Sehnsüchtig berührt 1 - Eva Fay - E-Book
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Sehnsüchtig berührt 1 E-Book

Eva Fay

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Beschreibung

Große Gefühle und heiße Nächte in der winterlichen Idylle der Österreicher Berge Nach einem schweren Motorradunfall schickt ihre Familie die 18-jährige Selina zur Erholung in ein Hotel auf eine idyllische Alm in der Nähe von Graz. Trotz der beruhigenden Wirkung der winterlichen Berglandschaft kämpft Selina schwer mit dem Verlust ihres Freundes Jason, der bei dem Unfall ums Leben gekommen ist. Doch dank ihrer neu gewonnenen Freunde und des regelmäßigen Trainings findet sie langsam ins Leben zurück. Und dann ist da noch Maximilian, der gutaussehende Sohn des Hotelbesitzers, der ihr vom ersten Moment an unter die Haut geht. Selina lässt sich auf eine Affäre mit ihm ein, merkt jedoch schon bald, dass ihre Gefühle tiefer gehen. Aber kann sie Jason wirklich so einfach vergessen? Und ist Maximilian der Richtige für sie oder spielt er nur mit ihr? Von Eva Fay sind bei Forever by Ullstein erschienen: Sehnsüchtig verführt (Die Sehnsuchts-Reihe Band 1) Sehnsüchtig berührt 1 (Die Sehnsuchts-Reihe Band 2) Sehnsüchtig berührt 2 (Die Sehnsuchts-Reihe Band 3) Fight for us Catch the Boss (New-York-Boss-Serie 1) Feelings for the Boss (New-York-Boss-Serie 2) Mein Licht in der Dunkelheit

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Die AutorinEva Fay, geboren 1980 in einer kleinen Stadt in Österreich, wuchs mit ihren zwei Schwestern in einer Unternehmerfamilie auf. Nach ihrer Lehre übernahm sie als Gärtnerin den elterlichen Betrieb. Als ihr zweiter Sohn geboren wurde, zog sie sich aus dem Arbeitsleben zurück, um sich ganz der Familie widmen zu können. Heute lebt sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, den Kindern und ihrem Hund in der Oststeiermark. Ihre Liebe zu Büchern hat sie bereits als Kind entdeckt, das Schreiben wurde jedoch erst später zu ihrer Leidenschaft. Wenn sie sich nicht gerade neue Geschichten ausdenkt, verbringt sie ihre Freizeit gern wandernd in den Bergen oder am Strand, um zu entspannen.

Das Buch

Große Gefühle und heiße Nächte in der winterlichen Idylle der Österreicher BergeNach einem schweren Motorradunfall schickt ihre Familie die 18-jährige Selina zur Erholung in ein Hotel auf eine idyllische Alm in der Nähe von Graz. Trotz der beruhigenden Wirkung der winterlichen Berglandschaft kämpft Selina schwer mit dem Verlust ihres Freundes Jason, der bei dem Unfall ums Leben gekommen ist. Doch dank ihrer neu gewonnenen Freunde und des regelmäßigen Trainings findet sie langsam ins Leben zurück. Und dann ist da noch Maximilian, der gutaussehende Sohn des Hotelbesitzers, der ihr vom ersten Moment an unter die Haut geht. Selina lässt sich auf eine Affäre mit ihm ein, merkt jedoch schon bald, dass ihre Gefühle tiefer gehen. Aber kann sie Jason wirklich so einfach vergessen? Und ist Maximilian der Richtige für sie oder spielt er nur mit ihr?Von Eva Fay sind bei Forever in der Sehnsuchts-Reihe erschienen:Sehnsüchtig verführt - Unter den Sternen RomsSehnsüchtig berührt - Heiße Küsse im Schnee (Teil 1)

Eva Fay

Sehnsüchtig berührt

Heiße Küsse im Schnee - Teil 1

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin November 2016 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-147-2  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Prolog: Maximilian

Ich spüre, wie die feinen Äste am Boden unter meinen schnellen Laufschritten zerbrechen. Jeder meiner Muskeln ist angespannt. Die Regentropfen prasseln auf mein Gesicht, doch ich kann und will nicht haltmachen. Es ist schon dunkel, aber dank der Straßenbeleuchtung habe ich gute Sicht. Wie gut es tut, hier draußen in der Natur zu sein. Hier vergesse ich für einen kurzen Augenblick meine Vergangenheit, die so dunkel erscheint wie der Abendhimmel über mir. Allein der Gedanke daran lässt mich erschaudern. Eine einzige Nacht hat mein Dasein vollkommen verändert und jetzt? Jetzt führe ich das Leben, das mir mein Vater diktiert. Er war damals wie heute sehr streng mit mir. Er duldete kein sich gehen lassen oder im Selbstmitleid baden. Ich werde seine Worte nie vergessen, nach diesem schrecklichen Ereignis, das alles zerstörte, was mir je wichtig gewesen war: »Junge, jetzt reiß dich zusammen. Es ist natürlich schwer für dich, doch so etwas trägt man nicht in die Öffentlichkeit.«

Meine Eltern führen ein großes Wellnesshotel, darum war und ist es für sie besonders wichtig, nach außen immer die perfekte Familie zu präsentieren. Der Vorfall damals wurde totgeschwiegen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich erhöhe das Lauftempo und spüre, wie das Shirt auf meiner Haut klebt. Ich komme zu der kleinen Gabelung, an der sich Straße und Waldweg kreuzen. Ohne zu zögern halte ich an, um das herannahende Auto vorbeifahren zu lassen. Doch als es auf Augenhöhe bei mir hält, erkenne ich schnell, wer darin sitzt.

Mein Vater lässt die Fensterscheibe runter und lehnt sich ein Stück zu mir heraus. »Hallo Maximilian. Bist du denn vollkommen verrückt, bei diesem Wetter laufen zu gehen?« Vaters Stimme ist voller Vorwurf.

»Dad, ich denke, mit meinen dreiundzwanzig Jahren werde ich wohl selbst wissen, was ich tue.« Meine Augen bilden Schlitze, so wütend bin ich.

»Komm, ich nehme dich mit ins Hotel, immerhin ist es kalt und du bist völlig durchnässt. Sei nicht so stur, es sind noch drei Kilometer bis nach Hause.« Plötzlich ist Vaters Stimme weicher und er bedeutet mir mit der Hand, dass ich einsteigen soll. Da ich zu gut weiß, dass diskutieren jetzt keine Lösung wäre, stimme ich ihm nickend zu und marschiere um den Wagen herum. Kaum habe ich neben ihm Platz genommen und die Beifahrertür geschlossen, fährt er auch schon los.

»Auf dem Rücksitz liegen eine Hose und ein Pullover von mir, die kannst du dir schnell überziehen, damit du nicht krank wirst.«

Ohne zu widersprechen schnappe ich mir die Klamotten und wechsle meine nassen Kleider gegen Pullover und Jeans. Ich spüre, wie im vorgewärmten Auto langsam wieder Leben in meine Glieder zurückkehrt.

»Wie läuft es mit deinem Studium?«

»Ganz gut«, gebe ich knapp zurück. Dieses Medizinstudium ist eines der Dinge, die ich nur meinem Vater zuliebe mache. Er hat mir damals sehr schnell klargemacht, dass es für mich keine andere Wahl gibt als Arzt zu werden. Für viele mag das ein Traumberuf sein, aber ich wollte eigentlich lieber Kunst studieren. Doch nach diesem einen schrecklichen Tag fand ich keinen Mut, mit ihm darüber zu streiten. Oder mich sogar von der Familie zu lösen und einen eigenen Weg zu finden. Seitdem lebe ich meinen Eltern vor, was sie von mir erwarten. Wenn ich genauer darüber nachdenke, führe ich ein Doppelleben. Je nachdem mit wem ich mich gerade umgebe, verhalte ich mich so, wie mein Gegenüber es von mir erwartet. Seit damals habe ich mich von einem offenen Menschen zu einem Verschlossenen verändert. Ich darf unter keinen Umständen zu viel von mir selbst preisgeben. So biete ich den anderen, seien es Freunde, Bekannte oder meine Familie, keine Angriffsfläche. Verletzungen sind ausgeschlossen.

»Hast du das gesehen?«, reist mich Dad aus meinen verworrenen Gedanken. »Ist da vorne nicht gerade ein Auto in den Acker gefahren?« Abrupt hält Dad den Wagen am Straßenrand an und läuft zu dem anderen Auto.

1. Kapitel

Das Klacken der Scheibenwischer kann einen verrückt machen. Ich bekomme es mit der Angst, als ich Oma so von hinten beobachte. Sie hält mit beiden Händen krampfhaft das Lenkrad fest, zugleich klebt ihr Kopf fast an der Windschutzscheibe.

»Fahr langsamer!«, ruft meine Mutter ihr zu. »Vielleicht sollten wir an der nächsten Raststation anhalten und warten, bis es nicht mehr so stark regnet?« Besorgnis klingt in ihrer Stimme mit.

»Ach Corinna, jetzt sei nicht so ängstlich, ich habe alles im Griff!«, meint Oma selbstsicher. Sie versucht, meine Mutter zu beruhigen, aber das gelingt ihr nur begrenzt.

Es schüttet wirklich wie aus Kübeln. Ich kann kaum die Straße erkennen, und langsam wird es dunkel. »Wie lange fahren wir noch?«, werfe ich von hinten ein.

»Bitte drängle jetzt nicht! Wenn wir da sind, wirst du es schon merken«, antwortet meine Mutter zickig.

»Selina, Liebes, wir brauchen wahrscheinlich noch etwa zwanzig Minuten, bis wir am Hotel ankommen. Durch den starken Regen verzögert sich alles.« Oma ist wie immer total entspannt. Sie kann wirklich nichts aus der Ruhe bringen. Keine Ahnung, warum meine Mutter oft so hektisch ist, diese Gene hat sie eindeutig nicht von Oma geerbt.

»Ist schon okay, ich habe eh keinen Stress.«

Warum auch? Ich werde jetzt sowieso einige Wochen auf der Teichalm in der Steiermark verbringen. Alle aus meiner Familie waren der festen Überzeugung, dass es mir hier an nichts fehlen würde und ich endlich von dem ganzen Mist zu Hause Abstand kriege. Meine Schwester Elena hat sehr viel recherchiert und meinte, dass ich nach dem langen Krankenhausaufenthalt dort am besten aufgehoben bin. Immerhin hat das Hotelpersonal Elena versichert, dass ich ihre beste Personal-Trainerin zur Seite gestellt bekomme, die mir helfen wird, weiter meine Muskulatur zu stärken. Die Krücken sind verdammt nervig, obwohl ich ja froh bin, dass ich wenigstens keinen Rollstuhl mehr brauche.

Die Erinnerungen an Jason und den Unfall kommen mir wieder in den Sinn. Ich schlucke schwer, um nicht auf der Stelle in einen Weinkrampf zu verfallen. Doch ich kann es nicht aufhalten, und meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich streiche mir eine Haarsträhne ins Gesicht und starre aus dem Fenster, in der Hoffnung, dass Mutter davon nichts mitbekommt. Immer wieder wische ich mir heimlich mit der Handfläche die Tränen weg. Ich krame aus der Tasche ein Taschentuch hervor und schniefe leise hinein.

»Selina, ist alles in Ordnung bei dir?« Mutter ist wieder im Sorgen-Modus, den ich überhaupt nicht leiden kann. Seit dem Unfall packt sie mich wie in Watte, unternimmt alles Erdenkliche, damit ich wieder glücklich werde.

»Ja, Mama, alles bestens, ich glaub, ich bekomme nur einen Schnupfen«, versuche ich, sie zu besänftigen.

»Gut, aber du gibst mir Bescheid, wenn du Kummer hast.« Ihr Ton ist zwar ruhig, aber so hoch, als würde sie mit einem Baby sprechen.

»Ja«, bringe ich gerade so hervor, denn dann macht das Auto plötzlich einen Satz. Mich schleudert es nach vorne, wo mein Kopf mit voller Wucht gegen den Vordersitz knallt. Ich blicke kurz um mich und bemerke, dass wir mitten auf einem Acker stehen.

»Selina, Kleines, ist alles okay bei dir?« Mutter tätschelt besorgt mit ihrer Hand meinen Oberschenkel.

»Ja, ich denke schon. Wie geht es Oma?«

Die darauffolgende kurze Stille macht mir Angst. Es ist wie damals, als ich von Jason keine Antwort bekam. Hastig schnalle ich mich ab und will nach vorne klettern, doch da dreht sich meine Großmutter auch schon zu mir um.

»Bei mir ist alles bestens! Blöd nur, dass wir hier mitten im Nirgendwo sind. Corinna, gib mir bitte die Tasche, ich werde uns dann wohl mal den Abschleppdienst rufen.«

Meine Mutter reicht ihr die Louis Vuitton und Oma kramt darin herum, als plötzlich die Fahrertür aufspringt. Wir kreischen alle drei vor Schreck so laut, dass wir im ersten Moment den Mann an der Autotür gar nicht verstehen.

»Sorry, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ist bei Ihnen alles in Ordnung? Soll ich einen Krankenwagen rufen?«

Ich versuche, das Gesicht des Mannes zu erkennen, doch ich erhasche nur einen Blick auf ein Auge, da der Fahrersitz mir die Sicht versperrt. Die Stimme klingt rau, aber freundlich. Ich rücke nach vorn und erhoffe mir, dadurch mehr von ihm zu sehen, aber ich bekomme nur einige Regentropfen von draußen ab.

»Danke schön, aber ich denke, ein Krankenwagen ist nicht nötig. Wir hatten anscheinend großes Glück. Wir bräuchten aber einen Abschleppdienst und ein Taxi. Hätten Sie vielleicht eine Telefonnummer bei der Hand?« Omas Stimme klingt ruhig, als wäre gar nichts passiert.

»Ich rufe Ihnen gleich einen Abschleppdienst, wenn sie möchten. Und wo müssen sie hin, zwecks des Taxis?«

»Ja, das wäre sehr nett. Wir müssen zur Teichalm ins Wellnesshotel Alpenblick.«

»Also, wenn Sie möchten, kann ich Sie bis zum Hotel mitnehmen, ich fahre selbst dorthin. Dann bräuchten Sie nur ihr Auto abschleppen lassen.«

Er ist so hilfsbereit, obwohl dieser Mann uns nicht einmal kennt. Ich wusste gar nicht, dass in Österreich die Menschen so freundlich sind.

»Das wäre sehr hilfreich, wenn es für Sie keine Umstände macht?« Erleichterung schwingt in Omas Stimme mit. »Wir müssten nur meine Enkelin in ihren Wagen heben, da sie mit ihren Krücken in diesem Acker nicht richtig laufen kann.«

Wie peinlich ist das denn, hätten nicht einfach Mutter und sie mich gemeinsam in den anderen Wagen tragen können?

»Natürlich, ich hole gleich meinen Sohn, der wird Ihnen gerne dabei helfen.«

Ich beobachte, wie der Mann nach hinten geht, die grau melierten Haare hängen ihm strähnig ins Gesicht. Er ist vermutlich Mitte fünfzig, doch er hat eine stattliche Figur.

Mir wird etwas flau in der Magengegend, als ich beobachte, wie ein junger Typ zwischen zwanzig und dreißig Jahren auf unser Auto zukommt. Seine braunen schulterlangen Haare nimmt er in die Hand und bindet sie zusammen. Irgendwas sagt er zu dem älteren Mann und verzieht dabei die Miene. Anscheinend ist er nicht gerade erfreut darüber, aus dem Auto steigen zu müssen. Mein Herz pocht wie verrückt, als er vor der Autotür steht und sie schließlich aufreißt. Ein kalter Luftzug kommt mir entgegen, und im ersten Moment kann ich ihn nicht deutlich sehen, weil es so stark regnet. Doch als er sich tiefer zu mir herunterbeugt, um mich aus dem Auto zu heben, bleibt mein Herz fast stehen.

»Hallo«, sagt er in genervtem Ton.

Ich bringe einfach nichts heraus, schweige und versinke in diesen dunkelbraunen Augen. Ich kriege keine klaren Gedanken zusammen. Also schlinge ich nur die Arme um seinen Hals, der sich ganz warm anfühlt. Er legt seine rechte Hand auf meinen Rücken, und mit der anderen fährt er unter meine Beine und hebt mich aus dem Wagen. Ein angenehm würziger Duft dringt mir in die Nase. Am Rande bekomme ich mit, dass meine Mutter und meine Oma uns folgen.

Ich starre den jungen Typen an, als hätte ich noch nie einen Mann gesehen. Leider muss ich mit Bedauern feststellen, dass er mich keines einzigen Blickes würdigt. Wieso auch, immerhin kann ich nicht einmal selbst laufen. Ein Mann wie er sucht die perfekte Frau, die er wahrscheinlich auch schon gefunden hat.

Mit einem Ruck hievt er mich auf die Rückbank ihres weißen Porsche Cayenne. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schließt er dann die Autotür hinter mir. Er nimmt auf dem Beifahrersitz Platz und schweigt. Ich bringe ein leises »Danke« hervor, worauf er aber nicht reagiert. Vielleicht war es zu leise, oder er will einfach nicht mit mir reden.

Meine Mutter setzt sich neben mich und Oma ganz links an den Rand der Rückbank. Erst jetzt bemerke ich, dass ich vom Regen klatschnass bin.

»Selina, ist dir kalt?« Mutters Stimme klingt abermals sehr besorgt, was mich wütend macht. Ich kann zwar nicht richtig gehen, doch wie ein Baby muss man mich trotzdem nicht behandeln.

»Alles okay, Mama«, sage ich, anscheinend zu schroff, denn plötzlich blicken alle, bis auf den jungen Typen vor mir, mich an.

»Ich heiße übrigens Dr. Matthias Schwarz«, sagt unser Fahrer über seine Schulter hinweg zu uns. Er reicht zuerst meiner Mutter, dann Oma und zu guter Letzt mir die Hand. Sein fester Händedruck ist wirklich beachtlich; ich muss es mir schwer verkneifen, nicht laut »aua« zu schreien. »Und das ist mein Sohn Maximilian«, er stößt seinen Beifahrer leicht am Arm an. Widerwillig schüttelt nun auch der Sohn meiner Mutter und Oma die Hand und reicht mir dann seine zarten Finger, die nicht aussehen, als hätten sie schon mal gearbeitet. Unsere Hände berühren sich, und ein Kribbeln strömt durch mich hindurch. Seine braunen Augen verändern ihre Farbe zu einem tiefen Schwarz. Ich kann in diesen kantigen Gesichtszügen nicht erkennen, was das bedeutet. Er hält meine Hand etwas länger als notwendig; so schaffe ich gerade noch ein zaghaftes »Hallo«, bevor die Verbindung wieder abbricht. »Ich heiße Selina«, sage ich. Kaum ausgesprochen, dreht er sich schon um und zieht sein Handy aus der Tasche. Na, das lief ja ausgezeichnet. Aber was hatte ich mir auch erhofft? Dass er mir um den Hals fällt und mir eine Liebeserklärung macht?

Wir warten gerade so lange im Auto, bis der Abschleppdienst kommt und wir uns auf den Weg zum Hotel machen können. Die ganze Autofahrt über liegt ein drückendes Schweigen in der Luft. Erst bei der Ankunft bricht Mutter die unangenehme Stille und bedankt sich bei dem Doktor. Für meinen Geschmack etwas zu überschwänglich, aber das ist eben meine Mutter. Oma macht es ihr nicht ganz so peinlich nach. Maximilian, Oma und meine Mutter laden dann noch das ganze Gebäck aus dem Kofferraum und bringen es ins Hotel.

Dr. Schwarz kommt, mit den Krücken im Arm, auf mich zu und reicht sie mir. Er hält mir die Hand hin, und ich ergreife sie. Vorsichtig klettere ich aus dem Wagen. Er ist wirklich sehr freundlich, doch es ist nicht gerade angenehm, ständig auf andere angewiesen zu sein. Wir kommen in die Lobby, deren Anblick mir fast die Sprache verschlägt. Nicht dass es mir wichtig wäre, wie es hier aussieht, aber man merkt, dass das Hotel mit viel Liebe zum Detail eingerichtet wurde. Und alleine der Duft! Es riecht schon nach Entspannung. Ich glaube, hier lässt es sich aushalten, obwohl der Gedanke, hier ohne meine Familie zu leben, mir schon etwas Angst macht.

»Ab nächster Woche bekommst du ein Zimmer im neuen Hoteltrakt, der wird am Sonntag feierlich eröffnet«, flüstert Oma mir ins Ohr. »Dann hast du auch dein Zimmer für dich alleine.«

Solange Oma und Mama noch hier sind, müssen wir uns ein Zimmer teilen. Das wird sicher eine Herausforderung.

Meine Mutter eilt sofort zur Rezeption und bespricht dort alle Einzelheiten, was mich derzeit nicht im Geringsten interessiert. Sie wird mir später sowieso noch mal alles genau erklären und auf einem Zettel notieren, damit ich ja nichts vergesse. Sie ist so eine Perfektionistin, dass es für mich als kleiner Chaot manchmal etwas anstrengend ist.

Im Zimmer angekommen, stelle ich fest, dass alles hier noch besser aussieht, als es im Internet dargestellt wurde.

»Ich werde mit Selina im Doppelbett schlafen«, sagt meine Mutter sofort bestimmend. Da widerspricht nicht einmal Oma.

Nachdem ich frisch geduscht bin, fühle ich mich gleich besser. Oma folgt mir zum Bett und deckt mich zu, so wie damals, als ich noch ein kleines Kind war.

»Schlaf schön«, sie gibt mir einen Gutenachtkuss und tapst zu ihrem Einzelbett. Erst nachdem das Licht aus ist, komme ich richtig zur Ruhe. Dieser Maximilian schwirrt mir immer noch im Kopf herum, wie sanft er mich hochgehoben hat. Und seine dunklen Augen sind wirklich faszinierend.

2. Kapitel

Ich werde von meiner Mutter, die anscheinend irgendetwas in ihrer Tasche sucht, geweckt. Das ständige Rascheln im Hintergrund lässt mich aufhorchen. Warum schläft sie nicht ein Mal länger? Ich werfe einen kurzen Blick auf mein Handy und muss feststellen, dass es erst sechs Uhr morgens ist. Ein Seufzen entfährt mir, und ich drehe mich zu ihr um. Sie sitzt am Bettrand und hat die ganze Tasche auf dem Bett ausgeleert. Ein Haufen Zettel, Schlüssel und was man als Frau sonst noch so mit sich herumträgt, liegt übers Bett verteilt.

»Was ist so wichtig, dass du in aller Frühe schon so einen Lärm machst?«, frage ich in genervtem Ton.

»Ich finde meine Autoschlüssel nicht.« Verzweifelt schaut sie zu mir.

»Das ist jetzt aber nicht dein Ernst, oder? Für was brauchst du denn deine Schlüssel? Wir sind in Österreich. Ich möchte dich nur so am Rande daran erinnern, dass dein Auto in Rom in der Tiefgarage parkt.« Ich setzte mich auf und rolle mit den Augen.

»Ich kann nicht schlafen, wenn ich den nicht finde.«

Das ist wieder mal typisch für meine Mutter: Das fällt ihr einfach so ein, und dann muss es sofort erledigt werden, ohne Rücksicht auf die anderen.

»Der kann ja nicht weit gekommen sein«, gebe ich schnippisch zurück.

Anscheinend sprechen wir zu laut, denn jetzt wird auch Oma munter. »Was habt ihr denn hier mitten in der Nacht für Streitereien, das hält ja keiner aus!« Langsam setzt sich Oma auf und reibt ihre Augen. Ihre Haare sind vom Liegen so verstrubbelt, dass es aussieht, als hätte sie ein großes Nest hinten am Kopf. Ich kann mir ein Kichern nur schwer verkneifen.

»Mama sucht ihre Autoschlüssel.«

Oma schaut mich verwundert an. »Corinna, was soll das in aller Herrgottsfrüh, der wird schon auftauchen.« Mit verzogenem Gesicht steht Oma auf und öffnet die Vorhänge. Der grau gefärbte Himmel lässt nur schwer erahnen, dass die Sonne langsam aufgeht. Meine Oma öffnet die Balkontür. Ein frischer Luftzug weht herein, und sofort ziehe ich mir die Decke über die Schultern. Ich glaube, ich habe sogar schon ein paar Schneeflocken gesehen. Na ja, immerhin ist es schon November, und wir sind hier auf dem Berg. Eine winterliche Landschaft hat schon was für sich, vor allem zur Weihnachtszeit.

Nachdem mir Mutti ins Bad geholfen hat, kämme ich zuerst meine kastanienbraunen Haare, die mir fast bis zu den Hüften gehen. Mein Gesicht ist blass geworden, was nicht sehr verwunderlich ist, da ich die letzten Wochen nur im Krankenhaus und bei der Reha verbracht habe. Meine braun-grünen Augen werden glasig beim Gedanken daran. Nach dem schweren Moped-Unfall ist in meinem Leben nichts mehr, wie es einmal war. Ich wische mir die Tränen hastig weg, als ich meine Mutter hinter mir bemerke.

»Brauchst du noch länger, oder können wir dann frühstücken gehen?« Mutter ist wie üblich gestresst. Sie will ja alles unter einen Hut bekommen, dabei ist es gerade mal sieben.

»Ja, ich bin gleich fertig.« Ich werfe kurz einen Blick in den Spiegel und versuche, ein Lächeln aufzusetzen, um die Stimmung zu heben. Dann machen wir uns auf den Weg in den Gastraum des Hotels. Zum Glück ist Oma dabei, das macht das Essen gleich ein wenig fröhlicher. Auf dem Weg in den Speisesaal diskutieren Oma und Mutti über die üblichen Kleinigkeiten. Wie zum Beispiel, dass meine Großmutter doch sehr gerne länger geschlafen hätte. Wir nehmen an einem kleinen Tisch neben einem Fenster Platz und beginnen zu essen. Ich habe gerade von meinem Croissant abgebissen, da tritt Maximilian an unseren Tisch.

»Guten Morgen, ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?« Sein Blick wandert von meiner Mutter weiter zu Oma und hält dann bei mir inne, sodass ich mich fast verschlucke. Hastig schlucke ich den letzten Rest Croissant hinunter, was ein wenig schmerzt.

»Ja, alles hervorragend«, antwortet Oma freudig. Maximilian fixiert mich mit seinen dunkelbraunen Augen, und mein Herz beginnt, immer schneller zu pochen. Meine Finger fangen an zu schwitzen, obwohl mir gar nicht warm ist.

»Mein Vater hat mir diesen Autoschlüssel gegeben. Gehört er Ihnen?« Er wendet sich von mir ab und meiner Mutter zu. Es ist, als würde mich die Sonne nicht mehr wärmen. Plötzlich wird mir unangenehm kalt.

»Danke schön, den habe ich heute Morgen schon wie verrückt gesucht. Anscheinend ist er mir aus der Tasche gefallen.« Mutter nimmt den Schlüssel und packt ihn in ihre Tasche.

»Siehst du, Corinna, er ist von ganz alleine aufgetaucht.« Oma grinst breit, und ich fange wieder an zu kichern. Doch die gelöste Stimmung ändert sich schlagartig, als ich abermals diese Hitze auf meiner Haut spüre. Ich sehe ihn zwar nur aus dem Augenwinkel, aber spüren kann ich seine Nähe, als wäre er hundert Grad heiß. Er starrt mich förmlich an.

»Ich wünsche Ihnen dann einen schönen Tag!« Er macht auf dem Absatz kehrt. Kurz wirft er einen Blick über seine Schulter zu mir, doch dann verschwindet er nach draußen.

»Das ist mal ein netter Junge, oder, Selina?« Oma nimmt einen Bissen von ihrem Brot und lächelt mich an. Ich fühle, wie meine Wangen zu glühen beginnen. Ob ihr aufgefallen ist, dass er mir gefällt?

»Wenn du meinst«, gebe ich kleinlaut zurück.

Nach dem Frühstück begleitet mich meine Mutter zur Erstuntersuchung, und ich bin sehr nervös. Hoffentlich kann ich bald wieder ohne Krücken ordentlich laufen; ich vermisse das Joggen mit meiner Schwester Elena. Es war jedes Mal eine neue Herausforderung, denn manchmal ist sie wie ein Blitz davongerannt.

Der Raum, in dem ich meinen Arzt kennenlernen soll, ist hell, durch das große Fenster hinter dem Schreibtisch blinzelt die Sonne herein. Ich bin ziemlich überrascht, als Dr. Schwarz freudestrahlend aus einem Nebenzimmer auf uns zukommt. Er begrüßt zuerst meine Mutter mit einem Händeschütteln und reicht dann mir die Hand.

»Hallo, Selina, wie geht es dir heute?« Dieser kräftige Händedruck macht mir ein wenig zu schaffen. Ich überlege, ob ich Dr. Schwarz darauf aufmerksam machen sollte, dass er mir fast die Hand bricht, doch dann antworte ich nur mit einem knappen: »Danke, gut.«

»Frau Mayer, wenn Sie möchten, können Sie Selina so ungefähr in einer Stunde abholen.« Mit seinem bestimmten Ton schafft der Doktor das fast Unmögliche: Meine Mutter kontert nicht, sondern gibt mir einen Kuss auf die Stirn, bevor sie den Raum verlässt.

Dr. Schwarz deutet zum freien Stuhl vorm Schreibtisch und nimmt dann dahinter Platz. »So, dann lass uns mal deine Befunde besprechen und wie es für dich weitergeht. Deine Unterlagen sehen sehr gut aus, du hast ja die letzten Wochen wirklich einiges geleistet. Du kannst sehr stolz auf dich sein, so gute Fortschritte nach deinem Unfall gemacht zu haben. Du wirst sehen: Mit dem richtigen Fitnessprogramm ist es ein Klacks für dich, diese Krücken abzulegen. Du bekommst die beste Personal Trainerin an die Seite gestellt, die hier im Hotel tätig ist.«

Bei seinen Worten fällt die ganze Anspannung der letzten Tage von mir ab, und die Tränen rinnen wie ein Wasserfall über meine Wangen. Nach dem Unfall musste ich immer vor allen die Starke spielen, damit ich nicht noch mehr mitleidige Blicke auf mich zog. Und nun verliere ich vor einem Wildfremden die Fassung.

Dr. Schwarz erhebt sich von dem Stuhl und kommt auf mich zu. Er nimmt meine Hand, zugleich streicht er mit der anderen meinen Rücken. Irgendwie schafft er es, dass ich mich langsam beruhige. Er reicht mir ein Taschentuch, und ich wische mir damit die Augen trocken. Die letzten Wochen haben Spuren hinterlassen. Nach den ganzen Untersuchungen bin ich schon ziemlich geschlaucht, will eigentlich nurmehr in meine vier Wände. Doch der Doktor möchte mir noch die Trainerin vorstellen, darum warte ich gespannt mit ihm in seinem Büro. Wir plaudern gerade über Rom, als ich einen leichten Luftzug spüre. Ich drehe mich um, und eine junge Frau ̶ ich schätze sie auf so um die siebenundzwanzig Jahre ̶ kommt auf uns zu. Ihre knallroten schulterlangen Haare lassen ihre blasse Haut makellos wirken.

»Hallo! Ich bin Sarah Klinger, deine Trainerin.« Ihre etwas tiefere Stimme passt zu ihrem sportlichen Körper. Sie reicht mir ihre Hand, und ich muss zu meiner Überraschung feststellen, dass ihr kompletter Unterarm tätowiert ist.

»Hi, ich bin Selina.« Ich kann nicht viel von der Tätowierung erkennen, außer dass ein feuerspeiender Drache darunter ist. Sie wirkt sehr sympathisch; ich denke, mit ihr werde ich gut zurechtkommen.

»Sarah, ich glaube, es wäre sehr gut, wenn du Selina für den Anfang vor dem Training von ihrem Zimmer abholst, bis sie sich im Haus richtig zurechtfindet. Vielleicht hast du nachher Zeit, ihr hier alles zu zeigen?« Dr. Schwarz beäugt sie fragend.

»Na klar, ich hatte das eh schon so eingeplant. Ich hole dich dann nach dem Mittagessen bei dir oben ab, oder?«, Sarah zieht eine Augenbraue hoch.

»Toll, ich freue mich schon.« Ich lächle sie an. Da bemerke ich, dass meine Mutter den Raum betritt.

»Ihre Sekretärin meinte, ich könne Selina abholen?« Hektisch steuert sie auf uns zu.

»Ja, das ist richtig. Fürs Erste sind wir fertig.« Er notiert etwas in den Akten, bevor er sich von uns verabschiedet.

3. Kapitel

Kaum bin ich in unserem kleinen Rückzugsort angekommen, klopft es auch schon an der Tür, und Oma öffnet sie.

»Guten Tag. Ich bin Sarah, die Personal Trainerin von Selina. Ist sie schon da?«

»Hallo, ich bin ihre Oma Franziska. Kommen Sie doch rein, sie wartet schon auf Sie.« Sie deutet zu mir.

»Hi, Selina. Bereit, um das Hotel zu erkunden?«

»Hallo! Ich bin so was von bereit, mir fällt schon die Decke auf den Kopf.« Ich verdrehe die Augen.

»Na, dann verschwenden wir keine Zeit.« Sie grinst breit, sodass man ihr Lippenbändchen-Piercing hervorblitzen sieht.

Wir machen uns auf den Weg, und Sarah zeigt mir die unterschiedlichsten Therapieräume, den Saunabereich, die Massageräume, das Hallenbad. Zu guter Letzt kommen wir zum Fitnessraum. Er ist sehr überschaubar mit drei Crosstrainern und ein paar Hanteln. Meine Augen bleiben am großen Fenster hängen, wo Maximilian auf dem rechten Laufband rennt. Am Anfang bemerkt er uns nicht und starrt nach draußen. Maximilians ganzer Körper bewegt sich im Gleichklang. Sein graues T- Shirt ist klatschnass, was den muskulösen Oberkörper erahnen lässt. Die Haare hat er mit einem Haargummi zusammengebunden, sodass die breiten Schultern so richtig zum Vorschein kommen.

»Hi, Max!«, ruft Sarah in den Raum. Er nimmt die Ohrstöpsel heraus und schaltet das Laufband aus.

»Hi, Sarah! Wieder im Lande?« Freudestrahlend steuert er auf sie zu und begrüßt sie mit jeweils einem Kuss auf die Wangen rechts und links. Nach einem knappen »Hallo« zu mir schenkt Maximilian abermals Sarah seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

»Ja, der Urlaub ist leider schon vorbei. Hätte ruhig länger dauern können.«

»Das kann ich mir gut vorstellen. Urlaub ist immer toll.«

Ich fühle mich so richtig unnötig zwischen den beiden. Anscheinend sind sie gut befreundet. Ob sie einmal ein Paar waren? Ich verwerfe den Gedanken, als im Hintergrund ein Handy läutet.

»Ich denke, das ist meins.« Sarah zieht das Handy aus ihrer Hosentasche. »Kann ich dich kurz mit Max alleine lassen? Ich komme gleich zurück.«

Ich bejahe mit einem Nicken. Sie geht hinaus und lässt kurzerhand die Tür hinter sich zufallen. Maximilian marschiert zum Spiegel, der die ganze linke Wand ausfüllt. Er schnappt sich die Trinkflasche und nimmt einen kräftigen Schluck daraus. Das Schweigen zwischen uns macht mich nervös. Ich weiß, dass mich die Krücken nicht gerade attraktiv machen, aber deshalb muss er mich nicht gleich ignorieren. Enttäuscht, dass er mit mir kein Wort wechselt, drehe ich mich um und humple langsam zur Tür. Ich will sie schon öffnen, da steht er plötzlich dicht neben mir.

»Warte, ich helfe dir.« Der Duft seines erhitzten Körpers, vermischt mit seinem Aftershave, strömt mir in die Nase.

»Ich komm schon klar«, sage ich schnippisch. Ich will kein Mitleid von ihm, davon habe ich schon genug. Jeden Tag aufs Neue muss ich mir das von meiner Mutter geben, da brauche ich nicht noch einen Typen, der in mir das arme kleine Mädchen mit Krücken sieht. Ich öffne ruckartig die Tür, will schon rausmarschieren, da verhake ich mich irgendwie und stürze zu Boden. Scheiße, warum gerade jetzt, denke ich mir. Ich versuche mühsam aufzustehen, doch da spüre ich schon Maximilians starke Arme.

»Leg deine Hände um meinen Hals, ich hebe dich hoch«, sagt er in sanftem Ton. Ich gehorche ihm ohne weitere Einwände. Unsere Blicke treffen einander, und kurz scheint es, als würde die Zeit stehen bleiben. Seine Augen scheinen in mein Innerstes zu sehen. Ich spüre eine Hitze zwischen uns, dass ich glaube, ich könnte jeden Moment beginnen zu glühen. Am liebsten würde ich ihn küssen: Die vollen Lippen sind leicht geöffnet, und die Versuchung ist sehr groß.

»Selina, ist alles okay bei dir?« Sarah stürmt auf mich zu. Sie schnappt sich die Krücken, die am Boden liegen. Maximilian stellt mich vorsichtig ab, und Sarah drückt mir die Krücken in die Hand.

»Ja, es ist nichts passiert. Anscheinend habe ich diese leichte Stufe übersehen und bin dann gestürzt.«

»Max, du solltest dich doch um Selina kümmern, und kurz darauf liegt sie schon am Boden! Was ist bloß los mit dir? Sie ist noch nicht so sicher auf den Beinen!« Sie schreit Max ohne Punkt und Komma an, und eine tiefe Falte bildet sich auf ihrer Stirn.

»Sarah, er kann nichts dafür. Ich wollte es alleine schaffen.« Ich senke meinen Blick zu Boden und betrachte meine weißen Sneakers. Tränen kullern mir plötzlich aus den Augen, ich kann sie nicht länger zurückhalten. Es ist so beschämend, dass ich nicht einmal ohne Hilfe einen Raum verlassen kann. Ich wische mir mit dem Ärmel die beharrlich wiederkehrenden Tränen weg. »Bitte bring mich jetzt einfach auf mein Zimmer.«

Sarah wirft Max einen finsteren Blick zu, in Maximilians Augen erhasche ich für einen kurzen Augenblick Traurigkeit. Wieso ist es für ihn schmerzlich? Zuerst beachtet er mich nicht einmal, und jetzt hat er Mitleid? Ich versteh das alles nicht, ich will das nicht. Wut keimt in mir auf.

Max verschwindet ohne weiteren Kommentar in den Fitnessraum und schließt die Tür hinter sich.

»Selina, es tut mir wirklich leid, was da gerade eben passiert ist. Das wird bestimmt nie mehr vorkommen.« Verzweiflung, aber auch Schuldgefühle schwingen in Sarahs Stimme mit.

»Stopp!«, schreie ich, so laut ich kann. Zum Glück ist niemand sonst im Gang, ansonsten würden sie sich wahrscheinlich sehr erschrecken.

Sarah hält abrupt an und stellt sich vor mich hin.

»Also, wir müssen jetzt einiges klarstellen, wenn wir die nächsten Wochen, vielleicht sogar Monate, zusammenarbeiten sollen. Ich will kein Mitleid von dir, ist das klar? Ich bin achtzehn und möchte nicht ständig wie ein Baby behandelt werden!« In meinem Hals kratzt es, doch ich muss es mal so richtig rausbrüllen. Ich atme ein paarmal tief ein und aus, um mich langsam zu beruhigen. Mein Herz pocht wie verrückt, vor Freude und Wut zugleich. Endlich habe ich es geschafft, jemandem ins Angesicht zu sagen, was ich denke.

»Gut, ich werde mir für morgen was überlegen.« Sie presst kurz die Lippen aufeinander, bevor sie weiterspricht. »Entschuldigung, ich wollte dich nicht kränken. Ab morgen werden wir mit dem Programm beginnen, damit du wieder von allen unabhängig bist.« Sie steht vor mir und streicht mir über die Hand.

»Sehr gut. Endlich geht es weiter, ich will besser gestern als heute damit beginnen.« Mein Kampfgeist ist geweckt, ich will unbedingt aus der Opferrolle hinaus. Ich werde mein Leben selbst in die Hand nehmen, Schluss mit Selbstmitleid.

»Gut, dann bringe ich dich jetzt mal hinauf. Oder möchtest du mit mir einen Kaffee trinken gehen? Ich lade dich ein.«

Ich muss nicht lange überlegen und stimme ihr zu. In dem hauseigenen Café ist nicht viel los, nur ein älteres Pärchen sitzt an der Bar. Das Lokal ist wunderschön mit der großen Glasfront am Ende des Raumes, wo ein Tisch neben dem anderen aufgestellt ist.

Wir marschieren zu dem Tisch ganz rechts vorne, der einen wunderschönen Ausblick auf den Teich draußen bietet. Ich nehme mal an, dass man hier im Sommer wunderbar entspannen kann. Vielleicht bin ich ja vom Glück geküsst, und es kommen noch ein paar milde Novembertage. Wir bestellen uns beide einen Kaffee, und dann tritt kurzes Schweigen ein. Dauernd frage ich mich, wie wohl Maximilian zu Sarah steht. Irgendwie wirkten sie so vertraut miteinander, als sie sich mit der Umarmung begrüßt haben.

Eine kleine, zierliche Kellnerin mit blonden, ganz kurzen Haaren kommt zu uns an den Tisch und serviert uns die Getränke. Sarah und die Kellnerin wechseln Blicke, die keineswegs nur freundschaftlich wirken. Was ist das denn? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, die flirten miteinander. Anscheinend bemerken sie, dass ich sie beobachte, denn die Kellnerin wendet sich abrupt ab und geht zur Bar.

»So, du bist also bereit, dich voll und ganz auf dein Training zu konzentrieren?« Sarah beäugt mich misstrauisch.

»Ja, mehr als bereit. Ich bin es wirklich leid, andauernd mit mitleidigen Augen betrachtet zu werden. Meine Mutter ist da die Schlimmste.« Ein Seufzer entfährt mir. Ich blicke nach draußen zu dem perfekt angelegten Teich. Wieso musste gerade mir das passieren? Jetzt hatte ich es endlich mal geschafft, Freunde zu finden und nicht ständig der Außenseiter zu sein. »Ich verstehe dich.« Sarah streicht mir über den rechten Oberarm. »Das persönliche Umfeld versucht, einen permanent mit Samthandschuhen anzufassen. Das ist für dich natürlich nicht gerade angenehm. Aber ich kann dir versichern: Wenn deine Mutter bemerkt, wie du dich zu einer selbstbewussten jungen Frau mit Lebenswillen veränderst, dann wird sie dich mit ganz anderen Augen betrachten. Du hattest einen schweren Unfall, wie ich vom Doktor erfahren habe. Der Abstand zu Rom wird dir bestimmt guttun.« Sarah nimmt einen kräftigen Schluck von ihrem Wasser.

»Du und Maximilian versteht euch sehr gut, oder? Seid ihr schon lange miteinander befreundet oder wart ihr mal ein Paar?« Kaum ausgesprochen, fasse ich mir mit der Hand auf den Mund. Wieso kann ich denn nicht vorher nachdenken und dann sprechen? »Entschuldige, das geht mich gar nichts an. Du musst darauf nicht antworten.« Verlegen senke ich den Kopf.

»Nein, wir waren nie ein Paar«, antwortet sie schmunzelnd. »Ich steh nicht so auf Männer.« Ein leises Kichern entfährt Sarah, und ihre Augen wandern zu der blonden, zierlichen Kellnerin an die Bar.

»Oh«, bringe ich gerade so heraus. Das hätte ich mir nach vorhin auch denken können.

»Maximilian ist ein sehr guter Freund. Wir kennen uns schon seit Kindertagen, unsere Eltern sind nämlich sehr gut befreundet. Er gefällt dir, oder?« Sie zieht eine Augenbraue hoch, sodass sich eine leichte Falte auf ihrer Stirn bildet.

»Er sieht ganz nett aus, aber mehr nicht«, versuche ich abzuwiegeln. Doch meine Wangen beginnen zu glühen, hoffentlich bemerkt sie es nicht. »Also, wann fangen wir morgen an?«, wechsle ich schnell das Thema.

4. Kapitel

»Guten Morgen, Selina«, begrüßt mich Sarah am Frühstückstisch. »Gut geschlafen?«

»Guten Morgen! Danke, die Nacht war ganz okay.« Ich nehme den letzten Schluck Orangensaft.

»Können wir dann los?« Sarahs breites Grinsen kann einen richtig motivieren.

»Ja, ich bin eh schon fertig mit Frühstücken.«

»Aber Selina, dein Teller ist doch noch halb voll. Du hast kaum was gegessen«, wirft meine Mutter von der Seite ein. Ich will schon antworten, da mischt sich Oma ein.

»Lass sie doch. Selina wird schon wissen, ob sie Hunger hat oder nicht.« Oma nimmt Mutters Hand und zwinkert mir zu. »Na los, geh schon«, sagt sie bestimmt, aber freundlich.

Ich kriege nur so am Rande mit, wie Mama und Oma diskutieren. Zum Glück ist Mutter nur bis Sonntag da, dann bin ich nicht ständig ihren Argusaugen ausgesetzt. Schade nur, dass Oma auch wieder nach Graz fahren muss. Sie meinte zwar, dass sie mich mindestens einmal pro Woche besuchen kommt, doch so sicher ist das bei ihr nicht. Sie ist nicht so wie meine Mutter, die alles perfekt durchorganisiert; sie ist eher eine kleine Chaotin. Sie lebt nicht nach den Vorstellungen der anderen. Für sie gibt es keine Regeln, zum Beispiel hatte sie erst vor einem halben Jahr einen zwanzigjährigen Jungen als Freund. Sie kümmert es sehr wenig, was die Leute von ihr denken. Von ihrer Einstellung hätte ich ganz gerne was ab.

»So, wir sind jetzt da«, reißt mich Sarah aus den Gedanken. »Wir werden erst einmal deine Muskeln aufwärmen.« Sie läuft ans hinterste Ende des Trainingsraums und stellt sich zum Hometrainer, der vor dem großen Spiegel steht. Er geht über die ganze Breite der Wand entlang. Kurz werfe ich einen Blick in den Raum hinein: Die schokoladenbraunen Haare habe ich zu einem Zopf zusammengebunden, der grau-pinke Trainingsanzug passt perfekt zu den pinken Trainingsschuhen.

Sarah nimmt mir die Krücken ab, damit ich mich auf den Hometrainer setzen kann. Sofort beginne ich, nach ihren Anweisungen zu trainieren. Nach kurzer Zeit spüre ich schon ein heftiges Ziehen in den Oberschenkeln, doch so schnell gebe ich nicht auf. Ich will so bald wie möglich wieder fit werde. Meine Schwester Elena vermisse ich jetzt schon, obwohl ich erst einen Tag hier bin. Seit ich hier in Österreich bin, verdränge ich die Geschichte mit Jason wirklich sehr gut. Ich weiß nicht genau, ob es an Sarah liegt, mit ihrer fröhlichen und zugleich motivierenden Art, oder an der Entfernung zu Rom.

»Du machst das sehr gut, Selina. Nachher werden wir ein paar Übungen unter Wasser machen, da wird es ein bisschen leichter.« Sarah schafft es, mich noch mehr zu motivieren, sodass ich die letzten Kräfte mobilisiere. Ich spüre, dass mein Shirt klatschnass ist, doch ich mache weiter.

»Selina, du machst das ganz toll.« Plötzlich spüre ich einen leichten Luftzug und höre das Einschnappen der Tür hinter mir.

»Hi, Max«, begrüßt Sarah ihn. Mir wird plötzlich ganz heiß, und das kommt nicht vom Training.

Guten Morgen, Sarah. Hey, Selina.« Maximilians Stimme klingt so warm und zugleich rau.

Zaghaft drehe ich den Kopf nach hinten. Mit der schwarzen Jogginghose und dem weißem T- Shirt sieht er so berauschend aus, dass ich nur ein knappes »Hallo« herauskriege. Die schulterlangen Haare hat er wieder mit dem Haargummi zusammengebunden. Ich spüre, wie er mich mit den dunklen Augen fixiert. Wie ein Raubtier, das jeden Moment über einen herfallen wird. Ach, wie schön wäre es, wenn mich seine starken Arme am ganzen Körper berühren würden! Wenn seine sinnlichen Lippen auf meine träfen und wir unsere Zungen miteinander spielen lassen würden.

»Selina?« Ganz leise und ganz weit weg höre ich meinen Namen. »Selina!« Nun ist es ganz nah und ziemlich laut.

»Ja, ich höre dich, Sarah. Du musst nicht so schreien, ich bin nicht schwerhörig«, gebe ich genervt zurück.

»Wir werden jetzt ins Hallenbad marschieren und dort weiter trainieren.« Ich stimme ihr mit einem Nicken zu. Hier mit ihm bekomme ich eh keinen klaren Gedanken zusammen, das lenkt mich viel zu sehr ab.

»Habe ich euch gestört? Ich kann auch später kommen und trainieren.«

Ich schmelze fast dahin, sobald er nur den Mund aufmacht. Zum Glück hat Sarah alles im Griff und packt unsere Sachen zusammen.

»Nein, ich muss mit Selina noch Unterwasser-Übungen machen. Wir sind schon ein wenig über der Zeit hier drinnen.« Sarah reicht mir die Weste. Sarah und ich tapsen an ihm vorbei nach draußen. Kurz treffen Maximilians Augen auf meine. Er öffnet den Mund, als wolle er mir etwas sagen, doch dann kommt nur ein »Tschüs« heraus. Wenn ich bloß nicht mehr diese blöden Krücken bräuchte, dann würde er mich bestimmt mit anderen Augen betrachten. Ich kann einfach nur still und heimlich schwärmen und davon träumen, wie sehr er mich begehrt. Wie er mich am ganzen Körper zärtlich küsst und die starken Hände an mir entlanggleiten lässt.

Wir kommen im Hallenbad an, und der typische Chlorgeruch holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Es schwimmt nur ein älterer Mann im Pool seine Bahnen, sonst ist niemand da. Ich ziehe mir die Klamotten aus, den pinken Bikini trage ich schon darunter.

»Max gefällt dir ja doch, oder?« Sarah betrachtet mich mit ihren großen blauen Augen.

»Ich habe dir gestern schon gesagt: Er sieht ganz nett aus, ja, aber mehr nicht.« Ich will sie nicht anlügen und tue es doch. Bisher kenne ich sie zu wenig. Ob man ihr vertrauen kann? Wenn jetzt meine Schwester Elena hier wäre! Mit ihr könnte ich das bis ins kleinste Detail durchkauen.

»Ganz nett?«, wiederholt Sarah. »Nett ist eine Katze oder ein Hamster oder die Vorhänge in deinem Zimmer, aber nicht Max! Ich stehe zwar auf Frauen, aber ich weiß, wie Max auf die Mädels wirkt. Und so wie dir gerade das Wasser im Mund zusammengelaufen ist, als er den Raum betreten hat, glaube ich dir das nicht. Süße, dein Geheimnis ist bei mir bestens aufgehoben. Ich bin keine Tratschtante, du kannst mir vertrauen. Jedenfalls bist du nicht die Erste hier, die ihn umwerfend findet, was ich sogar verstehen kann. Er ist schon ein Schnuckelchen von einem Mann.« Sarah hockt sich vor mich hin.

»Lass uns weitermachen, immerhin will ich schnellstmöglich an mein Ziel«, wechsle ich das Thema.

»Gut. Da haben wir ja eine Menge vor!«

5. Kapitel