Sein und Werden - Metin Aysel - E-Book

Sein und Werden E-Book

Metin Aysel

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Beschreibung

Begleiten Sie Metin Aysel, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, auf einer Liebesgeschichte der ganz besonderen Art, eine der Liebe zum Einen. Er betrachtet wissenschaftliche Erkenntnisse zusammen mit spirituellen Konzepten. Erleben Sie einen Genuss in lyrischer Sprache und werden Sie Zeuge, wie sich Hilflosigkeit in Großzügigkeit, Fehler in Erfahrung, Schwäche in Stärke verwandeln..

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SEIN UND WERDEN

Metin Aysel

Copyright © Main Donau Verlag, Berlin, 2020

Es ist nicht gestattet, Teile dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder in PCs/Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Vorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Erschienen im Define Verlag

Linemarketing GmbHWilhelmstr. 26-30 Haus 24 - 13593 Berlin ISBN: 978-3-946871-28-6

www.deinbuchshop.de

Demet AyselundJonas Bais Ayselgewidmet

(M)Ein-Leitung

Die Reise mit unserem Ego haben wir bereits in unserer Kindheit angetreten. Kaum hat sich das Ego geformt, befindet es sich im Spannungsfeld zwischen verschiedenen Polen, Ideologien, Realitäten, Ansichten sowie Krisen und zu bewältigenden Lebensaufgaben. Dabei wird es wie ein Tischtennisball von da nach dort und wieder zurückgeschlagen, aber jedes Mal in eine andere Ecke. Dieses Hin und Her wird in unserem gängigen Paradigma als Belastungsfaktor betrachtet und liefert nur beschränkt Lösungen für den Umgang mit diversen Traumata oder Lebensaufgaben. Lösungen finden wir stattdessen im Buch des Seins1, im Buch des Werdens2sowie in den Büchern der Bücher.3 Der Natur begegnen Sie in diesem Werk in Form des „Es“ oder als „Buch des Es“.

Das Zusammenspiel zwischen diesen Büchern eröffnet beim Werden4eine ganz neue Dimension, in die Sie im Verlauf dieses Buches mit Gedichten und Texten eintauchen werden. Das Ego wird zunehmend zum Ene5, einer Maßeinheit zur Relativierung der Ressourcen des Selbst6 im Vergleich zu den unendlichen Ressourcen Gottes. Kurz gefasst kann man das „Die Reise des Egos zum Nichts“ nennen. Über die Relation des Egos mit dem Unendlichen7 eröffnen sich unendliche Optionen und parallel zum Nicht-Werden eröffnet sich einem ein anderes Werden, nämlich ein Werden und Aufgehen in der gesamten Existenz des Seins8.

Neue Dynamiken und Prozesse eröffnen sich. Kenntnis wird zur Erkenntnis, Leid wird zur meisterbaren Prüfung unter der Aufsicht des Barmherzigen, das Sprechen wird zu Sükut, die Fürbitte zur Hotline. Die Relation des Egos über das Konzept des Ene führt zur Relation von allem Erlebten; folglich ist sie eine Relation der Relation, die das bereits seit dem „Sei“ Relativierte in unserem eigenen Verständnis relativiert, doch stets unter den Aspekten der sogenannten Offenbarungsvernunft.9

Außer einer wissenschaftlichen Analyse von Einsamkeit, der Fürbitte sowie einer der Psychologie im Lichterland unbekannten Dimension der Psyche und weiteren Themen schafft dieses Buch unter Einbezug von Texten aus dem Sufismus eine ganz besondere Symbiose. Auf unserer Reise zu neuen Erkenntnissen haben wir in der Darstellung dieser komplexen Themen den Versuch gewagt, dafür eine eigene Sprache zu entwickeln – mit Wortspielen und einer phasenweise erheblichen Beugung der deutschen Sprache. Das Sein im Werden zu erkennen mit dem Ziel das Werden besser zu verstehen kann als die Vereinigung von Herz und Vernunft bezeichnet werden. Über das Werden wird die Antizipation des Ist möglich. Ich lade Sie zur Selbstreflexion ein und zu Erkenntnissen im Umgang mit Leid, geschmückt mit eigenen Gedichten sowie übersetzten Werken aus der reichhaltigen morgenländischen Schatzkammer.

Die Weisheiten in den Gedichten können unter Zuhilfenahme der Risale-i-Nur-Gesamtwerke (z. B. Kleine Briefe, Define Verlag) und der Bücher der Bücher besser verstanden werden. Es soll ein erster Versuch sein, dem Leser die komplexen Zusammenhänge genussvoll zu präsentieren.

Mein Dank gilt allen KollegInnen mit denen wir in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche Projekte im interkulturellen und interreligiösen Dialog realisieren konnten. In stundenlangen Gesprächen über diese Themen hat sich mein Bewusstsein für die Sensibilitäten meiner Mitmenschen vertieft. Seit 2011 finden im Rahmen von Autorenworkshops, organisiert von der Zeitschrift Fontäne10, alle drei Monate in einer bescheidenen Gruppe von ca. 20 Personen Diskurse statt, in denen intensive Diskussionen um die Begriffsfindung zu äußerst komplex zu übersetzenden Begrifflichkeiten aus der Schatzkiste der Weltliteratur geführt werden. Ich möchte mich an dieser Stelle für all die hitzigen Diskussionen bedanken, die mich stets zur Reflexion angeleitet und mir geholfen haben, mir diverser Konzepte bewusst zu werden.

Mein ganz spezieller Dank gilt selbstverständlich meiner geliebten, allerliebsten, hochgeschätzten Frau Demet, der Mutter unseres Sohnes Jonas Bais. Nur durch die ausgiebige und tiefgründige Saat an Liebeskörnern während unserer mittlerweile über 20 Jahre anhaltenden und hoffentlich vom Dies- wie vom Jenseits bis ins Unendliche geprägten Zweisamkeit konnte sich – gleich einer unendlich sprossenden und wachsenden Pflanze – eine neue Form der Liebe zum Einen entwickeln. Nur mit ihrer Geduld für meine Abwesenheiten aufgrund diverser Aufgaben war diese Reise der Erkenntnis erst möglich.

Die Saat der Liebe ist ein Gedicht, in dem der Werdegang vom War (das Selbst vor der Erkenntnis), über das Bin (das Selbst im Moment) und Werden (das Leben im Moment) bis hin zum Ist (das Jenseits) und ihre Begleitung auf dieser Reise dargestellt wird.

1 Imam-i Mübin oder Sein-Skript: ein Buch, in dem der absolute Wille und die Kenntnis Gottes niedergeschrieben und nicht veränderbar ist. Aus diesem Buch erfolgt die Übertragung und Abschrift mithilfe diverser Prozesse wie einer direkten oder vertagten Abschrift. Zur Übertragungstheorie siehe die Dissertation von Dr. Arhan Kardaş, Universität Erlangen-Nürnberg, im Publikationsprozess.

2 Kitab-i Mübin oder Werden-Skript: Das Universum inklusive der tagtäglichen Ereignisse in unserem Leben und der Natur.

3 Die Offenbarungsschriften: Thora, Psalmen, Evangelien, Koran.

4 Werden: das Momentum und der Moment im Leben.

5 Dieser Begriff ist eine Alternative zum Begriff Ego. Für weitere Details verweisen wir auf das 30. Wort der Risale-i-Nur-Gesamtwerke.

6 Die Summe aller Eigenschaften als Abbild Seiner Schönen Namen.

7 Hier ist Gott gemeint.

8 Hier ist die gesamte Existenz im Universum gemeint.

9 Siehe die Dissertation von Dr. Arhan Kardaş, Universität Erlangen-Nürnberg, im Publikationsprozess.

10 www.diefontaene.de.

Die Saat der Liebe

Ich war.Die Liebe zu ihr11 erst gebarMein Bin!

Mein Bin,Welches erst war in der Lage zu erkennen in allem einen Sinn.

Über die Erkenntnisse im Sinn erkannte ich das Sein,Welches war geschrieben vom Ein’.

Der Ein’Spiegelt sich stets im Sein.

Über das SeinWurde mein Bin zu mein’ Sein.

Mein Sein,Über sie12 konnte ich den Spiegel halten rein.

Im reinen SpiegelLösten sich die Riegel.

Die Riegel gelöst,Neue Siegel entblößt.

Das Werden,Dreierlei,Nämlich die Prozesse selbst im Werden,Die Übertragung zwischen dem Sein und Werden,Sowie mein Selbst im Werden.

Mein Werden,Tja, das hält noch an.Mit ihrer13 Hilfe schreite ich fortan.

Die Saat von ihr gelegt,Das Sprießen14ihrer Liebe im Werden belegt.

Und wird das weiter wohl gepflegt,In den Büchern wirds belegt,Dann wird das Werden zu Ist.

Und wie das Werden wird im Ist?Hängt davon ab, in welchem Bin beim letzten Atem du bist.

Im Werden oder Bin,Hauptsache zu Sein in Seinem Sinn.

Das War ist gewesen,Das Sein gut gelesen,Im Werden bist15 gewesen,Deswegen …Hab dich einzig erlesen, weil du bist,Mit der ich will sein auf ewig im Ist.

Zürich, 02.07.2019In ewiger Liebe,Metin Aysel

11 Das Kennenlernen.

12 Die Triebkontrolle, beziehungsweise Referenzierung an eine Person.

13 Die fortwährende Unterstützung und ihr Beistand in jeder Lebenslage.

14 Die Geburt unseres Sohnes Jonas Bais am 06.11.2016.

15 Der Beistand in meinem Leben.

Eine ganz besondere Konvers(at)ion

Stell mir vor ein Buch,Drin ist alles, was ich such.

Wie eine Arche für jeden Typ,Kein zweiter Prototyp.

Eins, das beflügelt die Fantasie,Jedes Wort, das endet nie.

Für jede Persona,Jeden Animus und Anima,Viele Komplexe und auch Schatten sind da.

Über das OffensichtlicheMöcht tauchen ab in die Tiefe.Wenn auch Verborgenes wäre da drin,Implizit sucht ich den Sinn.

Stell mir vor ein Buch,Drin ist alles, was ich such.

Die Tasse ganz heiß. Der aromatische Duft der Kaffeebohnen schwebt noch in der Luft. Ein wenig Zucker dazu und noch der Löffel von ganz besonderem Entwurf. Die klassische Musik im Hintergrund beruhigt die Gemüter und dringt ein in die Herzen wie Balsam für die Seele. Es ist ein ganz normaler Abend im Frühsommer. Die Menschen ermüdet auf dem Weg nach Hause, sichtlich erleichtert durch das Gefühl, wieder etwas Sinnvolles gemacht zu haben. Der Verkehr erlebt seine Stoßzeiten, die Straßenbahnen und Busse sind voll.

Der Wirt ist neu, der Barista im Café Einstein ist einer der ganz besonderen Klasse. Das Kaffeehaus glänzt mit seinen Stuckaturen und hohen Decken, sichtlich ein Zeuge jahrhundertealter Tradition und intellektueller Diskurse. Der Kaffee findet seinen Weg auf knisternden Parkettböden. „Mein Herr, Ihr Kaffee.“ Joachim du Ralph nimmt ihn dankend entgegen und beginnt seine Ansprache: „Meine Herren, wir sind hier versammelt, um eine äußerst wichtige Angelegenheit zu diskutieren. Vielen Dank, dass sie sich die Zeit genommen und den mühsamen Weg auf sich genommen haben. Wie ich mit Edward Gibbon bereits angekündigt habe, müssen wir uns Gedanken über die Zukunft des Islams in Europa machen. Islamophobie und Radikalisierung in sämtlichen Bevölkerungsgruppen ist wieder im Trend. Wir haben uns zu lange mit der Vergangenheit beschäftigt und es versäumt, Strategien für die Zukunft des Islams in Europa auszuarbeiten. Hass schürt wiederum Hass, und wir müssen einen partizipativen, versöhnlichen und proaktiven Ansatz für die Zukunft verfolgen.“

Plötzlich sprach das Buch:

Eine ganz besondere Transkription,Das ganze Sein in meiner Tonation.Beschreibe sämtliche Prozesse,Stell sie zur Schau wie auf einer Messe.

Von einem Hirten geschrieben aus ganzem Herzen,Versuchten Tausende mich auszumerzen.

Gefunden habe ich mich im Morgenland,Leider nur hängend an der Wand.

Ein halblautes Murmeln hallt durch den Raum. Die Anwesenden begrüßen sich und erkundigen sich über das Wohlergehen ihrer Tischnachbarn. Gerade als das Tischgeflüster mit Alltäglichem erfüllt wird, übernimmt Edward Monte in bestimmender Manier mit seiner kräftigen Stimme das Wort: „Rationalität ist die Conditio sine qua non unserer Gesellschaft. Ein irrationaler Ansatz schadet der Gesamtgesellschaft. Der Islam vertritt im breitesten Sinne einen rationalen Ansatz. Wir müssen unsere Strategie auf diesen aufbauen, damit irrationale intramuslimische Bemühungen selbstlimitiert werden durch eine Verankerung des Diskurses in der Ratio. Der Prophet war ein Musterbeispiel einer bewussten und wahrnehmungstiefen Person.“ Dr. Maurice bekräftigt diese Aussage und fügt hinzu: „Diese Religion hat sogar die byzantinischen Christen von ihrem Aberglauben befreit — die Stimme aus den Bergen Arabiens, so wie wir es gerne zu verachten wissen. Eine Stimme, die eine reine Religion offenbart.“ Der Wirt fällt ins Wort: „Mit fortschreitender Zeit eröffnen sich die hohen Geheimnisse des Korans.“ Doch sogleich verschwindet er wieder hinter der Theke.

Ernest Renan kann sich nicht enthalten: „Ich möchte es versuchen, mit Ihnen eine der größten Ideenverwirrungen zu entwirren, die auf diesem Wissensgebiete begangen werden, ich meine die Ungenauigkeit, die in den Bezeichnungen enthalten ist: arabische Wissenschaft, arabische Philosophie, arabische Kunst, muselmännische Wissenschaft, muselmännische Civilisation. Aus den schwankenden Ideen, die man sich über diese Begriffe machte, entstehen zahlreiche falsche Urtheile und in der Praxis manchmal sogar sehr schwere Irrthümer. Jede Person, die nur einigermaßen an dem Geistesleben unserer Zeit theilnimmt, erkennt deutlich die gegenwärtige Inferiorität der mahomedanischen Länder, den Niedergang der vom Islam beherrschten Staaten, die geistige Nichtigkeit der Rassen, die einzig und allein ihre Kultur und ihre Erziehung jener Religion verdanken. Wer immer im Orient oder in Afrika gereist ist, dem musste die Wahrnehmung sich aufdrängen von der thatsächlichen Geistes-Beschränktheit eines wahrhaft Gläubigen, von jener Art eisernen Reifens, der um sein Haupt geschlagen ist und dasselbe der Wissenschaft geradezu verschließt, es unfähig macht, irgendetwas zu lernen, irgend eine neue Idee in sich aufzunehmen.“16

Ganz gleich, wie der Liebende sucht die Geliebte,Verirrt in unzähl‘ge Gebiete.Die Suche nimmt nun wahrscheinlich ein Ende.Schon bald komm ich in neue Hände.

Mein Corpus wächst und wächst aus aller Lande,Mitten drin im Lichterlande.Auch gebrochen das Herz vom Hirt’,Suchen gemeinsam den neuen Wirt.

Gleichsam einer Zuflucht,Wie der Liebende die Geliebte sucht.

Entpackt den Corpus einmal der Westen,Und fängt an meinen Inhalt zu testen,Wird die Menschheit mit ein wenig Glück,Erkennen den Faden der leitet zum Glück.

Vom Geliebten an den Geliebten,Gesprochen für alle Zeiten.Ein ganz besonderer Brief,Die Konversation unglaublich tief.

Bismarck nimmt einen Schluck von seinem Verlängerten: „Diese Stimme aus den Bergen Arabiens, so verachtend Sie und unsere Medien diese auch darstellen, ist eine ganz besondere und einzigartige Kraft. Ich habe Muhammed und seinen Koran aus allen Perspektiven untersucht. Ich muss gestehen, dass ich verblüfft war von der Aussagekraft und dem Segen hinter jeder Aussage. Das Rücken des Korans ins positive Licht kann nur ein Gewinn für uns alle sein .“

Ernest Renan, diesmal sichtlich gereizt durch fehlendes Gehör: „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Überzeugt, dass Gott Glück und Macht nach seinen unergründlichen Rathschlägen austheilt, ohne auf Kenntnisse noch auf persönlichen Verdienst einen Werth zu legen, hat der Muselmann die tiefste Verachtung vor der Bildung, der Wissenschaft, vor allem, was wir das europäische Geistesleben nennen …“17

Stellte mir vor ein Buch,Drin ist alles, was ich such.

Ich schaute an die Wand, da hängt,Welches mein Ich hat bisher verdrängt,Ein Buch und aus diesem die Worte,Ein Buch der vergessenen Sorte.

Sagte zum Buch ganz verwundert aber unerschrocken:In Büchereien las ich unzählge Brocken,Ohne zu finden, was mein Herz begehrte.Bücher von und über Gelehrte.

Das Buch setzte fort die Konversation:Das Universum in meiner Transkription,Beherberge ich Geheimnisse zur sichtbarenUnd der Dimension des Unsichtbaren.

Seit Jahrzenten häng ich an der Wand,Nie daran gedacht, mich zu nehmen in die Hand.Habe vernommen deine innige Stimme,Verirrt hast dich in deinem Sinne.

Was passiert hier nun?Was soll ich tun?Kanns mir nicht erklären.Ein Buch, das spricht durch alle Sphären.

Marmaduke Pickthall schließt sich Bismarck an und widerspricht Ernest Renan: „Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die im Koran erwähnten Prinzipien in einer ethisch-moralischen Haltung resultiert und in vielen Ländern historisch zur gesellschaftlichen Entwicklung beigetragen hatten. Dies könnte erneut erreicht werden durch eine entsprechende strategische Aufarbeitung dieser Prinzipien … Wieso nicht noch einmal eine wissenschaftliche Neufassung ausarbeiten?“ John Davenport schließt sich dem an: „Ganz bezaubernd finde ich die Harmonie zwischen den einzelnen Versen sowie die Eloquenz in der Darstellung von ethisch-moralischen Grundsätzen.“

Die angeheizte Stimmung löst einen Moment der Stille aus. Alles scheint still zu stehen. Ein Zischen aus der alten Kaffeemaschine ist das Einzige, was in diesem Moment den Raum erfüllt. Der Barista bringt die gewünschte Serviette zu Tisch und kann sich nicht verkneifen zu fragen: „Wollen Sie sich nun etwa zur Aufgabe machen, den Koran in den Gewissen der Menschen mit Respekt erklingen zu lassen? Tolle Idee, tolle Idee. Endlich mal ein neuer, konstruktiver Ansatz …“, schmunzelt er vor sich hin und machte sich wieder an seine Arbeit hinter der Bar.

Stellte mir nur vor ein Buch ...Hab ich gefunden, was ich such?

Das widerspricht doch der Natur der Sach’,Würd ich’s erzählen, dann jeder lacht.

Im Sinne verirrt habe ich mich,Doch ist das normal, dass ich höre sprechen dich?

Das Buch kam erneut zu Wort,Wieder aus demselben Ort.

Der Schlüssel zu dem Einen,Versteckt zwischen meinen Zeilen.Ich bin nur die TransformationDieser ungewöhnlichen Konversation.

Jeder Buchstabe, den drehst du um,Wie ein Riegel, den stellst du um.

Abraham Geiger stellt sich auf die Seite von Ernest Renan und betont: „Nur eine schlechte Kopie des Judentums, was Mohammed da an den Tag legt.“ Auch Ignaz Goldziher schließt sich diesen beiden an: „Wir reden hier von einem Gespenst aus der Wüste Arabiens, das Sie erwecken wollen! Und wer hat Ihnen gestattet an der Diskussion teilzunehmen?“

Der Barista, diesmal offensichtlich direkt angesprochen, wagt sich vorlaut erneut ans Wort: „Der Ansatz sollte diesmal ein mehrdimensionaler sein. Es kann nicht sein, dass wieder nur eine einzige Person oder eine kleine auserlesene Gruppe den Koran auslegt. Vielmehr schlage ich vor, dass Sie Menschen aus verschiedenen Fachdisziplinen vereinen, also Physiker, Chemiker, Anthropologen, Linguisten, Mediziner, Psychologen und so weiter, aus mindestens zwanzig Disziplinen, ja in Zusammenarbeit mit den Universitäten im ganzen Lande. Ich denke, dass die Mehrheit sehr positiv auf ein derartiges Vorhaben reagieren wird. Das wird die religiöse Radikalisierung im Keim ersticken und eine regelrechte Renaissance im europäischen Islam auslösen. Eine ultimativ-umfangreiche letzte Fassung des 21. Jahrhunderts … Entschuldigen Sie die Anmaßung mich einzumischen, aber bei solch einem wichtigen Thema, das unsere Zukunft betrifft, konnte ich nicht anders … Ich glaube, ich schau einmal nach dem Apfelstrudel bevor er verbrennt …“ Und schon verschwindet der Barista erneut aus dem Blickfeld.

Das Murmeln an den Tischen wird immer lauter: „Wer ist dieser Mensch?“, „Untersteh er sich, sich einzumischen und die Diskussion zu unterbrechen!“ „Lass ihn doch reden, bringt doch nur einen frischen Wind in unsere veralteten Sinne.“ „So ganz außer Acht lassen kann man das von ihm Gesagte nun auch wieder nicht …“ „Eine wissenschaftliche Neufassung? Diesmal in Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen?“

Die alte Eingangstür geht auf. Das laute Knarren durchzieht das lautergewordene Murmeln. Pfarrer Rodwell18