Seduction - Begehre mich - Beth Kery - E-Book

Seduction - Begehre mich E-Book

Beth Kery

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Beschreibung

Prickelnde Begegnungen, sehnsüchtige Blicke, heiße Nächte ...

Im Leben der ehrgeizigen Lin hat außer ihrer Karriere und ihrem Chef Ian, für den sie verborgene Gefühle hegt, nicht viel anderes Platz. Sie ist überzeugt, nie einen anderen Mann lieben zu können. Bis eines Tages Ians unverschämt attraktiver Halbbruder Kam vor ihr steht. Und ihr unmissverständlich klarmacht, dass er sie will. Lins Zurückhaltung scheint seinen Ehrgeiz nur noch mehr zu entfachen, und auch ihr fällt es zunehmend schwer, dem charismatischen Raubein Kam zu widerstehen. Lin muss sich entscheiden: Soll sie der Versuchung nachgeben und zum ersten Mal in ihrem Leben alle Vernunft über Bord werfen?

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BETH KERY

SeductionBegehre mich

Roman

Deutsch von Sebastian Otterbach

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel Since I Saw You bei Berkley Books, Penguin Group USA, New York1. AuflageCopyright der Originalausgabe © 2014 by Beth KeryThis edition is published by arrangement with The Berkley Publishing Group, a member of Penguin Group (USA) Inc.Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2016 by Blanvaletin der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenRedaktion: Sabine WiermannUmschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesignUmschlagmotiv: © Miriam VerlindenKW · Herstellung: kwSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-18346-2V002www.blanvalet.de

KAPITEL EINS

Ein feiner Schweißfilm legte sich über Lin Soongs Gesicht, als sie im Dunst den Bürgersteig entlangeilte. Dieser verdammte Nebel. Weit und breit war kein Taxi mehr zu sehen gewesen, also hatte sie die eineinhalb Kilometer vom Nobel Tower zum Restaurant zu Fuß zurückgelegt. Nach dem langen Arbeitstag und diesem gehetzten Lauf quälten sie nun ihre Füße in den Schuhen mit den hohen Absätzen. Außerdem hatte die Luftfeuchtigkeit ihrer Frisur vermutlich den Rest gegeben. Lin fiel wieder ein, wie sie – sie dürfte zehn oder elf Jahre alt gewesen sein – vor ihrer Großmutter erscheinen musste, die mit einem Kamm und einem Glätteisen wie mit Kriegswaffen vor ihr herumgewedelt hatte.

»Diese Haare hast du von deine Mutter geerbt«, pflegte ihre Großmutter zu sagen und verzog, während sie sich an ihre Ordnungsaufgabe machte, grimmig den Mund. Lin wusste genau, was ihre Großmutter über die potenzielle Gefahr dachte, die von solch widerspenstigen Strähnen ausging, wie sie nun auch bei ihr auftauchten. Glaubte man ihrer Großmutter, so waren Haare etwas, das man, wie alles andere im Leben, schön glatt und glänzend halten sollte.

Lin schob sich durch die Drehtür des Restaurants und hielt im leeren Foyer einen Moment lang inne, um ihren Atem und Puls zu beruhigen. Sie hasste es, nervös zu werden, und das, was ihr nun bevorstand, verlangte weitaus mehr von ihr als die übliche professionelle Souveränität. Lin hatte ihr flatterndes, lockiges Haar wieder gebändigt und mit einem Taschentuch ihr feuchtes Gesicht getrocknet, als sie das elegante und gut besuchte Restaurant schließlich betrat. Im gleichen Augenblick sah sie ihn an der Bar sitzen. Es war unmöglich, ihn zu übersehen. Für ein paar sehr lange Augenblicke starrte sie ihn nur an. Ein seltsames Gefühl aus Beunruhigung und Aufregung machte sich in ihrem Bauch breit.

Warum hat Ian nicht erwähnt, dass ihm sein Halbbruder so ähnlich sieht?

Sie nahm seinen Anblick in sich auf. Er sah sehr gut aus, auch wenn sein finsterer Blick ein wenig abschreckend wirkte. Er trug ein dunkelblaues Hemd, und das feine Braun seiner robusten Wildlederjacke betonte das rotbraune Schimmern seiner Haare. Kam Reardon hatte keine Ahnung – und sie würde es ihm auch nie verraten –, dass sie selbst diese Kleider für ihn ausgesucht hatte. Das gehörte zu Ians Auftrag, der sie gebeten hatte, seinen Halbbruder für Verhandlungen um ein lukratives Geschäft hier in Chicago vorzeigbar zu machen. Für diese Reise in die Vereinigten Staaten hatte Ian auch eine neue Garderobe vorgeschlagen. Widerwillig hatte Kam zugestimmt, allerdings erst, als Ian ihn gekonnt dazu überredet hatte. Bezahlen wollte er hingegen alles selbst. Und es war Lin gewesen, die schlussendlich die Auswahl getroffen und die Kleidungsstücke zum Haus Manoir Aurore nach Frankreich geschickt hatte. Darüber hinaus hatte sie auch neue Möbel, ebenfalls von ihr ausgewählt, nach Aurore liefern lassen – Kams ehemals prächtiges Heim war ziemlich vernachlässigt worden.

Es war ein gutes Gefühl zu sehen, dass er die Kleider auch trug. Ein eindeutiger Beweis dafür, dass sie nach seinem Geschmack waren. Ihre Auswahl der Kleidungsstücke hatte allerdings nicht viel dabei geholfen, Kam optisch in seine Umgebung einzupassen. Er war zu groß für die feingliedrigen Stühle, die an der unglaublich glatten, minimalistischen Bar aufgereiht waren. Vor diesem trendigen Ambiente wirkte er mit seinem fast schroffen, maskulinen Äußeren und der angespannten Haltung wie ein bunter Hund.

Nein … nicht wie ein bunter Hund, korrigierte sich Lin. Eher wie ein Löwe, der sich inmitten einer Herde Antilopen wiederfand. Auch wenn er äußerlich ruhig wirkte, bemerkte sie dennoch eine aufmerksame Anspannung in ihm, die in diesem Meer aus entspannten, gut betuchten Stammgästen ein wenig bedrohlich erschien.

Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sein Blick, quer durch den geschäftigen Speisesaal hinweg, auf ihr ruhte. »Bonsoir, meine Schöne. Dein Tisch wartet schon«, begrüßte sie ein Mann mit weichem, französischem Akzent.

Lin blinzelte und zog ihre Aufmerksamkeit von dem Fremden ab, der ihr doch schon nicht mehr wirklich fremd war: der berüchtigte Halbbruder ihres Chefs, der wilde Mann, den sie zähmen sollte.

Sie wandte sich dem lächelnden Richard St. Claire zu. Richard war ein Nachbar, guter Freund und der Besitzer des Savaur. Zusammen mit seinem Partner, dem Koch Emile Savaur, führte er dieses renommierte Restaurant, in dem Lin regelmäßig aß.

Sie erwiderte Richards Begrüßung mit zwei Küsschen auf die Wangen.

»Hältst du den Tisch bitte noch einen Moment frei, Richard? Meine Verabredung sitzt an der Bar, und ich würde mich gern selbst vorstellen.« Lin drehte sich, während Richard ihr aus dem Mantel half.

»Mister Groß, Dunkel und Missmutig?«, murmelte Richard und ließ Lins Mantel elegant über seinen Unterarm fallen. Amüsiert beobachtete er ihren überraschten Blick, als sie sich ihm wieder zuwandte. Wie konnte Richard wissen, dass sie mit dem Mann an der Bar verabredet war?

»Du hast, als du per Telefon reserviert hast, auch erwähnt, du würdest mit Nobles Halbbruder Essen gehen. Die Ähnlichkeit ist mir gleich aufgefallen; wie könnte man sie auch übersehen? Ich freue mich schon darauf, die ganze Geschichte hinter dieser kleinen Szene zu erfahren«, fuhr Richard fort und warf dabei einen verschmitzten Blick in Kams Richtung. »Man könnte meinen, Ian Noble würde als brasilianischer Straßenkämpfer posieren, mit Luciens teuflisch verführerischen Augen als Zugabe.«

Lin musste bei dieser passenden Beschreibung ein Lachen unterdrücken. Richard war auch mit Lucien Lenault gut befreundet, dem anderen Halbbruder von Kam und Ian. Daher hatte er zweifelsohne einen Großteil, wenn nicht sogar Kams ganze Geschichte von Lucien bereits gehört.

»Er hat sich wirklich gut gemacht«, erwiderte Lin leise. »Noch vor sechs Monaten haben ihn die Leute in dem Dorf, in dem er gelebt hat, für obdachlos und verrückt gehalten, dabei ist er schlicht genial und extrem konzentriert auf das, was er tut.« Sie senkte den Kopf. Da sie bemerkte, dass Kams scharfer Blick noch immer in ihre Richtung ging, bemühte sie sich um ein ausdrucksloses Gesicht. »Wie ein Landstreicher sieht er gar nicht aus. Allerdings sitzt er schon seit zehn Minuten nägelkauend an der Bar. Victor hat sich noch nicht entschieden, ob dieser Mann ihn in Todesangst versetzt oder verzaubert hat«, fuhr Richard leise fort. Und tatsächlich betrachtete Victor, der Barkeeper, der gerade Gläser abtrocknete, den riesigen Muskelprotz an der Theke vor ihm verstohlen mit einer Mischung aus Behutsamkeit und offener Bewunderung.

Lin schenkte ihrem Freund einen warnenden, aber belustigten Blick und ging hinüber, um Ians Halbbruder zu begrüßen. Kam war einer der wenigen Gäste an der Bar. Ein halbvolles Glas Bier stand vor ihm.

»Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Im Büro war noch viel zu erledigen, und als ich mich endlich losgemacht habe, war nirgendwo ein Taxi aufzutreiben. Sie müssen Kam sein. Ich hätte Sie überall erkannt«, sprach sie ihn lächelnd an, als sie näher gekommen war. »Ian hat nie erwähnt, dass Sie beide sich so sehr ähneln.«

Er drehte sich ein wenig auf dem Hocker und ließ, ohne Eile, seinen Blick über sie schweifen. Während er sie prüfte, rührte sie sich nicht, ihre Miene blieb ruhig und teilnahmslos. Innerlich dagegen wand sie sich. Ian hatte ebenso wenig erwähnt, dass Kam Reardon einen rauen Sexappeal verströmte – wobei Ian dies wohl nie über seinen Bruder behauptet hätte.

Auch wenn es kaum länger als eine Sekunde gedauert haben dürfte, kam es ihr vor, als würde Kams Blick erst nach vielen Minuten wieder ihre Augen treffen. In seinen Augen erkannte sie das harte Glitzern männlicher Bewunderung. Ein seltsames Gefühl rieselte ihr den Rücken hinunter. Aufregung? Oder eine jener seltenen Lust-Attacken, die bei einem der raren Momente großer Anziehung wie ein Blitz einschlugen? Sein Gesicht und Körperbau ähnelten dem Ians, doch waren auch Unterschiede deutlich zu erkennen: Kams Nase war etwas länger, seine Haut dunkler, die Lippen wirkten voller, und das Haar, in dem rotbraune Strähnen deutlich auszumachen waren, war nicht ganz so dunkel. Prachtvolles Männerhaar, fand Lin. Täglich dürfte sich ein Dutzend Frauen danach sehnen, ihre Finger darin vergraben zu können.

Außerdem wäre Ian wohl niemals in die Öffentlichkeit gegangen, nachdem er sich eineinhalb Tage nicht rasiert hatte. Obwohl Kams Kleidung dem Restaurant völlig angemessen war, war sie natürlich legerer als die für Ian so typischen Anzüge aus der Londoner Savile Row. Man konnte den Eindruck bekommen, man betrachtete Ian durch eine Art Zauberspiegel – durch den eine dunklere, herbere Variante ihres lässig-eleganten Chefs zu sehen war. Kams silbrig graue Augen mit dem feinen schwarzen Ring rund um die Iris waren jedoch auf jeden Fall einzigartig, ganz egal, was Richard über deren Ähnlichkeit mit Luciens Augen behauptete.

Womöglich war aber auch nur die Wirkung, die sie auf Lin hatten, einzigartig.

»Wahrscheinlich hat Ian unsere Ähnlichkeit nie bemerkt«, antwortete Kam. »Er hat mich noch nie ohne Vollbart zu Gesicht bekommen.«

Noch ein weiterer Unterschied. Genau wie bei ihrer Großmutter, die in Hongkong Englisch gelernt hatte, klang Ians Akzent frisch und doch cool und beherrscht. Kams raue Stimme mit ihrem französischen Klang jedoch rieb ganz leicht und erregend über die Haut zwischen ihrem Nacken und den Ohren.

Sie streckte ihm die Hand entgegen.

»Ich bin Lin Soong. Wie Sie vermutlich bereits wissen, arbeite ich für Ian. Ich freue mich sehr, Sie endlich persönlich kennenzulernen.«

Er nahm ihre Hand, schüttelte sie aber nicht, sondern hielt sie nur ganz leicht fest. Seine Hand war groß und warm und umschloss die ihre. Die Spitze seines Zeigefingers drückte ganz leicht auf ihr inneres Handgelenk.

»Ist es bei meinem Bruder Usus, dass Minderjährige für ihn Überstunden leisten müssen?«, wollte er wissen.

Sie errötete, und ihre zwischenzeitige Trance wurde durch seine Stimme und Berührung unterbrochen. Ihr war bewusst, dass sie jünger aussah, vor allem wenn ihr Make-up vom Nebel verwischt worden war und ihr Haar sich wie dunkle Wolken um ihr Gesicht lockte. Natürlich war sie tatsächlich recht jung für ihre Position, die sie als Managerin für Ian bei Noble Enterprises bekleidete. Bemerkungen dieser Art hatte sie schon des Öfteren vernommen, auch wenn sie sie normalerweise nicht derart verwirrten, wie es im Moment der Fall war.

»Als minderjährig kann man mich kaum mehr bezeichnen. Und Ian scheint überzeugt zu sein, dass ich für meine Aufgaben alt genug bin«, gab sie sanft zurück und hob, amüsiert Protest einlegend, dabei ein wenig ihre Augenbrauen.

»Daran zweifle ich nicht.« Sie musste blinzeln, als sie die unverhohlene Überzeugung in seiner Stimme hörte. Seine Finger zuckten an ihrem Handgelenk, und mit einem Mal zog sie ihre Hand zurück, aus Angst, er könne ihre Nervosität an ihrem Pulsschlag bemerken. »Ich bin bereits achtundzwanzig.«

»Ist das nicht trotzdem sehr jung für den Job, den Sie bei Noble Enterprises übernommen haben? Ian, Lucien und Francesca haben mir viel erzählt. Er scheint ohne Sie gar nicht funktionieren zu können«, fuhr er fort.

Bei diesem Kompliment errötete sie erneut.

»Mir wurde diese Rolle quasi schon in die Wiege gelegt. Meine Großmutter war Vizevorstand für den Bereich Finanzen bei Noble. Sie hat mir während meiner Schul- und Hochschulzeit immer wieder in den Sommerferien kleinere Jobs im Unternehmen vermittelt.«

»Und eines Tages sind Sie dann in Ians Team gelandet?« Seine silbrig grauen Augen leuchteten in einer Mischung aus Humor und echtem Interesse. »Arbeitet Ihre Großmutter noch für Ian?«

»Nein. Sie ist an Weihnachten vor zwei Jahren gestorben.«

Sie hielt den Atem an, als er um ihre Taille herumgriff. Würde er sie gleich umarmen? Sie zuckte leicht zusammen, als ein Stuhlbein über den Holzboden kratzte. Erleichtert atmete sie aus, als ihr klar wurde, dass er nur den Stuhl hinter ihr so hinschob, dass sie sich setzen konnte.

»Unser Tisch wartet schon«, erklärte sie.

»Ich würde lieber hier an der Bar essen.«

»Natürlich.« Sie weigerte sich, darüber irritiert zu sein. Sie stellte ihre Tasche ab und griff nach dem Stuhl. Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn, und er stand auf.

»Danke«, murmelte sie, denn sie hatte verstanden, dass er sich widerwillig erhoben hatte, bis sie sich gesetzt hatte. Vielleicht war er doch nicht so ungehobelt, wie man denken mochte.

»Sie machen das lässig«, stellte er fest, nachdem er ebenfalls wieder Platz genommen hatte. Sein Knie hatte ihre Hüfte und den Oberschenkel gestreift.

»Wie meinen Sie das?«

Er zuckte leicht mit den Schultern, seine Augen glänzten. »Ich hätte vermutet, Sie würden es ablehnen, an der Bar zu sitzen.«

»Sie meinen, Sie hatten gehofft, ich würde es ablehnen?«, forderte sie ihn ruhig heraus. Sie wandte ihren Blick Victor zu, als sich der Barmann näherte, und fuhr fort, noch bevor Kam ihr widersprechen konnte. »Victor bringt mir des Öfteren das Essen an die Bar, wenn ich nach einem langen Arbeitstag hier hereinstolpere. Er kümmert sich sehr gut um mich.« »Und es ist mir jedes Mal eine Freude. Wie immer, Miss Soong?«, wollte Victor wissen.

»Ja, Danke. Und würden Sie Richard bitte wissen lassen, dass wir den Tisch nicht mehr brauchen?«

Victor nickte. Bevor er ging, warf er Kam noch einen nervösen, begehrlichen Blick zu.

»Um Himmels willen, was haben Sie denn mit diesem armen Mann gemacht?«, fragte Lin leise und stützte ihren Ellenbogen auf die Bar. Leicht amüsiert begegnete sie Kams Blick.

»Nichts. Ich habe ihn nur gebeten, mir ein Bier zu bringen.«

»Mehr nicht?«, zweifelte Lin.

Gleichgültig zuckte er mit den Schultern.

»Vielleicht doch. Vielleicht habe ich so etwas gesagt wie ›Vergiss den ganzen Mist und gib mir endlich einfach ein Bier.‹« Ihm fiel auf, dass sie die Augenbrauen gehoben hatte »Er hat versucht, mir irgendwelche exquisiten Drinks mit zwei kleinen Happen Essen und einem Gewürzstreuer auf einem Tablett anzudrehen.«

»Ich könnte mir vorstellen, er hat Ihnen vorgeschlagen, im Restaurant etwas zu essen und zu trinken.«

Zu ihrer großen Überraschung grinste er offen, und vor seiner dunklen Haut leuchteten weiße Zähne auf.

»Aber der Typ versteht doch Spaß, oder?«

Lin zwang sich, den Blick vom Kam Reardons unwiderstehlichem Lächeln abzuwenden. Er hatte etwas Teuflisches, kein Zweifel, und war zudem durch und durch sexy. Zugleich steckte jedoch auch etwas Schüchternes in ihm, und es schien, als wäre sein Interesse an dem Treffen mit ihr plötzlich geweckt worden. Und darauf war er, ganz wie sie selbst, nicht vorbereitet gewesen. Das war deutlich zu spüren. Sie würde Ian verzeihen können, dass er sie vor der Begegnung mit seinem Halbbruder nicht gewarnt hatte, aber Francesca, seine neue Frau, hätte als Geschlechtsgenossin sie doch wirklich über Kams Wirkung informieren sollen.

»Die meisten Menschen, die sich an die Theke setzen, stellen sich auf ein nettes Plaudern mit dem Barkeeper ein«, tadelte sie ihn vorsichtig.

»Ich bin nicht wie die meisten Menschen.« Er ahmte ihre Haltung nach, indem er ebenfalls seine Ellenbogen auf den Tresen stützte, sich vorbeugte und sie ansah.

»Ja. Ich glaube, das hat sich inzwischen herausgestellt«, murmelte sie amüsiert und beobachtete ihn, wobei ihr Kinn ihre Schulter berührte. Sie saßen eng beieinander. Viel näher, als sie es an einem Tisch getan hätten. Ihre Ellenbogen berührten sich leicht; ihre Haltung wirkte vertraut. Viel zu intim dafür, dass sie sich gerade eben erst begegnet waren. Instinktiv blickte sie nach unten, wo ihr Blick auf seinen Schritt und die kräftigen, in der Jeans steckenden Oberschenkel fiel.

Ihre Wangen wurden von Hitze überflutet. Hastig konzentrierte sie sich auf die Gläser, die hinter der Bar hingen.

Sie brachte die Stimme in ihrem Kopf zum Schweigen, die ihr vorschlug, sich zurückzulehnen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Lin Soong hatte keine Ahnung davon, wie man sich über einen Tresen lehnte und mit wilden, sexy Männern flirtete. Sein Gesicht faszinierte sie dennoch. Gern hätte sie sich ihm wieder zugewandt und es ausgiebig betrachtet, dieser Wunsch zog fast wie ein Magnet all ihre Aufmerksamkeit auf sich. Und … sie konnte ihn riechen. Sein Duft war einfach: Seife und frisch geduschte Männerhaut. Nein, er hätte einfach sein sollen, doch er war schwindelerregend komplex. Betörend.

»Ich hatte nicht vor, Sie zu beleidigen, als ich vorgeschlagen habe, an der Bar zu essen«, fuhr er fort und nahm damit ihren leichten Spott von eben auf, dass er versucht haben könnte, sie zu beleidigen. »Ich fühle mich hier einfach wohler. Ich bin es nicht mehr gewohnt. Ich kenne mich an Orten wie diesem hier nicht aus.« Bei diesen Worten sah er sich um, ohne den Kopf zu bewegen.

»Es tut mir leid«, sagte sie aufrichtig. Etwas bänglich dachte sie an die Termine, die sie für die kommenden Wochen für ihn geplant hatte. Ian war einverstanden gewesen, Kam jedoch würde es ganz gewiss nicht sein. Womöglich wäre es das Beste, es ihm leichter zu machen und ihn nur mit ein bis zwei Tagen Vorlauf von jedem Termin zu informieren, damit er genügend Zeit hatte, sich darauf vorzubereiten.

»Ich wollte nicht anmaßend sein, als ich vorgeschlagen habe, dass wir uns hier treffen. Auch wenn das Savaur ungemein vornehm wirken mag, geht es mir ganz anders. Es ist fast wie ein zweites Zuhause für mich. Ich bin mit den Eigentümern eng befreundet – sie sind sogar meine Nachbarn.«

»Mit einem von ihnen haben Sie – vermutlich über mich – gelacht, als Sie gekommen sind.« Schuldgefühl schwappte über sie.

»Wir haben nicht über Sie gelacht.«

Er legte die Stirn in Falten und warf ihr einen gelangweilten Blick zu, als wolle er ihr sagen, dass es ihm ganz gleich war, ob sie über ihn gelacht hatten oder nicht. Lin hatte das deutliche Gefühl, dass seine undurchdringliche Art nicht gespielt war. Er hatte sich vermutlich in all den Jahren, in denen er als Sonderling gelebt hatte, eine dicke Haut zugelegt. Sie bewunderte ihn für seinen Gleichmut darüber, was andere wohl über ihn denken mochten. Das war etwas, das ihr in diesen Tagen und in diesem Alter nicht oft unterkam. Seine prägnanten Beobachtungen, seine abgeklärte Gleichgültigkeit und sein atemberaubendes Aussehen ließen sie unsicher werden, was sie sagen sollte.

»Es tut mir leid, wenn ich den Eindruck vermittelt habe, ich hätte gelacht. Das heißt, ich habe mich sehr darauf gefreut, nein, ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen.« Sie räusperte sich. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie leise, fast intim sie miteinander sprachen. Erleichtert sah sie in diesem Augenblick Victor mit den Speisekarten kommen.

»Darf ich etwas für Sie aussuchen?«, wollte sie höflich wissen. In dem Aufblitzen seiner Augen erkannte sie, dass sie erneut in ein Fettnäpfchen getreten war.

»Warum das? Denken Sie, ich wüsste nicht, wie man in einem Restaurant etwas zu essen bestellt? Oder dass ich nicht lesen kann?«

»Natürlich nicht, weder noch. Ich habe nur daran gedacht, was Sie eben über die winzigen Portionen gesagt haben. Ich verspreche Ihnen, dass ich sicher nicht nur zwei kleine Happen und einen Gewürzstreuer auf einem Tablett bestellen werde. Emile Savaur weiß sehr gut, wie er einen hungrigen Franzosen satt bekommen kann. Er und Richard sind selbst Franzosen und ebenfalls meist hungrig.«

Sie interpretierte sein Schweigen und angedeutetes Nicken als Zustimmung und bestellte für sie beide ein Steak au poivre.

»Ian hat Sie also vorgeschickt, damit Sie mich auf seine Experimente an mir vorbereiten«, wollte Kam wissen, nachdem Victor sich wieder entfernt hatte. Seine tiefe Stimme verstärkte das Prickeln auf ihrem Nacken. Und wieder tauchte dieses schwere Gefühl in ihrem Bauch und ihrem Schoß auf.

Sie blinzelte. Was stimmte nicht mit ihr? Diese ganze Situation war merkwürdig. Es war seine Ähnlichkeit mit Ian, die sie aus der Bahn geworfen hatte. Lange hatte sie geübt, um in der Gegenwart von Ian Noble kühl und professionell zu bleiben … auch wenn sie sich tief in ihrem innersten, geheimsten Selbst eingestehen musste, dass ihre Gefühle für Ian alles andere als reserviert waren. Dieses Geheimnis kannte nur sie ganz allein, auch wenn ein paar Freunde – darunter Richard St. Claire – etwas davon ahnen dürften, sehr zu ihrem Missfallen. Sie hätte sich besser wappnen können, hätte sie schon vorher gewusst, wie unberechenbar diese Situation werden könnte. »So nennen Sie es also? Ein Experiment?«, fragte sie geradeheraus.

»Ich hätte auch eine noch genauere Beschreibung parat, war mir aber nicht sicher, ob Sie sie hören möchten.«

Sie lachte vorsichtig und sah auf, als Victor ein Glas Bordeaux und Wasser vor ihr abstellte. Sie dankte dem Barkeeper, nahm einen kleinen Schluck Wein und sah Kam von der Seite an, als sie ihr Glas wieder abgestellt hatte.

»Ich hoffe, Sie nehmen es Ian nicht übel, dass er vorgeschlagen hat, wir sollten uns treffen. Und zusammenarbeiten.«

Sein Blick wanderte langsam über ihr Gesicht, den Nacken und weiter nach unten.

»Jetzt, wo ich Sie gesehen habe, kann ich mich langsam mit der Vorstellung anfreunden.«

Sie lachte leise in sich hinein und schüttelte den Kopf in der Hoffnung, seine Anziehungskraft abschütteln zu können. An Flirts war sie gewöhnt. Aber wer hätte gedacht, dass die feinen erotischen Anspielungen des angeblich »wilden Mannes« aus den französischen Wäldern so anziehend sein würden? Wer hätte gedacht, dass sie derart stark darauf reagieren würde? So, wie Francesca und Ian Kam beschrieben hatten, hatte sie sich auf einen zwar brillanten, aber gesellschaftlich wenig zugänglichen Außenseiter eingestellt. Er mochte ein wenig ungehobelt und urtümlich sein, aber ein Analphabet war er gewiss nicht.

Und diese Augen strahlten deutlichen, kraftvollen Sex aus.

Natürlich hatte es keinen Zweifel daran gegeben, dass Kam ein Genie war. Was er allein in seinem unterirdischen Labor in seinem nordfranzösischen Haus entwickelt hatte, war nichts weniger als revolutionär. Die Frage war nur, ob Kam sich mit seiner brillanten Erfindung mehr recht als schlecht schlagen würde oder den Grundstein für ein aufstrebendes Unternehmen legen könnte. Ian war überzeugt, Kam habe das Potential für Letzteres. Seine Sorge war eher, dass Kam bei jeder sich bietenden Gelegenheit, die ihn mit Kapital für den nächsten Schritt auf seiner Karriereleiter versorgen könnte, sein Gegenüber vor den Kopf stoßen würde.

»Ian hat erwähnt, Sie seien skeptisch, ob es wirklich eine gute Idee ist, Ihre Biofeedback-Uhr an die Luxusuhren-Industrie zu verkaufen. Er hat vorgeschlagen, dass ich Ihnen behilflich sein könnte …«

»Diese ganze lächerliche Geschichte genießbarer zu machen«, vollendete er ihren Satz, als sie zögerte. Lin hatte sich Mühe gegeben, ihre Worte sorgfältig zu wählen. In Wirklichkeit hatte Ian ihr seine Hoffnung anvertraut, sie könne die Zweifel seines Bruders zerstreuen. Sie sollte ihn von der Zweckmäßigkeit überzeugen, seine revolutionäre Medizin-Entwicklung an die High-End-Uhrenindustrie zu verkaufen. Zwar hatte Kam sein Patent bereits an einen Pharma-Riesen für einen Millionen-Dollar-Betrag unter der Bedingung verkauft, dass kein anderes pharmazeutisches Unternehmen die Entwicklung nutzen dürfe. Aber dieser exklusive Vertrag schloss nicht aus, Kams Erfindung ebenfalls an Unternehmen aus anderen Branchen zu verkaufen. Ian war davon überzeugt, dass Kams bahnbrechende, raffinierte Entwicklung – eine Biofeedback-Uhr, die nicht nur die Zeit verriet, sondern beispielsweise vor einem drohenden Herzinfarkt warnen und Frauen ihre fruchtbarsten Tage anzeigen konnte – auch bei Luxusuhren-Herstellern ein riesiger Erfolg werden würde. Lin und Lucien stimmten dieser Einschätzung zu. Damit könnte Kam sich die finanzielle Grundlage für ein zukunftsfähiges Unternehmen sichern, das er eines Tages gründen mochte. Das Problem dabei war Kams herablassende Haltung dieser Industrie gegenüber.

Um es nicht noch drastischer zu formulieren.

Kombinierte man Kams Verachtung über einen Vertrag mit einer Luxusuhren-Firma und sein ungehobeltes Betragen, erhielt man das Rezept für ein geschäftliches Desaster. Daher war Ian auf die Idee verfallen, Lin zu bitten, Kams raue Kanten ein wenig abzuschleifen und ihn vor interessierten Käufern, die für eine Reihe von Geschäftsessen, Präsentationen und Konferenzen nach Chicago gekommen waren, in gutem Licht zu präsentieren.

Die Gefahr bestand allerdings, so Ian, dass Kam sich wahrscheinlich beleidigt fühlen würde, sollte er herausfinden, dass Lin ausgeschickt wurde, um einen Mann aufzupolieren, den man bis dahin als einschüchternden Landstreicher kannte.

»Was finden Sie an der Idee, Ihre Erfindung an eine High-End-Uhrenfirma zu verkaufen, so lächerlich?«, wollte sie wissen.

»Schauen Sie mich doch an. Ich interessiere mich nicht für deren Welt. Ich ziele nicht auf die schönen und reichen Mistkerle ab«, erwiderte er kühl und ohne ihrem Blick auszuweichen. »Das ist Verschwendung. Bei meinen Verträgen mit der Pharma-Industrie ging es mir um die gesamte Wissenschaft. Um die Medizin.«

Sie betrachtete ihn düster, dann erst antwortete sie.

»Das ist verständlich. Sie haben am Imperial College in London sowohl Biologie als auch Ingenieurwissenschaften und Medizin studiert. Sie haben sogar ein hoch angesehenes Stipendium bekommen, um Medizin zu studieren. Ich kann verstehen, dass die Welt der Luxus-Mode weit unterhalb Ihrer wissenschaftlichen Interessen rangiert, aber …«

Sie hielt inne, denn er war in ein raues, bellendes Gelächter ausgebrochen.

»Ich bin auch kein Wissenschaftler. Ich habe kein Examen gemacht und darf daher auch nicht praktizieren. Ich bin auch kein Intellektueller, der es ablehnt, mit der Mode-Industrie zusammenzuarbeiten.« Er nahm einen kräftigen Schluck Bier und stellte das Glas schwungvoll wieder auf die Theke. »Ich glaube einfach, dass dieses ganze Geschäft reine Zeitverschwendung ist, und das soll keine Anspielung auf die Uhrenindustrie sein. Und auch keine Beleidigung«, hängte er noch kleinlaut an, nachdem er einen funkelnden Blick in ihre Richtung geworfen hatte.

»Ich fühle mich auch nicht beleidigt«, gab Lin ruhig zurück. »Selbstverständlich müssen Sie sich bei einem derart großen Geschäft wohl fühlen. Vielleicht unterschätzen Sie die Klugheit und Großartigkeit einiger der Unternehmens-Chefs. Die Uhrenindustrie ist ein traditionelles Handwerk, das zudem für viele wunderbare Fortschritte in der Technologie gesorgt hat.«

»Es gibt nicht eine verdammte Sache, die diese Schlipsträger mir über das Uhrenhandwerk beibringen könnten.«

Sie staunte über seine verächtliche, zugleich aber auch absolut selbstsichere Haltung. Was sie von Ian gehört hatte, so lag Kam nicht falsch. Wenn es um mechanische Funktionsweisen oder den biologischen Rhythmus des menschlichen Körpers ging, so konnte Kam Reardon als zweiter da Vinci gelten.

»Es könnte aber eine sehr lukrative Unternehmung für Sie werden«, argumentierte sie.

Er warf ihr einen Blick von der Seite aus zu, und während seine Augen über Lins Gesicht wanderten, leuchteten sie warm.

»Wie lukrativ denn?«

»Einhundert, womöglich auch zweihundert Mal der Betrag, den Sie bei der Vertragsunterzeichnung mit der Pharma-Industrie erhalten haben. Ian ist überzeugt, Ihre Entwicklung verdient die allergrößte Aufmerksamkeit. Er möchte, dass Sie sich finanziell so gut wie nur möglich absichern. Und solch ein Geschäft könnte Ihnen genug Betriebskapital verschaffen, um später ein eigenes Unternehmen aufzubauen.«

Kam rollte mit den Augen und seufzte. »Ian hat schon alles ausgerechnet, oder nicht? Seit nicht einmal einem Jahr weiß er, dass wir verwandt miteinander sind, und schon hängt er den großen Bruder raus.« Lin lächelte. »Ich wusste gar nicht, dass er älter ist als Sie.«

»Eineinhalb Jahre. Lucien ist der Älteste von uns dreien. Sechs Wochen älter als Ian.« Lin bemerkte, wie er sie bei diesen Sätzen aus zusammengekniffenen Augen betrachtete. Instinktiv wusste sie, dass Kam sich gerade fragte, was Ian ihr über ihr gemeinsames Erbe erzählt hatte.

»Ian hat mir gegenüber erwähnt, dass Trevor Gaines sein, Luciens und Ihr biologischer Vater ist«, erklärte sie daher, ohne zu zucken.

»Hat er Ihnen auch gesagt, dass der liebe Papi ein verfickter Hurensohn war?«, wollte er mit scharfer Fröhlichkeit wissen und nahm gleich darauf einen Schluck Bier. Er war eine Spur zu locker. Sie spürte dieses Mal einen Anflug von Zorn unter seiner Gleichgültigkeit. Seine Beschreibung von Trevor Gaines war zutreffend. Der französische Aristokrat war tatsächlich ein krankes Schwein gewesen, das danach trachtete, so viele Frauen wie möglich zu schwängern, sei es nun durch Verführung, Vergewaltigung oder sonst ein Mittel. Auf diese Art und Weise war es ihm gelungen, in kürzester Zeit Luciens, Ians und Kams Mütter zu schwängern. Es hatte auch noch weitere Opfer gegeben. Als Ian vor gut einem Jahr von dieser Vorgeschichte erfahren hatte, stand es eine Weile gar nicht gut um ihn. So viel wusste Lin: Kam war ernsthaft verbittert über seinen Vater.

»Er hat es mir gesagt«, erwiderte sie nur.

Kams angespannte Miene entspannte sich etwas, als sie ihm keine Plattitüden anbot oder versuchte, die unfassbaren Verbrechen des Mannes zu beschönigen, von dem er abstammte.

»Mir fällt es schon schwer, das Geld auszugeben, das ich durch mein Geschäft mit der Pharma-Industrie verdient habe«, sagte er, um das Thema zu wechseln. »Was soll ich denn erst mit der hundertfachen Summe anfangen?«

»Ian und Lucien sind offenbar überzeugt, dass Ihnen dieses Kapital helfen könnte, besser ausgestattete Laboratorien und neue Ausrüstung zu kaufen. Damit wären Sie in der Lage, auf weitere kreative Geniestreiche zu kommen. Vielleicht könnten Sie gar den Grundstein für ein sich etablierendes Unternehmen legen, das die Uhren- und Biofeedback-Industrie revolutioniert – vom Alltagsleben vieler Menschen gar nicht zu reden. Sie würden Tausende von Jobs schaffen. Ian glaubt an Ihr Talent, Kam. Doch sollten Sie schlussendlich nichts finden, worin Sie das Geld eines weiteren Vertrags investieren könnten, dann ist dieses ganze Gespräch fruchtlos.«

Seine Nasenflügel bebten leicht, als sie beide nun in Schweigen verfielen. Unter seiner Sturheit und Vorsicht spürte sie, dass er ihr doch zuhörte.

»Ich habe Treffen mit Vertretern von drei Uhren-Firmen arrangiert«, erklärte Lin und beugte sich ein Stück zurück, damit Victor die Schüsseln mit Emiles dampfender, duftender Zwiebelsuppe vor ihnen abstellen konnte. »Ich versichere Ihnen, dass keiner meiner Kontakte auch nur im Entferntesten denkt, ein Treffen mit Ihnen wäre Zeitverschwendung, wie Sie es genannt haben. Sie sind sehr an Ihrem Produkt interessiert. Vielleicht sollte ich sagen: Sie sind fasziniert. Sie brennen darauf, Ihre Erfindung einmal mit eigenen Augen zu sehen.«

»Und mich zu treffen«, murmelte Kam.

Ruhig hielt sie seinem Blick stand.

»Und Sie zu treffen, genau. Danke, Victor.« Der Barkeeper hatte ihr eine schwarze Serviette überreicht, passend zu ihrem schwarzen Rock. Gerade wollte sie die Serviette über ihren Oberschenkeln glattstreichen, als ihr Blick seitwärts fiel.

Kams Blick ruhte auf ihrem Schoß. Als hätte er ihr plötzliches Innehalten bemerkt, huschte sein Blick zurück zu ihrem Gesicht. Die Hitze, die sie in seinen Augen bemerkte, schien ein Feuer in ihrem Körper zu entfachen. Erregung stieg in ihr auf, und zwar derart heftig, dass es sie überraschte. Diese unerwartete Lust-Attacke konnte sie nicht ignorieren.

Sie reagierte so, weil er Ian unglaublich ähnelte. Das musste es einfach sein. Nur das Verbotene hatte die Macht, sie dermaßen zu peinigen. Denn ohne Zweifel gab es nichts, was derart tabu war wie ihr Boss. Ian Noble war diese eine Sache auf der Welt, die sie nicht haben konnte … die sie nie würde haben können. Auch wenn er der einzige Mann war, den sie jemals lieben würde, so war er doch außer Reichweite für sie. Umso mehr, als Francesca Arno in sein Leben getreten war.

Doch sein neu entdeckter Bruder war nicht außerhalb ihrer Reichweite, wie Lin in Kams heißen, grauen Augen erkannte, die nun gerade über ihren Mund huschten. Wie von Zauberhand spürte sie, wie sich ihre Nippel aufstellten. Nein, Kam Reardon schien genau so erreichbar zu sein, wie sie ihn sich wünschte.

KAPITEL ZWEI

Mühsam riss Kam seinen Blick von Lin Soongs Mund los. Sie war nicht das, was er erwartet hatte.

Nicht im Geringsten.

Er hatte ihren Duft wahrgenommen, während sie sich unterhalten hatten, und sein Schwanz hatte diesen noch mehr genossen als sein Kopf. Als sie sich mit den Händen über den Schoß gefahren war, kam es ihm vor, als hätte man ihm direkt Lust ins Blut injiziert. Wie konnten denn schon die Hände einer Frau derart sexy sein? Zuzusehen, wie sie ihre Stoffserviette auf ihren Oberschenkeln ordentlich glatt strich, hatte ihn zeitweilig völlig hypnotisiert, ganz zu schweigen davon, dass sein Mund trocken wurde. Ohne dass er sich wehren konnte, schossen ihm Bilder in den Kopf, wie sie sich, völlig nackt, selbst berührte, wie ihre schönen Hände über geschmeidige Schenkel strichen … zwischen sie hineinstießen. Lin hatte die makelloseste Haut, die er je gesehen hatte. Er berührte sie unter einem Vorwand. Was er noch nie getan hatte, wenn er eine Frau zum ersten Mal traf … Er wollte sie derart dringend unter seinen Händen spüren, dass ihm dies fast wie ein Auftrag vorkam.

Er brauchte nicht zu raten, er wusste einfach, dass sich ihre Haut unter seinen entdeckungsfreudigen, hungrigen Händen wie Seide anfühlen würde. Dabei war sie nicht einmal so wie die Frauen gebaut, die er normalerweise bevorzugte – robuste, sinnlich-üppige Frauen, die unter seinem Liebesverlangen nicht verzagten. Nein, Lin hatte die Figur einer eleganten Statue, grazil, aber doch mit deutlichen Kurven und zierlicher Raffinesse. Wilde Weiblichkeit kam ihm als passende Beschreibung in den Sinn. Ihre unangestrengte Eleganz widerstand einer genauen Beschreibung in all den Sprachen, die er beherrschte. Sie hatte lange Beine, die sich unter dem engen Rock sehr genau abzeichneten. Ihm war zudem nicht klar gewesen, dass eine Frau eine solch schmale Hüfte haben konnte. Hätten ihre geschmeidigen Bewegungen und ihre straffe Spannung nicht auf ihre muskuläre Stärke verwiesen, hätte er sich gesorgt, sie im Bett zu zerbrechen.

Nicht, dass sie jemals mit ihm im Bett landen würde. Das war reines Wunschdenken, gesteuert von seinem Schwanz. Dabei war Kam praktisch veranlagt. Seit dem Moment, in dem er Lin das Restaurant hatte betreten sehen, war ihm klar, dass sich das Spiel geändert hatte; nur wie genau es sich ändern würde, war ihm noch nicht so deutlich.

Schon die kleinste ihrer Bewegungen nahm ihn gefangen. In ihren Kleidern war sie absolut perfekt. Den Freudenrausch ihres nackten Körpers konnte er sich nur vorstellen. Würde eine so anmutige und gewandte Frau wie Lin Soong im Bett knurren, oder würde sie fauchen und ihre kleinen weißen Zähne zeigen?

Innerlich verfluchte er seine außer Kontrolle geratenen Gedanken, als er nach einer Scheibe des warmen, knusprigen Brots griff, das Victor in einem Korb vor ihnen abgestellt hatte.

Was dachte Ian sich dabei, ihm eine so wundervolle, fast überirdische Frau zu schicken? War Lin Soong Ians Verlockung, sich seiner Art des Denkens anzuschließen? Wollte Ian ihm beweisen, dass es unbeschreiblich lohnenswerte Vorteile in der Welt des Reichtums und der Macht gäbe? Kein Wunder, dass Ian sich darüber beschwerte, jeder Geschäftsführer und Businessmogul auf diesem Planeten würde versuchen, Lin Soong von ihm abzuwerben.

Zu spät fiel Kam auf, dass er das Brot mit seinen riesigen Händen in Stücke gefetzt hatte. Entschuldigend warf er Lin einen Blick zu. Ihre Miene zeigte keine Regung, und sie sah ihn mit ihren großen, dunklen Augen an. Gegen seinen Willen stellte er sich vor, wie es sein musste, wenn sie ihn mit diesen Augen ansehen würde, während sein Schwanz tief in ihr versenkt war und explodierte.

»Entschuldigen Sie«, murmelte er, nahm sich ein Stück des auseinandergenommenen Brotlaibs und ließ eine übel zugerichtete Portion im Korb zurück. »Das macht nichts.« Sie brach sich selbst ein Stück ab, wobei ihre hypnotisierenden Hände fast ebenso kräftig zupackten wie die seinen. In ihren Bewegungen lag etwas Erotisches, denn ganz offensichtlich vermied sie ganz und gar nicht jene Stellen, an denen seine Finger gewesen waren … seine Berührung. Blut füllte seinen Schwanz. Mit verzerrter Miene rückte er auf dem ungemütlichen Stuhl hin und her. Sie nahm ihren Löffel und tunkte ihr Stück Brot fast unbeteiligt in ihre duftende Suppe. Unfähig, seinen Blick abzuwenden, sah er zu, wie sie die Brotkante zwischen ihre Lippen schob und abbiss. Sein Schwanz schwoll an und drückte. Er zwang das fast unstillbare Bedürfnis zurück, diesen Mund zu berühren. Er war nur klein, doch ihre dunkelrosa Lippen waren üppig und wohlgeformt.

Ihre Nasenflügel weiteten sich ein wenig, als sie seinen Blick erwiderte und ihr Brot kaute. In Lins Ausdruck lag eine seltsame Mischung aus ruhiger Unschuld und völligem Bewusstsein darüber, was er dachte.

Was natürlich lächerlich war. Eine Frau wie sie würde sich durch seine fast pornographischen Gedanken beleidigt fühlen.

Würde sie doch, oder?

»Darf ich Ihnen erläutern, was ich geplant habe?«, wollte sie mit ihrer tiefen, melodischen Stimme wissen, nachdem sie geschluckt und ein weiteres Stück Brot abgerissen hatte.

»Inwiefern geplant? Dass ich einem Haufen reicher Kerle den Hof machen soll, die Statussymbole für andere reiche Kerle produzieren und uns übrigen Arbeitssklaven laut und deutlich zurufen, dass wir nichts in ihrem Club zu suchen haben?«, schleuderte er ihr mit ungewollt harscher Stimme entgegen, als er seine Aufmerksamkeit von Lin abgewandt hatte. Er fing mechanisch an zu essen und knurrte leise seine Zustimmung, nachdem er die ersten Löffel der schmackhaften Suppe zu sich genommen hatte. Lin hatte recht gehabt. Ihr Freund wusste, wie man kocht.

»Falls überhaupt, dann werden die anderen Ihnen den Hof machen, Kam.«

Als er hörte, wie sie seinen Namen aussprach, sah er sie wieder an.

»Werden Sie auch dabei sein?«

Sie blinzelte. »Bei den Treffen? Selbstverständlich. Ich habe gedacht, Sie wüssten das. Ian ist der Meinung, ich könnte vielleicht hilfreich sein. Wenn Sie einverstanden sind?«

Er zuckte mit den Schultern.

»Ich brauche nicht unbedingt Hilfe. Aber Sie wiederzusehen würde die ganze Sache wenigstens ein wenig interessanter machen.« Ihre Augen wurden größer. Er hatte sie erwischt. Neugierig wartete er ab, wie sie reagieren würde.

»Ich dachte, Sie würden womöglich gern erst einmal in Ruhe ankommen und die nächsten Tage mit Ian und Lucien verbringen. Ohnehin bin ich erst einmal nicht in der Stadt. Dann könnten wir die Verhandlungen am Donnerstag mit einem Meeting beginnen, zu dem zwei Vertreter von Gersbach kommen«, hob Lin, plötzlich sehr forsch und geschäftsmäßig, an. Sie hatte also beschlossen, auf sein Angebot nicht einzugehen. »Ich würde vorschlagen, dass Sie sich zuerst mit Gersbach treffen, damit klarer wird, worüber wir hier verhandeln. Wie Sie sicherlich wissen, ist Gersbach die führende Schweizer Uhrenmanufaktur. Trotz ihrer Größe ist sie noch immer ein Familienunternehmen. Und die Familie regelt ihre Geschäfte gern von Angesicht zu Angesicht. Otto Gersbach, der derzeitige Geschäftsführer, führt diese Familientradition fort. Er setzt sich mit potenziellen Geschäftspartnern zusammen, isst mit ihnen und lernt sie gern auf einer persönlichen Ebene kennen.«

»Wenn es ihm so wichtig ist, die Geschäfte auf persönlicher Basis abzuschließen, dann verstehe ich nur nicht recht, warum er sich nicht daran stört, dass auch seine Konkurrenten zu einem Treffen eingeladen werden.« Er warf Lin einen Blick zu. Sie hatte eine unerbittliche Miene aufgesetzt. »Ach, ich verstehe. Er weiß gar nichts davon«, fügte er hämisch grinsend hinzu.

»Es stimmt, ich habe es ihm nicht ausdrücklich gesagt«, erwiderte sie ruhig. Sie war wirklich sehr cool. Er beobachtete, wie sie den silbernen Löffel zwischen ihre Lippen schob. Ihre weiße, mit Perlen geschmückte Kehle wölbte sich ein wenig, als sie schluckte. Im Kopf rief er sich zu wegzuschauen. Sie war doch eigentlich viel zu cool, um ihn so heiß zu machen. Dieses Ungleichgewicht irritierte ihn. Plötzlich erschien ihm die Idee, seine rauen Hände über ihren seidigen Körper streichen zu lassen … seinen großen, schmerzenden Schwanz in ihre glatte Muschi zu drücken genauso wahrscheinlich wie ein eiskalter Winter in der Sahara.

Aber ein Mann musste ja noch träumen dürfen. Wenn die Fantasien so heiß waren wie die von Lin inspirierten, so hatte er keine andere Wahl.

»Doch Otto wird höchstwahrscheinlich ahnen, dass es andere Interessenten für Ihr Produkt gibt«, fuhr sie fort. »Er ist ja kein Dummkopf.«

Da sie ihren Löffel ablegte, sich zum Stuhl neben ihr umdrehte und ihre kleine, schmale Handtasche ergriff, hielt auch er mit dem Essen inne. Sie legte die Tasche in ihren Schoß und zog mit präzisen und eleganten Bewegungen etwas daraus hervor. Er hatte das Schwarz-Weiß-Foto eines gutaussehenden Mannes Ende Fünfzig mit ergrauendem, hellem Haar vor sich. Er saß an einem mit Papier bedeckten Tisch, und sein Mund war geöffnet, sodass es aussah, als habe er gesprochen, während dieses Foto von ihm gemacht wurde.

»Otto Gersbach«, erklärte Lin. Sie legte ein zweites Bild auf das von Otto. Auf diesem war eine sehr gutaussehende, gut gebaute vermutlich blonde Frau in einem Kostüm zu sehen, die wohl gerade durch eine große Lobby lief. »Und das ist seine Tochter Brigit. Sie wird morgen Abend ebenfalls hier sein.«

»Wo hat Ian Sie denn aufgetrieben? Bei der CIA? Die sehen ja aus wie Überwachungsfotos«, stellte er zugleich amüsiert und empört fest. Er mochte Ian und respektierte seinen klugen Kopf, doch Kam schätzte seine Privatsphäre und seine Freiheit viel zu sehr, als dass er diese Art von Spionage billigen konnte. Noch ein Grund mehr, um in dieser fleischfressenden Welt der Hochfinanz und des Geschäfts sehr auf der Hut zu sein …

»Ian sind Vorbereitungen sehr wichtig«, erklärte Lin neutral und unterbrach damit seine Überlegungen. »Er möchte jedes noch so kleine Detail vorliegen haben, bevor er zu einem Meeting aufbricht.«

»Und Sie helfen ihm dabei, alle Details zu bekommen«, schlussfolgerte Kam und ließ den Blick aus seinen zusammengekniffenen Augen über Lins umwerfendes Gesicht gleiten. Wie genau sah eigentlich Ians und Lins Verhältnis aus? Er hatte Ians Frau Francesca bereits mehrfach getroffen, er mochte sie sehr. Und er wusste, dass Ian verrückt nach ihr war. Seit Francesca aufgetaucht war, schienen andere Frauen für ihn überhaupt nicht mehr zu existieren. Und die Tatsache, dass Francesca im Winter ihr gemeinsames Kind zur Welt bringen würde, bestärkte Kam noch in der Überzeugung, dass zwischen Lin und Ian sicher nichts lief. Doch was war in der Zeit vor Francesca? Sein Halbbruder hätte sich doch sicher nicht gewehrt, wenn ihm eine derart exquisite Schönheit jederzeit zu Diensten gewesen wäre?

Mit einem lauten Pling ließ er bei diesem Gedanken seinen Löffel in den Teller fallen.

»Wie weit würden Sie gehen, um Ian zu Diensten zu sein?«, brummte er leise.

»Wie meinen Sie das?«, fragte sie. Ihre entspannte Miene bekam leichte Risse. »Wollen Sie mir unterstellen, dass ich für meinen Job die Gesetze breche?«

Er zerbrach das nächste Stück Brot und warf einen schnellen Blick auf die Fotos.

»Diese Bilder stammen von einer Sicherheitsanlage von Noble Enterprises im öffentlichen Raum. Daran ist nichts ungesetzlich«, verteidigte sie sich.

»Wie viele Fotos von mir haben Sie sich denn angesehen, bevor Sie mich hier heute Abend getroffen haben?«, wollte er wissen und schlang weitere Bissen von Brot und Suppe hinunter.

»Keines, wenn Sie es genau wissen wollen.« Er freute sich, aus ihrer Stimme Verärgerung heraushören zu können. Gut zu wissen, dass hinter ihrem perfekten Gesicht und Körper doch Leidenschaft existierte.

»Sie haben gesagt, Sie hätten mich überall erkannt.«

»Doch nur, weil Sie Ian so ähnlich sehen«, platzte es aus ihr heraus. Er hielt ihrem Blick stand, ein wenig von ihrem Ausbruch überrascht. Langsam atmete sie ein, wohl um sich ein wenig zu beruhigen, und Kam fiel auf, dass sie selbst überrascht war. »Glauben Sie mir, ich habe vorher kein einziges Foto von Ihnen gesehen. Wenn ich eines gesehen hätte, dann …« Sie sprach nicht weiter, sondern sah beiseite. »Warum sagen Sie mir nicht einfach, warum Sie eigentlich so gereizt sind?«

Er lachte bellend und schob seinen Suppenteller von sich. »Möchten Sie meine gesamte Lebensgeschichte hören?«

»Nein, nur den Grund dafür, dass Sie so entschlossen sind, mich nicht zu mögen«, erwiderte sie, ohne zu zögern.

Sein Blick wanderte über ihre weiße Kehle hinab zu der freiliegenden Haut ihrer oberen Brust, bis zum Halsausschnitt der enganliegenden Strickjacke. Der Stoff war straff gezogen und sah elegant aus, doch rund um ihre so erotischen Handgelenke kräuselte er sich ein wenig – ein Zugeständnis an ihre Weiblichkeit. Ihre Brüste sahen aus, als passten sie perfekt in seine Handflächen, sie waren weder zu groß noch zu klein. Sie zeichneten sich sehr sexy, kess, fest und offenbar weich gegen ihren Oberkörper ab. Und hoben sich nun, als Lin Luft holte. Sein Blick traf ihre wachsamen Augen.

Sie nicht mögen? Was hatte ihr diesen Eindruck vermittelt?

Vielleicht, weil du weißt, dass eine Frau wie sie sich niemals mit dir abgeben würde, gäbe es nicht diese besonderen Umstände. Und du tust so, als würdest du das nicht wissen.

»Ich mag Sie doch durchaus«, gab er zu, ohne auf die Stimme in seinem Kopf zu hören und die Hitze in seinem Ton zu unterdrücken.

Ihre üppigen, ungeschminkten Lippen zitterten leicht. Er konnte seine Augen nicht von ihnen abwenden. Lin musste den erotischsten Mund haben, den er je gesehen hatte. Ohne es sich bewusst zu machen, lehnte er sich ein Stück nach vorn, ein Mann, der den Duft seiner Beute aufgenommen hatte und entschlossen war, die Spur nicht wieder zu verlieren.

»Was wollten Sie damit sagen? Was, wenn Sie ein Foto von mir gesehen hätten?«, fragte er leise. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.

»Dann wäre ich besser vorbereitet gewesen.«

»Zu spät«, gab er kurz und knapp zurück. Er beugte sich noch ein Stück vor, ihre Augen zogen ihn an …

Sie blinzelte und sah ihn an. Victor kam mit den Hauptgerichten. Der Barkeeper zuckte zurück, als er Kams wütenden Blick auffing, weil er in einem solch entscheidenden Moment gestört hatte.

Kam wusste, dass Lin verwirrt war, als sie Victor um ein weiteres Glas Wein bat und einen Schluck kühles Wasser trank. Wegen seines etwas schlechten Gewissens, dass er so brüsk reagiert hatte, ließ er sie während des Hauptgangs über das Geschäftliche sprechen. Sie hatte wieder recht gehabt. Die Steaks waren köstlich und mehr als nur sättigend. Genau so war es, ihrer weichen Stimme zuzuhören und ihr zuzusehen.

Lin aß in einer faszinierenden Mischung aus Eleganz und echtem Hunger. Mit einem Mal fragte er sich, ob sie wohl seine Tischmanieren beobachtete, um zu entscheiden, wie weit er sich mit dem Griff nach dem Brot oder der Wahl der falschen Gabel bei einem dieser förmlichen Businessdinner blamieren würde. In ihrem Gesicht konnte er kaum lesen, auch wenn es viel Freude machte, es zu betrachten. Ihm fiel auf, wie er sich anstrengte, an seine College-Jahre und die Zeit an der medizinischen Hochschule in London anzuknüpfen. Er versuchte, ein wenig zivilisierter und kultivierter zu erscheinen. Das irritierte ihn.

Lin war hierher geschickt worden, damit er sich bei den angestrebten Geschäften wohler fühlte, und nicht, um seine Manieren zu verfeinern. Er hatte sich, obwohl ihn seine Mutter darum gebeten hatte und trotz des scheinheiligen Drängelns seines biologischen Vaters, nicht an die gesellschaftlichen Konventionen angepasst, wie er sich nun erinnerte. Also würde er sich auch nicht für irgendeine Frau anpassen. Seine Erfahrung mit Diana hatte es bewiesen: Er konnte nicht zu jemandem werden, der er nicht war.

Er wollte es nicht.

»Ian hat mir verraten, dass Sie Kunst lieben«, begann Lin, nachdem sie beide das Essen beendet und nurmehr ihre Drinks vor sich stehen hatten.

»Ich mag es, mir Kunstwerke anzuschauen. Manche davon jedenfalls«, gab er mürrisch zu. »Ich bin aber kein Liebhaber wie Ian oder seine Großeltern. Hoffen Sie da nicht auf allzu viel bei mir.«

»Das macht gar nichts. Die Gersbachs sind auch keine Experten, sie sind eher leidenschaftliche Amateure.«

»Also haben Sie sich gedacht, dass die Ausstellung von Francescas Werken in Luciens neuem Hotel ein Eisbrecher beim Treffen mit den Gersbachs wäre? Etwas, über das man reden könnte, wenn das Wetter und all die anderen Dinge, die wir nicht miteinander gemeinsam haben, abgehakt worden sind?« Er schüttelte den Kopf.

»Wie bitte?«, fragte sie mit erstaunt nach oben gezogenen Augenbrauen.

»Sie lieben es doch, alles zu kontrollieren, oder nicht?«, wollte er wissen.

»Ich mag es, all das zu kontrollieren, was ich zu kontrollieren vermag. Und es gibt immer eine Menge Dinge, die ich nicht kontrollieren kann.« Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln und einen bedeutungsvollen Blick. »Ich wäre dumm, würde ich nicht versuchen, das im Griff zu behalten, was ich kann.«

»Zum Beispiel Elemente wie mich?«

»Ich wäre dumm, würde ich glauben, Sie kontrollieren zu können«, erwiderte sie, ohne seinem Blick auszuweichen. Ein paar Sekunden lang vergaß Kam das Thema, über das sie gerade gesprochen hatten. Sie räusperte sich und sah beiseite.

»Gibt es noch etwas, was Sie über das Geschäftsessen am Donnerstagabend wissen möchten?«

»Sie haben mich bereits mit Ottos und Brigits psychologischen Profilen vertraut gemacht, gewürzt mit ein paar pikanten Details wie etwa der Tatsache, dass Otto ein konservativer Kontrollfreak ist, während Brigit ein wenig zu unkontrolliert ist, wenn es um Männer und Scotch geht – etwas, das Otto verärgert. Ich kenne ihre Lebensläufe, ihre Hobbys, ihre politischen Meinungen, ihr Lieblingsessen und bevorzugten Urlaubsorte«, zählte er ungerührt auf. In Wahrheit war er beeindruckt. Sie entsprach in dieser Hinsicht genau dem, was er nach Ians Erzählungen erwartet hatte. Es kam ihm vor, als wäre Lin Soongs Gehirn ein riesiges Depot voll exakter, akribisch geführter Dossiers. Alles, was sie tun musste, war ein imaginäres Fach öffnen, und all die von ihr gewünschten Informationen standen ihr zur Verfügung.

»Es überrascht mich nur, dass Sie mir noch nicht gesagt haben, wie die beiden im Bett sind«, fügte er als kleine Spitze noch an.

Amüsiert hoben sich ihre dunklen Augenbrauen. Ihre Miene war wieder absolut beherrscht, doch die großen Augen zeigten sich unwiderstehlich ausdrucksstark.

»Das ist etwas, das ich nicht wissen würde«, gab sie ruhig zurück.

»Wie steht es um Ians Präferenzen in diesem Bereich?«, stachelte er sie an. »Sind Sie mit denen vertraut?«

Ihr Blick flackerte bei seiner Unverschämtheit kurz auf. Das Weiß ihrer Augen bildete einen deutlichen Kontrast zur dunkelbraunen Iris.

»Ganz und gar nicht.«

»Gut«, erwiderte er und konnte dabei ein wissendes, zufriedenes Lachen nicht unterdrücken. Sie schüttelte den Kopf. Nach dieser Dreistigkeit blickte sie ungläubig drein … und ein wenig benebelt.

»Anmaßend«, sagte sie mit gedämpfter Stimme.

Er griff ihr Handgelenk und schob seinen Daumen unter dem Bündchen hindurch auf ihre warme Haut. Wenn er etwas konnte, dann war es den Körper einer Frau verstehen. Sein eigener Herzschlag beschleunigte sich, als er das rasche, starke Trommeln ihres Pulses ertastete. Selbstverständlich war ihm klar, was das bedeutete, doch sein Kopf zweifelte noch immer.

»Realistisch. Warum es verleugnen?«, gab er mit wesentlich mehr Selbstsicherheit zurück, als er eigentlich verspürte.

Ihn erfüllte das irrationale Bedürfnis, Lin Soong aus dem Gleichgewicht zu bringen, ihre kühle Schale abzuschmelzen und zu beweisen, dass sie sich unter der knackigen, effizienten Haltung in seinem Arm warm und weich anfühlen würde.

Die Säule ihres Halses dehnte sich, als sie schluckte. Sie drehte ihr Handgelenk und zog ihre Hand aus seinem lockeren Griff zurück, wobei ihre Finger über seine Handfläche glitten.

»Ja, warum eigentlich?«, sagte sie so leise, dass er einen Augenblick daran zweifelte, sie wirklich richtig verstanden zu haben. Diese drei Worte und das hauchzarte Streicheln über die raue Hand ließen die Haare auf seinen Unterarmen sich aufrichten. Ein Teil von ihm zweifelte noch daran, was hier geschah – konnte nicht glauben, dass eine Frau wie Lin ihn jemals begehren würde –, bis sie seinen dicken Daumen mit ihren eleganten Fingern umschloss und zudrückte.

Aus irgendeinem verrückten Grund war dies die erotischste Zärtlichkeit, die er je erfahren hatte. Schmerzhaft schwoll sein Schwanz an.

Sie sah auf sein halbvolles Glas. »Wir könnten hier bleiben und unsere Gläser austrinken«, sagte sie mit schimmernden Augen, die ihn verhexten, »oder wir gehen zu mir.«

Ungläubig zog er seine Augenbrauen hoch. »Es ist ein wirklich gutes Bier, aber im Ernst? Verglichen mit der zweiten Möglichkeit?«

Sie lächelte sanft.

»Ich freue mich, dass wir wenigstens in diesem Punkt übereinstimmen.« Sie schenkte ihm einen offenen Blick. »Das ist wahrscheinlich keine gute Idee«, sagte sie leise, und er spürte, wie sich Lust in ihre Besorgnis mischte.

Er betrachtete die feine Kurve ihres Kinns und den Schwung ihres Mundes.

»Vielleicht. Aber es ist auf jeden Fall aktuell die einzige Idee in meinem Kopf«, gab er rau zurück. Einen Moment lang sah sie ihn nur an. Dann nickte sie einmal – erledigt – und erinnerte ihn dabei an eine Frau, die soeben eine Geschäftsentscheidung getroffen hatte, die sie nicht mehr zurücknehmen wollte. Der kleine irritierende Stich war nicht genug, um sein Interesse zu dämpfen, und schon gar nicht, um seine Erregung abzuschwächen. Am Rand seines Blickfeldes sah er, wie Victor die Rechnung auf die Bar legte. Seine Hand schoss nach vorne, und er schnappte, den Hauch einer Sekunde schneller als Lin, nach dem Ledermäppchen, in dem die Rechnung lag.

»Lass mich. Ian würde darauf bestehen«, bat sie ihn unruhig, als er die Unterlage außerhalb ihrer Reichweite ablegte.

»Ian ist nicht da. Aber ich.«

Als sie nichts erwiderte, griff er mit dem verbissenen Gefühl des Triumphs nach seiner Geldbörse. Ihre Unterwerfung in diesem Punkt war nicht sehr bedeutend.

Aber sie war ein Anfang.

Sie schloss die Eingangstür auf und hielt sie fest, damit er eintreten konnte. Während der Taxifahrt durch den Nebel der Stadt hatte Kam nicht versucht, sie zu berühren. Sie hatten auch nicht miteinander gesprochen, nur schweigend nebeneinander gesessen. Lin hatte gespürt, wie die Spannung auf ein fast unerträgliches Maß angestiegen war.

Er war ein wenig größer als Ian, bemerkte Lin benommen. In den letzten Jahren hatte Ian sie mehrfach in ihrer Wohnung besucht, um etwas abzugeben oder für ein geschäftliches Essen – sowohl als die Wohnung noch ihrer Großmutter gehörte als auch nach ihrem Tod. Lin wusste ganz genau, bis wohin der dunkle Kopf ihres Bosses im Türrahmen reichte, und hatte nun den Eindruck, Kam würde diese eingebildete Markierung um wenige Zentimeter überragen.

Er erwiderte ihren Blick, als er die Türschwelle überschritt. Nach den eineinhalb Gläsern Wein und dem Überfall der unerwarteten, mächtigen Lust fühlte sie sich etwas neben sich.

Lin konnte kaum glauben, dass sie das wirklich tat. Kams Nasenflügel bebten, als er sich ihr näherte – ein Jäger auf dem Weg zu seiner Beute. Sie spürte einen erregenden Stich, als sie sich vorstellte, was er nun im Sinn hatte. Er beugte sich zu ihr hinunter und überfiel ihren Mund mit seinem. Feste, warme Lippen legten sich auf sie, nicht unbedingt gewaltsam, aber doch ohne Rücksicht, und hungrig formte er ihren Mund nach seinem Willen, eroberte ihn, nahm ihn in Besitz. Eine Hand legte er ihr um das Kinn und stieß dann durch ihre Lippen. Sie keuchte, als sie seinen Geschmack und seine Hitze wahrnahm.

»Das hier will ich schon seit dem Moment tun, in dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe«, sagte er mit rauer Stimme wenige Momente später dicht an ihren Lippen. »Dein Mund ist absolut unanständig.« Er zog sie näher zu sich, sodass er die Tür schließen konnte. Er schloss sie auch gleich ab, ohne jedoch den Blick von ihr abzuwenden. Zwischen ihren Beinen spannte es, als sie seinen großen, schlanken, festen Körper spürte, der sich an sie drückte.

»Jetzt nutze deinen Mund«, verlangte er mit rauchiger Stimme. »Nutze ihn, um mir zu sagen, dass du mich willst.«

»Muss ich dir das wirklich sagen?« Versuchsweise berührte sie sein Gesicht. Das Gefühl, wie seine Bartstoppeln über ihre Fingerspitzen schabten, gefiel ihr so gut, dass sie auch die zweite Hand auf seine Wange legte.

»Ich glaube, das würde diese ganze Nacht etwas glaubwürdiger machen«, murmelte er, beugte sich hinab und kniff mit seinen Lippen in ihre. Sie ergab sich ihm in einem kaum gebremsten, glühenden Kuss. »Mach schon«, forderte er sie nach einem betäubenden Moment auf.

»Ich will dich. Ich muss wohl, wie könnte ich sonst so etwas Verrücktes zulassen«, flüsterte sie. Sie sah ihn an, drückte den Rücken durch und rieb damit ihre Brüste an seinen Rippen. Genießerisch schnurrte er und ließ seinen Kopf sinken, um ihre Unterlippe zwischen seine knabbernden Zähne zu nehmen. Eine Hand legte sich auf ihre linke Brust, drückte sie zusammen und formte sie neu. Lin stöhnte auf, als flüssige Hitze sie durchströmte. Die Schärfe ihrer Erregung erstaunte sie erneut. Sein Ächzen klang in jenem Moment ganz genauso wonnevoll.

Noch nie zuvor hatte ein Mann sie so in die Arme gezogen. Es überraschte sie allerdings überhaupt nicht, dass Kam es, ohne mit der Wimper zu zucken, getan hatte.

Ohne es zu wissen oder sich darum zu bemühen, berührte er einen kleinen Punkt in ihrem Wesen. Sie wollte ihn fast ebenso stark wie den nächsten Atemzug. Sie verlangte so stark nach ihm, dass sie bereit war, die für sie so typische Kontrolle aufzugeben. Eine Art von Verlangen, die nur wenig Raum ließ für anderes, schon gar nicht für rationale Gedanken.

Er sah sie an, während er sie durch den schwach erleuchteten Flur führte.

»Da lang«, wies sie ihn atemlos an und zeigte auf das Schlafzimmer.

Er trat an die nur angelehnte Tür, um sie aufzustoßen. Sie sah zu ihm auf, als er sie auf das Fußende des Bettes setzte. Eine erregende Mischung aus Lust, Vorsicht, Unruhe und elektrischer Spannung kochte immer mehr in ihrem Blut auf.

Kam konnte den Blick nicht von ihrem Gesicht abwenden. Hätte man ihn später, nachdem er schon eine Stunde in ihrer Wohnung verbracht hatte, gefragt, wie das Apartment aussah, wäre er nicht in der Lage gewesen, es auch nur andeutungsweise zu skizzieren. Derart versunken war er in Lin Soong. Dieser üppige, knospige Mund musste von ihm geküsst werden, geleckt … verwüstet werden, die weiche Haut lag vor ihm da, um gestreichelt und geküsst zu werden, die süßen, aufgerichteten Brüste warteten darauf, dass er darin versank, dass er mit seinem Mund, seinen Lippen, seiner Zunge ihr eine ausgiebige Antwort entlockte …

… zumindest für einen kleinen Moment. Ohne ein Wort zu sagen, zog er sie aus. Er schälte sie aus dem Mantel und warf ihn nachlässig über einen Stuhl, zog ihre dünne Strickjacke über ihre Schultern und den Kopf und warf sie auf die Matratze. Damit verwuschelte er ihr Haar nur noch mehr. Er tauchte seine Finger in die aufgewühlte Masse an ihrem Hinterkopf, fand drei lange, hölzerne Haarnadeln und zog sie heraus. Fort damit. Die Nadeln flogen ein kleines Stück, bis sie mit einem Klacken auf dem Nachttisch landeten, ein wenig weiter rollten und dann liegen blieben. Keinen Moment ließ er sie aus den Augen. Eine nachtschwarze Haarmähne wölbte sich um ihre weißen Schultern. Mit beiden Händen packte er sie und wühlte seine Finger durch die Locken. Dann legte er die Strähnen vorsichtig über ihren Rücken und die Oberarme.

»Ich habe noch nie eine Asiatin mit lockigen Haaren gesehen. Das sieht wunderschön aus«, murmelte er, abgelenkt von dem Gefühl der Strähnen, die sich um seine Finger wanden. Ihr Haar war leichter, als er es nach dem ersten Blick vermutet hätte angesichts der Menge, die sie hinter ihrem Kopf zusammengesteckt hatte. Ihm stieg der Duft der befreiten Haare in die Nase – fruchtig, blumig, moschusartig und sinnlich. Die Strähnen wirbelten um seine rauen Finger und fühlten sich an wie eine Kombination aus Seide und Luft.

»Das gibt es wirklich nicht oft. Und die Feuchtigkeit macht alles noch schlimmer«, erklärte sie heiser. Mit ernstem Blick aus dunklen Augen sah sie zu ihm auf.

Sein Kiefer spannte sich an, als er sich daran machte, ihren BH zu öffnen. Die Anspannung übertrug sich auf seinen ganzen Körper. Der enganliegende Büstenhalter verriet ihm die Form, und sie würde wundervoll sein. Nachdem er ihr den BH abgestreift hatte, konnte er einen Moment lang nur hinstarren, Lust und etwas Scharfes und Unerwartetes zogen ihm Kehle und Schwanz zusammen. Als schließlich wieder Luft in seine Lunge gelangte, entströmte ihm ein raues, unkontrollierbares Stöhnen.

»Lin«, konnte er nur sagen, als er seine Hand über ihrer Brust öffnete und die delikate Linie ihrer Wölbungen, ihres rasch schlagenden Herzens, ihrer Weichheit, ihrer Hitze spürte. Er hatte sich nicht geirrt. Er konnte sie mit seiner Hand fast umschließen. Er schob Lin weiter über die Bettdecke und legte sich zu ihr. Ihre Münder vereinten sich, noch heiß und gierig vom ersten Kuss. Schon vorher war ihm aufgefallen, dass sie mit ihrer schlanken Figur und Schmächtigkeit für eine Frau recht groß war. Sie passten ideal zusammen. Er legte eine Hüfte auf dem Bett ab, doch sie schmiegte sich augenblicklich wie ein Kätzchen, das Wärme sucht, an ihn und umschloss seinen schmerzenden Schwanz mit ihren Oberschenkeln. Dieser Beweis der erwiderten Leidenschaft entflammte ihn zusätzlich.

Er rollte sich auf sie, drückte sie in die Matratze und überfiel ihren Mund. Mit einem Mal war er viel zu hungrig, um noch höflich zu bleiben.