Schweigende Straßen - Erjon Alimi - E-Book
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Schweigende Straßen E-Book

Erjon Alimi

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Beschreibung

Julian, Ende zwanzig, führt ein monoton graues Leben. Arbeit, leere Wohnung, Zigaretten, Alkohol. Sein Alltag ist von Routinen und Einsamkeit geprägt, bis eine unerwartete Begegnung einen Hoffnungsschimmer in seine Welt bringt. Zum ersten Mal glaubt er, dass Veränderung möglich ist und Nähe und Wärme mehr als nur Erinnerungen aus einer fernen Vergangenheit sein können. Doch der Funke entpuppt sich als trügerisch. Alte Wunden, Selbstzweifel und seine depressive Grundstimmung verhindern, dass er die Hand ergreift, die ihm gereicht wird. Misstrauen und Selbstsabotage untergraben die fragile Verbindung, bis sie endgültig zerbricht. Was bleibt, ist eine noch tiefere Leere, weil er einmal einen Blick ins Licht geworfen hat. Julian rutscht in eine Spirale aus Isolation, Krankheit und Selbstzerstörung. Arbeit, Kontakte und selbst die letzten familiären Bande verschwinden. Schließlich bleibt nichts als der nackte Stillstand: ein Leben, das unbemerkt zu Ende geht, so leise, wie es verlaufen ist. „Schweigende Straßen“ erzählt die Geschichte eines Menschen, der in einer lauten Gesellschaft verstummt. Es ist die Geschichte einer Existenz, die zwischen verpassten Chancen, gebrochenem Vertrauen und unheilbarer Einsamkeit zerrieben wird. Ohne Hoffnung, ohne Rettung bleibt nur das Echo eines zerbrochenen Lebens.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Erjon Alimi

Schweigende Straßen

Ein junger Mann, gefangen in Depression und Stillstand. Eine Begegnung, die Hoffnung schenkt – und sie ihm wieder entreißt. „Schweigende Straßen“ ist das Porträt eines Lebens, das ungehört verhallt. Düster, schonungslos, ohne Happy End.

Kapitel 1

Der Wecker klingelte, wie er es jeden Morgen tat – nicht mit einem schrillen Ton, der jemanden aufschrecken könnte, sondern mit einem dumpfen Piepen, das fast so klang, als würde es selbst keine Lust mehr haben. Julian öffnete die Augen, starrte an die Decke. Die Farbe dort war einmal weiß gewesen, jetzt schimmerte sie in einem stumpfen Grau, vergilbt von den Jahren und der vernachlässigten Pflege. Er lag noch minutenlang still, das Gewicht seiner Glieder wie Blei. Kein Grund aufzustehen, dachte er. Und doch wusste er, dass er es tun musste.

Die Arbeit wartete. Die Arbeit wartete immer.

Mit einer schwerfälligen Bewegung schob er die Decke zur Seite, setzte sich auf die Bettkante. Der Boden war kalt unter seinen Füßen, der Staub zwischen den Dielen klebte an der Haut. In der Ecke stand ein halbvolles Glas Wasser, von gestern oder vorgestern – er konnte sich nicht erinnern. Er nahm es in die Hand, roch daran, trank einen Schluck, ohne nachzudenken. Das Wasser schmeckte abgestanden, aber es war egal. Alles schmeckte gleich.

Die Wohnung war still. Kein Radio, kein Fernseher, kein Lachen, keine Stimmen. Nur das leise Knacken der Rohre, irgendwo in der Wand, und das ferne Rauschen der Stadt, das nie ganz verschwand. Julian zog sich die Hose von gestern an, das zerknitterte Hemd lag schon über dem Stuhl. Er prüfte nicht, ob es sauber war – es war ihm gleichgültig.

Im Badezimmer begegnete er seinem Spiegelbild. Ein Gesicht, das ihm fremd vorkam. Die Haut blass, die Augenringe dunkel, die Haare ungepflegt. Er fuhr sich mit den Fingern über das Kinn, das vom Bartstoppeln rau war. Früher, erinnerte er sich, hatte er Wert auf solche Dinge gelegt. Früher – ein Wort, das für ihn eine ganze Welt bedeutete, die er verloren hatte.

Die Zähne putzte er mechanisch, ohne wirklich hinzusehen. Die Zahnpasta schmeckte bitter. Danach zog er die Schuhe an, griff nach der Tasche und verließ die Wohnung. Kein Frühstück. Kein Kaffee. Kein Grund, länger zu bleiben.

Draußen war der Himmel verhangen, ein endloses Grau, das die ganze Stadt wie unter einer bleiernen Glocke gefangen hielt. Der Asphalt war noch feucht vom Regen in der Nacht, kleine Pfützen spiegelten das Licht der Straßenlaternen, die noch nicht erloschen waren. Julian ging den Gehweg entlang, den Kragen hochgeschlagen, die Hände in den Taschen.

Andere Menschen passierten ihn: Männer in Anzügen, Frauen mit Kinderwagen, Jugendliche mit Kopfhörern. Sie alle schienen irgendwohin zu gehören, ein Ziel zu haben, eine Aufgabe, jemanden, der auf sie wartete. Julian war nur ein Schatten zwischen ihnen, einer, der nicht auffiel. Niemand sah ihn an, niemand sprach ihn an.

Die Straßenbahn kam pünktlich, wie jeden Morgen. Er stieg ein, setzte sich auf einen der harten Sitze und starrte aus dem Fenster. Die Fensterscheiben waren beschlagen, und die Tropfen liefen in dünnen Linien nach unten. Menschen redeten, tippten auf ihre Handys, lachten leise. Julian hörte das alles wie durch eine Wand, als würde er unter Wasser sitzen. Er nahm es wahr, aber es erreichte ihn nicht.

Die Haltestellen zogen vorbei, immer dieselben Namen, immer dieselben Häuser, immer dieselben Gesichter. Routine. Ein Kreislauf, aus dem es kein Entkommen gab.

Im Büro angekommen, begrüßte ihn niemand besonders. Ein kurzes Nicken hier, ein beiläufiges „Morgen“ dort. Er antwortete ebenso knapp. Die Gesichter der Kollegen verschwammen für ihn zu einem einzigen, gleichgültigen Ausdruck. Ihre Gespräche über das Wochenende, über Urlaubspläne, über Kinder und Häuser gingen an ihm vorbei. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, startete den Computer, öffnete Tabellen. Zahlenreihen, Berichte, kleine Aufgaben, die keinen Sinn ergaben, außer Zeit zu fressen.

Stundenlang klickte er sich durch Mails, schrieb Antworten, füllte Formulare. Der Kaffee aus der Maschine schmeckte nach verbranntem Plastik. Aber er trank ihn, weil er sonst müder geworden wäre, und Müdigkeit war das Einzige, das noch schwerer wog als die Arbeit.

Manchmal sah er aus dem Fenster. Der Himmel blieb grau, die Straßen voll, das Leben draußen unbeeindruckt von seiner inneren Leere. Er fragte sich, ob jemand, der ihn jetzt ansah, die Dunkelheit in ihm erkennen würde. Wahrscheinlich nicht. Er hatte gelernt, ein neutrales Gesicht zu tragen. Keine Freude, kein Schmerz. Nur Funktion.

Zur Mittagspause ging er allein. Er kaufte sich ein belegtes Brötchen aus der Bäckerei an der Ecke und aß es auf einer Parkbank. Die Tauben kamen näher, gierig nach Krümeln, und er warf ihnen ein Stück zu. Sie flatterten, stritten, hackten aufeinander ein. Er sah zu, ohne Emotion.

Um ihn herum saßen Gruppen von Kollegen oder fremde Menschen, die lachten, sprachen, telefonierten. Für Julian war es, als wäre er unsichtbar. Niemand setzte sich zu ihm, niemand fragte ihn etwas. Und er wusste, dass er selbst es auch nicht wollte. Nähe tat weh. Nähe bedeutete Erwartung.

Als er am Abend zurück in seiner Wohnung war, hängte er die Tasche an denselben Haken, legte die Schlüssel auf denselben Tisch, zog dieselben Schuhe aus. Er ließ sich auf das Sofa fallen, schaltete den Fernseher ein, ohne hinzusehen. Irgendeine Serie lief, Stimmen dröhnten durch den Raum. Doch es war nur ein Hintergrundgeräusch, damit die Stille ihn nicht erdrückte.

Er kochte sich Nudeln, aß sie direkt aus dem Topf, ohne Teller. Kein Geschmack, kein Genuss. Nur Füllen. Danach blieb der Topf im Spülbecken stehen. Morgen vielleicht. Oder übermorgen.

Später saß er am Fenster, sah hinaus auf die erleuchteten Fenster der anderen Wohnungen. Hinter manchen lachten Familien, andere spielten Musik, wieder andere stritten laut. Leben, überall. Nur nicht hier.

Julian legte die Stirn gegen das kalte Glas und schloss die Augen. In seinem Inneren breitete sich eine dumpfe Schwere aus, die ihn hinunterzog. Schlaf würde kommen, irgendwann. Und dann ein neuer Tag. Wieder derselbe.

Die Nacht war unruhig. Julian wälzte sich von einer Seite auf die andere, während draußen der Regen gegen das Fenster trommelte. Das Geräusch hätte beruhigend sein können, wäre es nicht so monoton gewesen, ein gleichförmiges Klopfen, das seine Gedanken nur lauter machte.

Bilder aus der Vergangenheit kamen ihm in den Sinn, unaufgefordert, wie Gespenster: ein Abend, an dem er mit Freunden lachte; eine Stimme, die ihm einmal wichtig war; eine Tür, die sich schloss, ohne dass er sie wieder öffnen konnte. Es war alles lange her, doch nachts kehrte es zurück, schärfer, als es ihm lieb war.

Gegen vier Uhr morgens gab er auf, stand auf und ging in die Küche. Er machte das Licht nicht an. Das matte Leuchten der Straßenlaternen reichte, um die Umrisse der Möbel zu erkennen. Der Tisch war übersät mit Papieren, ungeöffneten Briefen, Kassenzetteln, ein paar Münzen. Er griff nach einer der Flaschen im Regal, drehte den Verschluss auf und trank einen Schluck. Billiger Whiskey, scharf im Hals. Es war kein Genuss, eher ein Ritual, eine Art Beruhigungsmittel.

Wenig später saß er wieder auf dem Sofa, die Flasche auf dem Boden neben sich. Er dachte daran, dass er in wenigen Stunden wieder zur Arbeit musste, und ein Teil von ihm wollte gar nicht mehr einschlafen. Schlaf bedeutete Erwachen, und Erwachen bedeutete Wiederholung.

Als der Wecker schließlich erneut piepte, war er schon wach. Seine Augen brannten, sein Kopf fühlte sich schwer an, doch sein Körper funktionierte. Mechanisch stand er auf, wiederholte dieselben Bewegungen wie am Tag zuvor: Wasser ins Gesicht, Zähne putzen, alte Kleidung anziehen, Tasche nehmen, rausgehen.

Dieses Mal war der Himmel klarer, die Sonne kämpfte sich mühsam durch einen Schleier aus Wolken. Doch das Licht tat Julian fast weh. Es war zu grell, zu unpassend für das, was er in sich trug. Menschen auf den Straßen wirkten lebendiger, als hätten sie neue Energie aus dem kurzen Aufblitzen der Sonne geschöpft. Er fragte sich, wie sie das machten. Woher sie die Kraft nahmen, morgens zu lächeln, Kinder an die Hand zu nehmen, Gespräche zu führen, Pläne zu schmieden.

In der Bahn saß er wieder am Fenster. Dieses Mal bemerkte er einen Jungen, vielleicht fünf Jahre alt, der mit seiner Mutter spielte. Der Junge lachte laut, sein Lachen erfüllte den ganzen Wagen. Einige Fahrgäste lächelten, andere wirkten genervt. Julian jedoch spürte nur eine Leere. Früher hätte er vielleicht gelächelt, unbewusst, einfach aus Mitgefühl. Heute war da nur Stille. Er fühlte sich alt, obwohl er kaum dreißig war. Alt, müde, verbraucht.

Im Büro lief der Tag wie zuvor. Dieselben Tabellen, dieselben Gespräche über das Wetter, über Fußball, über triviale Dinge, die nichts bedeuteten. Julian sprach kaum, er nickte, wenn jemand ihn etwas fragte, antwortete so kurz wie möglich. Er spürte, dass einige Kollegen ihn mieden. Vielleicht hielten sie ihn für arrogant, vielleicht für langweilig. In Wahrheit wusste er selbst nicht, ob er lieber gesehen werden wollte oder ob es besser war, unsichtbar zu bleiben.

Mittags ging er nicht in den Park, sondern blieb am Schreibtisch. Er öffnete eine Dose Ravioli, die er im Rucksack mitgenommen hatte, und aß sie kalt mit einem Plastikgabel. Niemand fragte ihn, warum. Niemand wollte es wissen.

Am Nachmittag kam ein Vorgesetzter vorbei, klopfte ihm auf die Schulter, lobte ihn für seine „verlässliche Arbeit“. Ein leeres Lob, dachte Julian. Sie lobten ihn nicht, weil er etwas Besonderes tat, sondern weil er still war, keine Probleme machte, funktionierte wie eine Maschine. Er nickte nur, murmelte ein Danke. Aber innerlich nagte es an ihm, wie wenig er zählte, wie austauschbar er war.

Als der Arbeitstag endete, regnete es wieder. Julian lief den Weg zu Fuß, statt die Bahn zu nehmen. Er wollte den Regen spüren, das kalte Wasser auf seiner Haut, als Beweis, dass er noch existierte. Seine Kleidung klebte bald an seinem Körper, das Wasser rann ihm über die Haare ins Gesicht, tropfte ihm vom Kinn. Doch er beschleunigte seinen Schritt nicht. Er ging, als hätte er Zeit, als hätte er kein Ziel.

Vor einem Schaufenster blieb er stehen. Hinter der Glasscheibe standen Schaufensterpuppen, bekleidet mit Anzügen, die perfekt saßen, makellos, glatt. Sie wirkten aufrechter als er selbst. Gesichterlos, stumm, doch eleganter als alles, was er je verkörpern konnte. Für einen Moment fühlte er sich von ihnen verspottet, und er wandte sich ab.

Zu Hause zog er die nassen Sachen aus, ließ sie achtlos auf dem Boden liegen. Er kochte sich eine Suppe aus der Tüte, stellte den Topf auf den Tisch, aß direkt daraus. Währenddessen flimmerte wieder der Fernseher, eine Reportage über Reisen, ferne Länder, glückliche Menschen in Sonne und Meer. Julian drehte den Ton leiser, fast stumm.

Nach dem Essen setzte er sich an den Schreibtisch. Vor ihm lag ein altes Notizbuch, das er vor Jahren benutzt hatte, als er noch glaubte, schreiben zu können. Er blätterte darin, sah seine eigenen Worte, sah Träume und Pläne, die inzwischen tot waren. „Eines Tages“, hatte er damals geschrieben, „werde ich etwas schaffen, das bleibt.“

Julian schloss das Buch und legte es zurück. Es war wie ein Spiegel, der ihm zeigte, wie weit er gefallen war. Heute wollte er nichts schaffen. Heute wollte er nur verschwinden.

Der Abend zog sich endlos hin. Julian saß auf dem Sofa, der Bildschirm warf flackernde Schatten an die Wände, während seine Gedanken immer schwerer wurden. Er hatte das Gefühl, dass die Zeit um ihn herum langsamer lief, als hätte die Welt beschlossen, ihn absichtlich zu quälen, indem sie ihn warten ließ – auf was auch immer.

Gegen zehn Uhr schaltete er den Fernseher aus. Die plötzliche Stille war fast körperlich spürbar, wie eine Hand, die sich um seine Kehle legte. Er stand auf, ging ziellos durch die Wohnung, als könnte er irgendwo einen Grund finden, noch wach zu bleiben. Die Küche roch nach der Suppe, die er gegessen hatte. Auf dem Tisch stand der halbleere Topf. Er schob ihn zur Seite, setzte sich auf den Stuhl und starrte in die Dunkelheit.

Seine Augen wanderten zum Fenster. Draußen zogen Wolken über den Himmel, der Regen hatte nachgelassen. In den Fenstern der Nachbarhäuser brannten noch Lichter. Er konnte Menschen sehen, die miteinander sprachen, die lachten, die gemeinsam am Tisch saßen. Nur er saß allein. Er fragte sich, ob jemand ihn je beobachtet hatte, so wie er jetzt andere beobachtete – und ob man dann auch nur Leere gesehen hätte.

Ein Gedanke schlich sich in seinen Kopf, leise, vertraut: Vielleicht würde es niemand bemerken, wenn er einfach verschwände. Vielleicht würde er am Montag nicht zur Arbeit erscheinen, und sie würden erst nach Tagen merken, dass er fehlt. Vielleicht auch nicht. Vielleicht war er austauschbarer, als er sich selbst eingestehen wollte.

---ENDE DER LESEPROBE---