Sehnsucht unter weitem Himmel - Anna Jacobs - E-Book
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Sehnsucht unter weitem Himmel E-Book

Anna Jacobs

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Beschreibung

Ismay Deagan hat nur einen Wunsch: Irland zu verlassen und bei ihrem Bruder Bram in Australien zu leben. Doch ihr Vater hat andere Pläne und drängt sie, ihren bösartigen Nachbarn Rory Flynn zu heiraten. Als Flynn sie eines Tages brutal schlägt, hält Ismay es nicht mehr aus und flieht. Getarnt als verarmte Witwe macht sie sich auf den langen Weg nach Australien. Auf der Überfahrt begegnet sie Adam Treagar - und plötzlich erscheint ihr ein glückliches Leben gar nicht mehr so unmöglich ...

Aber kann Ismay Adam trauen und ihm die Wahrheit über ihre eigene Vergangenheit anvertrauen? Oder wird sie ihr altes Leben einholen, bevor sie überhaupt in Australien ankommt?

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Dank

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

Über dieses Buch

Bram Deagan leitet ein erfolgreiches Handelsunternehmen in Australien und träumt davon, seine Familie aus Irland zu sich zu holen. Doch eine Typhusepidemie wütet in Brams Heimatland, und viele Familienmitglieder werden von der Krankheit dahingerafft.

Maura Deagan ist die einzige, die sich nun noch um ihre kleinen Nichten und den Neffen kümmern kann und dafür muss sie all ihre eigenen Ziele und Wünsche aufgeben.

Ihre letzte Hoffnung auf ein neues Leben ist die Überfahrt nach Australien und gemeinsam mit den Kindern tritt sie die Reise über den Suez Kanal an.

Auf dem Schiff trifft sie den jungen Hugh Beaufort und verliebt sich in ihn. Doch als unerwartet jemand aus Hughs Vergangenheit auftaucht, ist Mauras Traum von der gemeinsamen Zukunft in Gefahr…

Über die Autorin

ANNA JACOBS hat bereits über siebzig Bücher verfasst. Sie wurde in Lancashire geboren und wanderte 1970 nach Australien aus. Sie hat zwei erwachsene Töchter und wohnt mit Ihrem Mann in einem Haus am Meer.

ANNA JACOBS

TÖCHTER DESHORIZONTS

Sehnsucht unterweitem Himmel

Aus dem amerikanischen Englischvon Diana Beate Hellmann

BASTEI ENTERTAINMENT

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Titel der Originalausgabe: »Trader´s Sister«

Copyright © Anna Jacobs 2012

Deutsche Erstausgabe

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Projektmanagement: Esther Madaler

Covergestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven von © shutterstock: iktash|Nemeziya|bikeriderlondon|Nataliia Kucherenko

E-Book-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-2557-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für meine entzückende Nichte Clare und ihre Familie:Damion, Amber, Darcy und Connie.Ihr habt gesagt, Ihr wollt euer eigenes Buch,

Ich danke Rondo Bernardo für seine Hilfe im Hinblick auf den Lebensalltag chinesischer Familien in Singapur.

KAPITEL 1

Irland: Mai 1868

Ismay Deagan sah zu, wie ihre Mutter den Brief berührte, der von ihrem Bruder in Australien gekommen war und den man aus dem großen Haus herunter in ihre Kate hatte bringen lassen. Mom fuhr die Zeilen der Adresse nach, denn Bram hatte diese Worte geschrieben, und es war fast so, als würde sie ihren ältesten Sohn berühren.

Es schmerzte Ismay, ihre Mutter so bekümmert zu sehen, daher sagte sie mit lauter Stimme: »Na, was ist? Willst du ihn denn nicht öffnen?«

Mit einem Seufzen gab ihre Mutter ihr den Brief: »Lies du ihn mir vor.«

Ismay nahm das scharfe Küchenmesser, trennte den gummierten Umschlag vorsichtig an der oberen Kante auf und überflog den Inhalt. Es stand so ungefähr das Gleiche darin wie in seinem letzten Brief. Ihrem Bruder ging es gut, er machte gute Geschäfte als Kaufmann und … »Ach, seine Frau steht kurz vor der Niederkunft. Das ist jetzt drei Monate her. Inzwischen wird sie es schon haben.«

»Und ich werde das arme kleine Ding nie sehen«, murmelte Mom. »Werden sie den Kleinen in diesem heidnischen Land überhaupt zu einem Christenmenschen erziehen?«

»Warum fragst du das ständig? Bram hat uns doch erzählt, dass es in Fremantle eine katholische Kirche gibt. Er sagt immer wieder, dass er uns alle zu sich holen wird, sobald er sich mehr etabliert hat, also wirst du sein Kind sehr wohl sehen. Er wird ein reicher Mann werden, jawohl, mein kluger Bruder schafft das.«

Doch ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Es ist mir egal, wie reich Bram wird. Ich bin zu alt, um in ein anderes Land zu gehen. Das würde mich umbringen, das weiß ich. Außerdem habe ich hier Kinder und Enkelkinder. Die verlasse ich nicht. Wenn er ein reicher Mann wird, sollte er nach Hause kommen und in Irland leben und sich hier ein Stück Land kaufen. Dann könnten wir alle glücklich sein.«

»Ihm gefällt es dort, und er verdient dort mehr Geld. Wenn er es mir anbietet, gehe ich zu ihm nach Australien.«

Ihre Mutter richtete sich auf und sah sie böse an. »Wirst du denn nie gescheit, Mädchen? Dein Vater hat es dir doch letztes Mal schon gesagt, und ich stimme ihm zu: Das erlauben wir dir nicht. Ich will nicht noch ein Kind verlieren.«

»Du hast so viele, da kann ich mir nicht vorstellen, dass du eins oder zwei vermissen würdest«, murmelte Ismay, aber sie hütete sich, es laut auszusprechen. Als sie das letzte Mal gesagt hatte, sie würde nach Australien gehen, hatte sie von ihrem Vater den Gürtel zu spüren bekommen. Er tat ihr auch weh.

Als sie alle noch klein waren, hatte Dad sie nicht so oft geschlagen, aber damals war Bram da gewesen und hatte ihn durch gutes Zureden davon abgebracht. Seit ihr Bruder fort war, schien ihr Vater ständig wütend zu sein, sodass sie sich fragte, ob er vielleicht eifersüchtig war, dass es seinem Sohn in Australien so gut ging.

Als Dad sie das letzte Mal geschlagen hatte, hatte er die ganze Zeit gesagt, sie sei wild, sie hätte den Teufel im Leib und er würde ihn austreiben. Nein, sie war nicht wild. Sie war nur nicht … sanft.

Hinterher hatten sie den Priester geholt, und Father Patrick hatte sich endlos über das vierte Gebot ausgelassen: »Du sollst Vater und Mutter ehren.« Nun ja, wenn Eltern wollten, dass ihre Töchter sie ehrten, dann sollten sie netter zu ihnen sein.

Ihr wurde bewusst, dass ihre Mutter noch etwas gesagt hatte. »Wie bitte? Was hast du gesagt?«

»Hat Bram sonst nichts mehr geschrieben in dem Brief?«

»Doch. Er hat Mr Kieran noch weiteres Geld für euch ins große Haus geschickt. Der wird es uns geben, sobald er es bekommt, wie beim letzten Mal.«

»Es wäre mir lieber, wenn Bram das Geld dafür nehmen würde, wieder nach Hause zu kommen.«

Ismay konnte es nicht mehr hören, sie hatte es satt, dass ihre Mutter vor der Welt da draußen die Augen verschloss, die ganz bestimmt interessanter war als ihr ödes kleines Dorf. Manche Leute sagten, es sei ein hübsches Dorf, weil unten an der Straße gleich der See war. Die Enten tummelten sich gern dort. Da waren sie umgeben von Hügeln und grünen geschwungenen Wegen, doch sie hatte nie eine Gelegenheit, die Hügel hinaufzuklettern oder durch die Landschaft zu wandern, weil Dad wollte, dass seine Töchter zu Hause blieben, damit ihnen nichts passierte.

Und im Dorf gab es zwar hübsche Steinhäuser und eine Kirche mit bunten Glasfenstern, aber ihre Kate hatte nur zwei Zimmer, das Strohdach war verfault, und die Wände waren feucht und blätterten ab.

Genau in dem Moment kam ihr Vater von der Arbeit auf dem Hof nach Hause, der zu dem großen Haus gehörte. Fast ihre ganze Familie arbeitete für die Largans, und auch die Katen, in denen sie wohnten, gehörten den Largans. Dad sah hundemüde aus, und seine Schuhe waren dreckig, aber er trug den Mist natürlich trotzdem herein, obwohl ihre Mutter den Boden gerade erst gefegt hatte.

Ismay wusste nicht, warum Mom so viel Aufhebens darum machte, wo der Boden doch aus gestampfter Erde bestand. Verärgert blickte sie sich um. Im großen Haus waren sogar die Ställe besser gebaut als das hier, obwohl Mr Kieran – das musste man ihm zugutehalten –, seit sein Vater gestorben und er der neue Besitzer geworden war, dafür gesorgt hatte, dass die Dächer alle wasserdicht waren und jeder ein neues Fass bekam, um das Regenwasser aufzufangen und damit Trinkwasser zu haben.

Mr Kieran sagte, er würde auch neue Katen bauen lassen, sobald er es sich leisten konnte.

Niemand nannte den neuen Herrn Mr Largan, weil sich alle noch an den alten Herrn und dessen grausames Verhalten erinnerten. Es wurde gemunkelt, er habe das Vermögen der Familie verschleudert, doch Mr Kieran würde trotzdem in einem Jahr mehr Geld verdienen, als Ismays Familie in ihrem ganzen Leben zu sehen bekam.

Sie musste unter dem Dach schlafen und sich den wenigen Platz mit ihren beiden jüngeren Schwestern und zwei jüngeren Brüdern teilen. Über eine grob gezimmerte Leiter in der Ecke gelangte man hinauf, und dort saß sie manchmal am Abend auf einer der unteren Sprossen. Ach, sie war zu alt, um sich das Zimmer mit den Jungen zu teilen. Wenn sie sich ausziehen wollte, musste sie das unter der Decke des Bettes tun, das sie sich mit den beiden Mädchen teilte, und manchmal stachelten die Jungen einander an, die Decke wegzuziehen, weil sie in dem Alter waren, wo Jungen sich für den Körper einer Frau interessierten.

»Lies deinem Dad den Brief vor«, sagte ihre Mutter, und Ismay wiederholte das Ganze noch einmal und hütete sich davor, irgendeine Bemerkung zu machen, die ihn verärgern könnte.

»Er denkt immer noch an uns, unser Junge.« Dad schniefte, den Tränen nah. »Aber er ist so weit weg, dass wir ihn nie wiedersehen werden.«

»Father Patrick sagt, es ist Gottes Wille.«

Wenn Ismay nur noch ein Mal hören musste, wie ihre Mutter das sagte, dann würde sie schreien, ganz bestimmt. Und was den Priester anging: Das war ein fetter alter Mann, und faul war er noch dazu. Er sagte immer, dass etwas Gottes Wille sei. Nun ja, sein Leben war einfacher, wenn er nicht versuchen musste, etwas zu ändern, oder?

Aber sie wollte etwas ändern, ach, und wie! Vor allem ihr eigenes Leben, das bisher nichts als harte Arbeit gewesen war. Trotzdem stand sie mit leeren Händen da, weil Dad ihr das ganze Geld abnahm und die Hälfte davon vertrank. Das war nicht gerecht, wo sie nur Lumpen zum Anziehen hatte.

Wenn Bram ihnen wirklich die Gelegenheit bot, nach Australien zu gehen, dann würde sie sie ergreifen, ganz egal, was Mom und Dad sagten oder taten. Sie würde Mr Kieran dazu bringen, ihr zu helfen. Das würde er doch bestimmt tun, oder?

Als Ismay am Montag wie jede Woche in das große Haus ging, um dort in der Waschküche zu arbeiten, wurde sie ins Zimmer der Haushälterin zitiert.

»Was habe ich falsch gemacht?«, fragte sie die Wäschemagd, voller Angst, man würde sie entlassen.

Ginny gab ihr einen Schubs. »Geh und schau, was sie will. Es steht mir nicht zu, dir das zu sagen.«

Mrs Jamieson saß hinter ihrem großen Schreibtisch und sah sie an. »Mir ist zu Ohren gekommen, Ismay, wie schwer du in der Waschküche arbeitest.«

Sie entspannte sich ein wenig. Sie war also nicht in Schwierigkeiten.

»Jetzt, da Mr Kieran und seine Frau hier das Sagen haben, beruhigt sich die Lage allmählich, und wir brauchen ein neues Hausmädchen. Ich dachte, du kämst vielleicht dafür infrage.« Sie legte den Kopf schräg und musterte sie. »Du müsstest allerdings auch hier wohnen.«

»Ich würde liebend gern hier wohnen«, gab Ismay sofort zurück, und sie spürte, wie Erregung sie durchströmte. Bisher hatte sie immer nur hie und da einmal Arbeit gehabt wie die meisten Leute im Dorf. Das war einer der Gründe, warum ihre Eltern sie drängten, so schnell wie möglich zu heiraten, damit sie nicht mehr für sie aufkommen mussten. Wenn sie eine Stellung mit Kost und Logis bekam, dann würden sie vielleicht nicht mehr ständig an ihr herumnörgeln.

»Wir müssten dir noch richtige Kleidung besorgen, aber Mrs Largan sagt, die würde sie dir stellen, weil Mr Kieran immer lieber Leute aus dem Dorf einstellt.«

»Ich bin sehr dankbar und werde hart arbeiten.«

»Gut. Dann spreche ich mit deinen Eltern. Komm morgen Nachmittag zu mir, und wir suchen noch ein paar anständige Kleidungsstücke für dich.«

Vor dem Zimmer der Haushälterin lehnte Ismay sich an die Wand und seufzte glücklich. Von jetzt an würde sie wenigstens ein richtiges Bett zum Schlafen und anständige Sachen zum Anziehen haben, auch wenn die Hausmädchen diese albernen Häubchen tragen mussten.

Als sie nach Hause kam, erzählte sie ihrer Mutter, was geschehen war.

»Aber du wirst Rory Flynn heiraten. Dein Vater hat gesagt, es ist schon alles ausgemacht mit dem Priester.«

Entsetzt starrte Ismay sie an. »Ich habe Rory letzten Monat gesagt, dass ich ihn nicht heiraten will, und Dad habe ich es auch gesagt.«

»Dein Vater sagt, du musst ihn heiraten. Und warum auch nicht? Damit machst du einen guten Fang, mit Rory. Er hat immer gewartet, bis du erwachsen wirst. Er wollte dich schon immer. Und er hat eine gute Stellung als Rinderknecht auf dem Wirtschaftshof. Wenn du ihn heiratest, wirst du nie Hunger leiden.«

Nein, aber sie würde sterben vor Langeweile. Er war wortkarg, ganz egal, was passierte, und er hatte große Hände mit dicken wulstigen Fingern. Von denen wollte sie nicht angefasst werden. Letzte Woche nach der Kirche hatte er so getan, als würde er sie anrempeln, und sie dann festgehalten. Sie hatte gedacht, ihr würde schlecht. »Nun, ich werde ihn nicht heiraten. Ich mag Rory nicht.«

»Was gibt’s da nicht zu mögen? Er ist ein netter, kräftiger junger Mann.«

Ismay druckste unbehaglich herum. »Das meine ich nicht«, sagte sie. »Es ist … ich will nicht, dass er mich anfasst.«

»Ach das! Daran gewöhnst du dich bald. Das ist schnell vorbei. Die Männer brauchen das.«

»Wie soll ich mich daran gewöhnen, wenn ich bei jeder Berührung von ihm erschauere?«

»Du wirst es müssen. Dein Dad setzt auf diese Heirat.«

Sie holte tief Luft. »Ich werde Rory Flynn nicht heiraten.«

Traurig schüttelte Mom den Kopf. »Dein Dad findet schon einen Weg, wie er dich dazu bringt. Er findet immer einen.«

»Dieses Mal nicht.«

Aber sie hatte Angst davor, es ihm zu sagen, und wünschte, ihr Bruder Bram wäre da, um ihr zur Seite zu stehen.

Als Dad nach Hause kam, wurde zunächst viel in der Ecke geflüstert, dann zeigte er mit dem gekrümmten Finger auf Ismay. »Was höre ich da, du willst im großen Haus arbeiten?«

»Mrs Jamieson hat mir eine Stellung als Hausmädchen angeboten, und ich habe gesagt, dass ich das gerne machen würde.«

»Nun, dann sag ihr einfach, du hast es dir anders überlegt. Du wirst in ein paar Wochen heiraten, und dann bist du damit beschäftigt, deinen Mann zu versorgen und seine Babys zu bekommen.«

»Ich habe Rory und dir letzten Monat gesagt, dass ich ihn nicht heiraten will.« Sie schauderte, als sie seinen wütenden Gesichtsausdruck sah, doch nichts würde sie dazu bringen, ihre Zustimmung zu geben.

»Du wirst ihn heiraten, mein Kind, und wenn ich dich selber zum Altar tragen muss.«

»Du kannst mich zum Altar tragen, aber du kannst mich nicht dazu zwingen, die Worte zu sagen.«

»Willst du dich mir widersetzen?« Er begann, seine Gürtelschnalle zu öffnen.

Dieses Mal gab sie ihm keine Gelegenheit, sie zu schlagen, sondern rannte aus dem Haus und den Pfad hinunter, während er hinter ihr herlief und brüllte, sie solle sofort zurückkommen. Als die Schreie hinter ihr verebbten, blieb sie stehen und lauschte, doch es waren keine Geräusche zu hören, die darauf schließen ließen, dass er sie verfolgte. Sie konnte schon immer schneller rennen als die anderen.

Es fing an zu regnen, daher suchte sie Schutz unter einem Baum, Tränen in den Augen. Sie würde nicht zurückgehen und sich schlagen lassen, aber wo sollte sie die Nacht verbringen?

Schließlich ging sie in die Kirche, schlich sich durch die Seitentür hinein und kauerte sich in einer Seitenbank hin, als der Priester kam, um das Abendgebet zu sprechen. Sie würde über Nacht hierbleiben, und bis zum nächsten Tag würde sich Dads Wut ein wenig gelegt haben.

Doch es war eine lange und kalte Nacht, und obwohl sie ein paar alte Putzlappen fand, mit denen sie sich zudecken konnte, schlief sie nicht viel.

Wenn Dad weiterhin darauf bestand, dass sie Rory heiratete, würde sie weglaufen und nie wiederkommen, jawohl. Lieber betteln gehen, als die Frau von Rory Flynn zu werden und jedes Jahr ein Baby zu bekommen und auf nichts anderes hoffen zu können als darauf, geschlagen und angeschnauzt zu werden.

In Australien blickte Bram Deagan mit Freudentränen in den Augen auf das Bündel in seinen Armen. Sein Sohn, sein erstes Kind. Er sah seine Frau an, die nach langen Geburtswehen geschwächt im Bett lag. »Er ist wunderschön.«

Obwohl ihr Gesicht ganz blass war und sie erschöpft wirkte, strahlte sie ihn an. »Ja, nicht wahr?«

»Du hattest es sehr schwer, mein Liebling.«

Sie zuckte mit den Achseln. »Bald geht es mir wieder besser.«

»Ihre Frau braucht jetzt Ruhe«, sagte die Hebamme.

Bram küsste die zarte Wange des Babys und gab ihr den Kleinen zurück, bevor er sich vorbeugte, um Isabella zu küssen.

Er hatte die beste Hebamme angeheuert, die er finden konnte, aber auch die hatte die Schmerzen nicht lindern oder die Wehen verkürzen können. Als das Ganze kein Ende nehmen wollte, hatte er sie schockiert, indem er ins Zimmer gekommen war. Aber er hatte es einfach nicht mehr ertragen können, Isabella stöhnen und vor Schmerzen schreien zu hören und nicht bei ihr zu sein.

Sie sollten lieber nicht zu viele Kinder bekommen, dachte er, als er zu seiner behelfsmäßigen Schlafstatt hinunterging. Mit einunddreißig Jahren war Isabella schon ziemlich alt für ein erstes Kind. Es gab Möglichkeiten, den Familienzuwachs zu begrenzen, und die würde er nutzen – ganz egal, was der Priester sagte.

»Arlen.« Er sprach ihn laut aus, den Namen, den sie ausgesucht hatten, falls sie einen Sohn bekommen sollten. Der Name bedeutete Unterpfand, und Bram betrachtete den Jungen als ein Unterpfand seiner Liebe zu Isabella. Außerdem war es ein alter Familienname und der seines Großvaters gewesen. Auch das gefiel ihm daran.

Er wollte das Kind nicht nach seinem Vater nennen. Sean Deagan konnte hart und schroff sein, vor allem gegenüber den Mädchen. Nun ja, Dad hatte ein schweres Leben gehabt, und er musste zu viele Kinder satt bekommen, was das Ganze ein wenig entschuldigte, doch Bram fragte sich manchmal, wie seine Schwester Ismay jetzt zurechtkam, wo er nicht mehr da war, um sich schützend zwischen sie und Dad zu stellen.

Friedensstifter hatte seine Mutter ihn genannt, und genau das hatte er versucht zu sein. Es war eine solche Zeitverschwendung, einander zu bekämpfen und sich zu streiten.

In ein, zwei Jahren würde er genug Geld haben, um seine Eltern nach Australien zu holen und auch alle Brüder und Schwestern, die herkommen wollten. Sie würden binnen kurzer Zeit Arbeit finden, davon war er überzeugt. Die Deagans scheuten keine harte Arbeit.

Sally, die ihnen im Haus zur Hand ging, lächelte ihm von der Küche aus zu, und die kleine Louisa hatte einen Milchschnurrbart, als sie ihre Tasse abstellte. Er hatte nicht vorgehabt, das Kind hierzubehalten. Sie hätte eigentlich bei ihrer Mutter sein sollen, Isabellas Cousine, aber Alice hatte immer eine andere Ausrede, warum sie die Tochter aus ihrer ersten Ehe nicht zu sich und ihrem zweiten Mann holen konnte.

Aber egal, er konnte es sich leisten, und er hatte die Kleine lieb gewonnen.

Als Ismay sich am nächsten Morgen nach Hause traute, war sie sehr erleichtert, als sie sah, dass ihre Mutter draußen im Garten arbeitete, um das späte Gemüse zu ernten. Sie schlich sich in die Kate, um sich schnell zu waschen und sich umzuziehen, und legte ihren Sonntagsstaat an, die einzigen anderen Sachen, die sie besaß. Dann lief sie in den Wald und versteckte sich dort bis zum Nachmittag, behielt dabei die ganze Zeit im Auge, was im großen Haus vor sich ging, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie spät es war.

Als sie sicher war, dass es Zeit war, begab sie sich hinauf zur Hintertür, hungrig wie ein Wolf, aber erleichtert, ihrem Vater entkommen zu sein. Sie würde sie anflehen, bleiben zu dürfen.

Erstaunt sah die Haushälterin sie an. »Warum bist du zu mir gekommen, Ismay?«

»Weil Sie mich darum gebeten haben, Mrs Jamieson. Sie haben gesagt, Sie würden ein paar Kleidungsstücke für mich heraussuchen für meine neue Stellung.«

»Dein Vater hat mich heute Morgen aufgesucht und mir gesagt, dass du die Stellung doch nicht antreten kannst, weil du heiratest. Aber das weißt du ja bestimmt.«

Einen Moment lang war Ismay so schockiert, dass sie nicht sprechen konnte, doch dann wurde sie schrecklich wütend, und ihre Worte überschlugen sich fast: »Nein, das wusste ich nicht, weil es nicht wahr ist. Dad will, dass ich Rory Flynn heirate, aber ich habe immer wieder Nein gesagt. Ich kann den Mann nicht ausstehen, und ich laufe lieber weg und bettele irgendwo auf der Straße, als mein Leben mit ihm zu verbringen.«

»Ach. Ich verstehe. Aber ich glaube nicht, dass wir uns den Wünschen deines Vaters widersetzen können.«

Ismay konnte die Tränen nicht zurückhalten, was normalerweise gar nicht ihre Art war, andererseits waren ihre Hoffnungen aber auch noch nie so zunichtegemacht worden. »Wenn Dad mich dazu zwingen will, Rory zu heiraten, laufe ich weg, das schwöre ich. Das werde ich tun.«

»Beruhige dich, Mädchen. Niemand kann dich dazu zwingen, die Worte zu sprechen, um einen Mann zu heiraten.«

»Dad wird es versuchen. Notfalls prügelt er mich windelweich. Gestern Abend ist er mit dem Gürtel auf mich losgegangen, und ich bin weggelaufen. Ich musste in der Kirche schlafen, und seit ich gestern von hier weggegangen bin, habe ich keinen Bissen gegessen. Geben Sie mir bitte eine Chance, hier als Dienstmädchen zu arbeiten, Mrs Jamieson. Ich flehe Sie an.«

Die Haushälterin legte die Stirn in Falten. »Na gut, ich werde mit der Herrin sprechen und vielleicht auch mit Mr Kieran, um zu hören, was sie dazu sagen. Geh und warte in der Küche. Bitte Cook, dir etwas zu essen zu geben. Sag ihr, ich hätte es erlaubt.«

Zehn Minuten später stürzte ihr Vater in die Küche und stürmte durch den Raum auf sie zu. »Habe ich doch richtig gesehen, dass du dich hierher geschlichen hast. Du kommst jetzt auf der Stelle mit mir nach Hause, mein Kind.«

Ismay rannte hinter den großen Tisch. »Das tu ich nicht. Ich werde Rory Flynn nicht heiraten.«

»Du wirst tun, was ich dir sage.« Er machte einen Satz um den Tisch herum, doch sie war schneller. Dabei rempelte sie den Küchenjungen an, der gerade einen Eimer mit Wasser trug und es über den ganzen Boden verschüttete.

»Aufhören!«, schrie Cook. »Mach, dass du aus meiner Küche verschwindest, Sean Deagan.«

Der beachtete sie überhaupt nicht. In dem ganzen Durcheinander war es ihm gelungen, Ismay zu packen, und jetzt schlug er ihr brutal ins Gesicht.

Einen Moment lang sah sie Sterne, dann fing sie an zu schreien und versuchte, sich seinem Klammergriff zu entwinden. Doch ihr Vater war zwar nicht groß, aber sehr stark. Er schleifte sie Richtung Hintertür, obwohl sie aus vollem Halse schrie und flehte, irgendjemand möge ihr helfen.

Genau als sie die Tür erreichten, rief eine Stimme: »Hören Sie sofort auf!«

Dad ließ sie nicht los, doch er fuhr herum, als er die Stimme seines Herrn hörte.

Mr Kieran ging durch die Küche. »Lassen Sie sie los, Deagan.«

»Dann rennt sie weg, Sir.«

»Sie wird hierbleiben. Nicht wahr, Ismay?«

Sein eisiger Blick durchbohrte sie, und sie nickte. Man widersetzte sich dem Gutsbesitzer nicht, wenn man in seiner Kate bleiben wollte. Dieser Mann war vielleicht nicht so schlimm wie sein Vater, doch er hatte trotzdem Macht über ihrer aller Leben.

»Und jetzt«, sprach Kieran weiter, »gehen wir ins Arbeitszimmer der Haushälterin und unterhalten uns ganz ruhig und vernünftig darüber. Jemand soll bitte gehen und meine Frau holen.«

Cook zeigte mit dem Finger auf das Küchenmädchen, das sofort aus dem Raum eilte.

Mr Kieran drehte sich um, ging voraus und führte sie durch den Korridor zum Arbeitszimmer der Haushälterin, ohne sich auch nur einmal umzublicken, ob ihm auch Gehorsam geleistet wurde.

»Warte nur, bis du nach Hause kommst, Ismay Deagan«, flüsterte Dad.

Sie erwiderte nichts darauf, doch sie machte einen Satz nach vorn, damit er nicht mit der geballten Faust nach ihr schlagen konnte.

Im Arbeitszimmer der Haushälterin erhob Mrs Jamieson sich von ihrem Stuhl hinter dem Schreibtisch, damit ihr Herr darauf Platz nehmen konnte, und stellte sich neben ihn. Sie deutete auf eine Stelle zu ihrer Rechten, und Ismay ging durch den Raum und stellte sich dorthin, sodass sie sich etwas sicherer fühlte.

Sie würden sie doch sicher nicht zu ihrem Vater zurückschicken. Oder?

»Stellen Sie sich bitte auf diese Seite, Mr Deagan.« Kieran blickte zu dem Mädchen. Sie war ein schmächtiges Ding und sah aus, als hätte sie schreckliche Angst. Sie würde ein blaues Auge bekommen. Die Haut um das Auge herum war bereits geschwollen und verfärbte sich dunkel. Ihr Vater musste ziemlich hart zugehauen haben. Er hieß es nicht gut, dass Frauen geschlagen wurden.

Mrs Largan kam herein und sah ihren Mann fragend an, während die Haushälterin ihr einen Stuhl hinschob.

»Wir müssen etwas regeln, was mit der Dienerschaft zu tun hat, meine Liebe, das, worüber wir uns vorhin unterhalten haben, und ich brauche deinen Rat.« Er wartete, bis sie neben ihm Platz genommen hatte. »Mrs Jamieson, vielleicht können Sie erklären, was los ist?«

»Ich kann es Ihnen erzählen«, sagte Deagan.

»Mir wäre es lieber, wenn meine Haushälterin das tun würde.«

Er sprach in ruhigem Ton, aber man sollte ihn lieber nicht verärgern, wenn er so aussah wie jetzt, dachte Ismay, wo er doch sonst immer lächelte und liebenswürdig war. Nur … wenn er ihr sagen würde, dass sie Rory heiraten musste, dann würde sie sich auch ihm widersetzen müssen; sie musste einfach irgendwie den Mut dazu aufbringen.

Nachdem Mrs Jamieson dargelegt hatte, worum es ging, wandte Kieran sich an Mr Deagan: »Ist das so korrekt?«

Er nickte. »Ja, Sir. Die beiden passen gut zusammen, und ich will dafür sorgen, dass sie ihn heiratet.«

Seine Frau flüsterte Kieran etwas ins Ohr, und er wandte sich an Ismay. »Bist du schwanger?«

Sie schnappte nach Luft, und ihr fiel die Kinnlade herunter vor Schreck. »Nein, Sir, das bin ich nicht. Ich habe noch nie mit einem Mann das Bett geteilt, noch nie.«

Kieran sah sie eine Weile prüfend an. Er glaubte ihr. Sie hatte nicht das Gesicht einer Lügnerin. Er wandte sich wieder an den Vater. »Wenn sie kein Kind erwartet, warum ist es dann notwendig, dass sie Flynn heiratet?«

Deagan trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich will, dass sie zur Ruhe kommt, Sir, und dass sie hier im Dorf in der Nähe ihrer Familie wohnt. Sie ist sehr wild, die Ismay, und sie hat in dieser Schule ein paar hochfliegende Ideen aufgeschnappt. Ich weiß nicht, warum Ihr Vater überhaupt erlaubt hat, dass die eröffnet wird. Mädchen das Lesen beizubringen ist Zeitverschwendung; die brauchen doch bloß zu wissen, wie sie ihre Familie versorgen müssen.«

Kieran runzelte die Stirn. Er glaubte ganz fest, dass es richtig war, jedem das Lesen beizubringen, und die meisten Familien waren dankbar für ein wenig Bildung. Sogar sein Vater hatte zugegeben, dass die Leute, die für ihn arbeiteten, lesen und schreiben können mussten. Es gab jedoch immer noch eine ganze Menge Männer, die die Ansichten dieses Mannes hier teilten, was die Bildung von Frauen betraf.

Seine Frau gab einen Laut von sich, der klang wie ein verärgertes Räuspern. Er wusste, dass Deagans Bemerkung Julia verstimmt hatte. Sie wollte dafür sorgen, dass die Mädchen auf dem Gut die gleiche Chance auf Bildung hatten wie die Jungen, denn schon jetzt war klar, wer vom Priester und vom Schulmeister bevorzugt wurde. Den Mädchen zu Bildung zu verhelfen war eines ihrer Steckenpferde, und er würde sie auf jede erdenkliche Weise dabei unterstützen.

Flehentlich starrte das Deagan-Mädchen sie an. Abgesehen von der Stelle, wo sich der Bluterguss bildete, war ihr Gesicht verkniffen und kalkweiß. Er wollte bei dieser Auseinandersetzung unparteiisch bleiben, doch er konnte nicht anders, als Mitleid mit ihr zu empfinden. »Ismay, warum willst du Flynn nicht heiraten? Dein Vater hat recht, mit seiner Stellung wäre er ein guter Versorger.«

»Ich mag ihn nicht, Sir. Ich habe ihn noch nie gemocht. Als wir noch Kinder waren, hat er mich immer drangsaliert, aber dass er mich anfasst, das kann ich nicht ertragen. Außerdem wird mein Bruder Bram uns Geld schicken, damit wir zu ihm nach Australien kommen können, und das will ich tun. Hier habe ich nichts zu erwarten außer schwerer Arbeit und Babys, wenn Sie entschuldigen, dass ich das sage.«

»Ihre Mutter will nicht noch mehr Kinder an dieses verflu … äh, verwünschte Land verlieren«, sagte Dad mit seiner tiefen Stimme, die wie ein Knurren klang vor Wut.

Kieran sah seine Frau an, als wollte er sie auffordern, auch etwas zu sagen.

»Ich hielte es für das Vernünftigste, wenn Ismay eine Weile im großen Haus wohnen würde«, erklärte sie ruhig. »Wenn kein Baby unterwegs ist, hat keiner von uns Grund zur Eile. Und wenn die Gemüter sich beruhigt haben, können wir uns überlegen, was das Beste wäre.«

Deagan sah wutentbrannt aus. »Entschuldigen Sie, dass ich das sage, Ma’am, aber sie ist meine Tochter, und ich bestimme, was mit ihr wird. Ich versuche nicht, sie umzubringen, sondern will sie nur mit einem anständigen Mann verheiraten. Was soll daran falsch sein?«

»Wie alt bist du, Ismay?«, wollte Kieran wissen.

»Zweiundzwanzig, Sir.«

»Warum bist du dann nicht längst verheiratet? Wie die meisten Mädchen in deinem Alter hier im Dorf?«

Wieder antwortete Deagan für sie. »Weil sie den Kopf voller Flausen hat, albernen Vorstellungen von Liebe, das ist der Grund. Das liegt an diesen Büchern, die sie liest. Wenn ich sie jemals wieder mit einem Buch in der Hand erwische, ziehe ich ihr das Fell über die Ohren, und Rory sagt das Gleiche.« Zornig blitzte er seine Tochter an. »Du gehst nicht nach Australien, mein Kind! Willst du deiner armen Mutter vielleicht das Herz brechen?«

Das konnte Kieran nicht durchgehen lassen. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Deagan, wenn Sie in Gegenwart meiner Frau nicht schreien und nicht drohen würden. Und wir werden Ihre Tochter für sich selbst sprechen lassen.«

Dad öffnete den Mund, und als Ismay seinen zornigen Gesichtsausdruck sah, stockte ihr der Atem. Er klappte den Mund wieder zu, doch bei dem Blick, mit dem er sie ansah, zitterte sie. Sollte er sie je allein zu fassen bekommen, würde er sie umbringen. Sie konnte jetzt nicht mehr nach Hause zurück, ganz gleich, was passierte.

»Warum bist du nicht verheiratet?«, wiederholte Mr Kieran.

»Weil ich nicht in einer armseligen Hütte hausen und jedes Jahr ein Baby bekommen will. Ich will mehr vom Leben. Wenn ich zu meinem Bruder in die Swan River Colony gehe, sagt er, dass er in seinem Geschäft Arbeit für mich finden würde. Bram geht es dort gut, Sir. Das wäre eine anständige, interessante Arbeit.«

»Nun, das hört sich tatsächlich so an, als würde es deinem Bruder gut gehen, das muss ich zugeben. Er und mein Bruder Conn sind Geschäftspartner. Erst diese Woche habe ich selbst einen Brief von Bram bekommen. Es ist ja nicht einfach nur der Laden. Er hat einen Handel gegründet und importiert Waren aus Singapur in die Swan River Colony.«

Sie runzelte die Stirn. »Ist das nicht das Gleiche wie ein Geschäft?«

»Doch. Nur größer.«

Sie strahlte ihn an. »Sehen Sie. Er hat ganz bestimmt Arbeit für mich.«

Wieder schaltete Julia sich ein. »Du würdest so weit weg zu deinem Bruder gehen, obwohl deine Mutter leiden würde?«

»Sie hat noch sieben andere Kinder, die hier in der Nähe leben, Mrs Largan. Und Enkelkinder. Es ist nicht so, dass hier plötzlich niemand mehr wäre, der sich um sie kümmern kann, wenn sie einmal alt ist.«

Kieran musterte sie. Aus ihren Worten sprach Leidenschaft, und sie konnte sich gut ausdrücken. Sie sah auch intelligent aus. Selbst in diesem Moment sprühten ihre Augen vor Leben, als sie davon sprach, zu ihrem Bruder zu gehen. Und die Haushälterin sagte, sie lerne schnell. »Ich glaube, Deagan, meine Frau hat die beste Idee. Wir lassen Ismay eine Weile hier im großen Haus arbeiten und denken über die ganze Sache noch einmal nach, wenn wir uns alle beruhigt haben.«

Als daraufhin der Mann, der vor ihm stand, mit immer noch zorniger Miene den Mund öffnete, hob er die Hand. »Ich will nicht darüber streiten, Deagan. Ihre Tochter ist volljährig.« Er sah, dass der andere das nicht verstand, und erklärte: »Sie ist über einundzwanzig, also hat sie das Recht, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.«

»Sie ist und bleibt meine Tochter.«

Ruhig, aber bestimmt schnitt Julia ihm das Wort ab. »Mrs Jamieson, bringen Sie Ismay bitte in den Dienstbotentrakt.«

Was für eine kluge Frau seine Julia war, dachte Kieran. Er dankte dem Himmel dafür, dass er ihr begegnet war.

Deagan trat einen Schritt vor, wie um Ismay daran zu hindern, den Raum zu verlassen. Rasch ging Kieran um den Schreibtisch herum und stellte sich zwischen sie. Einen Augenblick lang hing alles in der Schwebe, dann wich der Mann wieder zurück.

Doch dessen Gesichtsausdruck machte Kieran Sorge, und er sah, dass das Mädchen zitterte, als sie an ihrem Vater vorbeiging, mit so viel Abstand wie möglich. Kieran konnte das verstehen. Auch er hatte immer Angst vor seinem Vater gehabt, noch so einem brutalen und uneinsichtigen Mann.

Nein, das arme Mädchen verdiente die Aussicht auf ein besseres Leben. Rory Flynn konnte sich eine andere Frau zum Heiraten suchen.

Als sie oben im Dachgeschoss im Dienstbotentrakt waren, fragte Mrs Jamieson sie leise: »Ist es den ganzen Aufwand wert, Ismay? Ist es das wert, dass du dafür deine Familie verlierst?«

Sie senkte den Kopf, denn sie wollte die Haushälterin nicht verärgern.

»Nun?«

Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und blickte auf. »Ich will meine Familie nicht verlieren, Mrs Jamieson, aber ich werde diesen Rory Flynn nicht heiraten, ganz egal, was irgendjemand sagt oder tut. Ich kenne ihn, seit wir Kinder waren, und ich habe ihn noch nie leiden können. Er hat mir ständig nachgestellt und mich angestarrt, und er war der schlimmste Raufbold im Dorf. Und jetzt ist ein ruppiger Grobian aus ihm geworden, der nur zwei Dinge im Kopf hat: Kühe und mit anderen Männern einen zu trinken. Was für ein Leben hätte ich mit ihm?«

Zu ihrem Erstaunen tätschelte die Haushälterin ihr die Schulter. »Also, wenn das so ist … du scheinst zu wissen, was du willst. Wir werden etwas anderes für dich finden müssen. Wir leben schließlich nicht mehr im finsteren Mittelalter, obwohl es mir manchmal wirklich so vorkommt.« Dann seufzte sie und meinte mit forscherer Stimme: »Ach ja, richtig, suchen wir hier einmal ein bisschen Garderobe für dich. Aber bevor du die neuen Sachen anziehst, muss Ginny noch nachschauen, ob du Läuse hast.«

Oh, wie peinlich, hinaus zur Wäscherei geführt und in dem kleinen Seitenraum in die Badewanne gesteckt zu werden, in der die Dienstboten ihr wöchentliches Bad nahmen, und dann über sich ergehen lassen zu müssen, wie die leitende Wäschemagd ihr die Haare mit einem feinzinkigen Kamm auskämmte. Sie musste die ganze Zeit schluchzen deswegen.

Ginny tätschelte ihr die feuchte Schulter und lachte. »Ach, jetzt hör schon auf, Ismay! Du bist nicht das erste Mädchen, das verlaust hierherkommt und gewaschen werden muss.«

»Aber ich habe mich immer so bemüht, mich sauber zu halten.«

Wieder tätschelte die andere Frau sie, sanfter diesmal, in einer beruhigenden Geste. »Du hast mit deiner Familie auf engstem Raum zusammengelebt. Dass du Läuse hast, ist nicht deine Schuld. Hör jetzt also um Himmels willen auf zu weinen.«

Ihr Vater, dachte Ismay verbittert. Sie musste sie von ihm haben. Er kratzte sich ständig, und Mom musste ihm zureden, damit er einmal im Monat seine Sachen wechselte.

Das musste der Grund gewesen sein, warum man ihr, wenn sie in der Waschküche ausgeholfen hatte, immer nur ganz banale Aufgaben gegeben hatte, wie für die anderen Frauen etwas zu holen oder etwas zu tragen, warum man sie aber nie in die Nähe der sauberen Wäsche oder der Bügelwäsche gelassen hatte. Was für eine Schmach!

Als sie sauber und trocken war, gab man ihr Unterwäsche. Die Teile waren bereits getragen, aber schöner als alles, was sie je besessen hatte. Die gerüschten und spitzenbesetzten Unterkleider der Familie hatte sie in der Waschküche gesehen. Die Familie und die leitenden Dienstboten hatten so viele Sachen, dass einem der Kopf schwirrte.

Jetzt war sie stolze Besitzerin von drei Unterhemden aus weicher Baumwolle, die überhaupt keine Löcher hatten, – na ja, ein ganz kleines vielleicht, das aber gekonnt gestopft war –, und drei Unterröcke hatte sie auch. Einer war aus vergilbtem, wärmendem Flanell, die beiden anderen waren aus Baumwolle und oh, oh, einer hatte unten am Saum eine schmale Borte aus Spitze. Sanft strich sie mit der Kuppe ihres Zeigefingers darüber.

Und es gab auch noch zwei Röcke und drei Mieder sowie eine Jacke, die darüber getragen wurde, und außerdem ein großes, vornehm aussehendes Tuch.

Sie stützte den Kopf in die Hände und weinte vor lauter Freude, dass sie so anständig eingekleidet war.

»Was ist denn jetzt wieder los?«

»Ich bin so g-g-glücklich.«

»Du dummes Ding!« Doch Ginny lächelte und tätschelte ihr wieder den Rücken.

Nachdem Ismay das Zimmer verlassen hatte, trat Deagan von einem Fuß auf den anderen und murmelte irgendetwas vor sich hin. Julia sah ihren Mann an. »Ich gehe jetzt, damit du diese Sache hier regeln kannst.«

Mit flehendem Blick sah Kieran sie an. »Bleib bitte noch. Deagan hat vielleicht noch Fragen.«

Der Mann sah sie beide trotzig an, die Unterlippe vorgeschoben. »Ich will immer noch, dass sie Flynn heiratet. Das ist vernünftig.«

»Aber doch nicht, wenn sie eine Abneigung gegen ihn hegt«, widersprach Kieran.

»Abneigung, also so was! Ich sage ihr, was sie zu tun hat. Father Patrick steht schon bereit, um sie zu verheiraten. Er ist für diese Verbindung.«

»Weiß er, dass sie Flynn nicht heiraten will?«

»Natürlich weiß er das, aber er sagt, dass es an mir ist, ihr zu sagen, was sie tun soll. Ihr Vater hätte ihr das nicht durchgehen lassen, dass sie sich mir widersetzt … Sir.«

Das hätte er nicht sagen sollen. Wenn Kieran sich eine Sache vorgenommen hatte, dann die, dass er den Menschen die von ihm abhängig waren, nicht mit der Arroganz seines Vaters, sondern mit Güte begegnen wollte. »Wie ich Ihnen schon erklärt habe, Ihre Tochter ist nicht verpflichtet, Ihnen in dieser Angelegenheit zu gehorchen.«

»Sie wird mir gehorchen, wenn sie erkennt, was gut für sie ist. Sie kennen das Kind nicht, Mr Kieran. Sie ist ein richtiger Wildfang.«

»Dann befreien wir Sie ja von einer Last, wenn wir Ihnen die Verantwortung für sie abnehmen. Nein! Keine Widerrede mehr. Sie bleibt als Dienstmädchen hier, und Sie bekommen an jedem Zahltag die Hälfte ihres Lohns. Und seien Sie unbesorgt, wir werden uns darum kümmern, dass sie anständig bleibt.«

Deagans Gesichtsausdruck wurde noch finsterer. »Die Hälfte ihres Lohns? Von Rechts wegen müsste ich den ganzen bekommen.«

Kieran verkniff sich eine noch schärfere Bemerkung. War dieser Mann denn nie zufrieden? »Einen Teil des Geldes wird sie behalten müssen, damit sie sich anständig kleiden kann.«

»Aber Sir …«

»Schluss jetzt! Wenn Ihnen etwas an Ihrer Stellung und an Ihrer Kate liegt, dann akzeptieren Sie meine Entscheidung. Meine Frau braucht noch ein Dienstmädchen, und Ihre Tochter ist nicht gewillt, Flynn zu heiraten, egal, was Sie sagen oder tun. Und jetzt machen Sie sich wieder an die Arbeit.«

Als Deagan gegangen war, sah er seine Frau an. »Hast du ein Auge auf sie?«

»Ja.«

»Bis ihre Familie meine Entscheidung akzeptiert hat, soll sie sich lieber von ihnen fernhalten.«

Julia beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Deine Entscheidung war richtig, mein Liebling. Ich halte nichts davon, eine junge Frau zu zwingen, einen Mann zu heiraten, gegen den sie eine Abneigung hegt. Das kommt auch in unseren Kreisen vor. Es war wirklich ein Glück, dass ich dir begegnet bin – und dass du dein eigenes Geld hast, sodass dein Vater sich nicht einmischen konnte wie bei deinem Bruder. Den armen Conn hat er ja gezwungen, diese entsetzliche Frau zu heiraten.«

Kieran lächelte sie an. »Es war auch mein Glück, dass Vater nicht wollte, dass ich in seiner Nähe wohne und mich einmische in das, was er macht. Aber ich werde ihm nie verzeihen, dass er die Beweise gefälscht hat, die meinem Bruder die Deportierung nach Australien eingebracht haben. Ich werde nie verstehen, wie ein Mann seinem eigen Fleisch und Blut so etwas antun kann. Was muss Conn gelitten haben!«

Sie drückte seine Hand, als stummes Zeichen, dass sie mit ihm fühlte, und sie an seiner Seite zu haben, das heiterte ihn auf wie immer. Er hatte noch einen weiten Weg vor sich, um den Schaden wiedergutzumachen, den sein Vater dem Familienbesitz zugefügt hatte, doch mit ihrer Unterstützung würde er ihn zu neuer Blüte führen und nach und nach diese grässlichen baufälligen Katen erneuern lassen.

KAPITEL 2

Adam Tregear schickte sein Gepäck voraus zu dem Haus in Liverpool, das er inzwischen als sein Heim betrachtete, dann machte er sich zu Fuß auf den Weg zur Kanzlei des Anwalts der Familie. Er kam gerade aus New York, überglücklich, sich nach den Tagen auf dem Schiff die Beine vertreten zu können, und als er bei der Kanzlei ankam, fühlte er sich kampfbereit.

Der Sekretär des Rechtsanwalts starrte ihn mit offenem Mund an. »Oh. Wir haben nicht damit gerechnet … Ich werde Mr Saxby sagen, dass Sie hier sind, Mr Adam.«

»Bemühen Sie sich nicht. Das sage ich ihm selbst.«

Er ging den Korridor hinunter, bevor der ältere Sekretär noch ein Wort sagen konnte. Er wollte die Sache hinter sich bringen was immer es war. Man hatte ihn schon viele Male herbestellt, und nie aus irgendeinem guten Grund obwohl das normalerweise nicht Mr Saxbys Schuld war. Der Anwalt war nur das Sprachrohr für Adams Vater.

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