Töchter des Südsterns - Die Sehnsucht nach vertrauten Himmeln - Anna Jacobs - E-Book

Töchter des Südsterns - Die Sehnsucht nach vertrauten Himmeln E-Book

Anna Jacobs

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Beschreibung

Der dritte Band der großen Australien-Saga!

Mit achtzehn Jahren träumt Cathie von einem anderen Leben als das, was ihr der australische Busch bieten kann. Das harte Leben als Siedlerin und die täglichen Herausforderungen in der Wildnis haben in ihr eine Sehnsucht geweckt - nach Freiheit, Abenteuer und der Möglichkeit, die Welt jenseits der vertrauten Umgebung zu entdecken. Als ihr Onkel vorschlägt, sie für ein neues Leben nach England zu schicken, sieht Cathie dies als ihre einmalige Gelegenheit, die Enge ihres bisherigen Daseins hinter sich zu lassen. Ohne zu zögern, ergreift sie die Chance.

Doch sie ahnt nicht, dass ihr Onkel dunkle Pläne hegt. Sein großzügiges Angebot ist Teil eines hinterhältigen Plans, um sich an Cathies Mutter, seiner Schwester Liza, zu rächen. Und Cathie muss sich in England nicht nur neuen Herausforderungen stellen, sondern auch lang verborgenen Geheimnissen und dem Erbe, das die Vergangenheit ihrer Mutter mit sich bringt.

Bewegend. Emotional. Fesselnd. Die neue Love-and-Landscape-Saga der Bestseller-Autorin Anna Jacobs vor der atemberaubenden Kulisse Australiens.

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»Anna Jacobs Bücher zeigen ein beeindruckendes Gespür für menschliche Gefühle.« Sunday Times, UK

»Eine packende Erzählstimme.« Sunday Star Times, NZ

»Jacobs ist eine Meisterin darin, lebhafte und einprägsame Charaktere zu erschaffen.« Booklist, USA

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Seitenzahl: 366

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Der dritte Band der großen Australien-Saga!

Mit achtzehn Jahren träumt Cathie von einem anderen Leben als das, was ihr der australische Busch bieten kann. Das harte Leben als Siedlerin und die täglichen Herausforderungen in der Wildnis haben in ihr eine Sehnsucht geweckt – nach Freiheit, Abenteuer und der Möglichkeit, die Welt jenseits der vertrauten Umgebung zu entdecken. Als ihr Onkel vorschlägt, sie für ein neues Leben nach England zu schicken, sieht Cathie dies als ihre einmalige Gelegenheit, die Enge ihres bisherigen Daseins hinter sich zu lassen. Ohne zu zögern, ergreift sie die Chance.

Doch sie ahnt nicht, dass ihr Onkel dunkle Pläne hegt. Sein großzügiges Angebot ist Teil eines hinterhältigen Plans, um sich an Cathies Mutter, seiner Schwester Liza, zu rächen. Und Cathie muss sich in England nicht nur neuen Herausforderungen stellen, sondern auch lang verborgenen Geheimnissen und dem Erbe, das die Vergangenheit ihrer Mutter mit sich bringt.

Bewegend. Emotional. Fesselnd. Die neue Love-and-Landscape-Saga der Bestseller-Autorin Anna Jacobs vor der atemberaubenden Kulisse Australiens.

Anna Jacobs

Töchter des Südsterns

Die Sehnsucht nach vertrauten Himmeln

Aus dem Englischen von Michael Krug

Dieses Buch möchte ich der Erinnerung an meinen Onkel Jim widmen, der gestorben ist, während es noch im Entstehen war.

James Norman Heyworth aus Rochdale in Lancashire war ein bezaubernder Onkel, der mir sehr fehlen wird. Es erfüllt mich mit Stolz, dass er seinem Land im Zweiten Weltkrieg als Soldat bei den Royal Marines gedient hat, und ich finde, die gesamte Nation steht in der Schuld von Männern wie ihm. Ich werde ihn mit Sicherheit nie vergessen.

Prolog

Januar 1876: Westaustralien

Der Mann, den man Fiery Dan nannte, ließ sich Zeit. Leise bewegte er sich durch den westaustralischen Busch, immer gen Süden. Dabei achtete er tunlichst darauf, gerodetes Land oder Farmen zu meiden. Er hatte sich daran gewöhnt, mit der eigenen Gesellschaft das Auslangen zu finden, und verspürte kein Bedürfnis nach Eile. Seine Aufgabe musste ordentlich erledigt werden. Wenn er sie nämlich erfolgreich abschlösse, würde er über das verfügen, wonach er sich am meisten sehnte. Tatsächlich das Einzige, wonach er sich sehnte – genug Geld für die Rückkehr nach England.

Die vermaledeite Regierung hatte ihn hergeschafft, als er kaum mehr als ein Junge gewesen war, und ihn auf nahezu jede der Menschheit bekannte Weise misshandelt. Trotzdem hatte er überlebt, seine Strafe verbüßt und sich damit abgefunden, still unter ihrem Joch sein Dasein zu fristen. Letzten Endes hatte man ihn in die Freiheit entlassen, überzeugt davon, er hätte seine Lektion gelernt.

Der Ansatz eines Lächelns verzog seine Mundwinkel. Oh, und ob er seine Lektion gelernt hatte. Ihn hatte auch nicht gestört, dass einige seiner Lehrer noch dunklere Haut hatten als er selbst. Interessiert hatte ihn nur, was sie ihm beigebracht hatten – die Eigenheiten dieses neuen Landes und insbesondere den Umgang mit Feuer. Wegen Feuer war er an diesem Ort gelandet, wegen Getreideverbrennungen, um genau zu sein. Und Feuer würde ihn zurück nach Hause nach England bringen. Und in der Zwischenzeit diente es ihm als Werkzeug seiner Rache – wie zwei seiner einstigen Peiniger bereits festgestellt hatten.

Als man ihm die Aufgabe angeboten hatte, war er an Bord des gleichen Schiffs wie sein Auftraggeber um die Küste herum nach Westaustralien gesegelt. Er hatte die Familie beobachtet und die Verbitterung in Mrs Dochertys Gesicht bemerkt. Sie hatte nicht nach Perth kommen wollen, die Arme. Und Mr Docherty hatte zwar von Vergeltung gesprochen, aber Dan hatte es für Äußerungen aus Gewohnheit gehalten, etwas, worüber er bloß redete. Wenn Docherty seine Feinde wirklich hätte verletzen wollen, hätte er nicht so lange damit gewartet. Dan hatte das nicht.

Er bog in Richtung der kleinen, Brookley genannten Siedlung ab, wanderte unverhohlen auf dem Pfad und hielt an dem Gasthof dort, um sich ein Glas Bier zu bestellen. Und es erwies sich als gutes Gebräu. Langsam nippte er daran, lauschte und beobachtete. Danach aß er genüsslich die herzhafte Mahlzeit, die ihm die Frau des Gastwirts brachte. Er merkte ihr an, dass sie früher eine feine Dame gewesen sein musste. Mittlerweile jedoch nicht mehr, denn die Arbeit hatte ihre Hände gerötet und abgenutzt. Es freute ihn diebisch, von einer solchen Frau bedient zu werden. Geschah der Schnepfe schon recht dafür, dass sie in dieses gottverlassene Land gekommen war! Aber er sprach freundlich mit ihr, trank mäßig und setzte den Weg mit dem nötigen Wissen gewappnet fort.

Er wartete drei Tage in den flüsternden Schatten des Walds, bevor er handelte. Das Gehöft bestand aus Holz – trockenem altem Holz, das jahrelang in der Sonne gestanden hatte und sich allmählich silbergrau verfärbte. Bei Funkenflug würde es leicht Feuer fangen und wunderschön brennen, mit den schillernden Farben und dem wilden Knistern, wie Dan es regelrecht liebte.

Wie gemütlich sie dort alle lebten! Warum sollten diese Leute so viel haben und er so wenig? Tja, das würde sich ändern. Er wusste nicht, wodurch sie seinen Auftraggeber gegen sich aufgebracht hatten, und es kümmerte ihn nicht wirklich. Dan lag allein etwas an dem Geld, das er bekommen sollte.

Er wachte vor der Morgendämmerung auf und konnte es kaum erwarten, seine Arbeit zu vollenden. Während die sommerliche Hitze Schweiß aus seinem dürren Körper presste, nippte er sparsam an dem lauwarmen Wasser in seiner Feldflasche und hoffte, die Brise vom Meer würde an diesem Tag stark genug wehen. Die vermaledeiten Winde! Launisch wie Frauenzimmer waren sie. In der einen Minute schüttelten sie einen durch, in der nächsten flauten sie völlig ab.

Am Vormittag setzte er sich auf, streckte die Nase hoch und schnupperte wie ein Jagdhund. In der Luft rührte sich etwas. Nahm er einen Hauch von Salz darin wahr? Ja, ja! Kurz trat ein wildes Grinsen in seine Züge, bevor es verblasste. Zurück blieb die mürrische Miene, die er der Welt für gewöhnlich präsentierte.

Der Wind wurde stärker, wehte kühlere Luft vom Meer herbei, brachte die Blätter der Gummibäume zum Säuseln und Rascheln. Diese Brise setzte oft an heißen Sommernachmittagen ein und sorgte für etwas Erleichterung nach den sengenden Temperaturen des Vormittags. An diesem Tag würde sie sein Werkzeug sein.

Zielstrebig eilte er zu der von ihm ausgewählten Stelle. Dort hatte er das erste Feuer vorbereitet, das er mit einem seiner sorgsam geschützten Sicherheitsstreichhölzer entfachte. Der Wind fegte den Rauch landeinwärts, und das von der Sonne getrocknete Gras unmittelbar hinter dem winzigen Haufen aus Heu und Zweigen fing Feuer, gefolgt von einem kleinen Gummibaum, der sich innerhalb weniger Minuten in eine lodernde Fackel verwandelte. Von dort griffen die Flammen schnell auf andere Bäume über.

Und immer noch wehte die Brise stark genug, dass Dan keine weiteren Feuer entfachen musste. Vereinzelt lösten sich brennende Blätter, die vom herrlichen Wind erfasst und ostwärts getragen wurden.

Dan lachte laut, übertönt vom gierigen Knistern der Flammen, die tosend ihre Freude über das sie nährende Eukalyptusöl in den Blättern kundtaten. Mittlerweile hätte er das Feuer selbst dann nicht aufhalten können, wenn er es gewollt hätte. Niemand könnte das. Sollte es ruhig lodern! Seinetwegen könnte das ganze verdammte Land niederbrennen!

Kapitel 1

Januar

Cathie stand im Schatten eines großen Gummibaums in der Nähe des Sees und schaute zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater auf der langen Veranda des Gehöfts namens Lizabrook. Sie verspürte einen jähen Anflug von Neid darauf, wie nah sie sich immer zu sein schienen und wie sehr sie einander nach wie vor liebten. Mit achtzehn hatte sie ein Alter erreicht, in dem sie sich selbst einen Mann wünschte. Nur da sie mit ihrer Familie tief im australischen Busch lebte, würde sie wohl kaum einen finden. Auch andere Dinge wollte sie, und als Mann hätte sie einen Weg gefunden, Arzt zu werden. Seit sie im Alter von neun Jahren ein Interesse daran entwickelt hatte, wie der menschliche Körper funktionierte, flickte sie regelmäßig ihre Brüder, Schwestern und sämtliche Haustiere der Familie zusammen.

Aber Frauen durften nicht Medizin studieren. Manchmal hatte sie den Eindruck, Frauen durften überhaupt nur heiraten, Kinder bekommen, endlos Hausarbeit verrichten und waschen.

Da sie sich noch rastloser als sonst fühlte, ging sie ein paar Schritte weiter und achtete darauf, außer Sicht zu bleiben. Sie blickte auf das Grab ihres echten Vaters hinab. Wäre alles anders gekommen, wenn Josiah Ludlam weitergelebt hätte? Wissen konnte Cathie es nicht, weil ihre Mutter selten von ihm sprach. Aber sie bezweifelte es.

Sie hob Zweige und Gummibaumnüsse auf, die sie ins Wasser schleuderte, um sich abzureagieren. Irgendwie musste sie einen Weg finden, von diesem Ort zu entkommen, sonst würde sie vor Frustration den Verstand verlieren. Nicht mal der See war echt, dachte sie verächtlich, sondern lediglich ein Streifen flachen Wassers neben einem halb trockengelegten Sumpf. Er könnte wohl recht hübsch aussehen, wenn ihr Stiefvater je die Zeit fände, den Rest des Sumpfs zu beseitigen, doch dafür hatte er immer zu viel zu tun. Ihm ging es nur darum, dass der halb fertige See genug Wasser enthielt, um sie durch die langen, heißen Sommer damit zu versorgen. Sie waren keine Adeligen, die schicke Gärten brauchten, durch die sie schlendern konnten. Josiah Ludlam jedoch, Cathies leiblicher Vater, hatte dem Landadel angehört, und ihre Mutter hatte einmal erwähnt, der See wäre seine Idee gewesen.

»Wieder mal in trübseliger Stimmung?«, stichelte eine Stimme. Sie drehte sich um und lächelte Brendan an, ihren Spielkameraden aus Kindheitstagen.

Er lächelte zurück. Seine Zähne hoben sich weiß glänzend von der dunklen Haut ab. Er sah dem Volk seiner Mutter sehr ähnlich, als hätte sich sein Körper geweigert, die Rolle seines irischen Vaters bei seiner Zeugung anzuerkennen. Sein nächster Bruder hingegen besaß deutlich hellere Züge als er.

»Hast du's nie satt, hier in Lizabrook zu leben?«, fragte ihn Cathie.

Brendans Lächeln verblasste. »Das weißt du genau. Aber zumindest werde ich hier wie ein Mensch behandelt. Sobald ich die Farm verlasse, sehen die Leute in mir ein Tier – und ein wertloses obendrein. Deswegen.« Er zeigte auf seine Haut.

Sie streckte die Hand aus und drückte seinen Arm. Beide betrachteten sich als Außenseiter, doch er hatte es noch schwerer. Vielleicht erklärte das ihren Zusammenhalt. Sie stand ihm näher als ihren Halbbrüdern. Nach einem Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass man sie von der Farm aus nicht sehen konnte, zog sie die Schuhe aus und rollte die Strümpfe runter. »Lass uns planschen. Es ist heute so heiß.«

»Solltest du nicht deiner Mutter helfen?«

Cathie zuckte mit den Schultern. »Die Hausarbeit wird auch noch da sein, wenn ich zurückkomme.« So war es immer. Eintönige, öde Arbeit, Tag für Tag dieselbe.

Liza Caine stand auf der Veranda und lehnte sich an ihren Ehemann. Sie genoss sowohl das Gefühl seines Arms um ihre Schultern als auch die soeben aufgekommene Brise, die willkommene kühlere Luft vom Meer herüberwehte. Rauch trieb durch die große Außenküche, wo Dinny Brot backte und Fleisch briet, denn alle auf der Farm nahmen die Hauptmahlzeit des Tags zusammen ein. Wenn man aufmerksam lauschte, konnte man ihre Freundin eines der Lieder der Aborigines singen hören, mit denen sie die verschiedenen alltäglichen Aufgaben begleitete. Dinny schien für alles ein Lied zu kennen.

Liza und Benedict standen oft vor dem Mittagsmahl eine Weile so beisammen und plauderten leise über dies und jenes. Mit ihrem dritten Gemahl war sie seit mittlerweile dreizehn Jahren glücklich zusammen, doch mit fünf jungen Leuten auf der Farm gestaltete es sich bisweilen schwierig, Zeit allein zu finden. Ihre beiden jüngeren Kinder, Josie und Harry, befanden sich noch im Klassenzimmer bei Frau Hebel. Das Geld für eine Gouvernante aufzubringen, fiel ihnen nicht leicht, aber sie lebten zu weit von der nächsten Schule entfernt, um die Kleinen täglich hinzuschicken. Beide wollten, dass ihre Kinder gebildet wurden. Als eine Freundin ihnen von Ilse Hebel erzählt hatte, die auf der Suche nach einer Stelle auf dem Land war, hatten sie die Frau allein auf Agnes' Empfehlung hin aufgenommen und es nicht bereut.

Von der anderen Seite des Hauses hörte man Dinnys Ehemann Fergal fröhlich pfeifen, während er in der kleinen Möbelmanufaktur werkte. Er und Benedict betrieben sie als Teilhaber und stockten so ihr Einkommen aus der Landwirtschaft auf. Leider lief es damit nicht so gut wie erhofft. In der westaustralischen Kolonie gab es schlichtweg nicht genug Menschen, die sich die Möbel leisten konnten, obwohl es sich um wunderschön gefertigte und mit Benedicts kunstvollen Schnitzarbeiten verzierte Stücke handelte. Andere wiederum waren solche Snobs, dass sie bestimmte Waren aus den Kolonien grundsätzlich als minderwertig betrachteten und sie daher ausschließlich aus ihrem Herkunftsland bezogen. Dieselben Leute bezeichneten England nach wie vor als ihre »Heimat«. Liza hingegen empfand nicht so. Sie betrachtete mittlerweile Westaustralien als ihre Heimat.

Über das beige von der Sonne welke Gras der Koppel gerieten zwei Gestalten in Sicht. Sie schwenkten die Arme, als sie stehen blieben und über etwas diskutierten.

»Dahin also ist Cathie verschwunden«, murmelte Liza und schaute stirnrunzelnd zu ihrer älteren Tochter. »Dabei habe ich ihr gesagt, sie soll heute gründlich den Boden im Salon schrubben. Na warte, bis sie in Reichweite meiner Zunge ist! Und sollte Brendan nicht im Gemüsegarten arbeiten, Benedict?«

»Sollte er tatsächlich. Ein Landarbeiter wird aus dem Burschen nie und nimmer. Aber er ist Fergals und Dinnys Problem, nicht unseres. Ich bezahle ihm mittlerweile den Tagessatz nur noch für die Zeit, die er wirklich arbeitet.« Benedict blickte in das beunruhigte Gesicht seiner Frau. Dabei dachte er wie so oft, dass sie zu jung und hübsch für erwachsene Kinder aussah. »Allmählich mache ich mir Sorgen um Cathie. Sei ehrlich, Liebste. Sie bereitet dir in letzter Zeit viel Kopfzerbrechen, nicht wahr?«

Liza seufzte. An guten Tagen war ihre Tochter energiegeladen, lebhaft und sorgte dafür, dass sich alle um sie herum glücklich fühlten. Nur wurden diese Tage zunehmend weniger. Außerdem gewöhnte sie sich allmählich an, sich davonzuschleichen, statt im Haus zu helfen, und stundenlang wie ein pflichtvergessenes Kind durch den Wald zu streunen. Wenn Cathie durch diese Ausflüge wenigstens glücklich gewesen wäre, hätte Liza noch eher darüber hinwegsehen können. Doch in letzter Zeit schien nichts mehr ihre Tochter zu erfreuen.

»Ich weiß langsam nicht mehr, was ich mit ihr machen soll, das stimmt«, gestand sie.

»Ist wohl an der Zeit, ein Wörtchen mit der jungen Dame zu reden.« Benedict brachte den Protest seiner Gemahlin mit einem Kuss zum Schweigen. »Sie behauptet immer, eine erwachsene Frau zu sein. Nur benimmt sie sich eindeutig nicht so.«

Nach kurzem Zögern meinte Liza: »Sie muss Leute kennenlernen, neue Dinge erleben. Ich glaube, sonst kommt sie nicht mehr zur Ruhe. Und junge Männer muss ein Mädchen in ihrem Alter auch treffen.«

Benedict gab einen leisen irritierten Laut von sich. »Sie ist zu jung, um ans Heiraten zu denken.«

»Ich war in ihrem Alter bereits in anderen Umständen«, merkte Liza an.

»Nicht freiwillig!«, entgegnete er scharf.

Liza schloss die Augen, als seine Worte die Erinnerung daran weckten, warum sie ursprünglich nach Australien gekommen war. Ihr Vater hatte vorgehabt, sie mit ihrem Nachbarn zu verheiraten, einem fünfunddreißigjährigen Witwer. Als sie sich geweigert hatte, war sie von Teddy Marshall vergewaltigt worden. So hatte er sicherstellen wollen, dass sie ihm doch das Jawort geben würde. Nur hatte sie das nicht. Stattdessen war sie nach Australien durchgebrannt. Sie war als Dienstmädchen ihrer ehemaligen Arbeitgeber, der Pringles, in See gestochen.

An Bord des Schiffs hatte sie festgestellt, dass sie schwanger war. Dann hatte Josiah Ludlam sie geheiratet, der das Kind mehr als sie gewollt hatte, denn wie eine Ehefrau hatte er sie nie berührt. Und das Kind war Cathie gewesen. War es bei einem Vater wie Teddy Marshall ein Wunder, dass Cathie kein pflegeleichtes Mädchen war? Und doch konnte sie auch so warmherzig und liebevoll sein, die Erste, die einem in Not zu Hilfe eilte.

Liza wurde bewusst, dass Benedict sie etwas gefragt hatte. »Tut mir leid, meine Gedanken sind gewandert.«

»Ich habe gesagt, wir können es uns nicht leisten, Cathie zu einem Besuch nach England zu schicken, geschweige denn jemanden, der sie begleitet.«

»Könnten wir schon, wenn wir einen Teil des Schmucks verkaufen.« Sie hatte einige hübsche Stücke von ihrem ersten Ehemann geerbt, die etwas wert sein mussten.

»Wir kommen zurecht, auch ohne ihn anzurühren. Nur kann ich weder die Farm verlassen noch will ich ein volles Jahr auf meine Ehefrau verzichten. Außerdem brauchen dich die anderen Kinder genauso sehr wie Cathie. Vor allem Josie.«

»Wir könnten sie allein hinschicken.«

»Und wo soll sie bleiben, wenn sie dort eintrifft? Von meinen Brüdern in England habe ich seit dem Tod meiner Eltern nichts mehr gehört.«

Sie wusste, wie sehr ihn das schmerzte. Allerdings kam es so fern der Heimat verbreitet vor, dass die Verbindung zur Familie abbrach. »Du hast eine Schwester in Australien. Manchmal kannst du sie und ihre Familie sehen.«

»Mit viel Glück einmal im Jahr. Und auch du hast einen Bruder und eine Schwester hier. Aber wie du weißt, ist Australien ein großes Land und sie alle leben nicht mehr in der Nähe.« Benedict starrte blicklos über den See.

Nach einer Weile der Stille griff Liza das Gespräch wieder auf. »Cathie fragt in letzter Zeit immer öfter nach den Ludlams. Meinst du, wir sollten ihr die Wahrheit darüber sagen, wer wirklich ihr Vater ist? Sie will wissen, warum Josiahs Verwandte nie versuchen, Verbindung mit ihr aufzunehmen. Und gestern hat sie damit gedroht, ihnen zu schreiben. Na ja, sie weiß, dass ich mit seiner Mutter Sophia in Kontakt geblieben bin.«

Ihr Ehemann ließ ein verärgertes Grollen vernehmen. »Herrje, das wäre nicht gut! Immerhin ist Mrs Ludlam nicht mit Cathie verwandt, auch wenn das Mädchen ihren Namen trägt. Ich denke, wir müssen ihr die Wahrheit sagen – dass Josiah dich geheiratet hat, um der Kleinen seinen Namen zu geben, sie aber nicht gezeugt hat. So kann es nicht weitergehen, Liebes.«

»Vielleicht sollten wir uns eine Geschichte ausdenken – zum Beispiel, dass ein Fremder über mich hergefallen ist und mich geschwängert hat. Es würde ihr das Herz brechen, wenn sie je ihrem richtigen Vater begegnet.« Liza schauderte. Einen Mann, der einen vergewaltigt hatte, vergaß man nie. Je älter Cathie wurde, desto mehr ähnelte sie den Marshalls. Sie war eine große, kräftige junge Frau mit starkem Charakter und der hartnäckigen Entschlossenheit, sich vom Leben zu holen, was sie wollte – obwohl sie auch freundlich sein konnte und ein geradezu wundersames Händchen für den Umgang mit Kindern und Kranken besaß. Ihre jüngeren Geschwister himmelten sie ebenso an wie Dinnys und Fergals Kinder.

Zum Glück traten die charakteristischen Marshall-Züge bei Cathie in abgeschwächter Form zutage, und sie besaß das dichte dunkle Haar ihrer Mutter, kein stumpfes Hellbraun. Liza hatte schon so oft zu ihr gesagt, sie wäre bildhübsch, wenn sie nur aufhören könnte, der Welt so mürrisch entgegenzublicken. Aber Cathie fand, sie wäre zu groß und stämmig. Sie klagte regelmäßig darüber, dass kein Mann je einen so plumpen Brocken wie sie lieben würde.

»Es war viel einfacher, als sie alle noch klein waren«, brummelte Benedict. »Jetzt redet auch Lucas davon, dass er etwas von der Welt sehen will, bevor er häuslich wird. Obwohl er wenigstens mit dem Rest von Australien statt England zufrieden wäre.«

»Für einen jungen Mann ist es einfacher zu reisen. Außerdem ist er nicht so wütend auf die Welt wie sie. Lucas ist ausgesprochen vernünftig. Ich bin sicher, seine Mutter wäre sehr stolz auf ihn, wenn sie noch lebte.«

Nachsichtig blickte er auf Liza hinab und konnte nicht widerstehen, ihr einen Kuss auf die rosige Wange zu drücken. »Wir haben bei unseren Kindern ein ganz schönes Durcheinander beisammen, was? Eines von mir und Grace, eines von dir und Marshall, drei von uns.«

»Und noch eines von mir, das ich nie sehe.« Bei den Worten wurde ihre Stimme brüchig, denn ihr ältester Sohn Francis war ihr von der Familie ihres zweiten Ehemanns, den Rawleys, weggenommen worden. Er war in England aufgewachsen. Die unterschwellige Traurigkeit über seinen Verlust begleitete sie ständig.

Benedict umarmte sie erneut und meinte ermutigend: »Gott sei Dank sind sie alle gesund und munter, außer Josie – und sogar ihr geht es dieses Jahr besser.«

Liza zögerte. Sie überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass sie wieder in anderen Umständen sein könnte, entschied sich jedoch dagegen. Es war zu früh, um sicher zu sein, und sie hatte sich schon einmal geirrt. Außerdem hatte es sie selbst überrascht, und sie hatte sich noch nicht an die Vorstellung gewöhnt, unter Umständen erneut Mutter zu werden.

Cathie und Brendan schlenderten eine Weile das Ufer des Sees entlang. Beide hatten es nicht eilig, nach Hause zurückzukehren und eine Schelte über sich ergehen zu lassen.

Plötzlich schnupperte er. »Ich rieche, dass es brennt. Es wird doch nicht schon wieder das Küchendach in Flammen stehen, oder?«

Beide wirbelten herum und erblickten blaugrauen Rauch, der hinter dem Haus aufstieg.

»Verdammt, das ist ein Buschfeuer – und der Wind weht es in diese Richtung!« Noch während Brendan sprach, rannte er zum Haus los.

Cathie hastete hinter ihm her. Ihre Röcke flatterten um ihre Beine herum, ihre Stiefel pochten über dem Boden. Die offenen Schnürsenkel peitschten dabei hin und her.

Alle in der Gegend fürchteten Buschbrände im Sommer am meisten. Sie konnten binnen einer Stunde ganze Leben vernichten.

Fast im selben Moment verstummte auch Benedict mitten im Satz, schnupperte, eilte um die Veranda herum und starrte ins Unterholz hinter dem Haus. »Oh mein Gott! Liza, das ist ein Großbrand! Hoffen wir, dass unsere Feuerschneisen ihn aufhalten.«

Noch während er sprach, schien der Wind vom Meer stärker zu werden, und sie hörten das gefürchtete Tosen und Knistern eines außer Kontrolle geratenen Feuers.

Benedict eilte zur Notglocke, die alle auf der Farm zusammenrufen würde. Kaum hatte er das Seil losgelassen, sah er, dass Brendan und Cathie angerannt kamen. Weitere Leute traten aus den verschiedenen Nebengebäuden. Alle wussten, was sie zu tun hatten, denn Benedict ließ sie zu Beginn jedes Sommers üben. Bisher hatte das gerodete Gelände sie geschützt, doch diesmal hatte der Brand eine kräftige Meeresbrise hinter sich und breitete sich zunehmend schneller aus.

Unter der Aufsicht der Gouvernante stopften Josie und Harry hastig einige kostbare Habseligkeiten und Kleidung in die eigens für diesen Zweck in ihren Zimmern aufbewahrten Säcke. Liza tat es ihnen in Benedicts und ihrem Zimmer gleich, dann überließ sie es Ilse, ihre Schützlinge hinunter zum See zu führen. Benedict hatte absichtlich eine kleine Landzunge ins Wasser ragen lassen, als er den ursprünglichen Sumpf trockengelegt hatte, denn wie alle Siedler wusste auch er um die Gefahren von Buschbränden.

Dinnys zwei jüngste Kinder eilten bereits am Ufer des Sees entlang zu ihnen und trugen einige Habseligkeiten ihrer Familie bei sich.

Liza lud die Kiste mit den wichtigsten Wertgegenständen am Rand des Wassers ab und warf einen Blick zum Himmel hinter dem Haus. Entsetzt stellte sie fest, wie schnell sich das Feuer ausbreitete. Mittlerweile stiegen dunkle Rauchschwaden auf. Darunter züngelten Flammen hoch empor, rasten über den Boden und sprangen von Baum zu Baum über. Wenn nur der Wind nachließe! Sie beschloss, sicherheitshalber noch ein paar Dinge herauszuholen. »Josie, du bleibst hier und behältst die Kleinen im Auge. Ihr zwei Jungs geht zurück zu den Häusern und schnappt euch, was ihr an Kleidung und Decken tragen könnt. Alles, was nützlich ist. Aber behaltet das Feuer im Blick.«

Josie nickte. Ihr schmales Gesicht wirkte noch blasser als sonst. Da sie zu Atemnot neigte, eignete sie sich nicht für Dinge, bei denen Eile geboten war. Harry preschte bereits zurück zum Haus. Mit sieben war er schon fast so groß wie sie, obwohl er knapp drei Jahre jünger war.

Eine Menschenkette wurde gebildet und reichte Eimer mit Wasser vom See zu Benedict weiter, der den Inhalt auf die Holzschindeln des Dachs schüttete, denn in den Regenwasserfässern herrschte um diese Jahreszeit gähnende Leere. Liza fühlte sich hin- und hergerissen, wollte zugleich Habseligkeiten aus dem Haus retten und sich den anderen anschließen. Benedict rief: »Hol, was du kannst – nur für alle Fälle. Ilse, hilf ihr! Brendan, hol die Tiere raus und scheuch sie zum Wasser.«

Als Liza zum zweiten Mal mit der prall gefüllten Decke aus dem Haus lief, hatten die Flammen die Feuerschneisen überwunden und rasten über das zundertrockene Gras auf die Farm zu. Sie hörte bestürzte Laute aus der Eimerkette, trotzdem arbeiteten alle weiter.

Innerhalb weniger Minuten stand eines der Nebengebäude in Brand. Liza hielt inne und starrte mit Tränen in den Augen hin, bevor sie der Gouvernante Ilse entschlossen zurück ins Haus folgte.

Als sich Fergal dem lodernden Gebäude näherte, rief Benedict ihm zu: »Lass es brennen! Brendan, geh mit deinem Vater und sieh zu, was ihr aus der Werkstatt retten könnt. Aber seid vorsichtig!« Dort befand sich Leim, ein gefundenes Fressen für die Flammen, ebenso wie das zum Abliegen gestapelte gesägte Holz. Wenn der Wind weiterhin so stark wehte, sah er schwarz dafür, viel davon zu retten. Aber vielleicht könnten wenigstens einige der fertigen Möbelstücke und etwas Werkzeug in Sicherheit gebracht werden. Er kehrte in die Eimerkette zurück und reihte sich neben seinen Sohn Seth, der ebenfalls Josiah für seinen Vater hielt, allerdings nicht so verbissen wie Cathie. Er meinte stets unbekümmert, aus seiner Sicht wäre Benedict sein »richtiger« Vater, weil er sich an Josiah nicht erinnern konnte.

Über eine Stunde lang hielten sie das Feuer in Schach. Auf Benedicts Anweisung hin lösten sie die Kette schließlich auf, um kleinere Brandherde im strohartigen Sommergras zu löschen. Fergal und seinem Sohn gelang es, die fertigen Möbelstücke und das teuerste Werkzeug aus der Werkstatt zu bergen. Sie stapelten alles auf der kleinen Landzunge, wo sich die Kinder zwischen einem Wirrwarr aus Habseligkeiten aufhielten. Selbst dort hielten sie sich mit Wassereimern dafür bereit, sie auf alles zu kippen, was die überall herumwirbelnden Funken vielleicht in Brand setzen würden.

Mittlerweile hatte Rauch den sonnigen Tag in ein unechtes Zwielicht gestürzt. Überall wurde geröchelt und gehustet, während sich alle verzweifelt abmühten.

Als das andere Ende der Werkstatt plötzlich Feuer fing, stöhnte Benedict laut, und Liza schluchzte. Sie wusste, wie hart er dafür gearbeitet hatte, die kleine Möbelmanufaktur aufzubauen, dass sie nicht völlig der Gnade des Wetters und der landwirtschaftlichen Erträge ausgeliefert waren.

Bald stand die gesamte Werkstatt lichterloh in Flammen und ergänzte den grauen Rauch von Holz um schwarze, beißende Schwaden. Cathie zerriss ein Laken, tauchte die Streifen in den See und brachte sie den Leuten, die sie sich über den Mund banden, weil die heiße Luft im Hals brannte. Gesichter verloren ihre Merkmale, als der Rauch sie schwärzte. Alle dachten nur noch an die vor Wasser schweren Eimer, die einer nach dem anderen an ihren Schultern zerrten.

Als sich das Feuer dem Gehöft selbst näherte, reihte sich Liza in die Menschenkette ein. Sie arbeitete Seite an Seite mit ihrer Tochter und staunte über Cathies Stärke, denn ihre eigenen Arme schmerzten bereits und wurden bleiern. Als sie einen vollen Eimer fallen ließ, trat sie schwer atmend aus der Reihe, da sie wusste, dass sie für ein, zwei Augenblicke verschnaufen musste.

Dinnys und Fergals Haus befand sich dem Feuer näher. Plötzlich wurde es ebenfalls von den Flammen erfasst und wurde rasant davon umhüllt. Liza beobachtete, wie Dinny einen Moment lang innehielt, erstarrt vor Schmerz. Dann trat sie mit zusammengepressten Lippen wieder in die Reihe. Lizas Herz fühlte mit ihrer Freundin – mit ihnen allen.

Bevor auch sie in die Eimerkette zurückkehren konnte, kam Benedict zu ihr, zog an ihrem Arm und meinte mit belegter Stimme: »Es hat keinen Sinn, Liebste. Unser Haus ist hinten in Brand geraten. Wir holen auf dieser Seite an Möbeln heraus, was wir können. Dann müssen wir uns zum See zurückziehen und es niederbrennen lassen.«

Liza starrte ihn ausdruckslos an, bis ihr die Bedeutung seiner Worte ins Bewusstsein sickerte. Sie sah die Pein in seinen Augen und wusste, dass sie ihre eigene widerspiegelte. Schließlich wandte er sich an Cathie. »Bring deine Mutter in Sicherheit, Schatz. Sie ist erschöpft.« Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, drehte er sich um, vergewisserte sich, dass es allen anderen gut ging, zählte mit einem rußigen Finger die Köpfe ab und ging schließlich voraus in Richtung des Hauses.

Liza bedachte ihre Tochter, die sie zum See ziehen wollte, mit einem Kopfschütteln, ehe sie die Tränen und die vorübergehende Schwäche mit blanker Wut zurückdrängte. »Es geht mir gut. Ich helfe dabei, Sachen herauszuholen.« Bevor irgendjemand versuchen konnte, sie aufzuhalten, steuerte sie auf das Haus zu und folgte ihrem Sohn Seth hinein.

Leute wankten vorbei. Sie trugen, was auch immer sie im verqualmten Gebäude zu fassen bekommen hatten, luden es in der Nähe des Wassers ab und rannten prompt zurück hinein.

Aber nach nur wenigen Runden wurde die Hitze vom brennenden Ende so heftig und der Rauch so dicht, dass Benedict sie aufforderte, es gut sein zu lassen und sich am See in Sicherheit zu bringen. Wieder zählte er durch und nickte erleichtert darüber, dass niemand fehlte. Weder Liza noch er würden je vergessen, dass Josiah Ludlam, ihr erster Ehemann, bei einem anderen Hausbrand von einem herabfallenden Balken erschlagen worden war – und Cathie das Leben gerettet hatte.

Liza weinte unverhohlen, während sie dastand und beobachtete, wie alles, wofür sie so hart gearbeitet hatten, ein Raub von Flammen wurde, die im schwarzen Rauch zu tanzen schienen, als wollten sie die Zuschauer mit ihrer vernichtenden Kraft verhöhnen. Als Cathie einen Arm um sie legte, bemerkte Liza hellere Schlieren im rußigen Gesicht ihrer Tochter. Sie brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es sich um Spuren von Tränen handelte. Mittlerweile fühlte sie sich wirklich ausgelaugt, deshalb stützte sie sich inmitten der schweigenden Gruppe von Leuten auf den starken jungen Arm.

Benedict bewegte sich wie ein alter Mann, als er zu ihnen trat. Er nickte Cathie zu. »Hast du gut gemacht, Mädchen.« Dann bückte er sich und küsste Liza auf die verdreckte Wange. »Ich baue dir ein neues Zuhause, Schatz. Versprochen.«

Sie drängte die Tränen zurück. »Wir bauen es zusammen.«

Schließlich konnten sie einander nur noch festhalten und zusehen, wie ihr Zuhause niederbrannte. Ilse stand neben Josie. Sie wirkte von den Ereignissen bis ins Mark erschüttert. Auch sie hatte viel von ihrer Habe verloren.

Durch reinen Zufall breitete sich das Feuer nur um die Südseite des Sees herum aus. Im Norden bremste das gerodete Ackerland den rasanten Vormarsch, bis der Wind vom Meer nachließ – zu spät, um den Caines noch zu helfen. Auch der sumpfige Untergrund im Süden hatte die Flammen verlangsamt, aber mittlerweile bestanden sämtliche Gebäude des Gehöfts Lizabrook nur noch aus Asche.

Lucas fehlte als einziges Mitglied der Familie, und sie fürchteten, er könnte auf dem Heimweg aus Mandurah vom Feuer überrumpelt worden sein. Allerdings gab es keine Möglichkeit, nach ihm zu suchen, bis die Überreste des verbrannten Geländes abgekühlt wären.

»Lucas ist ein vernünftiger Bursche. Ihm ist nichts passiert«, meinte Benedict, womit er sich selbst ebenso sehr beruhigen wollte wie Liza.

Als die Nacht hereinbrach, schliefen sie alle, worauf sie konnten, und blieben zur Sicherheit in der Nähe des Sees. Benedict und Fergal hielten abwechselnd Wache für den Fall, dass ein verirrter Funke die Nordseite des Gewässers in Brand setzte.

Am nächsten Morgen brachen Dinny und Brendan auf, um sich den Zustand der Umgebung anzusehen, die sie und ihr Sohn besser kannten als irgendjemand sonst. Durch Dinnys Adern floss nicht nur Aborigine-Blut, sondern auch irisches, und sie war nicht in der Gegend geboren worden. Aber sie hatte an dem Ort Wurzeln geschlagen, betrachtete ihn als ihr Zuhause und war überzeugt davon, dass er sie genauso akzeptierte wie den in dem Landstrich heimischen Eingeborenenstamm.

Bei ihrer Erkundung stellten sie fest, dass die Flammen größtenteils erloschen waren, aber noch vereinzelte Baumstämme glommen. Außerdem erwiesen sich einige Flächen als nach wie vor heiß. Die Bewohner des Gehöfts Lizabrook versammelten sich als ernste Gruppe, um zu überlegen, was sie unternehmen sollten. Allen war nur allzu bewusst, wie viel sie verloren hatten. In Benedicts Züge hatte sich eine Verkniffenheit eingenistet, die sie zuvor nicht aufgewiesen hatten.

Liza fühlte sich benommen und orientierungslos. Einmal schaute sie zu Ilse und sah, wie die Gouvernante mit Tränen in den Augen in die Ferne starrte. »Es ist ein raues Land«, sagte Liza leise.

»Mir ist nicht klar gewesen, wie schnell so etwas gehen kann«, gestand Ilse.

»Wie viel hast du retten können?«

»Den Großteil meiner Kleidung und Bücher. Auch die Fotos meiner Familie.«

»Das ist immerhin etwas.«

Benedict ergriff das Wort. »Wir können fast sofort mit dem Wiederaufbau anfangen, wenn wir ein wenig zugeschnittenes Holz aus Mandurah herholen können. Für die Wände nehmen wir diesmal Lehmziegel. Die brennen nicht so leicht. Allerdings fürchte ich, das neue Haus wird anfangs kleiner sein müssen.« Er sah die Gouvernante an. »Ich hoffe doch, du bleibst trotzdem bei uns, Ilse.«

»Natürlich bleibe ich. Und ich helfe auf jede mir mögliche Weise beim Wiederaufbau.«

Liza umarmte sie. Dann machten sich die beiden Frauen daran, die geborgenen Möbel in den Schatten der wenigen noch stehenden Bäume in der Nähe des Wassers zu befördern. Die besseren deckten sie mit den verbliebenen Decken und Säcken ab.

»Wir hatten eben erst den Proviantschuppen mit Mehlsäcken aufgefüllt«, klagte Liza später, als sie mit Dinny an einer Bestandsaufnahme der geretteten Lebensmittel arbeitete. »Jetzt ist alles weg.«

»Habt ihr keine Feuerversicherung?«, fragte Ilse.

Liza schüttelte den Kopf, ohne sie anzusehen. »Nein. Orte wie dieser werden nicht versichert. Man muss selbst sehen, wo man bleibt.« Damit wandte sie sich wieder der Arbeit zu.

Benedicts ältester Sohn Lucas tauchte am Vormittag aus Richtung Mandurah auf, kurze Zeit später gefolgt von einigen Nachbarn aus Brookley. Liza brach vor schierer Erleichterung darüber, dass er noch lebte, in Tränen aus, denn er war ihr so lieb wie ihre eigenen Kinder.

Cathie hatte ihre Mutter beobachtet, besorgt darüber, wie angespannt sie wirkte. Sie drängte sie, sich auf einen der geretteten Stühle zu setzen.

»Tut mir leid.« Liza schluckte schwer. »Es ist nur ... Wenn ich in anderen Umständen bin, werde ich immer ein bisschen w-weinerlich ...«

Benedict hörte die Worte. Prompt eilte er herbei, kniete sich neben sie und schloss sie in die Arme. »Was für eine Art, es uns mitzuteilen!« Er drehte den Kopf und schaute zu den geschwärzten Überresten des Hauses, das er mit eigenen Händen gebaut hatte. Leise fügte er hinzu: »Und überhaupt, wem wäre heute nicht zum Weinen zumute?«

Fünfzig Meilen entfernt in Perth lief Christina Docherty auf der Veranda ihres gemieteten Hauses auf und ab, während sie der Rückkehr ihres Ehemanns von einem Treffen in der Stadt harrte. Ihre Söhne fingen in der Nähe an, einander anzubrüllen. Kurz blieb sie stehen und schaute mürrisch in die Richtung. Dann zuckte sie mit den Schultern und überließ es der Gouvernante, den Streit zu schlichten.

Als sie Dermott die Straße entlangkommen sah, sprang sie von der Veranda und eilte los, um ihn zu begrüßen, ohne auf ihre Würde zu achten. »Du bist ewig weg gewesen!«, klagte sie und hängte sich bei ihm ein. »Ist dieser Mann aufgetaucht?«

»Ja.« Er grinste verschmitzt. »Und leider muss ich dir mitteilen, dass ein Buschfeuer die Farm meiner Schwester Liza niedergebrannt hat.«

»Gut. Dann können wir jetzt anfangen, unser eigenes Leben zu regeln. Ich habe es satt, in dieser Bruchbude zu wohnen.« Die alberne Besessenheit ihres Ehemanns davon, sich an seiner Schwester zu rächen, hatte sie nie verstanden. Ihrer Ansicht nach waren die Ereignisse damals ein Unfall gewesen, und der Flegel Niall Docherty hatte lediglich bekommen, was er verdient hatte. Sie war ihm nur einmal begegnet, als er den Gasthof ihrer Mutter aufgesucht hatte, aber das hatte für ihre Einschätzung gereicht. Dermott hatte sich immer am Beispiel seines Bruders orientiert. Die beiden waren in der Hoffnung nach Australien gereist, Geld vom reichen Ehemann ihrer Schwester zu erpressen. Soweit Christina wusste, war Niall im Begriff gewesen, Dinny zu vergewaltigen, als Liza ihn erschossen hatte. Geschah ihm recht. Auch sie würde jeden erschießen, der versuchte, sie zu schänden. Natürlich verschwieg sie ihre Gedanken ihrem Ehemann, der das Andenken seines Bruders nach wie vor regelrecht vergötterte.

Dermott schlang den Arm um sie. »Tja, wir ziehen bald um, allerdings nicht zurück nach England. Ich dachte mir, wir verbringen ein Weilchen auf der Farm, die ich billig gekauft habe. Sie liegt näher, als mir klar gewesen ist, beim Gehöft meiner lieben Schwester.« Er runzelte die Stirn. Was, wenn er den eigenen Besitz zusammen mit ihrem hatte niederbrennen lassen?

Entsetzt starrte sie ihn an. »Dermott Docherty, hast du den Verstand verloren? Ich dachte, du wolltest die Farm nur weiterverkaufen und einen hübschen kleinen Gewinn damit erzielen! Du verstehst nicht das Geringste von Landwirtschaft. Und ich will sicher nicht auf dem Land leben, am allerwenigsten hier in Westaustralien. Ich habe dich geheiratet, um von all dem wegzukommen!« Sie war damals entsetzt gewesen, als ihr Vater die Familie Pringle gezwungen hatte, nach Australien auszuwandern. Ihre Mutter hatte das Beste daraus gemacht, aber das hatte Dorothy Pringle zeit ihrer unglücklichen Ehe immer getan. Christina verachtete sie dafür. Ihr Vater hatte mit seinen hirnrissigen Plänen ihr gesamtes Geld in den Sand gesetzt. Kein Wunder, dass sie mit Dermott durchgebrannt war.

»Na ja, ich wusste nicht, dass die Farm gleich die Straße runter von Lizabrook entfernt liegt. Bei Nialls Tod habe ich geschworen, dass ich meine Schwester dafür bezahlen lassen würde und ...«

»Sie hat bezahlt! Immerhin hat sie ihr Zuhause verloren. Das wird doch wohl reichen, oder?« Kitty konnte Liza zwar nicht leiden, weil alle annehmbaren Männer immer ihr verfallen waren, dennoch wünschte sie ihr nicht noch mehr Schlechtes.

Dermott bedachte sie mit einem mürrischen Blick. »Vielleicht reicht es. Vielleicht auch nicht. Unabhängig davon kann's nicht schaden, wenn Matthieu und ich ein, zwei Jährchen etwas leiser treten. Und ich würde gern das Leben eines Landadeligen ausprobieren. Verkaufen kann ich die Farm auch später noch.«

Den Tränen nahe entfernte sie sich von ihm. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte er stur wie ein Esel sein, und sie hatte gelernt, seine plötzlichen Stimmungsschwankungen zu fürchten. »Wir leben hier in Perth ruhig genug, Dermott. Ich kann kaum fassen, wie klein und rückständig der Ort im Vergleich zu Melbourne ist. Das hier betrachte ich nicht als eine Hauptstadt! Und weißt du, in Australien ist es auf dem Land nicht wie in England.«

»Wir machen es auf meine Weise, Christina!«

»Ich sehe auch nicht ein, warum wir überhaupt bei Matthieu Correntin bleiben müssen. Wir brauchen ihn nicht mehr. Inzwischen haben wir genug Geld, um wie Kleinadelige in der Heimat zu leben.«

In Dermotts Stimme schwang Stahl mit, als er entgegnete: »Ein bisschen schadet nie. Ich will richtig reich sein, wenn wir letztlich nach England zurückkehren. Und Matthieu ist sowohl klug als auch nützlich.« Hätte Dermott den Rat seines Geschäftspartners beherzigt, wäre es nicht nötig gewesen, Melbourne überhaupt zu verlassen, was er bereits nach wenigen Wochen in einem Kaff wie Perth genauso sehr bedauerte wie seine Frau. Nur würde er ihr nicht die Genugtuung liefern, es zuzugeben.

Als ihm klar wurde, dass sie mitten auf der Straße zankten und sich eine Nachbarin näherte, murmelte er: »Sag Hallo zu Mrs Fenton. Sie mag knapp bei Kasse sein, aber sie hat immer noch nützliche Verbindungen.«

Christina holte tief Luft, drehte sich um und lächelte ihrer in Witwenschwarz gekleideten Nachbarin entgegen. »Wie geht's Ihnen heute, Mrs Fenton?«

»Gut, danke.« Agnes setzte dazu an, weiterzugehen.

Rasch sagte Dermott: »Möchten Sie vielleicht ein Tässchen Tee mit uns trinken und unsere Neuigkeiten erfahren, Mrs F.? Wir haben gerade eine Farm gekauft.«

»Vielleicht ein andermal, Mr Docherty. Der Tod meines Ehemanns liegt jetzt ein Jahr zurück. Ich bin unterwegs in die Stadt, um mir etwas Freundlicheres als reines Schwarz zu kaufen. Tatsächlich« – Agnes schlug die Augen nieder und verzog das Gesicht – »werde ich wohl nicht mal zu Halbtrauer übergehen. Ich habe genug von dunklen Farben.« Mit einem knappen Nicken ging sie forschen Schrittes weiter.

Als Agnes das Schaufenster eines Ladens passierte, warf sie einen zufriedenen Blick auf ihr Spiegelbild. Sie mochte auf die fünfzig zugehen, aber sie hatte sich ihre Figur bewahrt und erfreute sich noch guter Gesundheit.

Als sie in der Ferne eine Freundin erblickte, eilte sie ihr die Straße entlang entgegen und freute sich darauf, zu plaudern. Es langweilte sie so sehr, allein zu leben! Und verwitwet zu sein. Sie brauchte einen Mann, sowohl als Versorger als auch im Bett. Agnes hatte schon mit dem Gedanken gespielt, nach England zurückzukehren. Doch sie hatte keine Lust, von der Gnade ihres Schwiegersohns zu leben. Nicht mal auf das Wohlwollen ihres Sohns in Sydney wollte sie angewiesen sein. Außerdem standen die Chancen, einen neuen Ehemann zu finden, in Australien besser, weil nach wie vor ein Männerüberschuss herrschte. Nur würde sie diesmal etwas wählerischer sein. Ihr verstorbener Gatte war ein Verschwender und zuletzt auch ein Trunkenbold gewesen.

Sie musste jemanden finden, bevor ihr die Geldreserven ausgingen.

In Lancashire suchte Magnus Hamilton am Freitagabend nach dem Essen den Arzt auf, um mit ihm über seine Mutter zu sprechen. Ihr Verhalten wurde zunehmend wunderlicher. Neuerdings wanderte sie nachts durchs Haus und störte jedermanns Schlaf.

Clifford Barnes, ein ernster Endvierziger mit dem Ruf, sich um alle seine Patienten gleich zu kümmern, ob reich oder arm, führte Magnus in sein Sprechzimmer. Er bedachte den jüngeren Mann mit einem mitfühlenden Blick und bedeutete ihm, sich zu setzen. Nachdem er selbst auf dem großen bequemen Stuhl hinter dem reich verzierten Mahagonischreibtisch Platz genommen hatte, zögerte er kurz. Dann sprach er unverblümt aus, was er zu sagen hatte, weil er keine Möglichkeit kannte, schlechte Neuigkeiten solcher Art zu entschärfen. »Ich fürchte, Ihre Mutter leidet unter einer Aufweichung des Gehirns, die zu einem Verfall der geistigen Fähigkeiten führt. Das ... äh, kommt bei manchen betagten Menschen vor.« Seufzend fügte er hinzu: »Leider kann die Medizin in solchen Fällen nicht helfen.«

Magnus starrte auf den dunkelroten Teppich mit einem Muster aus Quadraten und Rauten, während er damit kämpfte, die Auskunft zu verarbeiten. Seine Gedanken zerfransten und schraken von der schrecklichen Neuigkeit zurück. Schon oft hatte er sich gewünscht, er könnte sich einen so weichen Teppich für die geschwollenen, schmerzenden Füße seiner Mutter leisten. Er hatte gern alles Mögliche für sie getan, weil Janey Hamilton ihnen allen eine gute Mutter gewesen war. Aber obwohl er als Vorarbeiter in der Werkstatt von Ludlams Baumwollfabrik recht anständig verdiente, hatte er wenig auf die Seite gelegt. Seit dem Tod seines Vaters, als Magnus achtzehn Jahre alt gewesen war, hatte er seine drei Brüder, seine Schwester und seine Mutter durchbringen müssen. Für Luxus wie schicke Teppiche hatte sein Einkommen deshalb nie gereicht.

Er war töricht gewesen, sich solchen Träumen überhaupt hinzugeben! Derlei Dingen hätte er längst entwachsen sein sollen. Ähnlich, wie er so gut wie alles andere abgeschrieben hatte – seine Pläne, sich eine Frau zu suchen und eine Familie zu gründen, sein Wunsch, sich zu verbessern, seine Vorliebe dafür, Neues zu lernen. Im Augenblick hatte er schon genug damit zu tun, nur zu überleben.

Er blickte auf seine langen Beine hinab und dachte daran zurück, wie schnell er in den Jahren seiner Jugend aus seiner Kleidung herausgewachsen war, bis er seine endgültige Größe von 1,93 Metern erreicht hatte. Das hatte zusätzliche Kosten verursacht, weil Sachen für seinen hochgewachsenen, mageren Körper besonders teuer waren. In einem Gebrauchtkleidungsladen fand man nichts Passendes, man musste es eigens anfertigen lassen. Seine Mutter hatte selbst jahrelang auf Neues zum Anziehen verzichtet, damit er in einer anständigen Aufmachung zur Arbeit hatte gehen können. Früher hatte er das nicht gewusst. Er hätte ohnehin nichts daran ändern können, denn sein Lohn reichte mit Müh und Not, um sie alle über Wasser zu halten.



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