Träume im Glanz der Morgenröte - Anna Jacobs - E-Book
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Träume im Glanz der Morgenröte E-Book

Anna Jacobs

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Beschreibung

Singapur 1860: die Engländerin Isabella Sanders strandet nach dem Tod ihrer Mutter alleine und mittellos in dem exotischen Shanghai. In ihrer Not nimmt sie eine Anstellung als Hauslehrerin bei dem Händler Mr. Lee an.

Als Mr. Lee auf Bram Deagan trifft, sieht er in ihm den idealen Partner, um sein Unternehmen noch erfolgreicher zu machen und überredet Isabella den Engländer zu heiraten. Doch die Vergangenheit wirft dunkle Schatten auf die junge Ehe ...

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungDanksagungProlog123456789101112131415161718192021222324

Über dieses Buch

Singapur 1860: die Engländerin Isabella Sanders strandet nach dem Tod ihrer Mutter alleine und mittellos in dem exotischen Shanghai. In ihrer Not nimmt sie eine Anstellung als Hauslehrerin bei dem Händler Mr. Lee an.

Als Mr. Lee auf Bram Deagan trifft, sieht er in ihm den idealen Partner, um sein Unternehmen noch erfolgreicher zu machen und überredet Isabella den Engländer zu heiraten. Doch die Vergangenheit wirft dunkle Schatten auf die junge Ehe …

Über die Autorin

ANNA JACOBS hat bereits über siebzig Bücher verfasst. Sie wurde in Lancashire geboren und wanderte 1970 nach Australien aus. Sie hat zwei erwachsene Töchter und wohnt mit Ihrem Mann in einem Haus am Meer.

ANNA JACOBS

TÖCHTER DES HORIZONTS

Träumeim Glanzder Morgenröte

Aus dem amerikanischen Englischvon Diana Beate Hellmann

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Titel der Originalausgabe: »Trader’s Wife«

 

BASTEI ENTERTAINMENT

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

 

Deutsche Erstausgabe

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

 

Projektmanagement: Esther Madaler

Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Illustrationen © shutterstock: Helen Hotson | Serg Zastavkin | iktash | STILLFX

E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

 

ISBN 978-3-7325-1758-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für David Boris, unseren entzückenden Enkel,

Danksagung

Wieder einmal muss ich mich beim australischen Bibliothekensystem bedanken, das bei der Recherche wunderbar hilfreich ist.

Und einmal mehr danke ich Eric Hare, der immer da ist, um mir bei Fragen zu helfen, die mit der Seefahrt zu tun haben.

PROLOG

Singapur, April 1865

Die feuchte Hitze Singapurs hüllte Isabella Saunders ein wie eine warme Decke. Sie war auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch. Seit drei Wochen bewarb sie sich nun schon als Hauslehrerin, Gouvernante, Gesellschaftsdame, Privatsekretärin einer Lady – um jede Stellung, die in der Straits Times inseriert war. Die meisten Leute, die sie angeschrieben hatte, hatten es nicht einmal für nötig befunden, sie zu einem persönlichen Treffen einzuladen, und ihr nur eine Zeile als Antwort zukommen lassen, in der es hieß, die Stellung sei bereits vergeben.

Diese Dienstherrin dagegen hatte ihr einen netten Brief geschickt und sie zum Tee eingeladen. Das bedeutete doch sicher, dass sie eine Chance hatte. Oder nicht? Denn wenn es das nicht bedeutete … Sie schauderte bei dem Gedanken, was sie dann tun würde.

Sie klopfte an die Tür und wurde in ein sehr behagliches Haus geführt. Sie lächelte, weil aus dem oberen Stockwerk Kinderstimmen drangen. Sie mochte Kinder. Sie hatten eine so ehrliche Einstellung zum Leben.

Das Dienstmädchen bat sie, in der Eingangshalle zu warten, und machte sich auf, ihrer Herrin Bescheid zu geben. Als sie zurückkam, führte sie Isabella in einen kleinen Raum im hinteren Teil des Hauses.

Mrs Wallace erhob sich und schaute sie mit entsetzter Miene an. »Ach herrje!«

Isabella erstarrte. »Stimmt irgendetwas nicht?«

»Sie sind viel jünger, als ich erwartet habe.«

»Ich bin neunundzwanzig, Mrs Wallace.«

»Sie sehen jünger aus.«

Plötzlich wurde die Tür geöffnet, und ein junger Mann steckte den Kopf ins Zimmer. »Mama, ich …«

Er verstummte, starrte Isabella an und fing an zu grinsen, und ihr wurde ganz elend. Dass sich einer der Söhne des Hauses für sie interessierte, war das Letzte, was sie wollte. Rasch blickte sie wieder zu Mrs Wallace und sah, dass das Gesicht der Frau wie versteinert war.

»Ich bin beschäftigt, James. Komm später wieder.«

Er blieb noch einen Moment lang stehen und starrte Isabella weiter an, dann ging er und pfiff dabei vor sich hin, dass es durch den ganzen Korridor schallte.

»Ich fürchte, Sie sind nicht geeignet, Miss Saunders.« Mrs Wallace griff nach einem zusammengefalteten, mit Spitze eingefassten Taschentuch und tupfte sich in einer automatischen Geste den Schweiß von der Oberlippe.

Das war die direkteste und schnellste Absage, die Isabella je bekommen hatte. »Warum nicht? Sie haben mich ja noch gar nicht nach meiner Erfahrung oder meinen Kenntnissen gefragt.«

»Warum ich das nicht getan habe, liegt doch wohl auf der Hand. Ich habe einen Sohn, der sehr empfänglich ist für weibliche Reize und der einfach im falschen Alter ist, um jemanden wie Sie im Haus zu haben. Ich beschäftige niemals Kindermädchen, die jung und hübsch sind.«

»Aber ich würde nie …«

Mrs Wallace hob die Hand. »Sie würden vielleicht nichts Unrechtes tun, aber er ist noch so jung, dass er Dummheiten macht. Es tut mir leid.« Sie schob eine Münze über den Tisch, und ihre Stimme wurde etwas sanfter. »Das ist für die Zeit und für die Mühe, die es Sie gekostet hat, herzukommen. Es tut mir wirklich leid.«

Isabella hätte die Münze am liebsten wütend zurückgeschoben, aber sie konnte es sich nicht leisten, stolz zu sein. Stattdessen zwang sie sich, zu sagen: »Vielen Dank für Ihre Liebenswürdigkeit, Ma’am. Und sollten Sie von irgendeiner anderen Stellung hören, für die ich geeignet wäre …«

»Gebe ich Ihnen Bescheid.«

Sie schaffte es, das Haus zu verlassen, bevor sie in Tränen ausbrach, und blieb draußen erst einmal einen Augenblick stehen, um die Fassung wiederzuerlangen. Nachdem sie das Bedürfnis zu weinen verdrängt hatte, machte sie sich auf den Rückweg zu der Wohnung, die sie sich mit ihrer Mutter geteilt hatte, bis die im vergangenen Monat gestorben war.

Sie überquerte die Elgin Bridge, eine lange Eisenbrücke, und ging in südlicher Richtung in den Teil der Stadt, in dem die Einheimischen lebten, genauer gesagt ins chinesische Viertel. Sie schlängelte sich durch die geschäftigen Menschentrauben. Kinder rannten kreischend und brüllend an ihr vorbei, stämmige Matronen standen im Weg, und vorbeitrabende Kulis mit nacktem Oberkörper und in ausgebeulten knielangen Hosen schleppten alle möglichen Lasten und balancierten diese zuweilen an beiden Enden einer Stange.

Keinem dieser Menschen schien die feuchte Hitze etwas auszumachen, während die meisten Europäer sie äußerst anstrengend fanden und körperliche Ertüchtigung nur sehr früh am Morgen betrieben. Isabella war inzwischen daran gewöhnt. Manchmal sehnte sie sich jedoch verzweifelt nach der kühlen, belebenden Brise Englands.

Unter ihr lagen an beiden Ufern des Flusses mehrere Reihen kleiner Boote vor Anker, und auf vielen dieser Boote lebten ganze Familien. Sie verlangsamte den Schritt, denn sie wurde nie müde, diese Menschen zu beobachten, und sie beneidete sie, dass sie so viele Menschen um sich hatten, an die sie sich wenden konnten. Diese beobachteten sie ebenfalls, denn normalerweise gingen europäische Frauen nicht ohne Begleitung aus dem Haus.

Jetzt, da ihre Eltern beide tot waren, war sie mutterseelenallein, und in den sich endlos hinziehenden dunklen Stunden der Nacht machte ihr das Angst.

Ihr Vater war Buchhalter gewesen und hatte für die East India Company gearbeitet, ihre Mutter war die Tochter eines Pastors und hatte unter ihrem Stand geheiratet. Am Anfang hatten sie es genossen, in Singapur zu leben, wo die Dienstboten so billig waren. Ihr Vater hatte sie hergebracht, weil er gehofft hatte, im Fernen Osten ein Vermögen zu machen, doch dann hatte er angefangen, Opium zu rauchen und zu wetten und zu spielen, und hatte nach und nach alles verloren, sogar sein Leben.

Jetzt, da keiner mehr da war, fühlte Isabella sich in Singapur eher wie in einem Gefängnis, und ihre Zukunftsängste wurden jeden Tag größer. Für die Rückkehr nach England hatte sie kein Geld, denn die Überfahrt war teuer, sie hatte keine Freunde, die sie um Hilfe hätte bitten können – weder hier noch in England –, und die meisten Menschen, an denen sie vorbeilief, sprachen sogar eine andere Sprache als sie.

Ihre Cousine Alice, die eher wie eine jüngere Schwester für sie war, hatte mehrere Jahre bei ihnen gewohnt. Vor drei Jahren hatte ihre dümmlich naive Cousine dann den Lügen geglaubt, die Nicholas Renington ihr erzählt hatte, und als man ihr verbot, mit ihm zu verkehren, war sie davongelaufen, um ihn zu heiraten. Natürlich hatte er sie nicht geheiratet! Das tat diese Sorte Mann nie.

Ein paar Monate später war eine andere Frau bei ihm eingezogen, und niemand schien zu wissen oder sich dafür zu interessieren, was aus ihrer Cousine geworden war. Isabella hatte Renington einmal auf der Straße angesprochen, um ihn danach zu fragen, und er hatte mit den Achseln gezuckt und erklärt, Alice sei von ihm weggelaufen und dass er nicht wisse, wo sie jetzt sei oder mit wem sie zusammenlebe. Während er das sagte, hatte er Isabella so anzüglich gemustert, dass sie rot geworden und davongeeilt war.

Sie dachte oft an ihre Cousine und wäre froh gewesen, wenn sie wenigstens gewusst hätte, dass sie in Sicherheit war. Alice war zwar faul gewesen und ganz und gar nicht klug, aber sie war ein warmherziger Mensch, mit dem man Spaß haben konnte. Sie hatten ein enges Verhältnis gehabt, weil sie nur einander gehabt hatten – bis Renington gekommen war. Nach diesem Vorfall verbot Isabellas Mutter ihr, jemals wieder etwas mit ihrer Cousine zu tun zu haben, falls die zurückkehrte, nicht einmal auf der Straße sollte sie mit ihr sprechen.

Sie schüttelte den Kopf. Warum beschäftigte sie sich jetzt damit? Das war aus und vorbei. Alice war nicht mehr da.

Nachdem sie die überfüllte Brücke hinter sich gelassen hatte, ging Isabella etwas flotter, denn sie wollte unbedingt nach Hause. Sie verspürte eine Welle der Erleichterung, als sie in die schmale Seitenstraße einbog, in der nicht so viele Menschen sie anstarrten, weil diese schon an ihren Anblick gewöhnt waren. Warum sollten sie sich um sie scheren? Sie war weder eine reiche Engländerin, die von ihren Dienstboten begleitet wurde, noch war sie irgendein Europäer, der herumstolzierte, als gehörte ihm die Welt. Sie war fast so arm wie die meisten von ihnen.

Was sollte sie tun, wenn sie keine Anstellung fand? Als einfaches Dienstmädchen konnte sie nirgendwo unterkommen, weil die Einheimischen für viel weniger Geld arbeiteten. Sie hatte nicht die erforderlichen Fähigkeiten, um sich als Kammerzofe zu verdingen, und sie hatte ehrlich gesagt auch keine Lust, an den Haaren und am Körper einer anderen Frau herumzufummeln. Sie benutzte lieber ihr Hirn, aber das war den Leuten ebenso wenig geheuer wie ihr äußeres Erscheinungsbild. Niemand traute einer klugen Frau, erst recht nicht, wenn sie zudem auch noch einigermaßen hübsch war.

Und sie war zwar eine tüchtige Näherin, hatte aber nicht das Geschick ihrer Mutter, Roben zu entwerfen und zu schneidern oder alte so zu ändern, dass sie aussahen wie neu. Für einfaches Nähen und Flicken waren die einheimischen Frauen auch wieder erheblich billiger. Aber von dem, was man denen bezahlte, hätte sie ohnehin nicht leben können.

Als das Haus, in dem ihre Wohnung lag, in Sicht kam, schnappte sie entsetzt nach Luft. Ihre persönliche Habe stand aufgetürmt vor dem Haus. Sie rannte hin, während der Sohn ihrer Vermieterin gerade mit einem Stock einen zerlumpten Malaien verjagte, der versucht hatte, ihre Hutschachtel zu stehlen.

»Was ist passiert?«, fragte sie ihn, da sie wusste, dass er etwas Englisch sprach.

»Mutter finden neuen Mieter. Zahlt mehr. Du gehen.«

»Ich kann aber nirgendwohin! Und ich habe die Miete bis zum Ende der Woche bezahlt.«

Er zuckte mit den Achseln und wandte sich wieder zur Tür.

»Missy.«

Sie fuhr herum. Nur wenige Schritte von ihr entfernt stand ein Mann, der größer war als die meisten Chinesen, aber immer noch kleiner als sie. Er wirkte weder alt noch jung, und sein Gesichtsausdruck strahlte Ruhe und Selbstsicherheit aus. Als er ganz langsam ein paar Worte in seiner Sprache zu ihr sagte, fragte sie sich, ob sie ihn richtig verstanden hatte. Es gab in dieser Stadt so viele Sprachen, denn hier lebten Malaien, Baba-Nyonya und Chinesen, und Letztere sprachen gleich mehrere Sprachen, weil sie aus verschiedenen Regionen Chinas stammten. Sie verstand hie und da ein paar Worte, weil sie auf dem Markt einkaufen musste, das war alles.

Der Mann wartete einen Augenblick, und dann wiederholte er, was er gesagt hatte. Es hörte sich an, als – nein, bot er ihr wirklich ein Zimmer an?

Als er einen Schritt auf sie zutrat, wich sie zurück, zum einen weil sie Angst hatte, welche Art Preis sie für ein Zimmer würde zahlen müssen, zum anderen weil sein Angebot sie erstaunte. Die Elite der verschiedenen ethnischen Gruppen, die in Singapur lebten, verkehrte bei gesellschaftlichen Anlässen miteinander, das wusste sie, doch dieser Mann war zwar anständig gekleidet, aber er sah nicht so aus, als wäre er reich genug, um diese Gesellschaften zu besuchen.

Glaubte er, sie würde für ein Zimmer ihren Körper verkaufen?

Er blickte ihr prüfend ins Gesicht, und als sie noch einen Schritt zurückwich, schüttelte er den Kopf, wie um sie zu rügen, und winkte mit dem Anflug eines Lächelns jemanden heran: eine Frau, die sehr viel älter war als er. Sie trug eine dunkle bauschige Hose und einen Kittel, und ihr Gesicht hatte einen äußerst missbilligenden Ausdruck. Er legte der Frau die Hand auf die Schulter und sagte einfach: »Mutter.« Dann wartete er und legte den Kopf schräg, um sicherzugehen, dass Isabella verstand.

Sie nickte und wiederholte das Wort.

Er zeigte mit dem Finger auf Isabella. »Du – Schwester – Zimmer.« Er wiederholte die letzten beiden Worte.

Sie nahm an, er wolle ihr sagen, dass sie nichts von ihm zu befürchten hatte und dass sie entweder mit seiner Schwester ein Zimmer teilen oder wie eine Schwester für ihn sein würde, aber sie war sich nicht ganz sicher. Und sie verstand auch nicht, warum er ihr dieses Angebot überhaupt machte. Irgendeine Gegenleistung musste er von ihr erwarten. Aber welche? Vergeblich bemühte sie sich, die Frage in einer der Landessprachen zu formulieren, aber sie kam nicht auf das entsprechende Wort, und so fragte sie ihn schließlich auf Englisch. »Warum?«, sagte sie und breitete die Arme aus, um ihre Verwirrung zum Ausdruck zu bringen.

Er nickte, als hätte er ihre Frage verstanden, und zeigte mit dem Finger auf sich selbst. »Splick Englis.« Er deutete auf seinen Mund, sagte etwas in seiner Muttersprache, dann schüttelte er den Kopf, runzelte die Stirn und wiederholte: »Splick Englis.«

»Sie wollen, dass ich Ihnen Englisch beibringe?«

Er nickte mehrmals und sah aus, als hätte er ihre Frage verstanden. Nun, die Menschen verstanden oft mehr, als sie in einer fremden Sprache ausdrücken konnten.

Wenn sie ihn richtig verstanden hatte, war das ein ernst gemeintes Angebot, das ihre Probleme lösen würde, zumindest vorübergehend. Doch konnte sie ihm vertrauen? Sie kannte ja nicht einmal seinen Namen.

Sie wollte ihn gerade danach fragen, als ein Engländer die Straße herunterkam. Hochmütig zwang er die Leute, ihm Platz zu machen. Dieser Mann war der letzte Mensch auf der Welt, von dem sie wollte, dass er sie so sah.

Er blieb neben ihnen stehen und ließ den Blick über ihre persönliche Habe und über ihr Gesicht und dann über ihren Körper wandern, wie er das immer tat. Renington, der Mann, der ihre Cousine Alice ins Unglück gestürzt hatte.

»Probleme, Miss Saunders?«

»Das geht Sie nichts an.«

»Für mich sieht das hier so aus, als hätte man Sie aus Ihrer Wohnung geworfen, und ich frage mich, warum wohl?«

Dann rieb er Daumen und Zeigefinger der rechten Hand aneinander, und ihr wurde übel, weil sie begriff, dass er ihre Vermieterin mit Geld bestochen haben musste, damit die sie hinauswarf.

»Womit haben Sie die ehrbaren Leute in dieser Straße gegen sich aufgebracht?« Sein Raubtierlächeln jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken.

»Was ich tue, geht Sie nichts an«, wiederholte sie und trat einen Schritt zurück, um den Abstand zwischen ihm und ihr zu vergrößern. Und wenn sie dadurch jetzt dichter neben dem chinesischen Paar stand, machte das gar nichts, denn die beiden waren ihr tausendmal lieber als er.

»Vielleicht können wir uns noch einmal über mein Angebot unterhalten? Ich kann Ihnen ein Zuhause und ein Bett bieten.« Renington zwinkerte ihr zu. »Ich werde Sie gut behandeln, ich gebe Ihnen Geld und kaufe Ihnen schöne Kleider.«

Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. »Ich habe schon Nein gesagt, daran ist nichts zu ändern.«

»Ach, ich denke schon. Wo wollen Sie heute Nacht schlafen? Mein junger Freund Wallace hat mir erzählt, dass Sie die Anstellung bei seiner Mutter nicht bekommen haben.«

Wie hatte Renington das so schnell herausgefunden? Er war wie eine Spinne, die ein Netz webte, um sie darin zu fangen. Dieser Gedanke gab den Ausschlag. Sie drehte sich zu dem Paar, das geduldig wartend neben ihr stand, und sagte: »Ja, ich werde Ihnen Englisch beibringen.« Sie klopfte sich auf die Brust. »Wie Schwester.«

Der Mann neigte den Kopf, als wollte er damit sein Einverständnis bekunden, und sagte etwas zu seiner Mutter, woraufhin diese nickte. Dann schnippte er mit den Fingern, und zwei Kulis traten aus einer Gasse. Es waren starke und kräftig gebaute Männer, und sie bewegten sich mit solcher Entschlossenheit, dass Renington vor ihnen zurückwich.

Sie sah ihnen zu, wie sie sich daranmachten, ihr Gepäck und ihre Besitztümer zu sortieren, doch schon bald war klar, dass es zu viele Sachen waren, als dass die Männer sie hätten tragen können, also sagte einer der beiden etwas zu ihrem chinesischen Begleiter und rannte dann davon.

Der Engländer starrte Isabella schockiert an. »Sie ziehen zu ihm? Zu einem Einheimischen?«

»Ich ziehe zu diesem chinesischen Herrn und seiner Mutter. Er möchte Englisch lernen. Ich brauche ein Dach über dem Kopf. Ich habe nach einer Anstellung als Hauslehrerin gesucht. Jetzt habe ich eine gefunden.« Sie betete, dass sie das Angebot richtig verstanden hatte, aber wenn sie mit den beiden Chinesen mitging, blieb ihr zumindest etwas Hoffnung. Aber wenn sie mit Renington mitging, würde ihr keine Hoffnung bleiben. Er hatte das Leben ihrer Cousine Alice zerstört, und jetzt wollte er auch ihres zerstören.

Einer der Gründe, warum sie annahm, dass ihr neuer Arbeitgeber es vielleicht nicht auf ihre Tugend abgesehen hatte, war, dass er sie nicht so angeschaut hatte. Die Europäer, die hier lebten, glaubten, dass sie und ihre Mutter sich nach dem Tod ihres Vaters ›mit den Einheimischen gemeingemacht‹ hatten, was ganz und gar nicht gebilligt wurde. Als sie nach dem Tod ihrer Mutter allein in dem Einheimischenviertel wohnen geblieben war, behandelten die europäischen Frauen sie sehr frostig, und deren Mannsbilder ließen manchmal, wenn sie ihnen auf der Straße begegnete, Bemerkungen fallen, die sie als beleidigend empfand. Sie konnte nichts dagegen tun, sie konnte sie nur nicht beachten.

Die Chinesen und die Malaien tuschelten zwar miteinander, wenn sie auf dem Markt an ihnen vorbeiging, aber sie sprachen sie nicht an und fassten sie auch nicht an oder belästigten sie. Nach den wenigen Fetzen zu schließen, die sie verstehen konnte, waren sie fasziniert von ihrem roten Haar und ihrer weißen Haut, obwohl sich einige über ihre Füße lustig machten, die sehr viel größer waren als die der meisten Chinesinnen, vor allem bei denen, die auf diesen eingebundenen Füßen herumhumpelten. Sie fand es furchtbar, das mitansehen zu müssen.

»Missy!« Der Chinese winkte sie heran.

Auf einmal bemerkte sie, dass sie nicht wusste, wie er hieß. »Ihr Name bitte?«

»Lee Kar Ho.«

Sie wusste, dass die Chinesen ihren Nachnamen voranstellten, also ging sie davon aus, dass Kar Ho sein Vorname war. »Mein Name ist Isabella Saunders.« Sie zeigte auf sich und wiederholte ihren Namen. »Isabella Saunders.«

»Isaberra Saunda«, wiederholte er langsam.

Auch seine Mutter wiederholte ihren Namen, allerdings weniger genau, sodass so etwas wie ›Is-beh‹ herauskam.

Isabella fragte sich, wie viel er von ihrem Wortwechsel mit Renington verstanden hatte, doch es gab noch etwas Wichtigeres zu erledigen, bevor sie mit ihm mitging. Sie zeigte auf das Haus, in dem sie bis jetzt gewohnt hatte, und zog eine Münze aus der Tasche. »Die schulden mir Geld.«

Er runzelte die Stirn, und sie überlegte, wie sie ihm am besten erklären sollte, dass ihre Vermieterin ihr die Miete für vier Tage schuldete. Sie nahm etwas Kleingeld aus ihrer Tasche und deutete auf ihre Sachen auf dem Handkarren. Dann zeigte sie auf das Haus und machte eine Geste, als würde sie jemandem Geld geben, und streckte die Hand aus, als wartete sie darauf, dass sie etwas bekam.

»Aha.« Er lief zur Haustür, wo die Vermieterin und ihr Sohn standen und gafften. Respektvoll neigten sie immer wieder den Kopf vor ihm, und nach einem rasend schnellen Wortwechsel sah die Frau Isabella mit finsterer Miene an, kramte ein paar Münzen aus der Tasche und zählte sie nach.

Er brachte Isabella das Geld und hielt es ihr auf der flachen Hand hin. Sie nickte, als sie den Betrag sah, und er nahm ihre Hand und legte die Münzen hinein.

Aus irgendeinem Grund nickte seine Mutter dazu beifällig.

Als Mr Lee sie wieder heranwinkte, ergab Isabella sich dem Schicksal, drehte sich um und folgte ihm. Seine Mutter lief neben ihr her, nicht neben ihm.

»Hure!«, brüllte Renington ihr nach. »Chinesenhure!«

Tränen schossen ihr in die Augen, und sie versuchte, sie verstohlen wegzuwischen, doch die alte Frau bemerkte es und rief ihrem Sohn etwas zu.

Der blieb wie angewurzelt stehen, drehte sich um und starrte Renington an. Er sagte nichts, doch sein Gesicht hatte einen irgendwie drohenden Ausdruck, und der Engländer wandte als Erster den Blick ab. Dann lief er schnell davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Mr Lee sah Isabella an. »Name?« Er zeigte mit dem Finger auf Renington.

»Nicholas Renington.«

Er wiederholte den Namen zweimal und legte die Stirn in Falten, weil er wusste, dass er ihn nicht richtig aussprach, also sagte sie ihn noch einmal, dieses Mal ganz langsam, und danach brachte er ihn fast korrekt über die Lippen, nickte und wiederholte ihn dann noch einmal, als wollte er ihn in sein Gedächtnis einbrennen.

Seine Mutter murmelte ihm irgendetwas zu, und sie liefen weiter.

Isabella konnte den Handkarren mit ihrer persönlichen Habe sehen, der ein Stück vor ihnen über die Straße ruckelte, und sie spürte, wie die Leute, die ihnen entgegenkamen, sie anstarrten. Eine träge Brise brachte ein bisschen Bewegung in die heiße Luft, wehte in die gleiche Richtung, in die sie gingen. Ich folge dem Wind, dachte sie. Ich weiß nicht einmal, wo ich hingehe. Aber ich weiß immerhin, wo ich nicht hingehe.

Mit hocherhobenem Kopf und schweigend ging sie dahin. Ganz egal, was sie erwartete, sie würde sich dem stellen – mit dem ganzen Mut, den sie aufbringen konnte.

Das hier war vielleicht ihre letzte Chance auf ein menschenwürdiges Leben, die letzte Möglichkeit, so viel Geld zu verdienen, dass sie nach England zurückkehren und nach Alice suchen konnte. Denn dort musste ihre Cousine ja irgendwo sein. Wohin hätte sie von hier aus auch sonst gehen sollen?

Bitte, mach, dass es kein Fehler war, dass ich diese Stellung angenommen habe.

Mr Lee führte sie in einen anderen Teil des chinesischen Viertels und bog in eine Straße ein, die besser war als die, in der sie bisher gewohnt hatte. Dort standen gepflegte Reihenhäuser, sogenannte Geschäftshäuser. Sie waren aus Ziegeln und Kacheln, hatten drei Stockwerke, und im Erdgeschoss war das jeweilige Geschäft untergebracht. Früher war sie mit ihrer Mutter oder mit ihrer Cousine gelegentlich in so einem Geschäft gewesen, war über die Veranda spaziert, die an der Fassade jeder Häuserreihe entlanglief, hatte die Waren bestaunt und irgendetwas für eine der Kundinnen ihrer Mutter gekauft, Stoff oder einen Besatz, nur ganz selten einmal etwas für sich selbst.

Die Veranden waren ungefähr anderthalb Meter breit, und Straßenhändler boten dort Speisen und andere Waren feil, sodass man, wie es in diesem Viertel üblich war, nicht zügig vorankam, sondern sich an den Hindernissen vorbeischlängeln musste. Als einer der Männer ihr ein Tablett mit Fleischspießchen hinhielt, sog sie den Duft genüsslich ein, und das Wasser lief ihr im Mund zusammen.

Die alte Frau sah sie scharf an, so als hätte sie erraten, dass ihre Begleiterin hungrig war, und rasch wandte Isabella den Blick ab. Sie hatte sich von einer Mahlzeit am Tag ernährt, meistens gebratenes Gemüse mit Reis, sowie etwas trockenem Reis am Morgen.

Zu ihrer Überraschung blieben sie vor einem Geschäft stehen, in dem wunderschöne Stoffe verkauft wurden. Breite Bahnen leuchtender Seide hingen von Stangen herab, die unter der Decke angebracht waren, und die Farben waren so harmonisch aufeinander abgestimmt, dass sie ins Auge sprangen, während weitere Stoffe ordentlich gefaltet in den Regalen an den seitlichen Wänden und an der Rückwand des Geschäfts lagen. Eine junge Frau, tadellos gekleidet in dunkler Hose und rotem Kittel, bediente eine Kundin, der sie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte, bis die Frau das Geschäft unter zahlreichen Verbeugungen verlassen hatte. Erst dann drehte sie sich um und lächelte sie an.

»Schwester«, sagte Mr Lee zu Isabella, und dann sagte er in seiner Muttersprache etwas zu der jungen Frau, die lächelte und dem Neuankömmling zunickte.

Er ging voraus und führte sie durch einen schmalen Korridor in den hinteren Teil des Hauses. In jedem Zimmer, an dem sie vorbeigingen, lagen ordentlich aufgestapelt Waren, und ganz am Ende des Flurs befand sich ein großer Raum, der für das tägliche Leben genutzt wurde.

Zwei junge Mädchen waren darin. Sie waren schäbig gekleidet, und Isabella nahm an, dass es Dienstboten waren. Die eine arbeitete an der Kochstelle, an der eine riesengroße Metallpfanne über einem Loch auf einem bienenkorbförmigen Tonofen stand, in dem Holzkohle glühte.

In dem Raum gab es auch einen Tisch mit Stühlen und Regale, auf denen Geschirr stand, kleinere Küchengeräte sowie Gefäße aus blauer und weißer Keramik, in denen vermutlich Lebensmittel und Gewürze aufbewahrt wurden, und ein paar kleinere Gefäße aus Glas. Auf einem der Regale stand ein Stapel Schüsseln, die so aussahen wie die, aus denen die Leute aßen, ein Gefäß Essstäbchen, ein breiteres Gefäß, aus dem ein paar kurze dicke Keramiklöffel ragten, und ein paar größere Platten. Alles war makellos sauber.

Mrs Lee sagte etwas zu ihrem Sohn, und als der nickte, gab sie den Mädchen irgendwelche Anweisungen, woraufhin eines der beiden den Raum verließ und die Treppe hinauftrippelte, die vom Korridor nach oben führte. Er lief zur Hintertür und rief den Kulis, die Isabellas Gepäck transportiert hatten, etwas zu. Geduldig warteten diese in dem schmalen Hinterhof zwischen dieser Hausreihe und der nächsten.

Als Erstes brachten sie ihre Truhe und den Reisekoffer herein. Mr Lee bedeutete ihr mit einem Winken, sie solle ihm folgen, verließ die Küche und stieg die schmale Treppe hinauf, an der sie gerade vorbeigegangen waren. Er nahm die Stufen so schnell, dass sie Mühe hatte hinterherzukommen, und er musste am Ende der zweiten Treppenflucht auf sie warten. Von dort gelangte man in einen Korridor, von dem schmale offene Schlafnischen abgingen; in einigen lagen Schlafmatten auf dem Boden, andere waren vollgestopft mit Waren.

Gleich am Ende des Korridors war eine leere Schlafnische, die das Dienstmädchen gerade ausgefegt hatte. Davor standen ein paar Gegenstände auf dem Flur. Er zeigte mit dem Finger auf Isabella und dann auf die Schlafnische.

War diese winzige Zelle etwa ihre neue Bleibe? Als sie zögerte, zeigte er auf die beiden Schlafnischen am dunkleren Ende des Korridors und auf das Dienstmädchen. Die nächsten beiden wirkten ein kleines bisschen größer, und während er darauf zeigte, sagte er: »Mutter« und »Schwester«. Schließlich standen sie wieder vor der kahlen Nische, und er zeigte auf sie.

Was blieb ihr anderes übrig, als zustimmend mit dem Kopf zu nicken?

Die Kulis schafften die Truhe nach oben, und Mr Lee blickte auf sie und dann auf ihr Zimmerchen, als wollte er fragen, wo sie die Truhe abstellen sollten.

Sie riss sich zusammen und deutete auf eine Stelle am anderen Ende des offenen Raums. Nacheinander brachten sie die wenigen Möbelstücke nach oben, die ihr geblieben waren, unter anderem den kleinen Tisch, den ihre Mutter benutzt hatte, um Briefe zu schreiben. Es waren zu viele Sachen. Wenn sie alles in den Raum stellten, blieb ihr kein Platz mehr zum Schlafen.

Mr Lee runzelte die Stirn und wies auf das danebenliegende Schlafabteil. Das Dienstmädchen beeilte sich, etwas Platz für einige von Isabellas Möbelstücken zu schaffen. Er trat zurück, damit die Kulis die Kommode dorthin stellen konnten, wohin sie in ihrer Nische gezeigt hatte, und die übrigen Sachen kamen nach nebenan. Zu guter Letzt warfen sie den Stapel Bettlaken und ihre zusammengerollte Schlafmatte auf den Boden. Andere Leute konnten vielleicht auf einer Strohmatte auf dem harten Boden schlafen, sie jedoch fand das zu unbequem.

Obwohl jetzt einige ihrer Sachen nebenan standen, war der kleine Raum derart vollgestopft mit ihren Möbeln, dass gerade noch Platz für ihre Schlafmatte blieb, die sie tagsüber zusammenrollen würde.

Mr Lee sah sie an, als versuchte er ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Als er die Hand nach ihr ausstreckte, begann ihr Herz zu rasen, und sie zuckte zurück. Hatte sie sich doch geirrt im Hinblick auf das, was er wollte? Doch er schüttelte den Kopf, lächelte milde und zeigte mit dem Finger zuerst auf ihren Mund und dann auf seinen. Er bedeutete ihr, ihm zu folgen, und führte sie wieder nach unten.

Sie war so erleichtert, dass sie sich auf einmal ganz schwach fühlte und auf der Treppe stolperte. Er packte sie mit der Hand, damit sie nicht fiel, ließ sie dann aber sofort wieder los und ging weiter.

In der Küche kochte das eine Mädchen etwas, was köstlich duftete, und das andere stellte Schüsseln auf den Tisch. Mrs Lee wies Isabella einen Platz am Ende einer Holzbank zu, und das Kochmädchen brachte eine riesige Schüssel mit dampfendem weißen Reis und stellte sie mitten auf den Tisch. Das andere Mädchen trug zwei Schüsseln auf, eine mit irgendeinem Fleisch – nicht viel und sehr dünn geschnitten –, die andere mit Gemüse in einer Soße. Dann setzten sich beide Dienstmädchen ans Ende des Tisches.

Mrs Lee füllte mit dem Löffel Reis in die Schüsseln, gab die erste ihrem Sohn, dann bediente sie die anderen.

Obwohl sie einen Bärenhunger hatte, fing Isabella nicht an zu essen, sondern wartete, aus Sorge, die korrekten Tischmanieren nicht zu kennen. Sie war froh, dass sie gewartet hatte, als alle auf Mr Lee blickten und der seine Mutter ansah, die ihre Essstäbchen in die Hand nahm und etwas trockenen Reis in den Mund schob. Alle anderen folgten dem Beispiel, also tat Isabella es ihnen gleich.

Sie hatte gelernt, mit Essstäbchen zu essen, aber sie stellte sich dabei nicht annähernd so geschickt an wie die anderen. Sie nahmen alle ein wenig Fleisch und eine größere Portion Gemüse, aber hauptsächlich aßen sie Reis, sogar Mr Lee. Sie konnte nicht umhin, das mit den riesigen Mahlzeiten zu vergleichen, die von den Europäern vertilgt wurden, den großen Fleischportionen.

Das Essen war köstlich, und als ihre Schüssel leer war, deutete Mrs Lee auf die Schüssel mit Reis. Isabella zögerte, weil sie nicht gefräßig erscheinen wollte, doch die alte Frau blickte sie mit wachen Augen an, umfasste Isabellas dünnes Handgelenk mit den Fingern, schüttelte den Kopf und gab dabei einen Laut von sich, der klang wie: »Ts, ts, ts.«

Es war die fast schon mütterliche Sorge um ihre Gesundheit, die bewirkte, dass Isabella sich wirklich sicher fühlte. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter, neigte dankbar den Kopf und ließ sich einen Nachschlag geben. Als sie aufgegessen hatte, bot sie ihre erste Englischlektion an, auf die Mr Lee sofort einging.

»Schüssel, Essstäbchen, Tisch …«

Sie war so erschöpft, dass sie am liebsten bei Einbruch der Dunkelheit zu Bett gegangen wäre, in diesem Teil der Welt mit nur ganz kleinen Abweichungen gegen achtzehn Uhr, weil sie hier fast am Äquator waren. Manchmal vermisste sie die langen Sommerabende in England, die sanfte, kühle Luft und den hauchfeinen Nieselregen und ach ja, die Frische eines Herbstmorgens! Hier goss es am Nachmittag oft in Strömen, und die Luft war das ganze Jahr über heiß und feucht.

Erst als Mrs Lee und ihre Tochter nach oben gingen, um sich zurückzuziehen, wurde ihr Wunsch erfüllt. Sie zeigten ihr, wo sie ihre Notdurft verrichten konnte, die Dienstboten brachten ihr einen Krug mit Wasser für den nächsten Morgen, und alle legten sich schlafen.

Isabella war sehr erschöpft. Als sie auf ihrer Matte lag, nur mit einem Laken zugedeckt aus Gründen des Anstands, ließ sie ihren Tränen freien Lauf, Tränen der Erleichterung, aber auch der Traurigkeit.

Aber dann breitete sich ein kaum merkliches, warmes Gefühl der Hoffnung in ihr aus. Schon lange hatte sie sich nicht mehr so sicher gefühlt und auch schon lange nicht mehr so gut gegessen. Vielleicht würde von jetzt an alles besser werden für sie.

1

April 1867

Als sie Ceylon verließen und aus dem Hafen von Galle segelten, stand Bram Deagan am Heck der Bonny Mary und blickte zurück auf den grandiosen Sonnenuntergang. Er war mit seinem Jugendfreund Ronan nach Australien und dann wieder zurück nach Galle gereist. Sein Freund wollte von hier aus nach Irland zurückkehren, während Bram nach Singapur fuhr, und er bezweifelte, dass sich ihre Wege jemals wieder kreuzen würden.

Die Vorstellung, nie wieder zurückgehen zu können und seine Familie nie wiederzusehen, tat weh. Man hatte ihn fortgeschickt, und hätte er sich geweigert, das Dorf zu verlassen, hätte seine Familie ihr Zuhause und ihre Arbeit verloren.

Seinen Freund hatte es nie gekümmert, dass er selbst zur Oberschicht gehörte, während Bram nur ein Stallbursche war, und er hatte ihm versichert, dass es für einen Mann, der gut mit Pferden umgehen konnte, in Australien immer Arbeit geben würde. Bram hatte jedoch die Entscheidung getroffen, nach Singapur zu gehen, das im Norden des australischen Westens lag, direkt am Äquator.

Sicher, wenn man bedachte, mit welcher Geschwindigkeit er reiste, bestand sogar die Möglichkeit, dass Bram eines der sagenumwobenen Länder fand, über die er gelesen hatte und die auf den alten Landkarten den Vermerk trugen »Hier gibt es Drachen«.

Was Singapur anging, würde er sich auf seinen neuen Freund Dougal verlassen müssen, den Kapitän dieses Schoners. Der musste ihn in der Stadt herumführen, denn Dougal hatte dort bereits Handel getrieben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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