Seelenlicht: Im Zeichen der Verborgenen - Jay Lahinch - E-Book
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Seelenlicht: Im Zeichen der Verborgenen E-Book

Jay Lahinch

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Beschreibung

Eine Suche zwischen Traum und Realität … Für Mason bricht eine Welt zusammen, als seine große Liebe auf unerklärliche Weise verschwindet. Zwischen Trauer und Erinnerung begegnet Maeve ihm in seinen Träumen und gemeinsam mit seinem Hund Hope sucht er in den Wäldern Montanas nach ihr – ohne zu wissen, dass Maeve zwischen den Gestalten wandelt und in einer anderen Welt wichtiger Teil einer großen Vorsehung ist. Eine herzzerreißende Fantasy-Liebesgeschichte zwischen den Welten – für alle Fans von Cassandra Clares »Chroniken der Unterwelt«-Reihe und Naomi Novik.

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Seitenzahl: 272

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch:

 

eBook-Lizenzausgabe September 2025

Copyright © der Originalausgabe 2019, Bookapi Verlag ek. K., Theodor-Heuss-Str. 5, 89340 Leipheim

Copyright © der eBook-Lizenzausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nina Prömer

eBook-Herstellung: dotbooks GmbH unter Verwendung von IGP (cdr)

 

ISBN 978-3-69076-443-8

 

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people . Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

 

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Jay Lahinch

Seelenlicht: Im Zeichen der Verborgenen

Roman | Seelenlicht, Band 1

 

dotbooks.

»Die wertvollsten Momente sind,

bevor es beginnt.

Denn ohne Anfang,

kann nichts zu Ende gehen.«

Teil 1

NEUANFANG

Prolog

 

Mein Leben währt schon sehr lange und nähert sich langsam dem Ende. Obwohl ein jeder von uns weiß, dass man eines Tages gehen muss, fällt es nicht leicht, diese Welt und dieses Leben loszulassen. Solange ich noch nicht weiß, wer diesen Platz nach mir bekommt, möchte ich nicht gehen. Denn wir glauben daran, dass jeder freigewordene Platz in unserer magischen Welt einem neuen Wandler gehört. Wie gern ich nur wüsste, wie mein persönlicher Nachfolger sein wird, von welchem Charakter geprägt. Aber ich werde es nie erfahren, denn mein Tod ist es, der ihm den Zugang in unsere Welt ermöglicht. Und unsere zweite Welt ist das wundervollste Geschenk, das ich je erhalten habe.

Lange Zeit habe ich mich gefragt, warum ausgerechnet ich diese Gabe bekam. Aber bis heute habe ich keine Antwort darauf gefunden. Meine letzten Jahre habe ich zusammen mit den anderen Wandlern in den Wäldern Montanas zugebracht. Wir haben nach solchen Kraftorten gesucht, über alte Geschichten und unsere Wandlungsgestalten gerätselt. Doch keiner weiß, wie dieser Übergang zurück in die alte Welt funktioniert. Ich lege große Hoffnungen in meinen Nachfolger, dass er diese magische Verbindung finden möge und allen unserer Art den Weg ans Licht zeigt. Vielleicht wird es ihm vorbestimmt sein, so wie ein jeder von uns eine Bestimmung in sich trägt. Eine stille Traurigkeit überkommt mich, weil ich es nie erfahren werde, und mein letzter Atemzug erlischt mit dem Gedanken an unseren neuen Wandler, der durch meinen leeren Platz neue Hoffnung in unsere magische Welt bringen wird.

Teil 2

HERBST

EINSAMKEIT

Kapitel 1

Mason

 

Mason begann den Tag wie jeden anderen auch. Kaum hatte der Wecker ihn aus dem Schlaf gerissen, hörte er schon das Tapsen von Hundepfoten. Hope legte kurze Zeit später vorsichtig den Kopf auf die Bettkante und wartete darauf, dass er aufstand.

»Guten Morgen«, murmelte er verschlafen und der Hund zuckte beim Klang seiner vertrauten Stimme mit den Ohren und sah ihn erwartungsvoll an. Wie an jedem Morgen dauerte es noch einige Minuten, in denen er seinem letzten Traum nachhing. Viel Zeit war ihm jedoch nicht vergönnt, denn Hope stupste ihn bereits ungeduldig an und begann leise zu winseln.

»Schon gut, du hast ja recht«, gab Mason zu und machte sich langsam auf den Weg zur Küche, gefolgt von einer fröhlichen Hope.

 

Der Morgen verlief wie jeder andere, seit er alleine war. Ein starker Kaffee am Morgen, ein sehr kleines und simples Frühstück und dazwischen ein paar Streicheleinheiten für Hope, die es kaum erwarten konnte, hinauszukommen.

Als Mason die Haustür hinter sich zuzog, war es noch angenehm kühl, aber man konnte bereits erahnen, wie warm der Herbsttag noch werden würde. Die Hündin trabte voran. Mason sah sich aufmerksam um und erwartete wie jeden Morgen, dass sich etwas verändert haben müsste. Aber dem war nicht so. Vor ihm erstreckte sich der grasbewachsene Hang, der sichelförmig von einem dunklen Wald umgeben war. Bei Sonnenschein wirkte die Landschaft außerordentlich friedlich und schön. Doch es konnte auch verdammt einsam und leer sein, wie Mason wusste.

Er trottete Hope hinterher, die bereits einen Stock entdeckt hatte und nun mit sich herumtrug. Der Weg in die nächstgelegene Kleinstadt war nicht weit und Mason empfand es als unnötig, das Auto zu nehmen. Das hatte er von Maeve übernommen. Sie hatte das Autofahren nicht gemocht und den Fußweg am Waldrand entlang immer vorgezogen. Seit ihrem Verschwinden mied Mason es ebenfalls, das Auto für kurze Strecken zu nutzen und erlaubte sich nur selten eine Ausnahme.

 In der Gegend seines Ladens kannten ihn einige. Als den Mann, der zurückgezogen im Waldhaus wohnte und dessen Frau spurlos verschwunden war. Manche beobachteten ihn und sahen dann sofort weg, wenn Mason den Blick in ihre Richtung wandte. Die anderen dagegen grüßten ihn und waren sehr darum bemüht, ihm das Gefühl von Nähe und Freundlichkeit zu vermitteln, um ihn zumindest in der Zeit, die er im Dorf verbrachte, nicht den stillen Einsiedler sein zu lassen, der er in Wirklichkeit war.

Als er das Gebäude endlich erreichte, schloss er den Laden auf. Das Klingeln einer kleinen Glocke ertönte beim Betreten des Raumes. Ein leises Seufzen entwich Mason.

Vor einigen Jahren hatte er sich dazu entschlossen, auf dieser überschaubaren Fläche einen Traum zu verwirklichen. Zuerst hatte er mit Angelzubehör begonnen und später auch noch Ausrüstung für Wanderungen hinzugefügt. Der Glacier-Nationalpark war nicht weit entfernt und vor allem unter Touristen ein beliebtes Ziel.

Maeve hatte ihn liebevoll bei der Vorbereitung und Renovierung seines Ladens unterstützt. Sie hatte in der Stadt oft Flyer verteilt und sich sehr engagiert. Und obwohl sie bereits seit fünf Monaten als spurlos verschwunden galt, kamen immer wieder Besucher in den Laden, sodass er gezwungen war, ihn weiterzuführen, ohne in seiner Trauer zu versinken.

An Tagen wie dem heutigen vermisste er Maeves Anwesenheit mehr denn je. Ihm fehlte jeglicher Antrieb, die Türen zu öffnen, den interessierten Menschen freundlich gegenüberzutreten und ihre Begeisterung zu teilen. Stattdessen wollte er sich in seinem verlassenen Waldhaus einsperren, die Decke über den Kopf ziehen und auf einen besseren Tag warten.

Es war, als hätte sie ihm Hope als letzten Trost hinterlassen, als Grund, jeden Morgen aus dem Haus zu gehen. Als würde sie noch immer seinen Laden bewerben, um genügend Menschen zu ihm zu bringen, damit er den Laden nicht schließen musste und sich selbst aufgab. Außerdem hatte der Gedanke, Maeve könnte noch irgendwo da draußen sein und Absichten für ihn hegen, etwas Tröstliches.

Mason kontrollierte die Bestände und bereitete die Kasse vor, während Hope sich entspannt auf das Hundekissen neben der Theke legte. Wie schön und einfach so ein Leben sein musste und wie beneidenswert er es fand.

Hope war für Maeve wie ein Kind gewesen, das sie nie bekommen hatten. Sie hatte den kleinen Welpen bereits von Anfang in ihr Herz geschlossen. Vielleicht rührte Hopes Namen daher, dass sie die Hoffnung auf ein Kind nie aufgegeben hatte. Wehmütig erinnerte er sich daran, wie der Welpe an Maeves Seite zu einer treuen Begleiterin herangewachsen war.

Nachdem seine Frau und große Liebe verschwunden war, konnte er Hope manchmal dabei beobachten, wie sie vor der Haustür hockte und diese abwartend anstarrte, als würde die fehlende Person gleich hereinkommen. Oder wie sie auf ihre Hinterbeine gestellt aus dem Fenster blickte, als würde sie nach Maeve Ausschau halten.

Jetzt, nach fünf langen Monaten war davon nichts mehr übrig. Hope führte ein sorgloses Leben und schien den gleichbleibenden Tagesablauf zu mögen. Sie vermisste oder trauerte nicht und wurde nicht täglich erneut mit dem wahren Leben des Arbeitens und Aufraffens konfrontiert. Mit dieser belastenden Aufgabe war Mason allein. Würde der Schmerz jemals nachlassen?

Ein Mann schob die Tür auf, obwohl Mason noch nicht einmal das »Geöffnet«-Schild umgedreht hatte. Überrascht blickte er auf und lief dem frühen Besucher eilig entgegen.

»Guten Morgen!«, grüßte ihn der Fremde mit einer lauten, fröhlichen Stimme. Mason musterte ihn einen kurzen Moment und hielt in seinem Vorhaben, den Mann fortzuschicken, inne.

»Guten Morgen. Sie sind sehr früh, es ist noch gar nicht geöffnet«, erklärte er unsicher. Ausgerechnet heute, schoss es Mason durch den Kopf.

»Oh, Entschuldigung«, sagte der Mann unbeirrt und ohne den Laden zu verlassen. Stattdessen sah er sich interessiert um und betrachtete neugierig das Angelzubehör zu seiner Linken.

»Darf ich mir die mal ansehen?« Mason beobachtete verwirrt, wie der gut gelaunte Frühaufsteher zum Regal ging und eine Angel inspizierte. Er rang mit sich selbst, den Fremden nun doch etwas energischer hinauszubitten, um die restliche halbe Stunde bis zur Ladenöffnung in dieser vertrauten Mischung aus Selbstmitleid und Trauer allein zu sein.

»Können Sie diese hier denn empfehlen? Sie angeln doch bestimmt auch selbst, oder?« Der Mann drehte sich zu Mason herum und wartete ungeduldig auf eine Antwort, die zuerst ausblieb. Etwas hielt ihn davon ab, diesen Mann des Ladens zu verweisen. Mit einem kurzen Blick nach oben dachte er an Maeve.

»Ja, eine sehr gute Wahl. Ich war schon lange nicht mehr angeln, aber diese hier hat bisher viele Kunden beeindruckt«, erklärte er und der Mann nickte nachdenklich.

»Ich bin übrigens Ben. Entschuldigen Sie bitte, dass ich hier so hereingeplatzt bin.« Er gab Mason die Hand und zwinkerte ihm zu. Das Leuchten in seinen Augen war nicht zu übersehen.

»Mason«, sagte er sehr knapp und schüttelte ihm die Hand.

»Wir sind erst kürzlich hierhergezogen, meine Frau und ich. Beruflich, weil sich das für Joyce sehr gut ergeben hat, und wir haben hier in der Stadt zum Glück sehr schnell ein Haus gefunden, sodass wir …« Ben vollendete den Satz nicht, sondern schnappte kurz nach Luft.

»Oh, äh also, ich wollte sagen, dass ich so viel Interessantes über den Nationalpark hier gelesen und gehört habe, dass ich es kaum erwarten kann, dort mal eine Angel auszuwerfen und die Wälder zu sehen.« Begeistert strahlte er Mason an, dem diese überschwängliche Euphorie fremd vorkam.

»Oh, Sie meinen den Glacier-Nationalpark … Ja, es gibt wirklich sehr schöne Orte dort, kann ich ebenfalls nur empfehlen«, sagte Mason um Freundlichkeit bemüht.

»Und wo genau? Sie leben doch sicher schon lange hier und kennen die geheimen und versteckten Orte, wo sich nicht alle Touristen herumtreiben, oder?« Mason zögerte mit seiner Antwort etwas, was Ben als Ja interpretierte.

»Hervorragend! Ich werde diese Angel hier kaufen. Aber da ich bereits in einer halben Stunde bei der Arbeit sein muss und ich unmöglich mit einer Angel zum Geschäftstermin auftauchen kann, hinterlege ich sie hier und hole sie ein anderes Mal ab. Bis dahin fällt Ihnen doch bestimmt eine geeignete Stelle ein. Oder noch besser, vielleicht kann ich Sie beim nächsten Mal begleiten?«

Mason war überrumpelt. Dieser Mann redete viel zu viel für seine trägen und trüben Gedanken. Die Freude und Euphorie, die er ausstrahlte, kamen Mason schon fast ein wenig merkwürdig vor. Aber Ben wirkte keineswegs gestellt, sondern absolut authentisch und echt in seiner unbeschwerten Art. Als sei Mason der Merkwürdige in diesem Raum.

Ben ging hinüber an die Theke und entdeckte dort Hope, die neugierig zu ihm aufblickte. Er kniete sich kurz zu ihr und strich ihr über die Ohren, während er irgendetwas zu ihr sagte, das Mason nicht verstand. Schnell lief er ihm nach, um die Angel abzukassieren, und tippte den Betrag ein.

»Vielen Dank Mason, und entschuldigen Sie nochmals den frühen Besuch. Meine Frau warnt mich immer davor, dass ich die Leute in den ersten Morgenstunden noch nicht mit meinen Plaudereien erschrecken soll.« Er lachte.

»Kein Problem«, sagte Mason schneller, als er darüber nachdenken konnte.

»Ich werde die Angel sicher für Sie hinterlegen. Kommen Sie zur Abholung einfach wieder vorbei.« Er reichte Ben zum Abschied die Hand und wurde erneut von dem Strahlen in seinem Gesicht überrumpelt.

»Danke und einen guten Tag noch!« Dann verschwand der große blonde Mann so schnell aus dem Laden, wie er hereingekommen war, und ließ Mason mit dem nachdenklichen Gefühl zurück, dass dieser Besuch ihn aus seinem täglichen Trott herausgerissen hatte.

 

Später betraten noch zwei Stammkunden den Laden und suchten nach besseren Ködern und neuen Angelleinen. Rick, der ältere von beiden, begrüßte Hope mit ein paar kurzen Worten und trat zu Mason an die Kasse.

»Wie laufen die Geschäfte, Mason? Noch immer keine Touristen, die massenweise den Laden stürmen, was?« fragte der Alte und zückte seine Geldbörse, um zu zahlen.

»Nein, leider nicht. Von den Touristen verirren sich manchmal ein paar hierher, aber von großen Umsätzen kann da nicht die Rede sein«, gab Mason zurück. Ihm war bewusst, dass sein »leider« nicht ehrlich gemeint war. Aber Rick würde das nicht bemerken und auch nicht ahnen, dass Mason diese Einsamkeit sehr willkommen war.

»Hm, verstehe. Hast du schon mal daran gedacht, das Waldhaus zu verkaufen? Finanziell gesehen könnte man da sicherlich etwas rausholen und du könntest hier in die Nähe des Ladens ziehen. Wäre doch bestimmt besser, als …«

»Das Waldhaus steht nicht zum Verkauf«, unterbrach er Rick mit fester Stimme. Dieser blickte ihn noch einmal lange an, nickte und hob seine faltige Hand zum Abschied.

»Du solltest darüber nachdenken. So kann es nicht ewig weitergehen, oder willst du erst wach werden, wenn du bereits pleite bist? Halte nicht zu lange an Altem fest, es wird dich Kraft und Geld kosten. Beides hast du nicht, Mason. Denk darüber nach.« Das Klingeln ertönte wie ein Warnsignal, als Rick den Laden verließ, und Mason versank in seinen eigenen Gedanken.

Das Waldhaus zu verkaufen war ihm unmöglich, und selbst in der größten Not würde er noch daran festhalten.

 

An diesem Zuhause hingen so viele schöne Erinnerungen an eine frühere Zeit. Als Maeve und er noch ein glücklich verliebtes Paar gewesen waren, ihr Lachen auf der Veranda ertönte oder ihre sanfte Stimme am Morgen erklang.

Es waren nicht nur die Bilder, die noch unverändert dort hingen und ihn an seine große Liebe erinnerten, sondern auch, dass er Maeve manchmal noch im Sonnenlicht auf der kleinen Treppe vor dem Haus sehen konnte, als sei sie eben noch dagewesen.

Das Haus hatte Maeve bereits bei der ersten Besichtigung gefallen. Für sie war es schon beim ersten Betreten ein Zuhause gewesen. Er konnte nicht vergessen, wie sie durch die Räume ging, die offene Küche für wundervoll befand und anschließend von der Veranda auf den Wiesenhang mit dem umgebenden Wald geblickt hatte und von Grund auf glücklich schien. Da wusste Mason, das ist es. Das ist unser neues Zuhause.

Daraufhin hatten sie ihre Kartons gepackt und so schnell wie nur möglich das neue Heim bezogen. Maeve hatte es geschafft, dieses Haus mit all ihrer Wärme zu füllen und jeder Kerzenschein gab dem einsamen Haus das Gefühl von Geborgenheit. Er seufzte. All das war ziemlich bald nach dem Tod seiner Eltern gewesen. Und auch daran erinnerte er sich zu jeder Zeit des Tages zurück.

 

Er war noch viel zu jung, als seine Eltern starben. Mit siebenundzwanzig ist man nicht bereit, die wichtigsten Menschen in seinem Leben zu verlieren. Aber wahrscheinlich ist man das nie.

Es war ein Autounfall, der so plötzlich und unerwartet kam, dass Mason lange nicht wahrhaben wollte, was geschehen war. Sie waren für ein paar Tage fortgefahren und seitdem nie wieder zurückgekehrt. Vielleicht fiel es ihm deshalb so schwer, ihren Tod zu akzeptieren. Es war, als würde er innerlich noch immer darauf warten, dass sie den Schotterweg herauffuhren und ihn zur Begrüßung in die Arme nahmen. Doch das würde nie mehr geschehen.

In dieser Zeit war Maeve sein einziger Halt gewesen. Auch wenn damals viel Stille zwischen ihnen herrschte, schaffte sie es, ihm in aller Trauer ein Gefühl von Geborgenheit zu geben. Was hätte er nur ohne sie getan? In diesen Monaten schien er abseits vom Leben zu stehen. Alles war an ihm vorbeigezogen wie ein Traum, an den man sich später nicht mehr erinnerte. Und nur dank Maeve war ihm das überhaupt nur möglich gewesen, denn sie hatte sich um alles Weitere gekümmert und Mason in seiner verschwommenen Welt in Frieden gelassen. Es war ein eisiger Winter gewesen und wie Mason empfand, bestand diese Kälte nicht nur außerhalb des Hauses, sondern auch in seinem Innern.

Er erinnerte sich noch an die verschneite Beerdigung, auch wenn ihm einige Details nicht in Erinnerung geblieben waren. In schwarzen Reihen waren sie zum Grab gegangen und in der Ferne waren ein paar Glockenklänge ertönt. Maeve hatte trotz der Kälte ein schönes Kleid getragen. Seiner Mutter hätte es sicher gefallen. Auch wenn sie nicht viel mit Maeve gemeinsam hatte, waren die beiden sehr gut miteinander ausgekommen und hatten mit der Zeit ein vertrautes Verhältnis aufgebaut.

Es war Maeves sehr ruhige und schüchterne Art, die seinen Eltern anfangs Schwierigkeiten bereitet hatte. Besonders seiner überschwänglich fröhlichen Mutter, die oftmals laut lachte und ungehalten plapperte. Stattdessen bestand Maeves persönliche Stärke im Zuhören und sie strahlte stets eine friedliche Ruhe aus, die ihn schon immer fasziniert hatte. Nur seine Mutter konnte das nicht nachvollziehen und manchmal hatte sie Mason besorgt gefragt, ob er sich mit Maeve sicher war und wie er es ertrug, dass sie so wenig sprach. Sie konnte sich einfach kein Haus vorstellen, in dem weniger gesprochen wurde als in ihrem eigenen.

Doch Maeve war nicht immer so zurückhaltend gewesen. Wenn sie erst einmal Vertrauen gefasst hatte, war sie ein wunderbar fürsorglicher und liebevoller Mensch und Mason schätzte jede Kleinigkeit an ihr. Für manch einen mochte sie zu ruhig sein, doch für ihn war sie besonders, ein einmaliges Geschenk. Und der einzig wertvolle Mensch, der ihm nach dem tragischen Unfall noch geblieben war.

Maeve hielt seine Hand, als sie endlich vor dem Grab standen. Die Schneeflocken rieselten langsam hinab, als wäre es ein friedlicher Weihnachtsmorgen. Mason erinnerte sich nicht einmal mehr daran, ob er vor dem Grab Tränen vergossen hatte oder nicht. Wahrscheinlich hatte seine tiefe Trauer solche vermeintlichen Kleinigkeiten ausgeblendet. Doch er erinnerte sich an die wenigen Worte, die er vor seinen verstorbenen Eltern mit Maeve wechselte.

»Ein Schneesturm«, sagte er leise zu ihr, sodass niemand anders ihn hören konnte. Dabei war es nicht weiter von Bedeutung. Keiner der umherstehenden Menschen war ihm wichtig. Er hatte soeben seine Familie verloren.

Maeve blickte ihn mitfühlend an. Womöglich hätte er alles sagen können und egal, wie sinnlos oder verwirrend es gewesen wäre, sie hätte Verständnis für ihn gehabt.

»Nur ein Schneesturm wäre für diesen Tag angemessen«, brachte er hervor und sie hielt seine Hand ein wenig fester als zuvor.

»Ich weiß.« flüsterte sie. »Ich weiß.« Und in ihren Worten schwang so viel Empathie und ehrliche Liebe mit, dass Mason sie am liebsten nie wieder losgelassen hätte.

 

Der Tag im Laden verging langsam und zäh, trotzdem neigte er sich bald dem Ende zu und Mason entschied, schon etwas früher zu schließen. Dies stand ihm zum Glück frei.

Er nahm Hope an die Leine, obwohl sie ihm auf das Wort folgte. Er hatte selten einen Hund gekannt, der eine so innige Beziehung zu seinen Bezugsmenschen hatte. Bezugsmensch, dachte Mason dann kurz und schmerzhaft. Du bist allein. Er würde niemals vergessen, wie Maeve den kleinen Hundewelpen damals schon ins Herz geschlossen hatte und auch den Namen wählte. Hope war von Anfang an wie ein eigenes Kind bei ihnen aufgewachsen und immer lieb und voller Zuneigung gewesen. Und doch war sie Fremden gegenüber scheu und neigte dazu, sich zu verstecken. Nun aber sah sie ihn neugierig an und wich ihm nicht mehr von der Seite, bis sie das Waldhaus erreicht hatten. Ein weiterer Arbeitstag war zu Ende gegangen.

Kapitel 2

Maeve

 

Maeve ging umgeben von wilden Blumen durch das Gras. Ihre braunen Haare fielen über ihren Rücken und sie trug ein leichtes Kleid, als sei es mitten im Sommer. Sie drehte sich kurz zu ihm und dem Waldhaus um, lächelte und lief kichernd weiter. Mason begann zu gehen, wollte ihr folgen. Als auch er auf die Wiese trat, erschien ihm diese wie ein Sumpf, der ihn nur schwer vorankommen ließ. Währenddessen entfernte sich Maeve immer weiter und verschwand mit einem leichten Lachen in Richtung Wald.

»Maeve, warte«, rief er ihr aufgeregt nach und versuchte sich weiter durch das dichte Gras zu kämpfen.

»Maeve«, rief er nun deutlicher, doch sie folgte unbeirrt ihrem Weg. Mason wollte es verstehen, wollte ihre Erklärung hören, weshalb sie ihn zurückließ.

»Maeve!« Doch er erhielt keine Reaktion. Sie hatte fast den Waldrand erreicht. Das Gras schlang sich um seine Beine, als wollte es ihn festhalten. Er versuchte dagegen anzukämpfen, doch viel zu schnell wurde ihm bewusst, dass jeglicher Kampf vergebens war. Er würde es nicht schaffen. Er würde sie verlieren. Erneut verlieren.

Mason blieb stehen und bemühte sich verzweifelt, sich alles an ihr einzuprägen. Ihre zierliche Figur, die Art, wie sie ging und den Klang ihres Kicherns. Und den Blick, den sie ihm zuwarf, bevor sie endgültig im Wald verschwand.

Gerade als er ihr Kleid zwischen den Baumstämmen verschwinden sah, erklang ihre Stimme. Sie schien seinen Namen zu flüstern.

»Mason. Ich bin hier.«

 

Außer Atem schreckte er auf. Das Schlafzimmer war dunkel und Hope lag schlafend auf ihrem Platz neben ihm. Er brauchte einige Augenblicke, bis er sich zurecht fand und verstanden hatte, dass es nur ein Traum gewesen war.

Als sein Herzschlag sich beruhigt und seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, stand er auf und trat an das zugezogene Fenster. Vorsichtig und darauf bedacht, leise zu sein, schob er die Vorhänge zur Seite. Mondschein schimmerte ihm entgegen und tauchte den Wiesenhang vor ihm in sein silbernes Licht. Während er die Gegend nach ihr absuchte, verebbte allmählich die Hoffnung, der Traum könnte auch nur einen Funken Wahrheit in sich tragen. Denn da draußen waren nur die Nacht, der Wald und das einsame Haus außerhalb der Kleinstadt. Er seufzte hörbar und Hope zuckte kurz mit den Ohren. Wann würden diese Träume endlich in Realität umschlagen oder aufhören, ihn jede Nacht an den Schmerz zu erinnern? Als ob ihr Verlust nicht schon schlimm genug wäre.

Und natürlich stellte sich Mason wie jeden einzelnen Tag die Frage, ob sie jemals zurückkommen würde.

In der Küche nahm Mason sich ein Glas Wasser und öffnete die Tür, um erneut nach draußen zu sehen. Noch immer wartete er auf eine kleine, besondere Veränderung. Nur dass diese seit fast einem halben Jahr auf sich warten ließ. Die Nacht war zu kalt, um lange auf der Veranda zu bleiben, weshalb Mason sich schon bald wieder ins Haus begab und zurück ins Bett schlich. Der bevorstehende Winter würde lang werden und wenn er ehrlich war, fürchtete er sich ein wenig davor. Der letzte Sommer ohne Maeve war bereits schwer gewesen und er wusste nicht, wie er einen düsteren und einsamen Winter überstehen sollte.

Bitte, Maeve. Komm nach Hause.

 

Der nächste Morgen war anders und durchbrach damit seinen eintönigen, aber gewohnten Ablauf. Zuerst erklang die Melodie seines Weckers, der wie jeden Morgen auch Hope aufweckte. Doch noch während Mason sich die Decke über den Kopf zog und sich verschlafen über seine Augen rieb, begann Hope alarmiert zu bellen und aufgeregt durch das Waldhaus zu rennen. Erschrocken setzte er sich auf und versuchte festzustellen, was die Hündin so in Aufruhr versetzte.

»Hope?«, rief er unsicher, doch sie reagierte nicht auf seine vertraute Stimme. Ihr Bellen hallte durch die leeren Zimmer. Mason folgte ihr unruhig. Es war ihm fremd, dass Hope ihn so eindringlich vor etwas warnte. Sie stellte sich auf die Hinterläufe und blickte aus dem Fenstern. Kaum hatte Mason sich neben sie gestellt, um zu sehen, was ihr solche Sorgen bereitete, rannte sie zur Tür und begann erneut laut zu bellen.

»Ist ja gut, Hope … es ist alles gut.« Vorsichtig und zögernd öffnete er die Haustür und die Hündin stürmte hinaus. Sein Blick folgte ihr, während sie von der Veranda sprang und über die Wiese rannte. Er atmete die Herbstluft tief ein und genoss die Aussicht auf den Wald. Die ersten hellen Sonnenstrahlen spiegelten sich in rotem Laub und grünen Tannspitzen wider. Die Vögel hatten bereits begonnen ihre Lieder zu singen. Erst viel zu spät erkannte Mason den Grund für Hopes Aufregung. Zwischen den Bäumen am Waldrand bewegte sich kurz etwas, bevor es vollkommen zwischen den Blättern verschwand. Er fuhr sich durch die Haare und seufzte, dann pfiff er Hope zurück. Die Morgendämmerung war die Zeit der Waldtiere und besonders Rehe verließen um diese frühe Zeit oft ihre Verstecke und wagten sich etwas weiter hinaus auf die Wiesen. Der Carolina Dog hatte anscheinend ein verirrtes Reh entdeckt. Mason rief die Hündin erneut zu sich. Nachdem Hope sich versichert hatte, dass sich kein Eindringling mehr auf dem Grundstück befand, folgte sie ihm friedlich zurück ins Haus. Er warf einen letzten Blick zurück zum Wald, auf die Stelle, an der dieser geheime Besucher verschwunden war. Es war ein ziemlich weites Stück und erforderte einigen Mut, sich bis an das Haus heranzuwagen, dachte er. Hopes Lärm musste das Tier verschreckt haben und Mason rechnete nicht damit, dass es sich schon bald wieder hier am Waldhaus sehen lassen würde.

An diesem Morgen fiel sein Blick immer wieder auf Hope. Er beobachtete, wie sie auf die Kunden reagierte, die den Laden betraten, auch wenn es an diesem Vormittag nur wenige Menschen waren. Aber nichts an ihr hatte sich verändert, im Gegenteil. Sie verhielt sich ebenso unbeschwert und friedlich wie zuvor. Es war beinahe schmerzhaft für Mason, zu erkennen, wie glücklich sie ihr Leben fortführte, ohne dass sie Maeve vermisste.

Deines sollte ebenso weitergehen, schoss es ihm durch den Kopf und er erschrak über diesen Gedanken. Ihm war bewusst, dass er sich vor dieser Perspektive fürchtete, weil er Angst hatte, Maeve könnte den Eindruck erhalten, er habe sie nie aufrichtig und aus tiefstem Herzen geliebt. Und dass Mason sie an jedem Tag vermisste, stand wirklich außer Frage. Aber würde sie tatsächlich jemals zurückkommen oder verschwendete er seine Zeit? Vielleicht war es wahr, was die Leute sagten. Dass Maeve nie mehr auftauchen würde und er es endlich einsehen musste. Dass er endlich loslassen musste, um sein Leben neu zu beginnen. Doch stattdessen vermisste er sie an jedem einzelnen Tag und selbst nach einem halben Jahr war es ihm noch nicht möglich, die Hoffnung auf ihre Rückkehr einfach aufzugeben.

 

Ben kam am Nachmittag zurück. Noch bevor er die Theke erreicht hatte, holte Mason bereits seine reservierte Angel hervor.

»Oh, vielen Dank!«, sagte Ben und nahm ihm das Paket ab.

»Sehr gerne«, antwortete Mason. »Wie vereinbart habe ich sie gut verwahrt.« Danach schwebte eine schwere Stille zwischen ihnen und Mason wurde bewusst, dass noch etwas Ungesagtes zwischen ihnen stand.

»Und wann möchten Sie sich den Glacier-Nationalpark ansehen? Das Wetter soll in den nächsten Tagen ganz gut sein«, begann Mason. Ben ging sofort eifrig darauf ein.

»Wirklich? Dann sollte ich mir das nicht entgehen lassen. Was halten Sie von Freitagnachmittag? Ich könnte dann schon etwas früher Feierabend machen.« Mason sah ihn überrascht an.

»Sie werden doch mitkommen, oder?«, fragte Ben nach. Masons Blick fiel kurz auf Hope und er erinnerte sich an ihre unbeschwerte, freundliche Art.

»Doch natürlich. Freitagnachmittag klingt sehr gut«, antwortete er, ohne weiter darüber nachzudenken, und Ben verabschiedete sich erfreut.

Kapitel 3

Die Verborgenen

 

»Ich kann sie sehen!«, flüsterte Isla leise, und doch war ihre Aufregung deutlich zu hören. »Ich sollte zu ihr gehen und ihr endlich sagen, dass …«

»Isla! Halte dich zurück! Das wirst du unter keinen Umständen wagen, hast du mich verstanden?« herrschte Caja sie energisch an. »Du wirst dich in Geduld üben, bis sie von selbst zu uns findet.« Isla wiederholte in Gedanken genervt das Wort »Geduld«, während sie von dem Baumstamm hüpfte. Sie mochte dieses Wort überhaupt nicht.

»Ob sie Sayde gefallen wird? Was meinst du, Caja ist sie nicht wunderschön?« fuhr Isla fort, ohne ihren Blick abzuwenden.

»Sayde hasst Veränderungen und auch alles Neue, das dadurch entsteht. Er wird auch sie verachten, sie abweisen und deutlich spüren lassen, dass sie auch nur eine unerwünschte Veränderung ist. Egal, wie sehr sie von Unschuld und Reinheit geprägt sein mag, er würde es nicht mal erkennen, wenn sie direkt vor ihm stünde. Er wird es nie sehen und nein, Isla – sie wird ihm bestimmt nicht gefallen. Dafür ist er zu blind geworden in all den Jahren.« Caja wandte sich verärgert ab und bahnte sich langsam einen Weg zwischen den Bäumen hindurch.

»Was nicht erkennen?«, rief Isla ihr hinterher, doch Caja antwortete nicht. Bevor sie ihr folgte, warf sie einen letzten Blick auf die Neue und fragte sich, welche Eigenschaften sie mit sich brachte. Im Gegensatz zu Sayde konnte sie es kaum erwarten, dass sie endlich ein Teil von ihnen wurde. Hoffentlich kann sie diese Langeweile endlich beenden, dachte Isla und betrachtete sie weiter neugierig. Sie wirkte so unscheinbar. Unscheinbar schön, schoss es ihr durch den Kopf, und sie dachte über Cajas Worte nach. Unschuld und Reinheit hatte sie gesagt. Isla schüttelte den Kopf. Caja war alt und grau geworden und die Geschichten, die sie erzählte, entsprangen sicherlich nicht alle der Wahrheit. Isla stieß einen schrillen Schrei aus und beobachtete, wie die Neue verschreckt in der Dunkelheit zwischen den Bäumen verschwand. Sie ist kein bisschen anders, dachte Isla und folgte Caja in den Wald. Die Neue würde nichts an diesem Schicksal ändern und schon gar nichts an Saydes Einstellung.

Kapitel 4

Mason

 

Die Tage bis zum Ende der Woche vergingen schleichend und immer wieder durchkreuzte der anstehende Angelausflug Masons Gedanken. Er fragte sich, wie er darüber denken würde, wenn Maeve noch an seiner Seite wäre, und versuchte sich vorzustellen, wie sie zu ihm sprechen würde, wenn sie könnte. Ob Maeve ihm raten würde, endlich loszulassen und sich wieder ins Leben zu stürzen? Er seufzte und schob diesen Gedanken vorsichtig beiseite. Sein Platz würde immer irgendwie an ihrer Seite sein. Er dachte an die Hochzeit, die bereits einige Jahre zurücklag. Trotzdem würden die Bilder dieser Erinnerung niemals vergehen.

 

Die Hochzeit hatte ganz Maeves Art entsprochen. Im kleinen Kreis der Familie und mit einigen Freunden hatten sie sich das Jawort gegeben. Da sie beide keine große Verwandtschaft hatten, ergab es sich einfach. Maeves Eltern und ihre Schwester waren extra dafür angereist, denn sie wohnten viel weiter nördlich in einer Kleinstadt in Kanada. Sie waren nicht besonders begeistert gewesen, eine ihrer beiden Töchter derart weit entfernt heiraten zu sehen. Doch Maeve war schon Jahre zuvor beruflich hierher versetzt worden und hatte nicht vor, ihr neues Zuhause zu verlassen. Sie wusste auch, dass es Mason sehr wichtig war, in der Nähe seiner Eltern zu bleiben.

Es war ein sonniger Tag gewesen und durch die Kirchenfenster drangen gleißende Sonnenstrahlen herein, die wie leuchtende Funken umher hüpften, als Maeve in ihrem prachtvollen weißen Kleid die Kirche betrat. Es war nur gezielt mit glitzernden Steinen versehen, die wie Tautropfen am Morgen das Licht spiegelten. Maeve sah wunderschön aus und Mason würde diesen Anblick nie vergessen.

 

Als sie endlich das Ende des Mittelganges erreichte und sich vor dem Altar neben ihn stellte, sahen sie einander an und alles um sie herum war vergessen. Da waren einfach nur sie beide, Mason und Maeve. Als hätte der Rest an Bedeutung verloren. An diesem Tag glaubte er, sie seien von nun an unzertrennlich und für immer vereint. Und dann war sie eines Morgens einfach verschwunden gewesen. Er hatte zuerst nachgesehen, ob sie bereits mit Hope spazieren ging und danach ihr Geschäftshandy überprüft. Aber von diesem Zeitpunkt an hatte es nie wieder eine Spur von ihr gegeben und mit den Monaten hatten die Menschen die Suche nach ihr aufgegeben. Maeve war nie vergessen worden, aber ihre Familie und Freunde hatten die Hoffnung auf ihre Rückkehr längst aufgegeben, während er sich noch immer daran klammerte.