Sehnsüchtig verführt - Eva Fay - E-Book

Sehnsüchtig verführt E-Book

Eva Fay

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Beschreibung

Die 20-jährige Elena Meyer zieht mit ihrer Familie nach Rom. Durch den Umzug muss sie sich schweren Herzens von ihrem Freund trennen. Doch Elena kommt schnell wieder auf die Beine, denn eigentlich war sie noch nie richtig verliebt. Das ändert sich, als sie ihren neuen Nachbarn, den charmanten Marco Rossi, kennenlernt. Der gutaussehende Anwalt verdreht ihr schon bei der ersten Begegnung den Kopf. Trotz vieler Warnungen vor dem Casanova lässt sie sich auf ihn ein. Doch schon bald kommen Elena Zweifel. Liebt Marco sie wirklich und ist er ihr treu? Oder ist sie für ihn nur eine unbedeutende Affäre? Und welche Rolle spielt Marcos Exfreundin Viola? Von Eva Fay sind bei Forever by Ullstein erschienen: Sehnsüchtig verführt (Die Sehnsuchts-Reihe Band 1) Sehnsüchtig berührt 1 (Die Sehnsuchts-Reihe Band 2) Sehnsüchtig berührt 2 (Die Sehnsuchts-Reihe Band 3) Fight for us Catch the Boss (New-York-Boss-Serie 1) Feelings for the Boss (New-York-Boss-Serie 2) Mein Licht in der Dunkelheit

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Die AutorinEva Fay, geboren 1980 in einer kleinen Stadt in Österreich, wuchs mit ihren zwei Schwestern in einer Unternehmerfamilie auf. Nach ihrer Lehre übernahm sie als Gärtnerin den elterlichen Betrieb. Als ihr zweiter Sohn geboren wurde, zog sie sich aus dem Arbeitsleben zurück, um sich ganz der Familie widmen zu können. Heute lebt sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, den Kindern und ihrem Hund in der Oststeiermark. Ihre Liebe zu Büchern hat sie bereits als Kind entdeckt, das Schreiben wurde jedoch erst später zu ihrer Leidenschaft. Wenn sie sich nicht gerade neue Geschichten ausdenkt, verbringt sie ihre Freizeit gern wandernd in den Bergen oder am Strand, um zu entspannen.

Das Buch

Die 20-jährige Elena Meyer zieht mit ihrer Familie nach Rom. Durch den Umzug muss sie sich schweren Herzens von ihrem Freund trennen. Doch Elena kommt schnell wieder auf die Beine, denn eigentlich war sie noch nie richtig verliebt. Das ändert sich, als sie ihren neuen Nachbarn, den charmanten Marco Rossi, kennenlernt. Der gutaussehende Anwalt verdreht ihr schon bei der ersten Begegnung den Kopf. Trotz vieler Warnungen vor dem Casanova lässt sie sich auf ihn ein. Doch schon bald kommen Elena Zweifel. Liebt Marco sie wirklich und ist er ihr treu? Oder ist sie für ihn nur eine unbedeutende Affäre? Und welche Rolle spielt Marcos Exfreundin Viola?Von Eva Fay sind bei Forever in der Sehnsuchts-Reihe erschienen:Sehnsüchtig verführt - Unter den Sternen RomsSehnsüchtig berührt - Heiße Küsse im Schnee (Teil 1)

Eva Fay

Sehnsüchtig verführt

Unter den Sternen Roms

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

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Kapitel 1

Vorsichtig weckt mich meine Mutter und flüstert mir ins Ohr: »Elena, Kleines, wach auf, wir landen gleich, du musst dich anschnallen!«

Ich reiße meine Augen auf, denn mir wird schon ganz flau im Magen, als ich höre, dass wir landen. Ich hasse das Fliegen, na ja, genauer gesagt das Starten und Landen, denn da wird mir jedes Mal total übel.

Wir sind schon oft umgezogen, da meine Mutter es nie lange an einem Ort aushält. Nach der Trennung von meinem Vater ist es mit ihr sehr anstrengend geworden. Wir lebten sogar kurz einmal in Italien, das ist aber schon etwas länger her, da war unsere Familie noch intakt. Diesmal geht es von Paris nach Rom und ich hoffe, dass wir diesmal länger als ein Jahr bleiben. Ich glaube, wenn meine Mama den passenden Partner finden würde, dann könnte sie sicherlich auch sesshaft werden.

Mein Blick wandert zum Fenster, wo ich schon das Meer und die winzigen Häuser immer näherkommen sehe. Jetzt wird mir echt mulmig. Oh Gott, die Fingerknöchel werden schon ganz weiß, so fest krallen sich meine Nägel in die Armstützen. Mir dreht sich fast der Magen um. Plötzlich fängt meine kleine Schwester Selina an zu kreischen. Sie sitzt rechts von mir und zappelt wie eine Verrückte mit Händen und Füßen. Mittlerweile gaffen uns die anderen Passagiere schon an. Am liebsten würde ich im Erdboden versinken. Ich schaue sie fragend an, um herauszufinden, was mit ihr los ist, als es einen Rempler gibt, der mir bedeutet, dass wir schon gelandet sind. Ihr Gekreische wird zu einem lauten Lachen. Erst jetzt merke ich, dass sie es schon wieder geschafft hat, mich von meiner Angst und Übelkeit abzulenken.

Ich liebe meine kleine Schwester Selina. Sie ist bildhübsch mit ihren braunen langen Haaren und ihren großen dunkelbraunen Augen. Sie ist zwar erst siebzehn Jahre alt, aber sie wirkt schon wie eine junge Frau. Endlich auf festem Boden, laufen wir rasch den langen Gang entlang bis zur Ankunftshalle. Wir haben kaum Gepäck dabei, da wir alles einem Unternehmen übergeben haben, das den Umzug organisiert. Meine Mutter ruft uns noch ein Taxi, mit dem wir uns auf den Weg in unser neues Zuhause machen. Ich bin schon aufgeregt, denn nun beginnt ein neuer Lebensabschnitt.

Im Taxi überlege ich, wie wohl unser neues Heim aussieht. Schließlich halten wir an einem alten gelben Gebäude, das offensichtlich gerade neu restauriert worden ist. Ich steige aus dem Wagen und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dieses Haus hat etwas Besonderes mit seinen eisernen Balkonen. Ganz oben entdecke ich eine große Terrasse. Ich kann nur ein paar Palmen erkennen, aber wer dort wohnt, hat richtig Glück. Es ist einfach wunderschön. Wenn es innen genauso aussieht, gehe ich hier nicht so schnell wieder weg.

»Elena, Selina, kommt jetzt! Wir schauen uns mal unser neues Zuhause an. Ich denke, es wird euch gefallen!« Mama reißt mich aus meiner Träumerei. Ohne einen weiteren Kommentar folgen wir meiner Mutter. Am Eingang begrüßt uns der Makler freundlich, danach folgen wir ihm zum Fahrstuhl. Wir zwängen uns alle in den kleinen Lift hinein und sofort bereue ich, dass ich nicht die Treppe genommen habe. Dicht aneinander gedrängt bin ich erleichtert, als sich der Aufzug im dritten Stock endlich öffnet und wir zügig zu unserer neuen Wohnung marschieren. Der Makler öffnet uns die Tür und reicht meiner Mutter die Schlüssel.

»Ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit«, sagt er noch knapp, bevor er sich von jedem händeschüttelnd verabschiedet.

Es riecht nach frischen Blumen und die Umzugsfirma hat schon ganze Arbeit geleistet. Die Kartons mit unseren persönlichen Dingen stehen im Flur aufeinandergestapelt. Doch zuerst müssen wir uns wohl darüber einig werden, wer welches Schlafzimmer bekommt. Ich laufe von einem Raum zum anderen, damit ich vor Selina das schönste Zimmer finde. Im letzten Schlafzimmer bleibe ich wie angewurzelt stehen. Mir ist sofort klar, dass ich dieses Zimmer haben muss.

»Das ist meins!«, rufe ich laut, damit es auch wirklich alle hören.

Der Raum hat ein großes weißes Fenster, vor dem ein rosa und weiß geblümtes Sofa steht. Ich tapse in das Zimmer und vor lauter Begeisterung bin ich erstmal sprachlos.

»Ja, super! Danke für das größere Zimmer!«, höre ich Selina noch sagen.

Hier fühle ich mich augenblicklich wohl. Neugierig drücke ich meine Nase gegen das Fenster, um den Park vor unserer Wohnung in seiner vollen Pracht zu sehen. Hoffentlich bleiben wir länger in dieser Stadt, vielleicht ja für immer? Ich schlendere zu meinem neuen weißen Doppelbett, streife meine Schuhe ab und lasse mich rückwärts auf das Bett fallen. Nun kommen wieder alle Erinnerungen hoch. Die Zeit in Paris war wirklich schön. Christian hatte ich zum letzten Mal im Café gesehen. Noch immer schießen mir Tränen in die Augen, wenn ich an diese Zeit zurückdenke. Es war so schwer, aber ich musste eine Entscheidung treffen. Ich hatte ihm schonend beizubringen versucht, dass wir uns trennen mussten, da Mama, Selina und ich nach Rom zogen. Es war für mich von Anfang an klar, dass es eine Beziehung auf Zeit sein würde. Schmerzhaft kamen mir die letzten Worte wieder in den Sinn, die gefallen waren, als wir uns damals das letzte Mal in diesem schönen kleinen Café an der Seine gesehen hatten.

»Wir lieben uns doch, da kann man alle Hindernisse überstehen«, sagte Christian in einem ernsten Ton zu mir.

»Ich liebe dich auch, aber …« Ich nahm einen Schluck Wasser, um etwas Zeit zu gewinnen.

»Was aber?«, fragte Christian mich.

»Ich glaube nicht, dass so eine Fernbeziehung funktionieren kann. Spätestens nach ein paar Monaten lernst du eine Andere kennen, die hier lebt und mit der du jeden Tag Zeit verbringen kannst. Ich kann nicht einfach mal schnell hierherfliegen. Das kostet eine Menge Geld.«

Ich versuchte, ruhig zu bleiben, doch meine Stimme war zuletzt ein wenig lauter geworden.

»Du könntest bei mir einziehen.« Christian rückte näher an mich heran und wollte nach meiner Hand greifen, doch ich zog sie zurück. Ich wollte ihm keine falschen Hoffnungen machen, wir beide hatten einfach keine gemeinsame Zukunft.

»Ach Christian«, seufzte ich. »Du weißt, dass ich nicht ohne meine Familie sein kann. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass es eine Beziehung auf Zeit werden würde. Du hast gewusst, dass ich nach ein bis zwei Jahren wieder umziehen würde. Bitte verzeih mir, aber ich kann nicht anders! Meine Entscheidung steht fest.« Mit Tränen in den Augen schaute ich ihn an.

Er stand auf, warf einen Zehn-Euro-Schein auf den Tisch und ging. Dann drehte er sich noch einmal kurz zu mir um und ich sah, dass seine Augen wässrig waren. Er versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen, bevor er ins Taxi stieg und verschwand.

Ich blieb noch einige Zeit sitzen. Meine Augen waren mittlerweile völlig geschwollen und rot unterlaufen vom vielen Weinen. Sogar die Kellnerin fragte mich, ob sie mir helfen könnte, doch ich verneinte. Ich war selbst für diese Misere verantwortlich, dafür konnte ich nun wirklich niemandem die Schuld geben. Nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigte ich mich wieder und machte mich auf den Heimweg. Ich konnte ja verstehen, dass er wütend auf mich war, doch meine Entscheidung stand fest, obwohl es mir mein Herz zerriss. Ich hatte in den letzten Tagen viel geweint, weil ich ihn so vermisste. Aber eine Fernbeziehung kam für mich einfach nicht infrage.

Plötzlich höre ich jemanden meinen Namen rufen. Meine Mutter will, dass ich ihr helfe und sofort bin ich mit meinen Gedanken wieder in der Gegenwart.

»Elena, wo bleibst du nur? Wir müssen die ganzen Dinge hier auspacken und einräumen!« Meine Mutter hat wie immer den üblichen Stress. Es muss alles sofort und perfekt erledigt werden. Das ist wieder typisch für sie. Da ich noch immer keine Anstalten gemacht habe, mich nach draußen zu bewegen, brüllt Mama nun noch lauter.

»Elena, komm jetzt endlich!«

»Ich komm ja schon!«

Ich hüpfe aus dem Bett und wische mir schnell die letzten Tränen weg, damit meine Mutter davon nichts mitbekommt. Ich muss nach vorne blicken, bisher habe ich mich auch nicht durch irgendwelche Gefühle für einen Mann unterkriegen lassen. Es gibt noch andere Mütter mit schönen Söhnen. Mit diesem Gedanken im Kopf laufe ich lächelnd in die Küche. Dort beobachte ich ein paar Sekunden lang, wie Mutter das ganze Geschirr aus dem Karton in die Schränke räumt. Sie schaut ziemlich grimmig drein, vermutlich ist sie wieder voll in Fahrt mit ihrer Wut. Sie hat eindeutig null Geduld, vielleicht sollte sie es mal mit Entspannungsübungen versuchen. Schließlich dreht sie sich zu mir um und schaut mich ernst an.

»Wo warst du? Wir haben so viel zu tun! Du könntest hier ruhig mal mithelfen! Selina hat die Kartons in ihrem Zimmer schon auspackt.«

»Ja, Mama, ich bin ja jetzt da.« Mit einem ruhigen Ton versuche ich sie zu besänftigen. Anscheinend lässt sie sich darauf ein, denn sie sieht mich jetzt mit einem Schmunzeln an. Es ist nicht immer einfach mit meiner Mutter. Sie kann wie gerade eben wegen einer Kleinigkeit sehr aufbrausend sein. Wenn man selbst nicht gerade auf Konfrontationskurs geht, beruhigt sie sich auch schnell wieder.

Ich nehme mir den Karton, auf dem »Bücher Wohnzimmer« steht und schleppe sie zu den Regalen. Als ich dabei bin, die ersten Bücher auszupacken, steht plötzlich meine Mutter dicht neben mir.

»Wie sehen denn nun deine Pläne für Rom aus? Immerhin hast du einen hervorragenden Abschluss und könntest hier auf die Uni gehen!«

Nicht schon wieder dieses Thema. Ich kann es nicht mehr hören.

»Ich dachte, ich suche mir fürs Erste einen kleinen Job als Kellnerin oder so, bis ich weiß, was ich wirklich machen will.« Ich versuche, es so selbstverständlich wie möglich klingen zu lassen, damit sie kein großes Aufheben darum macht. Aber auf Mamas Gesicht bildet sich eine tiefe Furche, sodass ich schon das Schlimmste befürchte.

»Was?! Kein Studium? Das kann doch nicht dein Ernst sein, oder?!«, brüllt sie los. Ihr Gesicht wird ganz rot und mit ihren Armen fuchtelt sie herum, als wolle sie eine Menge Mücken vertreiben. Eindeutig ist sie wieder auf hundertachtzig. Wenn sie so weitermacht, bekommt sie bald einen Herzinfarkt.

»Du weißt, dass dein Vater und ich dich finanziell unterstützen. Du musst nicht als Kellnerin arbeiten.« Nun wird sie schlagartig lauter, ihre Tonlage kann man getrost als Schreien bezeichnen. »Du hast einen Notendurchschnitt von Eins und willst irgendwo als Kellnerin arbeiten? Nein, das kommt gar nicht infrage! Du suchst dir was Anständiges irgendwo in einem Büro, wo du nebenbei etwas lernst und für dein Studium Erfahrungen sammeln kannst, zum Beispiel bei mir in der Anwaltskanzlei. Das erweckt bei dir dann vielleicht auch Interesse für ein Jurastudium. Aber du lässt dich garantiert nicht von irgendwelchen Kerlen in einer Bar betatschen!«

Nun schreie auch ich: »Ich glaube, dass ich selbst entscheiden kann, wo ich arbeite oder was ich tue. Noch habe ich ja gar keinen Job in einer Bar, also reg dich nicht so auf!« Ich könnte sie erwürgen, so wütend bin ich auf sie. »Wir sind gerade mal zwei Stunden hier und du mischst dich schon wieder in mein Leben ein! Ich muss hier raus!«

Ich laufe zur Tür, schnappe mir noch schnell meine Jacke und renne Richtung Aufzug.

Bevor ich die Tür zuknallen kann, ruft sie mir noch hinterher: »Elena, du bleibst hier! Ich mache die ganze Arbeit hier nicht alleine!«

Hastig drücke ich auf den Fahrstuhlknopf, hoffentlich folgt sie mir nicht. Ich bin ganz schön sauer auf meine Mutter. Immer mischt sie sich in mein Leben ein! Die Lifttür öffnet sich. Hastig trete ich ein und drücke mehrfach auf den Knopf, der mich nach unten bringen soll, doch stattdessen fährt der Lift weiter nach oben. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich nicht alleine im Aufzug bin. Zaghaft wandert mein Blick nach links und ich schaue zu einem Mann auf. Er ist ungefähr einen Kopf größer als ich, hat einen Dreitagebart und schwarze kurze Haare. Er sieht sehr sportlich aus, das sehe ich an seinen muskulösen Armen. Meine Augen wandern zurück zu seinem Gesicht. Gleichzeitig fühlt sich mein Mund sehr trocken an. Dieser Typ sieht wahnsinnig gut aus! So einen schönen Mann sieht man nicht oft.

»Ciao Bella! Alles okay bei dir?«, fragt er ganz locker und fährt sich mit der linken Hand durchs Haar. Seine grünen Augen funkeln mich an, doch sie verraten mir nichts.

Meine Knie werden ganz weich. Was ist bloß los mit mir? Reiß dich zusammen, sage ich mir in Gedanken.

»Ja danke, alles okay, warum fragst du?« Ich schiebe mir eine Haarsträhne hinters Ohr, um meine Unsicherheit ein bisschen zu überspielen.

»Na ja, du siehst irgendwie gehetzt aus – und du hast keine Schuhe an.« Er grinst breit.

»Oh!« Ich schaue zu meinen Füßen hinunter. Scheiße, wie peinlich ist das denn? Erst als ich Blut in meinem Mund schmecke, bemerke ich, dass ich voll auf meine Lippe beiße. Das kann doch nicht wahr sein, oder? Jetzt begegnet mir ein richtiges Schmuckstück von einem Mann und dann benehme ich mich voll daneben. Wie komme ich bloß aus dieser unangenehmen Situation wieder raus? Der Fahrstuhl hält im sechsten Stock und die Tür öffnet sich.

»Wenn du möchtest, kannst du mit in meine Wohnung kommen, da habe ich sicher ein Paar Schuhe für dich. Ich tippe auf Schuhgröße siebenunddreißig?!« Er bleibt in der offenen Aufzugtür stehen und lächelt mich an.

»Was?«, frage ich entsetzt. »Das ist jetzt ein Scherz oder irgendeine billige Anmache, oder?«, quassle ich drauflos. Kaum ausgesprochen würde ich mir am liebsten schon wieder ein Loch graben. Was habe ich da gerade gesagt?

»Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahetreten. Ich dachte nur, du bräuchtest vielleicht ein Paar Schuhe, denn barfuß kannst du ja nicht auf die Straße, oder?«

Mein Blick wandert zu meinen Füßen hinunter und ich muss mir leider selbst eingestehen, dass ich so wirklich nicht durch die Straßen bummeln kann.

»Deine Freundin hätte sicher keine Freude daran, wenn sie wüsste, dass du ihre Schuhe an fremde Leute verteilst. Oder bist du etwa ein Schuhfetischist?«, frage ich ihn mit skeptischem Blick.

»Natürlich nicht, keines von beidem«, sagt er lachend. »Ich würde dir ein Paar Schuhe von meiner Schwester Mariella geben. Sie hat sicher nichts dagegen, sie dir für einen Tag zu leihen. Du wohnst doch jetzt im dritten Stock in Wohnung acht, oder nicht?«

»Ja, seit heute.«

Woher weiß er das? Es ist schon komisch, dass er weiß, dass ich im Haus wohne. Und dass er meine Schuhgröße erraten hat. Da ich aber keine Lust habe, zurück zu meiner Mutter in die Wohnung zu gehen, um mich weiter mit ihr zu streiten, werde ich dieses Angebot wohl annehmen müssen. Ich kann ja schlecht ohne Schuhe auf die Straße gehen. Also nicke ich ihm zu und folge ihm in seine Wohnung. Was soll denn schon passieren? Er wird schon kein Serienkiller sein.

»Na gut, aber ich warte vor der Tür.« Ich bin so nervös, dass meine Hände schwitzen.

Er öffnet die Tür und im gleichen Moment erstarre ich. Eine große Frau mit langen dunklen Haaren kommt auf uns zu. Sie hat ein enganliegendes schwarzes Kleid an, das ihren wohlgeformten Körper perfekt zur Geltung bringt. Mit den dazu passenden Pumps wirkt sie sehr sinnlich. Sie küsst ihn auf den Mund und schaut gleichzeitig abschätzig zu mir rüber.

»Wer ist denn das kleine Mädchen da am Eingang, Schätzchen?« Ihre Stimme ist hoch und schrill.

»Ich leihe ihr nur ein paar Schuhe von meiner Schwester«, sagt er genervt. »Was machst du überhaupt hier?« Mittlerweile kriegt er schon tiefe Stirnfalten. Anscheinend ist er über diesen Besuch nicht gerade glücklich.

»Ich wollte ein bisschen Spaß mit dir haben und da habe ich mir gedacht, ich komme dich besuchen.«

Sie lächelt ihn an und streicht mit ihrem Finger einen nicht vorhandenen Fussel von seiner Schulter. Er wendet sich von ihr ab und lässt uns für ein paar lange Sekunden alleine. Die Zeit kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Ich spüre, wie sie mich abschätzig von oben herab mustert. Schließlich unterbricht der schöne Fremde die unangenehme Situation, indem er sich zwischen sie und mich stellt.

»Wenn du sie nicht mehr brauchst, bring sie einfach vorbei.« Er reicht mir ein paar Ballerinas. Als sich unsere Finger dabei kurz berühren, bildet sich eine unglaubliche Spannung.

»Danke schön, ich bring sie später zurück. Ciao!«

Ich laufe wie ferngesteuert zum Lift und fahre runter. War ja klar, so ein Mann ist eben nicht single. Aber warum interessiert mich das? Ich kenne ihn ja nicht einmal! Trotzdem bin ich ihm sehr dankbar für die Schuhe, denn nun muss ich vorerst nicht zurück in die Höhle des Löwen. Jetzt schaue ich mir erst mal die Stadt an, um den Kopf frei zu kriegen.

Das Wohnhaus liegt in einem belebten Stadtteil mit vielen Geschäften und Restaurants. Eine kühle Brise kommt mir entgegen, als ich draußen ankomme. Der Frühling zeigt sich heute von seiner ganz besonderen Seite. Ich spaziere durch die Straßen und komme zu einem kleinen Café. Mit den paar runden Tischen vor dem Lokal sieht es sehr gemütlich aus. Derzeit sitzen hier aber keine Gäste. Ich entscheide mich dafür reinzugehen, da es doch noch ein wenig frisch ist draußen. Das Café ist ziemlich voll, aber ganz hinten in der Ecke finde ich noch einen freien Platz. Ich schnappe mir die Karte und studiere sie, obwohl ich mich schon entschieden habe.

Eine hübsche Kellnerin kommt nach kurzem Warten an meinen Tisch. Sie ist klein und hat eine zierliche Figur. Ihre braunen, schulterlangen Haare schmeicheln ihrem schönen Gesicht.

»Guten Tag, was hätten Sie denn gerne?«, fragt sie freundlich.

»Einen Cappuccino, bitte.«

»Gerne«, sagt sie lächelnd und stapft hinter den Tresen.

Nach kurzer Zeit steht sie auch schon wieder neben mir und serviert mir meinen Kaffee.

»Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Sie nur noch kurz etwas fragen: Suchen Sie vielleicht eine Aushilfe?« Ich rühre in meinem Kaffee, um meine Aufregung zu überspielen.

»Du hast echt Glück, denn wir suchen gerade wirklich jemanden, sehr dringend sogar. Komm doch einfach morgen noch mal vorbei, da ist der Chef auch da.«

»Danke für die Info!«

Die nette Bedienung schlendert zum nächsten Tisch und nimmt die Bestellung auf. Ich blicke aus dem Fenster und beobachte die Menschen, die an mir vorbeilaufen, bis ich ein nettes Pärchen entdecke. Sie umarmen sich, er küsst sie zärtlich und streichelt dabei ihr Kinn. Wie verliebt sie doch wirken! Ob ich mich auch mal so richtig verlieben kann?

Nachdem ich bezahlt habe, spaziere ich gemütlich nach Hause. Der Wind bläst wie wild, doch auf eine seltsame Art fühlt es sich so richtig befreiend an. Ein bisschen fürchte ich mich schon davor, wie die Stimmung meiner Mutter wohl sein wird. Sie ist sicher stinksauer auf mich, weil ich einfach so abgehauen bin. Hoffentlich hat Selina sie schon beruhigt. Sie hat einen besseren Draht zu ihr als ich. Das war schon immer so: Ich bin Papas Liebling und sie Mamas.

Ich trete in den Aufzug und überlege, in welches Stockwerk ich fahren soll. Kurzerhand entscheide ich mich dafür, ganz nach oben zu fahren, immerhin ist es erst neun Uhr abends. Da kann ich dem schönen Fremden ohne Weiteres heute schon die Ballerinas zurückbringen. Als der Lift im sechsten Stock hält, schlägt mein Herz plötzlich ungewöhnlich schnell. Schüchtern und fast schleichend bewege ich mich auf die Wohnungstür zu. Warum bin ich nur so nervös? Er wird mir schon nichts tun, schließlich wirkte er sehr umgänglich. In meinem Bauch ist auf einmal ein seltsames Gefühl. Kurz überlege ich, die Schuhe nur vor der Tür abzustellen, aber dann klingele ich doch. Nach wenigen Sekunden geht die Tür auf und ein leichter Luftzug kommt mir entgegen. In dem Moment bemerke ich, dass mir vor Aufregung Schweißperlen im Gesicht stehen.

»Hallo! Heute hättest du die Schuhe aber nicht mehr vorbeibringen müssen!« Er grinst so schelmisch, dass ich fast zusammensacke.

»Hallo, ähm …«, stottere ich und ringe nach Luft. Er ist so attraktiv, dass es mir die Sprache verschlägt.

»Hey Schätzchen, wir haben schon wieder Besuch?« Wieder höre ich diese schrille hohe Stimme. Na klar, es ist die Dunkelhaarige von vorhin. Nun steht sie allerdings in schwarzer Spitzenunterwäsche samt Strapsen vor mir. Dazu trägt sie zehn Zentimeter hohe Absätze. Sie wirkt keineswegs eingeschüchtert, obwohl sie so halbnackt in der Tür steht. Sie blinzelt mich giftig an und lächelt. Ganz eindeutig will sie, dass ich endlich verschwinde, damit sie ihm die Kleider vom Leib reißen kann.

Verlegen blicke ich zu Boden. Wieso musste ich auch unbedingt klingeln? Ich bin einfach nur dumm.

»Entschuldigung, ich wollte nicht stören, danke noch mal für die Schuhe.«

Ich reiche ihm die Ballerinas, mache auf dem Absatz kehrt und laufe zum Lift. Hoffentlich kommt der blöde Fahrstuhl bald! Hinter mir höre ich ihn noch »Ciao« rufen, bevor seine Tür zufällt. Barfüßig tapse ich in den Fahrstuhl, den kalten Marmorboden nehme ich kaum wahr. Ich betrachte mich mit Entsetzen im Spiegel. Meine blonden Haare, die mir leicht über die Schulter fallen, sind vom Wind völlig zerzaust, und meine Wangen sind total rot vor Aufregung. Wieso habe ich denn nicht einfach die Schuhe vor seiner Tür abgestellt? Was habe ich mir nur dabei gedacht?

In unserer Wohnung ist es seltsam ruhig und dunkel. Ich mache Licht und will schon in mein Zimmer schleichen, als meine Mutter aus dem Wohnzimmer gestürmt kommt. Sie schaut total finster drein und plärrt schon wieder.

»Wo warst du? Und noch dazu barfuß! Bist du verrückt geworden?«

So wütend habe ich sie schon lange nicht mehr erlebt. Ich versuche, entspannt zu bleiben, obwohl ich innerlich koche.

»Ich war ein bisschen spazieren, reg dich nicht so auf, ich bin ja jetzt da.«

Sie behandelt mich wie ein kleines Kind, obwohl ich schon zwanzig bin. Ich erzähle ihr nichts von dem Nachbarn, der mir die Schuhe geliehen hat. Es ist besser so, sonst wird sie sicherlich noch wütender. Ich steuere schon auf mein Zimmer zu, als sie mich am Handgelenk festhält.

»Hau jetzt nicht wieder einfach so ab, ich habe mir Sorgen gemacht. Ich wünsche mir jetzt eine Erklärung.« Ihr Gesicht ist mittlerweile knallrot und es bilden sich tiefe Zornesfalten auf ihrer Stirn.

»Ja, Mutter, das verstehe ich. Es tut mir leid, irgendwie sind meine Nerven mit mir durchgegangen. Ich bin schon so müde, ich will nur noch duschen und dann schlafen, lass uns bitte morgen darüber sprechen. Gute Nacht, Mama! Ich hab dich lieb!« Mit gespielter Freundlichkeit versuche ich, sie zu besänftigen.

»Na gut, es ist ja auch schon spät.« Jetzt ist ihre Stimme schon weicher. »Gute Nacht und träum was Schönes.« Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: »Du weißt ja, dass das, was man in der ersten Nacht im neuen Heim träumt, in Erfüllung geht.« Sie lächelt, drückt mich leicht an sich und gibt mir einen Gutenachtkuss auf die Stirn.

Nach dem Duschen ziehe ich mir mein rosa Nachthemd an und setze mich auf das Sofa vor meinem großen Fenster. Der Ausblick ist einfach herrlich! All die vielen kleinen Lichter, die ich durch die Bäume blitzen sehe, sind einfach nur wunderschön. Ich schnappe mir mein Buch und versuche zu lesen, doch meine Gedanken schweifen immer wieder zu diesem Nachbarn. Ich kenne nicht mal seinen Namen. Und trotzdem frage ich mich, was seine starken Hände wohl alles mit mir anstellen könnten.

Kapitel 2

Mir ist ganz heiß! Oh Gott! Ich spüre das Ziehen zwischen meinen Beinen und merke, wie es kribbelt und immer feuchter wird. Er küsst mich zuerst ganz leidenschaftlich auf den Mund und wandert dann mit seinen fordernden Küssen den Hals entlang. An meinen Brüsten saugt er so fest, dass mir ein leises Stöhnen entfährt. Er gleitet mit seinen feuchten Lippen immer tiefer hinunter, vergräbt seinen Kopf zwischen meinen Beinen und spielt mit meiner Knospe, dass ich immer lauter stöhne. Plötzlich dringen zwei seiner Finger in mich ein, seine Zunge spielt immer schneller an meiner Perle. Ich drücke mein Becken im gleichen Rhythmus dagegen und zugleich beschleunigt er das Tempo mit seiner Hand, sodass ich gleich komme.

»Oh Gott! Bitte gib mir mehr«, schreie ich. »Oh ja, ich komme gleich! Fester! Oh, oh ja!«

Dann plötzlich höre ich meinen Wecker klingeln. Ich öffne meine Augen und merke, dass ich meine Hand zwischen meinen Beinen habe. Mein Herz pocht wie verrückt, sodass ich einige Augenblicke brauche, um richtig wach zu werden. Erst jetzt realisiere ich, dass ich fast zu einem Orgasmus gekommen wäre. Das muss wohl an der gestrigen Begegnung mit diesem unbekannten Nachbarn liegen. Der war schon ein richtiges Schnuckelchen.

Eigentlich würde ich gerne noch längere Zeit im Bett verbringen und weiter in diesem Traum schwelgen, doch heute ist ein wichtiger Tag für mich. Ich habe mein Vorstellungsgespräch im Café. Ich hoffe, dass alles gut läuft, damit ich mein eigenes Geld verdiene. So ganz nebenbei ist dann auch meine Mutter fürs Erste sicherlich ruhiggestellt. Natürlich wird sie diesen Job nicht gerade lieben, aber wenn sie merkt, dass dies ein nettes kleines Café ist und keine wilde Bar in der Nachtszene, wird sie das Ganze viel entspannter sehen. Ich werde mich nicht so unüberlegt in mein künftiges Studium begeben. Natürlich wäre meiner Mutter Jura am liebsten, damit ich in ihre Fußstapfen treten kann, doch das muss gründlich überlegt werden. In den letzten Wochen ist so viel passiert, dass ich bisher einfach noch nicht die Zeit dafür gefunden habe, mich wirklich damit auseinanderzusetzen.

Nachdem ich unter der Dusche war, ziehe ich mir ein geblümtes knielanges Kleid und dazu gelbe Pumps mit Keilabsatz an. Die Haare binde ich zu einem Pferdeschwanz zusammen, das Make-up bleibt eher dezent mit schwarzem Eyeliner und Wimperntusche. Dazu ein bisschen rosa Lipgloss, fertig! Das sollte fürs Vorstellungsgespräch passen. Meine kleine Schwester Selina sitzt mit unserer Mutter schon am Esstisch beim Frühstück.

»Guten Morgen!«, rufe ich und lächle Mama an. Ich hoffe, dass sie mir wegen gestern nicht mehr böse ist.

»Guten Morgen, Kleines!«, sagt meine Mutter und schmunzelt zurück.

Selina stößt mich mit ihrem Ellbogen leicht in meine Rippen, als ich neben ihr Platz nehme.

»Gut geschlafen?«, fragt Selina grinsend.

Ich nicke ihr zu und fülle meine Müslischale mit Cornflakes und Milch.

»Was hast du heute vor, Elena?« Meine Mutter wirkt heute sehr entspannt und gelassen. Ich erzähle ihr von dem Vorstellungsgespräch in dem kleinen Café, das nicht weit von unserer Wohnung entfernt liegt. Ihre Miene ist ausdruckslos, als sie mir erklärt, dass ich doch bei ihr in der Kanzlei anfangen solle. Ganz abgesehen von der Bezahlung sei das auch sinnvoller für mein späteres Studium.

»Ich weiß, Mama, aber ich möchte nicht mit Vitamin B diesen Job bekommen. Auch als Kellnerin kann man gute Erfahrungen sammeln und spätestens nach einem Jahr – wenn nicht sogar früher – möchte ich dann sowieso mein Studium beginnen. Ich brauche das jetzt einfach, um mich entscheiden zu können, in welche Richtung mein Leben gehen soll. Verstehst du das?«

»Na gut, Elena, ich gebe dir dieses Jahr, aber spätestens danach musst du dich entscheiden! So, ich fahre Selina jetzt zur Schule und dann zur Arbeit. Wenn du was brauchst, ruf mich einfach an, ansonsten sehen wir uns ja am Abend.«

Heute scheint meine Mutter wieder auf Versöhnung aus zu sein, denn heute hat sie es mir wirklich leicht gemacht.

»Tschüss, Selina! Viel Spaß in der Schule!«, sage ich und halte aufmunternd meine beiden gedrückten Daumen hoch.

»Danke, den werde ich sicher haben – so wie du heute Morgen …«

Selina zwinkert mir noch zu, bevor sie nach draußen verschwindet. Habe ich etwa laut gestöhnt oder geredet im Schlaf? Hoffentlich nicht! Das kann nicht sein, oder vielleicht doch? Bei der nächsten passenden Gelegenheit muss ich mit Selina darüber sprechen. Ich stelle die Schale in die Spüle und gehe Richtung Flur. Zu meiner kleinen Schwester habe ich ein sehr gutes Verhältnis, ihr kann ich wirklich alles anvertrauen, ohne dass ich Bedenken haben muss, dass meine Mutter oder sonst irgendjemand davon erfährt. Ich schnappe mir noch schnell meine weiße Weste von der Garderobe und laufe dann zum Aufzug.

Draußen angekommen mache ich kurz meine Augen zu, um die Geräusche der Stadt in mich aufzunehmen und auf mich wirken zu lassen. Jede Stadt hat ihren eigenen Rhythmus, den musst du fühlen wie deinen eigenen Herzschlag.

»Guten Morgen!«, höre ich von der Seite eine tiefe Stimme sagen. Ich reiße meine Augen auf, das ist doch nicht schon wieder der unbekannte Mann aus dem sechsten Stock? Mit seinem verschwitzten grauen Trainingsanzug steht er vor mir und sieht einfach atemberaubend aus. Es kribbelt schon wieder in meinen Bauch, als ich in diese grünen Augen blicke. Er sieht einfach umwerfend aus mit seinen kurzen, nassen Haaren und dem Dreitagebart.

»Guten Morgen!«, sage ich und lächle ihn verlegen an. Dann laufe ich weiter die Straße entlang. Als ich nach ein paar Schritten merke, dass ich in die falsche Richtung gelaufen bin, mache ich auf dem Absatz kehrt und marschiere zurück. Er steht noch immer am Eingang und macht seine Dehnübungen. In der Hoffnung, dass er mich nicht bemerkt, gehe ich rasch an ihm vorbei, doch genau in dem Moment dreht er sich schon zu mir um und grinst mich an.

»Falsche Richtung gewählt?«

»Ähm … ja.«

Mit gesenktem Kopf tapse ich weiter in Richtung Café. Kaum im Lokal angekommen, winkt mir die nette Kellnerin schon zu und lächelt freundlich.

»Hallo! Ich habe mich gestern gar nicht vorgestellt. Ich heiße Aurora, und du?«, meint sie, als sie direkt vor mir steht.

»Ich heiße Elena Mayer.« Lächelnd schüttle ich ihre Hand.

»Das klingt aber gar nicht italienisch. Woher kommst du denn?«

»Ursprünglich komme ich aus Österreich, aber dadurch, dass wir schon sehr oft umgezogen sind, spreche ich auch Französisch und Englisch fließend.«

»Dein Italienisch ist wirklich sehr gut! Man merkt kaum, dass du nicht von hier bist.«

»Das liegt wohl daran, dass mein Vater Italiener ist und wir zu Hause zweisprachig aufgewachsen sind.«

»Das erklärt natürlich einiges und es wird unseren Chef freuen, da wir auch viele Touristen als Gäste haben. Ich bringe dich dann mal zu ihm, er hat heute einen guten Tag, perfekt zum Bewerben!«, sagt Aurora schmunzelnd.

Ein kleiner Mann mit leicht silbergrauem Haar und einem kleinen Bierbauch steht an der Bar. Er sieht mit ausdruckslosem Blick zu mir herüber.

»Hallo, ich bin Giuseppe Marino«, sagt er, reicht mir seine Hand und betrachtet mich kritisch von oben bis unten.

»Guten Tag, ich bin Elena Meyer. Dieses Café ist wirklich sehr schön und gemütlich. Ich habe von Aurora gehört, dass Sie eine Aushilfskellnerin suchen und möchte mich gerne für diese Stelle bei Ihnen vorstellen.«

»Hast du schon Erfahrungen gesammelt beim Kellnern?«

Ich merke, dass mir eine gewisse Röte ins Gesicht steigt.

»Leider noch nicht, aber ich lerne schnell und habe zwei gesunde Hände.«

Prüfend blickt er mich an.

»Na gut, dann kommst du morgen früh gleich mal zum Probearbeiten und dann sehen wir weiter. Übrigens sind wir hier alle per Du, ist das für dich in Ordnung?«

»Natürlich! Okay, dann bis morgen, ich freue mich schon.«

»Gut, dann bis morgen. Aurora gibt dir dann gleich deine Arbeitskleidung. Ciao!«

Er dreht sich um und läuft in die Küche. Das Gespräch lief wirklich sehr gut und war verdammt kurz, damit hatte ich gar nicht gerechnet.

»Das muss doch gefeiert werden, oder?«, flüstert Aurora von der Seite und blinzelt mir zu. »Am Freitag ist da eine tolle Fete, bei der wir deinen Einstand feiern könnten, wenn du möchtest.«

»Warum eigentlich nicht? Das ist eine ausgezeichnete Idee! Bis morgen!«

Kapitel 3

Die Zeit bis zum Freitag vergeht wie im Flug. Nach zwei Tagen Probearbeiten habe ich Giuseppe von meiner Leistung so überzeugt, dass er mich eingestellt hat. Bei der Arbeit bekomme ich auch schon langsam Routine, was nicht zuletzt an Aurora liegt, die wirklich sehr nett und hilfsbereit ist.

Mit Selina und meiner Mutter habe ich mich in den letzten Tagen nicht gerade oft unterhalten, da ich abends immer todmüde ins Bett gefallen bin.

Aurora hat gesagt, dass sie mich um einundzwanzig Uhr abholt. Ich bin schon gespannt, was für Leute dort sind. Sie meinte, es sei eine der begehrtesten Partys in ganz Rom. Vielleicht lerne ich dort auch ein paar neue Freunde kennen. Ich war schon lange nicht mehr auf einer Feier. Als ich mit Christian zusammen war, gingen wir kaum aus. Es störte mich nicht, da ich gerne mit ihm alleine Zeit verbrachte. Aber jetzt bin ich schon ein bisschen hibbelig wegen heute Abend. Ich probiere einige meiner Klamotten durch, bis ich mich für ein schickes weißes, figurbetontes Kleid entscheide und die dazu passenden Pumps mit acht Zentimeter hohen Absätzen wähle. Meine Haare trage ich glatt geföhnt und lasse ein paar lockige Strähnen herunterhängen, die mein zartes Gesicht umspielen. Dem Anlass entsprechend habe ich mir Smokey Eyes geschminkt und trage dazu einen rosa Lipgloss.

Als es an der Tür klingelt, werfe ich noch einmal einen kurzen Blick in den Spiegel und laufe dann rasch zum Aufzug. Ich drücke den Knopf fürs Erdgeschoß, doch anstatt nach unten zu fahren, geht es zunächst nach oben. Der Lift hält ausgerechnet im sechsten Stock. Nervös zerre ich an meinen Fingern, die Tür öffnet sich und ich habe das Gefühl, als wäre es plötzlich hundert Grad warm. Mein gutaussehender Nachbar steigt mit einem Lächeln in den Aufzug. Mein Blick wandert von seinen schwarzen Lederschuhen weiter zu seinem perfekt sitzenden schwarzen Anzug. Das weiße Hemd trägt er ganz locker ohne Krawatte. Meine Haut fängt an zu prickeln, als er sich dicht neben mich stellt und sich unsere Arme kurz berühren.

»Ciao Bella! Du siehst ja einfach umwerfend aus. Gehst du aus?«

Ich spüre, wie mein Gesicht zu glühen beginnt, mein Blick senkt sich zu meinem Kleid hinunter, danach wieder zu ihm hinauf. Schüchtern und fast etwas zu leise sage ich ganz knapp: »Hallo.« Mittlerweile bin ich sicherlich schon knallrot vor Verlegenheit. Ich kann es förmlich spüren.

»Ja, ich werde unten schon von meiner Freundin erwartet. Wir gehen zu einer Party.« Zum Glück kommen wir rasch unten an, wo ich wie von einer Tarantel gestochen den Lift verlasse.

»Na, dann viel Spaß beim Feiern!«, ruft er mir noch hinterher.

Ich drehe mich nicht um, sondern marschiere schnellen Schrittes hinaus auf die Straße. Draußen angekommen erwartet mich Aurora schon. Sie lehnt an einem alten Käfer, der Lack ist in verschiedenen Grauschattierungen gehalten, einige Dellen und Roststellen runden das Ganze ab. Etwas Angst keimt in mir auf. Hoffentlich bringt uns dieses alte Stück heil an, denke ich mir, während ich mich Aurora nähere.

»Hallo«, gebe ich leise von mir. Mir zittern noch immer ein wenig die Knie. Sie strahlt bis zu den Ohren, als sie mich entdeckt und läuft schnurstracks auf mich zu und umarmt mich herzlich.

»Wow, du siehst ja zauberhaft aus in diesem Kleid! Da bleibst du aber heute Abend nicht lange alleine!« Sie kichert und drückt mich ein Stück von sich weg, damit sie mich von oben bis unten begutachten kann.

»Mit dir muss ich mich aber auch nicht verstecken!« Sie hat ein rotes kurzes Kleid an und dazu passende Pumps. Ihre schulterlangen braunen Haare fallen glatt herunter. Ich bin so dankbar dafür, hier so schnell eine nette Freundin kennengelernt zu haben.

»Na, dann mal los! Spring rein in mein altes Baby!« Sie deutet auf die Beifahrerseite und steigt kurz darauf selbst ein. Ich nehme neben ihr Platz. Mein Blick wandert das komplette Innere des Autos ab und ich muss leider feststellen, dass es innen nicht besser aussieht als von außen. Der Schaumstoff quillt an verschiedenen Stellen aus den Sitzen heraus und es riecht ein wenig feucht.

»Und du bist dir sicher, dass dieses Auto fahrtüchtig ist?« Mit einem leicht ängstlichen Blick schaue ich sie an.

»Na klar, dieses Baby lässt mich selten im Stich!« Sie klopft leicht auf das Lenkrad und grinst zu mir rüber. Dann dreht sie den Zündschlüssel um, doch anstatt eines Motorgeräusches bringt der Wagen nur ein Stottern hervor. Immer und immer wieder versucht sie, den Motor zu starten, bissie beide Hände fluchend auf das Lenkrad knallt.

»Mistkarre! Nun spring schon an, lass mich jetzt nicht im Stich! Das darf doch wirklich nicht gerade jetzt passieren!«, schnaubt sie wütend. Sie versucht es noch einmal, doch nun hört man nicht einmal mehr ein Stottern.

»Ist doch nicht so schlimm, dann rufen wir uns eben ein Taxi«, versuche ich sie zu besänftigen. Ein Klopfen am Fenster reißt uns aus der miesen Stimmung. Auroras Miene verändert sich schlagartig zu einem breiten Lächeln, während sie das Fenster herunterkurbelt.

»Hallo, Aurora! Was machst du denn da? Springt dein Wagen mal wieder nicht an?«

Diese Stimme kommt mir bekannt vor! Na klar, es ist der große Unbekannte. Zum Glück sitze ich, denn ich kriege schon allein von seiner tiefen Stimme ganz weiche Knie.

»Hallo, Marco! Ja, leider habe ich heute kein Glück.«

»Wo soll es denn hingehen?« Er stützt seine Ellbogen am Türrahmen ab und bückt sich ein wenig herunter, sodass er auch mich sehen kann.

»Zu Francos Party natürlich, ich habe eine neue Freundin mit dabei. Sie feiert ihren Einstand bei uns im Café. Darf ich vorstellen: das ist Elena, Elena, das ist Marco.«

»Wir kennen uns schon«, meint er knapp und wendet mir seinen Blick zu. Mir hat es völlig die Sprache verschlagen. Ich kann ihn kaum ansehen, ohne dass mir dabei ganz schwindelig wird.

»Ach so?«, fragt Aurora erstaunt und wendet den Kopf kurz zu mir und wieder zurück zu Marco. »Könntest du uns Starthilfe geben? Mein Baby will heute nicht so recht.«

»Natürlich könnte ich das machen, aber wenn ihr möchtet, könnt ihr zwei Hübschen auch mit mir dorthin fahren.« Er zwinkert mir mit einem Auge zu. Am liebsten möchte ich gerade einfach davonlaufen, so nervös bin ich. Oh mein Gott! Wie soll ich es nur überstehen, mit ihm in einem Auto zu sitzen und auf derselben Veranstaltung zu tanzen? Ich muss mich auf irgendetwas anderes konzentrieren, das Ziehen zwischen meinen Beinen und das Kribbeln im Bauch sind dabei nicht gerade förderlich.

»Ja, wir fahren gerne mit! Komm Elena, heute sind wir mal mit einem Fahrer unterwegs!« Sie grinst schelmisch und steigt aus dem Auto. Ich tue es ihr gleich und nach wenigen Minuten hält ein Jaguar XJ in Weiß vor uns. Die Scheiben sind verdunkelt, doch Aurora weiß anscheinend, dass es Marcos Auto ist, denn sie öffnet die Beifahrertür und die hintere Tür des Wagens. Mit so einem Auto bin ich noch nie gefahren. Das ist echt der Hammer! Wie erstarrt bleibe ich stehen.

»Ich sitze hinten, wenn es dir recht ist!«, reißt sie mich aus meinen Gedanken. Mittlerweile haben ihre Mundwinkel vor lauter Freude schon fast ihre Ohren erreicht. Mir hingegen wird ganz mulmig, als ich mich auf den Beifahrersitz setzen muss. Leider ist hinten nur für eine Person Platz, die andere Seite ist mit dicken Ordnern bepackt. Zumindest weiß ich jetzt, dass er Marco heißt und Aurora anscheinend mit ihm befreundet ist. Das ist doch nicht schlecht, oder vielleicht doch?

Er startet den Wagen und fädelt sich zügig in den Verkehr ein. Ich starre aus dem Fenster. Eigentlich bin ich nicht so schüchtern, ich rede gerne und wie ein Wasserfall, aber bei ihm verschlägt es mir einfach die Sprache. Wir halten schließlich an einem schmiedeeisernen Tor, das uns nach kurzer Anmeldung geöffnet wird. Wir fahren die Einfahrt entlang, wo am Ende einer Allee eine riesige Villa zum Vorschein kommt. Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, so schön ist es hier. Marco steigt aus dem Auto und geht zügig ins Haus. Aurora nimmt mich an der Hand, als wir die Villa betreten.

»Ich stell dir jetzt mal ein paar Freunde von mir vor!«, brüllt sie mir mit lauter Stimme ins Ohr, da die Musik aus allen Ecken dröhnt. Wir drängen uns in einen riesigen Raum, in dessen Mitte sich eine Tanzfläche befindet. Plötzlich steht ein muskulöser Mann mit blonden schulterlangen Haaren vor uns. Er hat eine Jeans und ein weißes Hemd an. Seine Augenfarbe ist durch das gedämpfte Licht nicht zu erkennen, doch sein Blick strahlt etwas Freundliches aus.

»Hi, Aurora! Schön, dass du es auch auf die Party geschafft hast!« Er gibt ihr rechts und links einen Kuss auf die Wange.

»Hi, Francesco! Darf ich dir meine Freundin Elena vorstellen?« Sie deutet zu mir.

»Hallo, Elena! Schön, dich kennenzulernen!« Er umarmt mich und gibt mir ebenfalls rechts und links einen Kuss auf die Wange, als würde er mich schon ewig kennen. Regungslos stehe ich einfach so da.

»Hi, Francesco, mich freut es auch«, gebe ich knapp zurück. Was ist bloß los mit mir, warum bin ich hier in Rom so eingeschüchtert? Ich bekomme ja kaum den Mund auf. Wie peinlich ist das denn? Die Männer hier sind eindeutig zu attraktiv und charmant, als dass ich klar denken könnte. Francesco wirkt so anders als Marco, nicht so machohaft, obwohl er ebenfalls sehr gutaussehend ist und sicherlich jede Frau hier haben kann.

»Mädels, wollt ihr was trinken, vielleicht Champagner?« Franco blickt von einer zur anderen. Wie Zwillinge sagen wir gleichzeitig »Ja« und müssen kichern.

Nach zwei Gläsern Champagner werde ich auch etwas lockerer und bewege mich zur Musik. Francesco bleibt die ganze Zeit neben mir stehen und verhält sich überhaupt nicht aufdringlich. In erster Linie unterhält er sich mit Aurora, lässt mich aber nicht aus den Augen. Ich verstehe durch die laute Musik nur Bruchstücke von dem Gespräch. Plötzlich erklingt der Song »Shake it off«. Da kann ich nicht länger ruhig bleiben. Ich nehme Francescos Hand und zerre ihn auf die Tanzfläche. Etwas überrascht von meinem spontanen Handeln macht er jedoch ganz ungeniert mit, bis ich hinter mir jemanden spüre. Ich drehe mich um und da steht Marco genau vor mir, so nah, dass sich unsere Körper und Nasenspitzen fast berühren.

»Möchtest du tanzen?«, fragt er mit tiefer Stimme.

Wieso eigentlich nicht, denke ich mir. Der Champagner macht mich mutig. Ich nicke nur und wir bewegen uns zu dem Lied. Der Song endet und wird durch ein langsames Lied ersetzt. Ich kann mich kaum konzentrieren, anscheinend steigt mir so langsam der Champagner in den Kopf. Marco legt seine starken Arme um meine Hüften und zieht mich näher zu sich heran, sodass sich unsere Körper aneinander reiben. Meine Hände lege ich vorsichtig um seinen Hals. Durch diese unbeschreiblich prickelnde Nähe steigt mir der würzig-süßliche Duft seines Parfüms in meine Nase. Er riecht so verdammt gut, dass ich tief ein- und ausatme. Eine gewisse Spannung, die ich nicht so recht zuordnen kann, baut sich zwischen uns auf. Mein Herz beginnt immer schneller zu schlagen, während er im Takt seine Hüften an meine schmiegt. Ich vergesse alles um mich herum und habe nur noch Augen für ihn. Er fixiert mich und zieht mich noch näher an sich heran, sodass nicht einmal ein Blatt zwischen uns passen würde. Langsam nähert er sich mir mit seinen wundervollen Lippen. Ich schließe meine Augen und mit leicht geöffnetem Mund warte ich darauf, dass er mich jeden Moment küsst. Doch plötzlich wird er von mir weggerissen.

»Was soll das?«, höre ich eine mir bereits bekannte schrille Stimme Marco anschreien. Die Frau fuchtelt dabei mit ihren Händen.

»Was willst du, Viola?«

Seine Miene ist finster. Da steht sie, die Frau von gestern mit ihren perfekt geglätteten braunen Haaren und ihrem makellosen Körper. Bei ihrem hautengen, extra kurzen silbernen Minikleid ist es fraglich, ob es noch als solches durchgeht. Der Busen springt einem schon fast entgegen und ich glaube, ihre Pobacken sehen zu können. Na toll, besser kann es ja gar nicht laufen. Anscheinend sind die beiden ein Paar! Ich bleibe stehen und höre mir dieses peinliche Desaster an.

»Ich dachte, du bist wegen mir gekommen? Und jetzt tanzt du mit dieser kleinen Tussi hier?« Sie deutet auf mich und wirft mir einen grimmigen Blick zu.

Vielleicht wäre es doch besser, wenn ich mich aus dem Staub machen würde, doch meine Neugier siegt.

»Ich bin dir keine Erklärung darüber schuldig, mit wem ich tanze! Wir sind nicht verheiratet, also zisch ab!« Er ist jetzt richtig zornig, das erkennt man an seiner tiefen Falte auf der Stirn. Viola wirft mir noch einen grimmigen Blick zu, bevor sie wutentbrannt durch die Menschenmenge davon stapft.

Was habe ich mir nur dabei gedacht? Er ist sicherlich mit ihr zusammen, so wie sie sich aufführt. In eine bestehende Beziehung will ich mich nun wirklich nicht einmischen. Ich weiß, wie schlimm das für diese Person sein muss. Meine Mutter hat damals durch meinen Vater genug gelitten, ich glaube sogar, dass sie heute noch daran zu knabbern hat.

»Ich wollte dir keine Probleme machen, ich gehe jetzt wohl besser.« Meine Stimme ist etwas zittrig, irgendwie tut mir die Frau leid, obwohl ich sie eigentlich gar nicht kenne. Ich will mich schon umdrehen und gehen, als mich Marco an meinem Handgelenk festhält.

»Nein, bleib hier, das ist schon okay. Mach dir um Viola keine Gedanken, sie beruhigt sich schon wieder. Es geht sie auch nichts an, was ich mache. Lass uns an die Bar gehen, uns ein Glas Champagner holen und diesen Zwischenfall schnell vergessen.«

»Ich glaube, für heute hatte ich schon genug Champagner. Ich werde mir ein Taxi rufen und nach Hause fahren.« Meine Stimmung ist nach dieser Aktion im Keller.

»Warte einen Moment hier, ich hole nur meine Jacke, dann kann ich dich mitnehmen, wir wohnen ja im selben Haus«, sagt er schmunzelnd.

»Nur, wenn es dir keine Umstände macht.« Ich bringe gerade mal ein zaghaftes Lächeln zustande.

»Nein, sicher nicht.« Als er mir eine Haarsträhne hinters Ohr streicht, durchzuckt es mich wie bei einem Stromschlag.

»Na gut, dann frag ich nur noch Aurora, ob sie auch mitfahren möchte oder ob sie doch hierbleiben will.«

»Gut, dann treffen wir uns beim Haupteingang.«

Er dreht sich um und verschwindet unter den vielen Leuten. Als ich mich umschaue, stelle ich fest, dass es ganz schön voll geworden ist. Ich marschiere los und suche die ganze Party nach ihr ab, doch ich finde sie nicht. Vielleicht ist sie ja schon nach Hause gefahren, kommt mir in den Sinn und dränge mich Richtung Ausgang durch. So ein Glück aber auch, denke ich mir, bevor ich plötzlich mit Viola zusammenstoße.

»Sorry, darf ich bitte vorbei?«, sage ich eingeschüchtert.

Sie mustert mich verächtlich von oben bis unten.

»Du wirst schon sehen, was du von diesem Kerl hast! Wenn Marco von dir genug hat, ist er wieder bei mir!«

Ihre Stimme klingt so boshaft. Ihr Gesichtsausdruck ist vor Wut verzerrt und sie macht keine Anstalten, mich durchzulassen. Ich drücke sie ein wenig von mir weg, quetsche mich an ihr vorbei und ohne weiteren Kommentar laufe ich hinaus. Was glaubt sie denn? Dass ich gleich mit ihm in die Kiste springe? Natürlich ist er ein äußerst attraktiver Mann, doch deshalb muss sie nicht gleich ihre Besitzansprüche geltend machen. Anscheinend sind sie ja kein Paar mehr – oder etwa doch? Immerhin war sie Anfang der Woche halbnackt in seiner Wohnung und hat sicherlich ganz unanständige Sachen mit ihm gemacht. Vielleicht ist sie ja eine seiner Gespielinnen für zwischendurch? Das könnte ich mir bei ihm gut vorstellen.

An der frischen Luft angekommen, wartet Marco schon in seinem Sportwagen auf mich. Ich tapse die Stufen hinunter, nehme neben ihm Platz und schaffe es gerade noch, die Autotür zuzumachen, da rast er auch schon los. Mich drückt es richtig in den Sitz hinein, sodass ich Mühe habe, mich anzuschnallen. Während der ganzen Fahrt wechseln wir kein einziges Wort. Eine unangenehme Stimmung liegt in der Luft, doch ich wüsste auch nicht, worüber wir sprechen sollten. Über diesen Vorfall vorhin sicherlich nicht, denn was da zwischen ihm und Viola los ist, geht mich ja nichts an. Vielleicht hat Viola auch recht damit, dass er kein Mann für etwas Ernstes ist. Es ist wahrscheinlich besser, wenn ich die Finger von ihm lasse, aber vielleicht funktioniert ja eine Freundschaft oder so was in der Art. Erleichtert stelle ich fest, dass wir zu Hause angekommen sind und in die Tiefgarage unseres Wohnhauses einbiegen. Er stellt das Auto auf einen der reservierten Parkplätze ab und ich versuche gerade, die Autotür zu öffnen, als Marco nach meiner Hand greift.

»Warte, ich öffne dir die Tür.« Er steigt aus dem Wagen und läuft um ihn herum. Sehr charmant, denke ich mir, doch zugleich überkommt mich ein Misstrauen, da ich nicht weiß, was er wohl damit bezweckt. Er nimmt meine Hand und hilft mir aus dem Wagen. Seine Hände fühlen sich so weich und zart an. Auf dem Weg zum Fahrstuhl bleibt es wieder unangenehm ruhig, er drückt den Knopf nach oben und durchbricht zugleich die Stille.

»Hast du morgen schon was vor?«

»Ich möchte mir morgen die Stadt genauer ansehen und eine Sightseeingtour machen, da ich noch nie in Rom war.« Ich starre auf die Zahlen über dem Lift, bis sich endlich die Tür öffnet und wir eintreten können.

»Also, da wäre ich der perfekte Stadtführer, ich kenne da ein paar ganz besondere Plätze. Wenn du möchtest, zeige ich sie dir!« Marco greift in seine Jackentasche, zieht seine Visitenkarte heraus und reicht sie mir. »Ruf mich einfach an. Ich würde mich freuen, dir die schönen Seiten von Rom zeigen zu können.«

Als wir den schmalen Lift betreten, berühren sich kurz unsere Hände. Es ist, als würde zwischen uns eine Verbindung bestehen. Wie ein unsichtbares Band treffen sich unsere Blicke. Mir stockt der Atem, mein Herz beginnt zu rasen, ich habe das Gefühl, dass mich seine grünen Augen hypnotisieren und in einen Zauber ziehen. Mein Mund fühlt sich ganz trocken an und mir ist plötzlich so heiß, als würde ich in der Sauna stehen. Doch als die Aufzugtür aufgeht, kommt mir ein kühler Luftzug entgegen, der mich aus dem Bann reißt.

»Danke, dass du mich nach Hause gebracht hast, das war wirklich sehr nett von dir!« Ich wende meinen Blick von ihm ab und schreite aus dem Fahrstuhl. Da nimmt er vorsichtig meine Hand und dreht mich zu ihm um, sodass ich direkt in seine Augen schaue. Wird er mich jetzt küssen? Erwartungsvoll und mit halboffenem Mund stehe ich da und schaue ihn an.

»Gern geschehen, ich würde mich sehr über einen Anruf von dir freuen. Gute Nacht.« Er gibt mir einen sanften Kuss auf die Stirn und lässt mich wieder los. Dann macht er einen Schritt zurück und lächelt mich an.

»Gute Nacht«, sage ich noch, bevor sich die Aufzugtür schließt. Voller Hitze am ganzen Körper und aufgewühlt von dem zarten Kuss laufe ich zu meiner Wohnung. Was war das denn gerade? Ich dachte, er wollte mich küssen? Stattdessen bekomme ich einen Kuss auf die Stirn, als wäre ich seine Tochter. Marco ist zwar schon etwas älter als ich – so um die dreißig, schätze ich –, aber er wird ja wohl kaum väterliche Gefühle für mich hegen!?

Frisch geduscht setze ich mich wenig später noch aufs Sofa und beobachte das Treiben draußen auf der Straße. Meine Gedanken schweifen zu Marco. Wieso hat er mich nur auf die Stirn geküsst? Findet er mich vielleicht nicht attraktiv genug? Er hat doch auf der Party und auch vorhin im Lift mit mir geflirtet, oder etwa doch nicht? Vielleicht habe ich in das Ganze ja auch zu viel hineininterpretiert und er hegt nur freundschaftliche Gefühle für mich. Wenn ich da so an Viola denke … Die Frau hat den perfekten Körper mit ihren langen schlanken Beinen und den perfekten Hüften. Ich bin zwar auch schlank, habe aber ein paar Rundungen auf den Hüften. Ich sollte besser schlafen gehen. Morgen möchte ich mir die Stadt anschauen. Aber ob ich Marco bitten soll, sie mir zu zeigen, muss ich mir noch gut überlegen. Ich kuschle mich unter meine Decke und schlafe sofort ein.

Kapitel 4

»Guten Morgen, Elena! Dass man dich wieder mal zu Gesicht bekommt!« Meine Mutter schlendert zur Kaffeemaschine und holt sich eine Tasse Cappuccino.

»Guten Morgen, Mama!«

Ich sitze am Esstisch vor meiner Schüssel Cornflakes. Ich habe mich schon für meine Sightseeingtour fertiggemacht und trage eine enge Jeans, ein türkisfarbenes Top und dazu passende Sneakers. Selina kommt in den Raum und nimmt neben mir Platz.

»Guten Morgen«, murmelt Selina. »Was hast du heute vor?«

»Ich möchte mir ein bisschen die Stadt anschauen, möchtest du mitkommen?«, frage ich und schaue erwartungsvoll zu ihr hinüber.

»Eigentlich sehr gerne, aber ich treffe mich heute mit ein paar Freunden aus der Schule. Aber beim nächsten Mal bestimmt. Du bist mir doch nicht böse, oder?« Sie füllt sich eine Schüssel mit Müsli und Milch.

»Nein, natürlich nicht, dann eben beim nächsten Mal«, sage ich schon ein wenig enttäuscht. Ich hatte mich zwar gegen Marco entschieden, doch alleine unterwegs zu sein, ist dann doch nicht so spannend. Mutter setzt sich mit ihrer heißen Kaffeetasse in der Hand zu uns und blättert im Schnelldurchlauf die Tageszeitung durch.

»So, ich muss los, wir sehen uns dann am Abend!« Sie leert ihre Tasse und marschiert hinaus. Nachdem ich in mein Zimmer zurückgekehrt bin, hole ich Marcos Visitenkarte heraus und wähle seine Nummer. Nach nur einmal Klingeln hebt er ab.

»Hallo, ich bin es, Elena. Hast du Zeit und Lust, mir heute die Stadt zu zeigen?«

»Guten Morgen! Sehr gerne! Ich warte schon vor dem Eingang auf dich.«

»Ähm, okay, dann komme ich gleich runter! Bis dann!«, sage ich munter und lege auf.

Verblüfft von seiner anmaßenden Art nehme ich noch meine schwarze kurze Jacke und gehe zur Tür. Ich fasse es nicht, dass er einfach davon ausgegangen ist, dass ich heute den Tag mit ihm verbringen würde. Als ich unten ankomme, wartet er an seinen weißen Jaguar gelehnt auf mich. Mit seiner schwarzen Lederjacke, der Jeans und dem weißen enganliegenden T-Shirt sieht er so verdammt gut aus, dass mir fast die Spucke wegbleibt. Er begrüßt mich mit einem Kuss rechts und links auf die Wange und lächelt mich zugleich spitzbübisch an. Er dreht sich zum Auto um und öffnet mir die Tür.

»Du siehst heute einfach bezaubernd aus!«, sagt er und schmunzelt zugleich.

»Danke für das Kompliment, aber ich muss schon sagen, du bist sehr von dir überzeugt, oder? Du gehst einfach davon aus, dass ich den heutigen Tag mit dir verbringe?!« Ich nehme Platz und schaue zu ihm auf.

»Na ja, letztlich sitzt du jetzt in meinem Wagen, oder etwa nicht?«