Seelenruhig - Florjan Lipuš - E-Book

Seelenruhig E-Book

Florjan Lipus

4,9

Beschreibung

Es sind nur hundert Seiten, aber was für welche! Florjan Lipuš bringt es fertig, darin nicht nur ein ganzes Leben, sondern vor allem das Leben als Ganzes unterzubringen: von den ersten Wahrnehmungen, den Nöten des Aufwachsens und den Schwierigkeiten, sich in der Welt der anderen zurechtzufinden, über die ersten Glücksmomente der Begierde und der Liebe bis zu dem letzten Blick der Augen auf eine Welt, die man, auch wenn sie nicht immer verlockend ist, doch nur ungern verließe.Der Autor berichtet mit erstaunlicher Gelassenheit seine Biografie vom Aufwachsen in bäuerlicher Umgebung, in einer Familie, die von den Entsetzlichkeiten der Geschichte nicht verschont wurde. Ebenso erzählt er vom Aufwachen unter den verstohlenen Blicken einer Jungen, mit der er noch als Alter das Leben teilt.Lipuš erzählt so, dass man die Erde riecht, auf der sein Protagonist aufwächst, und die Luft einatmet, die die Menschen dort wie überall mit der Natur teilen.

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Seitenzahl: 132

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Diese Ausgabe wurde von der slowenischenBuchagentur ermöglicht

© 2017 Jung und Jung, Salzburg und Wien

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: © plainpictures/Millennium/Rob Wilson

Umschlaggestaltung: BoutiqueBrutal.com

ISBN 978-3-99027-099-8

eISBN 978-3-99027-159-9

FLORJAN LIPUŠ

Seelenruhig

Erzählung

aus dem Slowenischen von Johann Strutz miteinem Nachwort von Fabjan Hafner

Inhalt

Seelenruhig

Nachwort

Den Tag über füllte sich der Körper mit Licht, es drang ins Gewebe und sammelte sich in den Vertiefungen der Haut. Das Licht, etwas Unsichtbares, und ein Körper, der ihm die Mauer macht! Wenn er sich in der Nacht, gegen Morgen, im Bett umdrehte und die Augen öffnete, stoben Funken aus den Fingernägeln, kurze, kleine Blitze jagten mit kaum hörbarem Pfeifen und Zischen aus den Hautgrübchen, ähnlich dem verzerrten Gesang einer Zikade, wenn sie erstmals ihre Stimmplättchen erprobt. Kaum hatten sich die Blitze gezeigt und das verschlafene Auge die Blitzerei wahrgenommen, war es damit auch schon vorbei, und an der Kopfseite und rundherum alles wieder finster. Kein Rauch nach den Funken, von den Blitzen keine Spur mehr. Auch geblendet hatte es ihn nicht, wie sonst, wenn ein Blitz aus den Wolken aus großer Nähe aufs Auge trifft. In meinem Bett blitzt es, dachte er, als er sich aus dem Halbschlaf wälzte. Schlagartig wurde ihm klar, daß er an einem schon lange unterbrochenen Strom anknüpfte, der jetzt wieder zum Leben erwachte. Zuerst war er unsicher, ob er in Sorge oder nur überrascht und freudig ergriffen sein sollte. Daß es kein Traum war, daran zweifelte er nicht im Geringsten, obwohl er noch nie einen vernünftigen Traum gehabt hatte. Ein Traum war es nicht, ein Traum konnte es schon deshalb nicht gewesen sein, weil Träume ihn immer bedrückt hatten; diese kleinen Blitze aber hatten ihn aufgepeitscht bis zur Anstößigkeit, er war sogleich bei sich und guter Laune, er wußte, die Nacht würde schwungvoll enden und der Tag üppig beginnen. Aus seinen Fingern, vielleicht auch aus den Handflächen oder aus den Nägeln, fuhren Blitze, daran gab es keinen Zweifel, aber ein Unbehagen, eine Unklarheit blieb zurück. War er aufgewacht, weil es aus den Fingern geblitzt und das Licht den Schlaf unterbrochen hatte? Oder hatte es von den Fingern geblitzt, weil er aufgewacht war?

Diese paar kleinen Blitze, ungewöhnlich kurz, aber jedenfalls zu lange, um sie verheimlichen zu können, und beunruhigend genug, um den Schlaf zu vertreiben, hatten sich in der darauffolgenden Zeit schon einige Tage im Voraus angekündigt, es hatte unter den Nägeln gezuckt, ohne zu jucken, worauf eine unsichtbare Feder ausgelöst wurde. Die kleinen Blitze fielen nicht einfach so vom Himmel wie Äpfel und Birnen, und man konnte sie nicht aus den Wolken kratzen oder vom erstbesten Strauch pflücken. Wenn es ein nebliger Tag war oder wenn es regnete, gab es keine Fingerblitze. Auch nicht, wenn er die Hände zwischen den Beinen vergrub, indem er das Skrotum umfaßte und lockerte, sie zwischen die Schenkel oder an einen anderen warmen Ort unter der Decke steckte. Es blitzte immer nur dann, wenn die Hand in Kopfnähe lag, dicht vor den Augen. Aus dem Hellen blitzte es, aus der Überfülle des in seiner Haut gespeicherten Lichts. Manchmal war er sich nicht sicher, ob es geblitzt hatte oder es sich vielleicht nur angeschickt hatte zu blitzen, oder ob die Blitze doch noch losgehen und aus dem Versteck hervorschießen wollten, unter der Fingernageldeckung herauskippen, es sich aber anders überlegt hatten. Das waren keine Donnerblitze, sondern lautlose Lichtexplosionen, die so gut wie keine Helligkeit hervorbrachten, es war eine in stumme Fäden verwandelte Elektrizität. Ähnlich dem Trommelklang, wenn der Trommler den Schlegel gegen die Membran schwingt und ihn knapp davor fast zum Stehen bringt, weil er rechtzeitig bemerkt, daß er sich in den Noten geirrt hat, sodaß der Schlegel im Schwung die Trommel nur zart berührt und gerade noch einen Ton aus ihr heraustrommelt, wobei es sich nur um einen Notenfehler, nicht aber um einen Nagelfehler gehandelt haben kann. Man könnte nicht behaupten, daß es um etwas Größeres ging, es zogen sich nur einige kurze helle Linien von rechts nach links, die gerade noch aus dem Trommelschlegelkopf zischten und dabei auch schon erloschen. Kurzatmige Blitzchen von demütiger, unschuldiger Natur und niedriger Spannung waren zu sehen, aber sie waren unspürbar, kein Zittern lief durch die Finger, kein Stoß ging durch die Hand, kein Brennen war in den Augen, im Gegenteil, es war ihm angenehm, es tat dem Körper gut, er fühlte sich erleichtert. Und viel von dem Blitzen mußte unbemerkt ins Leere gegangen sein, ohne daß er eine Ahnung hatte, wie viel es war, immer dann, wenn er garbentief schlief. Sein Tiefschlaf verschluckte das Blitzen, und es war ihm leid, weil ihm etwas so Eigenes unwissentlich und unwillentlich verloren ging. Wenn sich doch nur nicht im Tiefschlaf mehrere Salven auf einmal lösen, und er schlafend und schnarchend den ganzen Sturm versäumt!

In der Kindheit war das nie vorgekommen, es passiert ihm jetzt, wenn ihm der Speichel aus dem Mund trieft und die Dinge ihm nur so aus den Händen zu gleiten beginnen. Grundlos rennt er gegen einen Pfeiler, er runzelt die Stirn, vergißt, die Füße zu heben, und stolpert über den Teppich. Seine reifen Jahre waren zu ernst gewesen und zu sehr auf die alltäglichen Erfordernisse ausgerichtet, zu sehr in Beschlag genommen von anderen, sonstigen Bedürfnissen, als daß er sich lang bei so kurzlebigen, blitzartigen Ereignissen aufgehalten hätte. Das Blitzen kam in Wellen, wie Hunger und Durst, wie der Geschlechtstrieb, wie Krankheiten, nur daß alles seinen eigenen Rhythmus hatte und auf den Einzelnen abgestimmt war. Er war ohne eine Stütze und nur seinem Einfallsreichtum überlassen, denn er kannte niemanden, dem es aus den Fingern oder aus irgendwelchen anderen Körperteilen geblitzt hätte, und schon gar nicht jemanden, der von so einem Menschen auch nur gehört hätte. Noch nie hatte er davon reden gehört, möglicherweise verheimlichen alle nur, daß es aus ihnen blitzt, und wollen kein Gloria über das Blitzen anstimmen, weil ein Phänomen wie dieses nur den bösen Verdacht wecken könnte, als wären solche Leute zu spät aus dem Backofen gezogen worden und hätte ihre Rinde Schaden genommen. Wenn alle über das Blitzen Stillschweigen bewahren, wird auch er es tun. Und wirklich hängte er es nicht an die große Glocke.

Unterdessen quälte ihn manchmal doch die Neugier, woher sein Blitzen wohl kommen mochte. Zwar fluchte auch der Vater, wenn ihm die Arbeit nicht recht von der Hand ging, daß es zwischen den Bäumen aufblitzte und man befürchten mußte, die Reiser würden Feuer fangen, wahrscheinlich kam der Blitz aber nur vom Aufzucken der Fällaxt, die in den Stamm fuhr. Wenn ihm selbst später von irgendwoher so ein Teufel hineinfuchste, als er seine Hirtenjahre schimpfend hinter sich brachte und über das eigensinnige Vieh fluchte, weil ihm ein Ochs von der Kette abkam, stieß tatsächlich auch er unvergeßliche Flüche aus. Oder wenn ihm zur falschen Zeit und am falschen Ort etwas ganz Vermaledeites widerfuhr und er unwirsch und zornig war, dann erboste auch er sich, manchmal laut, manchmal still, nie aber blitzte es hernach auf. Von einem Blitz weder Strich noch Punkt! Auf väterlicher Seite hatte er nichts mitbekommen, das Blitzen musste wohl von woanders herrühren, es hatte nichts mit seinen ersten Erfahrungen zu tun, mit den ursprünglichen, ungehobelten Gewohnheiten der Erwachsenen. Hatten ihm die Augen etwas vorgegaukelt und ihn abgelenkt? Auch in den reifen Jahren hatte es nachts hin und wieder aus den Fingern geblitzt, aber das hatte er seelenruhig von sich gewiesen. Angesichts seiner Existenzsorgen lag ihm nichts daran, sich damit abzugeben. Gleichgültig gegenüber diesem Wetterleuchten aber war er nie.

Das erste Mal blitzte es bei ihm zu einer Zeit auf, als seine Lebenssäfte anstiegen und seinen Leib kräftiger zu durchströmen begannen. Damals hatte es das Blut in seinen Adern sehr eilig, es nahm sich aber stets genug Zeit, um anzuhalten und fast zu lange in den Schwellungen zu verharren, in den erwachenden, begehrlichen Teilen des Körpers. Als er sie erblickt hatte, die Langwangige, die mit den hohen Backenknochen, blitzte es vor seinen Augen. Damals wußte er noch nicht, daß es aus seinen Fingernägeln blitzte, er erinnert sich ja auch nicht und es war seine letzte Sorge, wo sich in diesem Moment seine Hände befanden. Auch hatte es ihn nicht überrascht, schon gar nicht in Staunen versetzt, daß es bei Sonnenschein und aus heiterem Himmel blitzte. Später, als schon alles vorbei war, konnte er sich nicht einmal daran erinnern, ob es gedonnert hatte oder nicht, als es blitzte. In jenem Moment war es für ihn die gewöhnlichste, völlig unverdächtige, natürlichste Sache auf der Welt, daß es aus dem Heiteren blitzte. Sie war aus der Kirche gekommen und ging in Richtung Haus, in einem blauen Kleid, am hellen Tag, auf einem ziemlich abschüssigen, glatten Terrain, das beim Gehen, um nicht zu stolpern, eine bestimmte Körperhaltung verlangte, ein vorsichtiges Aufsetzen der Füße. Den Körper stark zurückgeneigt, möglichst nahe am Boden, jeden Moment darauf gefaßt, den Sturz auf den Rücken zu mildern, wenn es dazu käme. Ein Sturz auf die Nase wäre hier nach menschlichem Ermessen ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, ein Wunder von Ungeschicklichkeit, und hätte zweifellos den Verdacht auf fallsüchtige Seligkeit erregt, wenn nicht gar bereits die ersten Maßnahmen zu deren Bekanntmachung ausgelöst. Alles, was sich in Kirchennähe an Ungewöhnlichem ereignet, ereignet sich auch schon auf kirchlichem Boden und wird darum gern ins Heilige, Heiligmäßige gekehrt, schließlich sind außergewöhnliche Zeichen rar und kostbar, und letztlich ist selbst die verheißene Seligkeit ungewiß, weil alle Heilspläne durch die Schlechtigkeit der Menschen vereitelt werden. Auch Anfälle von Gläubigkeit greifen nicht immer und überall, auch sie garantieren nicht, daß ihre Stifter sich verläßlich unter die Seligen einreihen werden. Ihre Schritte auf diesem Gefälle zeigten und betonten die Geschmeidigkeit ihrer Gestalt, seine Augen folgten ihren Bewegungen, bis sie um eine Ecke entschwand. Sogar im Sommer glitt man auf diesem abschüssigen, rutschigen Boden aus, wahre Fallen für die Ungeschicklichkeit, im Winter aber krochen die Menschen nur noch dahin und klammerten sich aneinander, um mit heilen Gliedern den ebenen Boden zu erreichen und bis zum nächsten Sonntag gesund und munter zu bleiben. Beim Gehen, als sich an ihrem Kleid die Rundungen ihres Körpers zeigten und abzeichneten, begann es zu blitzen. Wenn er daran denkt, wie sich sein Körper von einem Augenblick zum anderen verausgabte und bewegungslos, wie an den Boden gefesselt dastand, hatte es allen Anschein, als hätte er nicht einen armseligen Blitz, sondern eine ganze Salve nach ihr abgefeuert.

In jener Nacht konnte er nicht schlafen, und in den darauffolgenden Nächten war es noch schlimmer, tagsüber um nichts besser, weil ihn die Mitschüler auslachten und auf Ehrenwort schwören ließen. Manch Böses mußte er sich anhören. Die Freude der anderen, wenn sie sich billig einen Spaß machten, stimmte ihn traurig. Das wohlfeile Vergnügen war nicht das Seine, für ein niedriges Vergnügen gab er keinen Groschen, es war für ihn nichts Halbes und nichts Ganzes. Ihn überkam und erfüllte die höhere, erhabene Freude, ordentlich hatte es ihn erwischt, ihn, der eine strenge Hand gewohnt war und sich nun in einer honigsüßen Falle gefangen sah. Nach diesen Momenten, wenn er wieder wach wurde, nachdem der Schlaf ihn doch überwältigt hatte, nahm er zum ersten Mal bewußt wahr, wie es aus seinen Fingern herausblitzt. Ein längliches Flämmchen schoß aus seinem Nagelbett in Richtung der Fingerbeere und erlosch; womöglich gar eines von jenen, die noch von der Langwangigen geblieben waren! Er erinnert sich, daß er darüber augenblicklich sehr erstaunt war, sofort hellwach und voll bei Sinnen. Zur täglichen Gewohnheit wurde ihm das Blitzen erst mit der Zeit. In jener ersten Nacht war er aufgestanden und hatte bei Licht lange die Finger betrachtet, aber es war nichts Besonderes zu sehen. Für alle Fälle wusch er sich die Hände, damit an ihnen nicht irgendwelche Reste schädlichen Abfalls haften blieben, Spuren giftigen Staubs oder geronnenen Schleims, denn zwischendurch hatte er sich manchmal in den Ärmel geschnäuzt oder etwas Schmutziges berührt und war dann wieder unter die Decke gekrochen. Wenn er nachher im Dunkeln die Augen öffnete und die Finger ganz in der Nähe waren, schossen die Blitze aus ihnen hervor. Bei Licht gab es keine Blitze, und wenn doch, so blieben sie unsichtbar und unterschieden sich in nichts vom Tageslicht.

Die Blitze, die über die Fingerballen flitzten und um die Fingerbeere züngelten, wurden ein Teil von ihm, sein Merkmal und Charakteristikum, wie jeder Mensch seine Eigenheiten hat, obwohl er sie im Alltag nicht immer wahrnimmt, aber auch nicht vergißt. Wenn er ausgeschlafen sein mußte, öffnete er beim Erwachen die Augen absichtlich nicht, denn das frühmorgendliche Blitzen rief in ihm stets Unbehagen und Unwillen hervor. Mit geschlossenen Augen kleidete er sich an, rieb sich die Finger am rauhen Gewand, um ihre aufgestachelte, zum Blitzen bereite Oberfläche ab- und freizukratzen, ihr die Ladung und Sprengkraft zu nehmen. Aber noch dann zwinkerte er vorsichtshalber ein paarmal, bevor er die Augen ganz öffnete. Die Zeit um den Altschein des Mondes war die sicherste Zeit, dann blieb das Blitzen aus. Dazwischen gab es Jahre, in denen sich die Blitze ganz zurückgezogen hatten, sich im juckenden Pulsieren der Adern verbargen, im Wallen des Bluts, und sich manchmal nur lockerten, ohne loszugehen, lange Zeit still in den Fingern ruhten.

Unterdessen schien es, und er fand sich so ziemlich damit ab, daß aus den alten, bereits krumm gewordenen Fingern keine Blitze mehr kommen würden. Er ordnete sie jenen Dingen zu, die ihre Zeit und Dauer haben, kommen und gehen, und trotzdem sollte er ihre Wiederkehr noch erleben. Wenn er ihnen auch nicht nachtrauerte, so bedauerte er es doch, denn sie waren verbunden mit den Erinnerungen an die schöne Jochbeinige. Was kümmerte es ihn schon, wenn sich die Natur zum Zeitvertreib nur über ihn lustig machte! Stärker traf es ihn, daß es bis in seine alten Tage unklar bleiben sollte, wo das Blitzen hergekommen war. Sammelt sich das Feuer beim Schreiben und Lesen an, beim Umblättern der Seiten, bei der Reibung eines Stoffs an einem anderen Stoff oder beim Umstellen der Bücher? Treibt die Handarbeit es in die Fingernägel, die Bewegung der Finger, ihr Zupacken und Nachlassen, ihr kräftiges Arbeiten, oder liegt der Schlüssel zu den Blitzen im Streicheln, Scheuern, Schrubben? Ist das Blitzen eine Folge des Starrens auf das Papier, des angestrengten Blicks in Bücher und Zeitschriften? Die Finger des Schreibenden, wenn sie die Seiten umblättern und über das trockene Papier gleiten, werden durch die Reibung elektrisch, und so verwundert es nicht, daß sich das Blitzen in den Fingernägeln, ihrem Absprungbrett, auflädt. Der Leser, der nur Leser ist, spürt dieses Brausen nicht, weil er sich die Finger einspeichelt. Die analphabetischen Finger des Lesers durchweichen das dürre Wörterholz, überfluten das Buchstabengebilde, ertränken jedes Fünkchen. Die Sprache ist nicht nur eine Botschaft, sondern auch eine Handlung, ein Tun. Wenn wir uns der Sprache bedienen, enthüllen wir mit ihr unseren Kern, geben wir unsere Charakterfestigkeit kund, kehren wir das Innerste nach außen. Sind die Blitze eine logische Fortsetzung der fortwährenden Wiederkäuung des funkelnden Wortbreis?