Sehnsuchtsziele für Motorbootfahrer - Christian Tiedt - E-Book

Sehnsuchtsziele für Motorbootfahrer E-Book

Christian Tiedt

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Beschreibung

Traumtörns mit dem Motorboot Einmal die finnischen Wälder vom Wasser aus entdecken, die französischen Kanäle erkunden oder die schwedischen Küsten entlangfahren – jeder Motorbootfahrer kennt diese Sehnsüchte. Den richtigen Törn zu finden und zu planen, ist dabei jedoch nicht immer ganz einfach. Doch hierbei kann dieses Buch Abhilfe leisten: mit den schönsten Revieren Europas! Christian Tiedt stellt hier 20 Motorboot-Törns vor, die alle einen ganz eigenen und besonderen Charme besitzen. Ob Sonnenuntergänge in Skandinavien oder Kultur am Wasser im Loiretal – es ist mit Sicherheit für jeden etwas dabei! Von Skandinavien über Mitteleuropa bis an den Canal du Midi im Süden Frankreichs – dieses Buch zeigt jede Menge Törns abseits der bekannten Routen und üblichen Reiseführer. Die Texte laden zum gemütlichen Schmökern ein; fernab trockener Sachtexte beginnt beim Lesen schon vor dem inneren Auge der Urlaubstörn. Die wunderbar bebilderten Törnberichte werden ergänzt durch praktische Informationen zum Klima, zu den Highlights und den Etappen. • 20 inspirierende Motorboot-Törns • Alles Wissenswerte über das Klima, die Highlights und die Etappen • Wunderbar bebilderte Törnberichte Bereits einzeln in der Zeitschrift boote veröffentlicht, versammelt dieses einmalige Werk die besten Revierporträts der letzten Jahre. Kein langes Suchen über einen Bericht, den man mal irgendwo gelesen hat, keine Datenchecken, ob die Angaben wohl noch stimmen – das ist hier alles bereits erledigt! Es bleibt nur Träumen und Genießen – und die Qual der Wahl, welcher der Traumtörns zuerst gefahren werden soll …

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Seitenzahl: 204

Veröffentlichungsjahr: 2024

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CHRISTIAN TIEDT

SEHNSUCHTSZIELE FÜR MOTORBOOTFAHRER

DIE SCHÖNSTEN REVIERE EUROPAS

DELIUS KLASING VERLAG

Im Rahmen der Natur

OBERE HAVEL

DEUTSCHLAND

Große Freiheit

MÜRITZ

DEUTSCHLAND

Auf Kur von allem Trubel

LAHN

DEUTSCHLAND

Tradition und Vision

ZUID-HOLLAND

NIEDERLANDE

Magistrale am Meer

LANGUEDOC

FRANKREICH

Im Herz Europas

ELSASS

FRANKREICH

Ruby, Tawny, White

DUORO

PORTUGAL

Highland Passage

CALEDONIAN CANAL

SCHOTTLAND

Very British

OBERE THEMSE

ENGLAND

Blue Highway

SHANNON

IRLAND

Per Boot in die Berge

TELEMARK-KANAL

NORWEGEN

Aller Anfang

TROLLHÄTTE-KANAL

SCHWEDEN

Das Seestück

VÄNERN

SCHWEDEN

Sveriges Route 66

GÖTA-KANAL

SCHWEDEN

Stille Wasser

SAIMAA-SEEN

FINNLAND

Tour de Suisse

JURASEEN

SCHWEIZ

01

OBERE HAVEL, DEUTSCHLAND

Im Rahmen der Natur

Die gecharterte Linssen Grand Sturdy im Herzen des Reviers:

Der Ellbogensee ist Teil der Mecklenburgischen Kleinseenplatte.

Auf Sommertörn im Nordosten: Obere Havel und Mecklenburgische Kleinseenplatte gehören zum Schönsten, was Deutschlands Binnenreviere zu bieten haben. Entschleunigung garantiert!

Wälder, Wiesen, Felder und immer wieder Wasser. Von alldem gibt es viel in dieser weiten Landschaft unter ihrem großen Himmel. Hier, wo das Brandenburgische ins Mecklenburgische übergeht, stellt die Natur den Rahmen für ihr eigenes Panorama – und mitten durchs Bild führt eines der bemerkenswertesten Bootsreviere Deutschlands: die Obere Havel. Menschen gibt es hier nicht so viele, kaum vierzig kommen im Schnitt auf einen Quadratkilometer. Im nicht allzu weit entfernten Berlin sind es viertausend.

Ihre größten Spuren hat die geschäftige Bevölkerung dabei am südlichen Rand der Region hinterlassen – und das hat direkt mit der nahen Millionenmetropole zu tun. Nördlich von Zehdenick befand sich lange ein Zentrum der Ziegelproduktion. Berlin wurde aus dem Kahn gebaut, heißt es noch heute. Das Material dafür stammte seit Kaisers Zeiten von hier: In den Tonstichen links und rechts des Flusses wurde es aus der Erde geholt, an Land geformt und gebrannt und dann flussab verschifft. Doch spätestens mit dem Siegeszug des Plattenbaus wurde die Produktion immer unprofitabler, Beton gab jetzt den Ton an. Nach der Wiedervereinigung wurden die letzten Feuer gelöscht. Der Ofen war aus, für immer. Auch die Lastkähne verschwanden. Die Stiche wurden geflutet und verwandelten sich in Teiche und Seen. Einen Einblick in die vergangene Epoche vermittelt heute nur noch der Ziegeleipark Mildenberg. Einer seiner Hoffmannschen Ringöfen ist als imposantes technisches Denkmal erhalten geblieben und kann ebenso wie die Maschinenhalle als Teil des Industriemuseums besichtigt werden.

Idyllische Uckermark

zwischen den Schleusen Schorfheide und Zaaren bietet Natur pur.

Vom Wasser aus

erblickt man das Schloss Rheinsberg am Grienericksee. Der Rokokobau stand Modell für das berühmte Schloss Sanssouci.

Umgeben von Seerosen

und bewaldeten Ufern liegt die Steganlage des Fürstenberger Yachtclubs am Schwedtsee sowie am Stadtpark, der sich in unmittelbarer Nähe zum Zentrum befindet.

DIE ➔ TOP 3

⋆ Die Obere Havel

selbst ist der Star in diesem Revier: Auf dreißig Kilometern zwischen Mildenberg und Bredereiche bietet sich ein einmaliges Fahrerlebnis.

⋆ Rheinsberg

ist nicht nur wegen des Schlosses eine Reise wert. Die historischen Straßen bieten auch eine Vielzahl von Restaurants und Cafés für den Landgang.

⋆ Die Abwechslung

zwischen See-, Fluss- und Kanalabschnitten und die zahlreichen Nebengewässer machen das beschriebene Revier besonders reizvoll.

Gleich nebenan, fast im Schatten der Schlote, im Neuen Hafen des Ziegeleiparks, beginnt unser Törn auf der Oberen Havel. Eine Woche lang werden wir mit CERES unterwegs sein, einer Charteryacht vom Typ Linssen Grand Sturdy 29.9 AC. Es wird flussaufwärts gehen, hinein in die Natur! Gleich zu Beginn liegt die Uckermark vor uns. Über eine Entfernung von knapp dreißig Kilometern windet sich die Havel hier in ihrem eiszeitlichen Bett durch die Einsamkeit. In tiefem Frieden schlägt sie Schleife um Schleife. Buchen und Eichen neigen sich über das Wasser und streuen uns Laub an Deck. Erlen säumen die Niederungen, und auf sandigen Höhen haben Kiefern ihre Wurzeln geschlagen. Hoch oben kreist der Rotmilan.

HINEIN IN DIE NATUR

Bei diesem natürlichen Verlauf fällt kaum auf, dass wir mit unserem Stahlverdränger auf einer ausgebauten Wasserstraße unterwegs sind, so unsichtbar sind die Uferbefestigungen hinter Schilf und Blattwerk. Aber hin und wieder taucht dann doch eine Schleuse auf, genau genommen sind es sogar vier auf der betreffenden Strecke. Nach den Einmündungen der Wentow und der Templiner Gewässer macht die Schleuse Schorfheide den Anfang. Wie die beiden folgenden Staustufen in Zaaren und Regow liegt sie mitten im Grünen. Kein Schleusenwärter weit und breit, wir dürfen uns selbst bedienen und die grüne Stange mit dem Anforderungsschalter drehen. »Schleusung angenommen«, bestätigt die Textanzeige. Im Oberwasser der Schleuse Regow machen wir für eine Pause an der langen Wartestelle fest, denn am Ufer haben uns nicht nur zottelige Ziegen neugierig gemacht, sondern auch ein Schild, das uns zum Capriolenhof einlädt.

Der liegt gleich neben der Schleusenanlage und bietet diverse Käsekreationen aus Ziegenmilch – vom Hippie Frisch bis zum Berliner Brikett. Alles aus ökologischer Herstellung, versteht sich. Wir haben Glück, dass heute Sonntag ist, denn geöffnet ist nur am Wochenende.

DIE ➔ TÖRNETAPPEN

S Mildenberg–Himmelpfort

33 km

1 Himmelpfort–Priepert

18 km

2 Priepert–Rheinsberg

20 km

3 Rheinsberg–Strasen

18 km

4 Strasen–Fürstenberg

15 km

5 Fürstenberg–Mildenberg

38 km

Z Gesamtstrecke

142 km

DAS ➔ KLIMA

Werte: Sonnenstunden/Tag, Tagestemperaturen, Regentage

DAS ➔ REVIER

Die Obere Havel-Wasserstraße ist Teil des Netzes der Mecklenburgischen, Märkischen und Berliner Gewässer, des größten zusammenhängenden Wassersportgebiets Europas. Fast im gesamten Revier gilt die Charterscheinregelung, die das Führen eines Charterbootes nach Einweisung für die Mietdauer ohne Sportbootführerschein ermöglicht. Ausnahme: auch von der Berufsschifffahrt genutzte Wasserstraßen im Großraum Berlin. Im beschriebenen Charterscheingebiet sind Urlauber weitgehend unter sich. Die Infrastruktur ist sehr gut, die Navigation unproblematisch. Alle Schleusen sind auf Selbstbedienungsbetrieb umgerüstet. Wartestellen sind vorhanden, in der Hauptsaison muss jedoch besonders im Bereich der Seenplatte mit Wartezeiten bis zu mehreren Stunden gerechnet werden. OBERE HAVEL-WASSERSTRASSE: Länge (Neustrelitz bis Einmündung in die Havel-Oder-Wasserstraße): 97 km, Schleusen: 11, Durchfahrtshöhe: 3,41 m, Wassertiefe: 1,4 m, Geschwindigkeit: 9 km/h, (25 km/h auf Seen und seenartigen Erweiterungen ab 250 m Breite bei 100 m Abstand zum Ufer).

Auch Warten kann Urlaub sein,

wie hier vor der Schleuse Steinhavelmühle.

FLUSSAUFWÄRTS

Bredereiche mit seiner Schleuse markiert nach drei herrlichen Stunden in der Natur dann die Rückkehr in die Zivilisation. Der Hub fällt hier mit knapp drei Metern deutlich höher aus als im ersten Streckenabschnitt, wo pro Staustufe maximal 1,20 Meter zu überwinden waren. Nach sieben weiteren Kilometern, einem kräftigen Schauer und umso strahlenderem Regenbogen treten die Ufer schließlich zurück: Wir haben den Stolpsee erreicht, unser Tagesziel: die Steganlage des Bootshauses in Himmelpfort an seiner nordöstlichen Ecke.

Wer auf Nummer sicher gehen will, kann hier schon im Sommer seinen Wunschzettel an den Weihnachtsmann loswerden, und zwar im Weihnachtspostamt in der Klosterstraße neben der mittelalterlichen Klosterruine. Den Wunsch nach einem kulinarischen Erlebnis kann man sich dagegen auch gleich erfüllen: Im Frosch und Fisch, nur fünf Minuten vom Boot entfernt, wird echt französisch gekocht.

Am nächsten Tag stehen die ersten Seen der Mecklenburgischen Kleinseenplatte auf dem Törnplan, auch wenn wir genau genommen noch in Brandenburg sind. Vom Stolpsee zweigen bei Himmelpfort die Lychener Gewässer nach Nordosten führend ab, wir bleiben aber auf der Oberen Havel, durchfahren die Siggelhavel und passieren Fürstenberg am Schwedtsee.

Die beiden folgenden Schleusen in Fürstenberg und Steinhavel kosten uns insgesamt fast drei Stunden Wartezeit – in der Hauptsaison leider kein Wunder. See und Fluss wechseln sich ab, gesäumt von Schilf und Wald. In seinem Schatten sieht man stolze Datschen. Es wird gezeltet, gegrillt und geangelt. Badende Kinder winken den vorbeiziehenden Hausbooten, Flößen und Kanus zu.

Entspannte Stimmung

im Cockpit auf dem Ziernsee an der Landesgrenze von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Der Blick vom Gästesteg

des Bootshauses Himmelpfort erlaubt einen einmaligen Blick. Kurz vor Sonnenuntergang färbt sich der Himmel über dem Stolpsee in den schönsten Farben.

» Der touristische Höhepunkt der Stadt ist das Schloss. Hier, direkt am Seeufer, lebte Preußens Kronprinz Friedrich vor seiner Thronbesteigung im Jahr 1740. «

Am Ziernsee schließlich verlassen wir Brandenburg, der nun folgende Ellbogensee ist einer der schönsten des Reviers. Wir steuern den Yachthafen Priepert im Norden des Sees an. Hier führt die Obere Havel-Wasserstraße weiter nach Norden, in Richtung Wesenberg und, über den Kammerkanal, bis nach Neustrelitz. Doch wir ergattern den letzten freien Gästeplatz und bleiben. Westlich schließt dagegen die Müritz-Havel-Wasserstraße an, auf der es für uns am nächsten Tag weitergeht.

ZWANGSPAUSE

Den Auftakt macht die Schleuse Strasen. Auch hier müssen wir eine Stunde warten. Diesmal sind wir jedoch vorbereitet und nutzen die Zwangspause für ein entspanntes Frühstück. Auf dem Pälitzsee verlassen wir die Müritz-Havel-Wasserstraße bereits wieder und richten den Bug auf die Rheinsberger Gewässer im Süden. Die an deren Ende gelegene Stadt Rheinsberg ist gleichzeitig unser Tagesziel. Der schmale Hüttenkanal führt uns zunächst zur Schleuse Wolfsbruch.

Wir sind zurück in Brandenburg und durchqueren den Tietzowsee und den Schlabornsee, bevor wir den Rheinsberger See erreichen. Hier befindet sich die Einfahrt zur weitläufigen Anlage des Hafendorfs Rheinsberg, unübersehbar dank seines großen rot-weißen Leuchtturms – eine echte Landmarke, auch wenn das hölzerne Bauwerk nur der schönen Aussicht dient und nicht befeuert ist. Wir wollen jedoch noch ein Stück weiter, und zwar direkt in die Stadt; die liegt am östlichen Ufer des Grienericksees, keine zwei Kilometer südlich, und schon bald darauf haben wir an einem der Stege der Marina Rheinsberg festgemacht. Der touristische Höhepunkt der Stadt ist das Schloss, keine fünfhundert Meter vom Hafen entfernt.

Hier, direkt am Seeufer, lebte Preußens Kronprinz Friedrich vor seiner Thronbesteigung im Jahr 1740. Später sollte der »Alte Fritz« dann sagen, es seien seine glücklichsten Jahre gewesen. Da überrascht es nicht, dass er seinen Baumeister Knobelsdorff anwies, beim Entwurf für Schloss Sanssouci in Potsdam das Rheinsberger Schloss als Vorbild zu nehmen. Der Schlosspark erstreckt sich bis zum Westufer des Sees. Vom Obelisken dort hat man, besonders am Abend, einen großartigen Blick auf das Stadtpanorama.

Rheinsberg ist der Wendepunkt auf unserem Törn, und die Rückreise geht zunächst genauso gemächlich vonstatten wie die Hinreise. Die langen Wartezeiten an den Schleusen machen es möglich. Zum Glück sind wir inzwischen richtig routiniert und machen das Nichtstun zur Tugend. Entschleunigung garantiert!

EINSAMER NORDEN

Nach einer improvisierten Nacht in Strasen wartet noch Fürstenberg auf uns. Gastlieger sind an den Schwimmstegen des Fürstenberger Yachtclubs am Schwedtsee willkommen, der nur fünf Minuten vom Marktplatz auf der Stadtinsel entfernt liegt. Auch hier verfügt man übrigens über einen eigenen Leuchtturm. Der fällt zwar deutlich kleiner aus als der in Rheinsberg, dafür beherbergt er einen Getränkeausschank – perfekt, um sich nach dem Anlegen abzukühlen.

Am Abend sitzen wir dann gleich nebenan auf der Terrasse des Ristorante al Porto und freuen uns darauf, dass unser Törn am morgigen Tag so abschließen wird, wie er begonnen hat – mit dem schönsten Abschnitt der Oberen Havel, doch diesmal in der anderen Richtung. Der Blickwinkel wird also ein anderer sein, auch wenn das Bild das Gleiche bleibt: die einmalige Natur im einsamen Norden der Mark Brandenburg.

» Zum Glück sind wir inzwischen richtig routiniert und machen das Nichtstun zur Tugend. Entschleunigung garantiert! «

Schön gelegen

ist der Charterstützpunkt eines Fünf-Sterne Yachtcharters im Neuen Hafen des Ziegeleiparks Mildenberg.

Mit Gegenverkehr

muss an der Schleuse Zaaren gerechnet werden. An der Schleuse Regow liegt die Ziegenkäserei Capriolenhof – hier lässt sich gut eine Pause einlegen.

02

MÜRITZ, DEUTSCHLAND

Große Freiheit

»Kleines Meer«:

Auf der Müritz kann man eine gute Stunde geradeaus steuern, ohne irgendwo anzustoßen.

Weite Wasserflächen und keine Schleusen: Müritz und Mecklenburgische Großseenplatte sind für ein nahezu grenzenloses Törnerlebnis wie gemacht.

Dichter Urwald und lichte Moore bedeckten dieses Land, als die Obotriten vor mehr als eintausend Jahren von Osten kamen, um sich zwischen Elbe und Oder anzusiedeln. Lange davor hatten die Gletscher der Eiszeit hier nicht nur sandige Höhenzüge und sumpfige Niederungen hinterlassen, sondern auch unzählige Seen mit ihrem Schmelzwasser geformt. Eines dieser Gewässer war jedoch ungleich größer als alle anderen in der Umgebung: Selbst an klaren Tagen war das jenseitige Ufer nur ein dunkler Strich und Stürme konnten solche Wellen aufpeitschen, dass die Boote auf dem Trockenen blieben. Das war kein See mehr, sondern ein kleines Meer! Morize auf Slawisch – Müritz. Aber selbst wenn die Fischer noch heute ein Lied über ihre Launen singen können, entschädigen die schönen Tage für alle Wetterkapriolen. Denn wo sonst kann man in Deutschland eine gute Stunde geradeaus steuern, ohne irgendwo anzustoßen? Höchstens noch auf dem Bodensee. Und natürlich macht nicht nur die Müritz allein die Mecklenburgische Großseenplatte aus: Im Westen schließen sich Kölpinsee, Fleesensee und Plauer See an. Keine Schleuse stoppt die Fahrt von Plau am See, das bei Kilometer 120 der Müritz-Elde-Wasserstraße liegt, und Buchholz bei MEW-Kilometer 180. Das macht sechzig entspannte Kilometer; an einem Stück, wenn man möchte. Viel mehr kann auch das »Schwäbische Meer« nicht bieten. In diesem Jahr sparen wir uns deshalb die Schlange an der nächsten Sportbootwartestelle und wählen die »Große Freiheit« für unseren Charter-Sommertörn im Nordosten.

GANZ IN WEISS

Los geht’s in der Marina Eldenburg bei Waren, der Hauptbasis von Yachtcharter Schulz. Am Steg wartet schon SERENA auf uns, ganz in Weiß und nagelneu. Mit dieser Stahlyacht vom Typ Schulz 37 wollen wir das Revier in der kommenden Woche erkunden. Da noch Gewitter angesagt sind, werden wir erst morgen starten und lassen uns nach Einweisung und Übergabe mit dem Einkaufen und Einräumen entsprechend Zeit. Während im Süden Wolkentürme in eisige Höhe wachsen, machen wir es uns achtern in der warmen, aufgeladenen Luft bequem. Der erste Sherry geht natürlich über Bord – sicher ist sicher. Und siehe da: Das Donnergrollen bleibt fernab, auf uns fällt kein Tropfen.

Einer der wenigen »Engpässe« im Revier

ist der Lenzer Kanal mit seiner Straßenbrücke. Der Pegel befindet sich hinter den Bäumen am linken Rand.

Unterwegs am frühen Morgen

spiegelt sich das Morgenlicht auf dem glatten Kölpinsee.

Vom Wasser aus

erblickt man das Seehotel Schloss Klink am Westufer der Müritz.

Unsere

SERENA

von Yachtcharter Schulz vor den hölzernen Bootshäusern am Röbeler Binnensee.

Auf dem Reeckkanal

kommt uns das Warener Ausflugsschiff

EUROPA

entgegen, während am Stadthafen von Waren eine neue Appartementanlage ins Auge sticht.

DIE ➔ TIPPS

⋆ Ankern

Die meisten Charterboote sind so ausgestattet, dass man locker eine Nacht auf die Annehmlichkeiten eines Hafens verzichten kann. Die Seen bieten viele Stellen, die sich zum Ankern eignen. Wenn im Sommer der Wind zum Abend hin einschläft, ist man von spiegelglattem Wasser und völliger Ruhe umgeben.

⋆ Vor- und Nachsaison

Noch einsamer (und günstiger) wird es, wenn man die Hauptferienzeit vermeiden kann. Da es keine Schleusen gibt, ist man auch nicht von kürzeren Betriebszeiten abhängig.

Der nächste Tag beginnt dafür diesig, aber so gut wie windstill. Als wir ablegen und den Bug nach Westen drehen, erscheint eine Drohne über uns. Wie eine übergroße Libelle folgt sie uns ein Stück den Reeckkanal entlang. Doch als es um die erste Biegung geht, verliert sie das Interesse an uns. Der Ausgang des Kanals, der die Binnenmüritz bei Waren mit dem Kölpinsee verbindet, liegt schon nach einem guten Kilometer vor uns. Zwischen den beiden steinernen Molen geht es hinaus auf offenes Wasser. Die bewaldeten Ufer liegen im blassen Dunst des Morgens. Es sind Naturschutzgebiete; die Halbinsel Damerower Werder im Norden, im Süden das Blüchersche Bruch. Angler haben sich schon die besten Plätze reserviert, unbewegliche Silhouetten in ihren Kähnen. Wir halten uns an das betonnte Fahrwasser, das Abstand zu den gesperrten Uferstreifen der Naturschutzgebiete wahrt. So fahren wir auf den Göhrener Kanal am westlichen Ende des Kölpinsees zu, der uns nach 600 Metern in den Fleesensee entlässt, an dem auch Malchow liegt, unser erstes Etappenziel.

KURS AUF MALCHOW

Um den Stadthafen dort zu erreichen, müssen wir jedoch vorher das einzige nennenswerte Hindernis des Reviers passieren – die neue Drehbrücke im Ortszentrum. Die öffnet in der Saison jeweils von 9 bis 20 Uhr zur vollen Stunde. Da wir Zeit haben, scheren wir jedoch kurz nach dem Kanal nach Norden aus dem Fahrwasser aus und lassen an einem schönen Plätzchen auf drei Metern Wassertiefe unseren Anker fallen, um das Frühstück nachzuholen. Auf der Wasserskistrecke im Süden sind Wakeboarder am Start und aus dem Hafen des SBS Yachthafenresorts Fleesen in Untergöhren laufen Hausboote aus. Zusammen nehmen wir Kurs auf die »Inselstadt« Malchow.

DIE ➔ TÖRNETAPPEN

S Marina Eldenburg–Malchow

17 km

1 Malchow–2 Alt Schwerin–Plau am See

18 km

3 Plau am See–Jabel

23 km

4 Jabel–Röbel

28 km

5 Röbel–Waren

17 km

6 Waren–Marina Eldenburg

4 km

Z Gesamtstrecke

107 km

DAS ➔ KLIMA

Werte: Sonnenstunden/Tag, Tagestemperaturen, Regentage

DAS ➔ REVIER

Die schleusenfreien Oberseen im östlichen Teil der Müritz-Elde-Wasserstraße (MEW), die in Dömitz an der Elde beginnt und nach 180 km in Buchholz im Süden der Müritz endet. Plau am See liegt bei km 120. Häfen und Liegeplätze sind im gesamten Revier ausreichend vorhanden, die Ausstattung ist in der Regel gut bis sehr gut. Gleiches gilt für Infrastruktur und Versorgungsmöglichkeiten.

Die Höchstgeschwindigkeit liegt für Kleinfahrzeuge mit Maschinenantrieb auf der Müritz-Elde-Wasserstraße gegenüber dem Ufer generell bei 9 km/h, auf Seen und seenartigen Verbreiterungen mit einem Uferabstand von mindestens 250 m bei 12 km/h und bei breiteren Gewässern außerhalb des 100 m breiten, ufernahen Schutzstreifens bei 25 km/h. Tafelzeichen weisen auf Abweichungen hin.

Die Fahrrinnentiefe beträgt in diesem Bereich mindestens 1,40 m, auf den Seen zum Teil wesentlich mehr. Dennoch sollte man auch auf offenen Wasserflächen der Betonnung folgen.

Die niedrigste feste Brücke (3,90 m) dieses Abschnitts befindet sich am Reeckkanals zwischen Binnenmüritz und Kölpinsee.

Die Marienkirche

von Waren mit dem Gästesteg des Stadthafens davor – die beliebtesten Liegeplätze im Revier.

Die Angelkähne

der Müritzfischer in Eldenburg können auch gemietet werden.

Die neue Drehbrücke ist erst fünf Jahre alt und ersetzt eine baufällige Vorgängerin an gleicher Stelle. Sie überwindet das Nadelöhr zwischen der sogenannten Altstadtinsel, der Malchow seinen besonderen Namenszusatz verdankt. Es lohnt sich, nicht zu früh vor einer Öffnung einzutreffen, da es im schmalen Trichter vor der Ostseite der Brücke schnell eng wird. Eine Signalanlage zeigt den Status an. Die Einfahrt zum Stadt- und Gasthafen liegt danach gleich um die Ecke auf dem Nordufer; die Außenseite der Hafenmauer gehört allerdings den Ausflugsschiffen. Wir suchen uns innen einen Platz am Fingersteg und gehen mit dem Heck an die Pier. Strom und Wasser sind in Reichweite, Sanitäranlagen und Hafenbüro im Servicegebäude untergebracht.

Auf dem Ufer gegenüber ragt der neugotische Turm der Klosterkirche aus den Bäumen. Sie beherbergt das »Mecklenburgische Orgelmuseum«, das auch Konzerte veranstaltet. Zu erreichen über Brücke und Damm. Uns interessiert diesmal aber ein anderes Stück Geschichte:

Das DDR-Museum – passend untergebracht im alten Film Palast an der Kirchenstraße, dreht die Uhr dreißig Jahre und weiter zurück. Ein Sammelsurium an Alltagsgegenständen, vom Röhren-TV aus dem VEB Fernsehgerätewerk Staßfurt über den Palast der Republik aus Formo-Bausteinen (der DDR-Variante von Lego) bis zur kratzigen FDJ-Bluse. Darüber schwebt Honnis gerahmtes Honiglächeln. Sehenswert!

PLAUER SEE

Weit haben wir es nicht am nächsten Tag: Es geht nach Südwesten über den schmalen Malchower See und dann den noch schmaleren, schilfgesäumten Recken. Hinter der Autobahnbrücke der A19 beginnt der Petersberger See. Das Fahrwasser verläuft hier dicht am Südufer; besonders auf die roten Tonnen muss geachtet werden. Vom Plauer See trennt uns jetzt nur noch ein 500 Meter langer Durchstich, an dessen südlicher Einfahrt der Lenzer Hafen liegt, wo natürlich auch Gäste unterkommen (und es neben vollem Service auch eine Bootstankstelle und eine Gaststätte mit Terrasse gleich am Kanalufer gibt). Auch beim Lenzer Krug gegenüber dürfen Gäste festmachen. Zur Abkühlung: Der Badestrand am Ufer des Plauer Sees ist zu Fuß nur ein paar Minuten entfernt. Wir haben für die Mittagspause aber andere Pläne, passieren die recht niedrige Straßenbrücke (Durchfahrtshöhe: vier Meter; auf den Brückenpegel achten) und steuern danach auf dem Plauer See nach Norden. Mit einer Länge von 14 Kilometern kommt der im Ranking der größten Seen Deutschlands immerhin auf Platz sieben.

Im Hafen

verholen wir unser Dingi von achtern nach vorn, um Platz zu sparen.

Am östlichen Ende des Göhrener Kanals

mit dem Fleesensee im Hintergrund ist das Einfahrtzeichen zu sehen. Ein kleiner roter Flitzer fährt über den Jabelschen See.

» Bei der Fischerei Alt Schwerin genießen wir Flusskrebse aus eigener Zucht und Räucheraal mit Schwarzbrot. «

Mit dem bewaldeten Ufer der Halbinsel Plauer Werder an Backbord und der ausgetonnten Wasserskistrecke an Steuerbord führt unser Kurs in die Wendorfer Bucht hinein, wo am nordwestlichen Ende der Schwimmsteg des Sportboothafens der »Fischerei Alt Schwerin« auf uns wartet. Das Geschäft ist schon in vollem Gange, wir finden trotzdem noch einen Tisch auf der Terrasse des Restaurants. Es gibt Flusskrebse aus eigener Zucht und Räucheraal mit Schwarzbrot. Wer selbst Rute und Rolle dabei hat, bekommt hier übrigens die nötige Angelkarte.

Der westlichste Punkt unseres Törns ist jetzt greifbar nahe: Wir kehren zum Fahrwasser zurück und überqueren den an dieser Stelle gut vier Kilometer breiten (und heute sehr sommerlichen) Plauer See. Jollen mit schlaffen Segeln dümpeln vor sich hin und hoffen auf den kleinsten Windhauch. Bei der SEELUST, die uns jetzt entgegenkommt, ist das Oberdeck bis auf den letzten Platz mit Ausflüglern in Sonnenbrille besetzt.

Unser Ziel ist schon erkennbar: Der Leuchtturm auf der Mole von Plau am See liegt recht voraus. Hier endet das Großseenland! Der Verlauf der Müritz-Elde-Wasserstraße folgt ab hier regulierten Fluss- und Kanalabschnitten bis zur Elbe bei Dömitz, immerhin noch 120 Kilometer entfernt. Die erste Schleuse wartet dagegen schon in Plau, also gleich um die Ecke. Statt in die Mündung der Metow einzufahren (die in ihre Richtung führt), halten wir uns aber rechts vom Leuchtturm und suchen uns einen Platz im neuen, gut geschützten Fischerhafen (dessen Fingerstege aber durchaus in erster Linie für Sportboote gedacht sind). Ringsherum ist in den vergangenen Jahren das bunte Ensemble eines Hafendorfes mit Ferienwohnungen, Servicegebäude und Hafenkiosk mit Imbiss entstanden – und eben der Leuchtturm, der zwar von der unteren Galerie eine schöne Panoramaaussicht über den See bietet, die Bezeichnung als »echtes« Seezeichen aber dennoch verdient: Im oberen Stockwerk befindet sich nämlich das Leitfeuer für die Ansteuerung von Plau am See.

DURCH DEN GRÜNEN TUNNEL

Für uns geht es am anschließenden Tag zunächst auf gleichem Weg wieder zurück: Über Plauer See und Lenzer Kanal, an der Drehbrücke von Malchow vorbei und weiter durch den Fleesensee. Nachdem wir den Göhrener Kanal zum Kölpinsee passiert haben, schwenken aus dem Fahrwasser nach Backbord, wo die kurze Durchfahrt zum Jabelschen See im Uferdickicht verborgen liegt. Ein Tonnenpaar hilft jedoch bei der Ansteuerung, ebenso eine grün-weiß-grüne Tafel an einer Birke westlich der Einfahrt. Vorsichtig hinein in den grünen Tunnel – für ein paar Minuten Amazonas! Und dann hinaus auf den Jabelschen See, der zwar nur Kleinster der »Großen«, dafür aber umso malerischer ist. Strohhelles Schilf säumt die Wasserkante, der Wald dahinter ist dicht und grün. In den stillen Buchten spiegeln sich Wolken und Ankerlieger. Im Yachthafen der Ferienanlage Maribell im Nordwesten des Sees machen wir an Fingersteg und Pfählen fest – idyllischer geht es kaum. Bei einem Spaziergang kann man sich im kleinen Dorfladen versorgen und der Backsteinkirche einen Besuch abstatten. Den Abend lassen wir bei dem Ausblick natürlich »zuhause« ausklingen – auf unserem Achterdeck.

» Vorsichtig hinein in den grünen Tunnel – für ein paar Minuten Amazonas! Und dann hinaus auf den Jabelschen See, der zwar nur Kleinster der ›Großen‹, dafür aber umso malerischer ist. «

Der Stadthafen

von Waren ist auch an Wochentagen gut gefüllt. Rechtzeitiges Kommen sichert die besten Plätze – auch, um die fantastischen Sonnenuntergänge zu genießen.

Nun fehlt nur noch die Müritz selbst, um unseren Törn komplett zu machen. Nach dem Kölpinsee lassen wir unsere Charterbasis also zunächst noch einmal links liegen und folgen dem Reeckkanal bis zur Binnenmüritz. Waren ist gut zu erkennen, der Turm der Marienkirche eine unübersehbare Landmarke. Wir aber folgen dem Fahrwasser an der Tonne »Eldenburg« nach Süden und zwischen den beiden Landspitzen von Behrenswerder und Ecktannen hinaus auf die offene Müritz, die nicht friedlicher sein könnte. Eine lange Prozession von Charteryachten und Hausbooten ist unterwegs, eine echte Wasserstraße; wie eine Perlenschnur verbindet der Urlaubsverkehr die beiden Ausgänge des Sees in Nord und Süd. Schloss Klink zieht vorbei, ebenso die weite Ausbuchtung des Sietower Seearmes.

DURCH DICHTEN NEBEL

Wir peilen das nächste Nebengewässer an, den Röbeler Binnensee und dem Stadthafen an seinem Ende. Bunte Bootshäuser, Vereinsschuppen und Stege ragen ins Wasser. Wir machen am Anleger gegenüber der gotischen Marienkirche fest. Röbel ist wie die kleinere (und ruhigere) Schwester Warens: Während eines Stadtbummels trifft man auf die Spuren des Wachsergeanten Bartholomäus Bradhering oder des Stadtgründers Ritter Nicolaus zu Werle und kommt schließlich zur historischen Mühle auf dem ehemaligen Burghügel am Rande der Altstadt.

Ziel unseres letzten Tages ist dann Waren selbst. Aber so schnell geht es nicht: Über der Müritz liegt unerwartet dichtester Nebel. Bis in den Röbeler Binnensee reicht er hinein. Es dauert seine Zeit, bis die Sonne stark genug ist und sich die Schleier heben – das »Kleine Meer« ist eben immer für eine Überraschung gut.

» Wie eine Perlenschnur verbindet der Urlaubsverkehr die beiden Ausgänge des Sees in Nord und Süd. «

Abendstimmung