leute. Du gehst arbeiten, aber ich bin zu Hause und kümmere mich um unseren Sohn. Ich liebe ihn sehr, aber ich bin froh etwas anderes zu sehen, als dreckige Windeln und Babykotze!“ Diese Bemerkung erntete einheitliches Stöhnen und gequälte Gesichter . Das waren wohl zu viele Informationen für die Männer.

Sie lehnte sich zu ihrer Freundin. „Das hast du doch jetzt extra gesagt, um die Männer zu ärgern.“

Ihre Freundin grinste frech. „Ja natürlich! Sie haben’s ja auch verdient. Zumindest einer von ihnen trägt eine starke Mitschuld an meiner jetzigen Situation!“ Aurora konnte unmöglich ein Kichern unterdrücken und Vera stimmte laut mit ein.

„Na toll, wir leiden und die Frauen amüsieren sich“, stöhnte Markus.

„Selbst schuld, wenn ihr uns unbedingt ärgern müsst!“ Sie grinste ihren Bruder spöttisch an, doch dieser war von irgendwas an ihrem Hals abgelenkt.

„Die Kette habe ich noch nie gesehen. Die scheint ganz schön teuer zu sein!“ Er trat einen Schritt näher, während sie schützend die Hand auf den Stein legte.

Sie konnte ihm unmöglich jetzt die Wahrheit sagen. „Das ist nur billiges Glas. Hab' die Kette letztens in einem Laden gefunden und weil ich sie so hübsch fand, hab ich sie gleich mitgenommen.“

Auch Vera trat jetzt näher heran. „Sieht aber aus wie echt.“

Ihr Bruder brummelte leise etwas vor sich hin, dann schnappte er sich ihre Hand. „Sag mal, was hast du denn hier gemacht?“ Er hielt ihr das verbundene Handgelenk vor die Augen und betrachtete sie prüfend.

„Nichts weiter!“ Sie entriss ihm ihre Hand und zuckte mit den Schultern. „Ich hab mich gestern an Papier geschnitten, direkt über dem Gelenk. Das hat vielleicht geblutet! Deshalb der Verband, damit es nicht gleich wieder aufgeht.“ Sie lächelte ihren Bruder an. „Nichts Schlimmes, ich war nur ungeschickt.“ Er nickte, aber seine zusammengekniffenen Augen zeigten ihr, dass er ihren Worten nicht traute.

Ablenkend schaute sie auf ihre Armbanduhr. „Sagt mal, wann fängt der Film eigentlich an?“

Markus ging darauf ein und grinste eigentümlich. „In zehn Minuten. Wir sollten langsam rein.“

Gregor hielt ihr eine Tüte Popcorn und einen Trinkbecher vor die Nase. „Hier, für dich. Cola und süßes Popcorn. Das magst du doch am liebsten.“

Erstaunt nahm Aurora die Sachen an sich. „Danke“ Sie konnte geradezu spüren, wie ihre Wangen rot wurden, und senkte schnell den Kopf.

„Dann würde ich sagen, dass Gregor neben Aurora sitzt!“ Mit hochgezogener Augenbraue schaute sie zu Markus, der nur grinsend die Schultern zuckte. „Dann kann er was von dem Popcorn essen, das er dir gekauft hat.“

„Nein, das ist nicht nötig, Markus!“ Verschüchtert hob Gregor die Hände. „Ehrlich, ich mag gar kein Popcorn!“