Selbstgesteuertes Lernen ermöglichen - Klaus Konrad - E-Book

Selbstgesteuertes Lernen ermöglichen E-Book

Klaus Konrad

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Beschreibung

Eine immer wichtigere Form des Unterrichts: Selbstgesteuertes Lernen steht schon seit den Reformpädagogen im Fokus, wurde in der Corona-Krise unverzichtbar und gehört angesichts des rasanten technologischen und gesellschaftlichen Wandels zu den »21st century skills«, die die UNESCO ermittelt hat. Dieser Band legt den Schwerpunkt auf die Lehrkräfte: Welche Kompetenzen benötigen sie, welche Haltung und welches Verhalten sollten sie an den Tag legen und was können sie tun, um Schülerinnen und Schüler bestmöglich auf dem Weg in selbstgesteuertes Lernen zu begleiten? E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

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Seitenzahl: 129

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Klaus Konrad

Selbstgesteuertes Lernen ermöglichen

Reclam

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2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962163-0

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014296-7

www.reclam.de

Inhalt

Vorbemerkung

1 Übersicht und Ziele des Buches

2 Warum ist selbstgesteuertes Lernen relevant?

3 Was bedeutet selbstgesteuertes Lernen?

3.1 Kernkonzepte und Definition(en)

3.2 Ein metakognitives Modell des selbstgesteuerten Lernens

3.3 Resümee: Was können Sie aus diesem Kapitel mitnehmen?

4 Selbstgesteuertes Lernen und intelligentes Wissen fördern: Lehrer*innen gestalten innovative Lernumgebungen

4.1 Merkmale innovativer Lernumgebungen

4.2 Unterrichtsorganisation nach dem Sandwich-Prinzip

4.3 Kognitive Meisterlehre

4.4 Weitere Kernaufgaben der Lehrperson

4.5 Selbststeuerungsoffener Unterricht im Kontext internationaler Erfahrungen

4.6 Resümee: Was können Sie aus diesem Kapitel mitnehmen?

5 Selbstgesteuertes Lernen fördern: Lehrer*innen geben gezielte Anregungen

5.1 Direkte Förderung

5.2 Indirekte Förderung

5.3 Kombinierte Förderung

5.4 Beispiele aus dem Unterricht

5.5 Resümee: Was können Sie aus diesem Kapitel mitnehmen?

6 Ausgewählte Förderprogramme für Schüler*innen

6.1 Förderung von Motivation

6.2 Förderung von metakognitivem Wissen und (meta)-kognitiven Strategien (Anwendung metakognitiver Instrumente)

6.3 Förderung des Selbstkonzepts

6.4 Resümee: Was können Sie aus diesem Kapitel mitnehmen?

7 Selbstgesteuertes Lernen als Kernelement von Unterrichts- und Schulentwicklung

Literaturverzeichnis

Zum Autor

[7]Vorbemerkung

Selbstgesteuertes Lernen liegt (wieder oder noch immer) im Trend. Es ist Thema bei Workshops, Lehrer*innenfortbildungen und Fachartikeln zu Bildung und Weiterbildung. Lehrende aller Schularten interessieren sich für selbstgesteuertes (oder begrifflich synonym: selbstorganisiertes, selbstreguliertes oder eigenverantwortliches) Lernen. Zuletzt hat die COVID-19-Pandemie mit den plötzlichen Anforderungen des Homeschooling dem Thema Aufschwung verliehen.

Und das ist gut so, weil es sich um ein wegweisendes Konzept handelt, das aktuellen gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen entgegenkommt. Offenkundig sind die Vorzüge für die Betroffenen selbst: Schüler*innen, denen Strategien sowie Überzeugungen der Selbststeuerung fehlen, haben es zwangsläufig schwer, den schulischen Anforderungen und Qualifizierungszielen gerecht zu werden. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der neuen Bildungspläne und Kompetenzanforderungen.

Mein zentraler Ansatzpunkt liegt in der Betrachtung der relevanten Schlüsseldimensionen der Selbststeuerung – und spezifischer: wie Lehrerinnen und Lehrer die Lernenden in dieser Hinsicht bestmöglich fördern und unterstützen können. Zu den pädagogisch-psychologischen Anliegen, auf die Lehrkräfte ihr Augenmerk richten sollten, zähle ich (kognitive) Aktivierung, Unterstützung individueller Stärken sowie Selbstverantwortung.

Zur Sprache kommen theoretische Konzepte ebenso wie praktische Beispiele und Anwendungsfelder. Ich [8]konzentriere mich auf empirisch erforschte und praktisch erfolgreiche Instrumente und Methoden für einen Unterricht, in dem sich selbstgesteuertes Lernen entfalten kann. Behandelt werden Förderansätze, die sich in Theorie und Praxis tagtäglich bewähren und einen klaren praktischen Nutzen haben. Dabei will ich unmissverständlich betonen, dass selbstgesteuertes Lernen alles andere als ein Selbstläufer ist, sondern zwingend der behutsamen Grundlegung in Schule und Elternhaus bedarf. Das Buch gibt Auskunft über diese Förder- und Qualifizierungsarbeit.

[9]1 Übersicht und Ziele des Buches

Zunächst möchte ich einen Überblick über Ziele und Inhalte des Buches geben: Was sind die Themen des Buches? An welche Zielgruppen richten sich die Inhalte? Wer kann davon profitieren?

Ziele des Buches

Die Förderung neuer Lehr-Lernkulturen und des selbstgesteuerten Lernens von Schülerinnen und Schülern sind in unseren Schulen von zentraler Bedeutung. Wie gelingt selbststeuerungsoffener Unterricht? Welche Schritte im Lerngeschehen sind sinnvoll? Worin bestehen die Aufgaben der Lehrperson? Kann sie sich nun zurückziehen oder wird sie gar überflüssig?

Antworten auf solche Fragen zeichnen sich mittlerweile ab. Um Schüler*innen zunehmende Freiheitsgrade beim Lernen zu ermöglichen, ist eine angemessene Förderung durch die Lehrperson zentral. Ganz gleich, ob Primar- oder Sekundarstufe: die Mehrzahl der Lernenden muss im Unterricht unterstützt werden, sich selbstständig neues Wissen – oder gar neue Kompetenzen (im Sinne von Wissen, Können und Handeln) – zu erarbeiten. Gelingt diese geschickte Führung, wird eine intelligente, aktive Aneignung in Gang kommen. In diesem Prozess lernen die Beteiligten, Wissen derart in ihre kognitive Struktur zu integrieren, dass sie ihre Kenntnisse auch zur Lösung neuer Probleme einsetzen können (Götz, 2006).

Erfolgreiches selbstgesteuertes Lernen weist zahlreiche Facetten auf. Entsprechend bedarf es seitens der Lehrenden [10]vielfältiger Wissensbestände, Kompetenzen und Einstellungen: Wichtig ist etwa ein Verständnis darüber, wie Lehr-Lernsituationen aufgebaut sind, welche didaktischen sowie psychologischen Entscheidungen zu treffen sind und wie Lehr-Lernprozesse im Detail ablaufen (Oberländer, 2017).

Hier liegt der Ansatzpunkt des vorliegenden Buches. Es will zur Optimierung von Kenntnissen, Überzeugungen, Strategien und Entscheidungen beitragen. Angestrebt wird eine hohe Theorie-Praxis-Verbindung. In günstigen Fällen finden Sie als Leser*innen Anregungen, die Sie in Ihrer beruflichen Praxis und im privaten Umfeld umsetzen können.

Das Buch richtet sich an interessierte Lehrkräfte, aber auch an Studierende des Lehramts und Referendar*innen. Vor allem fünf Fragen dürften für die Zielgruppe von Interesse sein:

Was bedeutet selbstgesteuertes Lernen und wie lässt es sich von verwandten Konzepten abgrenzen?

Inwiefern tragen innovative Lernumgebungen zum selbstgesteuerten Lernen bei? Was sind die zentralen Aufgaben der Lehrperson(en) im selbststeuerungsoffenen Unterricht?

In welcher Weise kann selbstgesteuertes Lernen gefördert werden? Worin unterscheiden sich direkte, indirekte und kombinierte Lernförderung?

Welche Förderkonzepte haben sich bewährt? Gibt es empirische Belege für diese Erfolge?

Was sind die Interessen einer modernen Schul- sowie Unterrichtsentwicklung? Inwiefern ist [11]selbstgesteuertes Lernen ein Qualitätsmerkmal dafür? Wie können notwendige Veränderungen an unseren Schulen eingeleitet werden?

Die hier vorgestellten Themen werden durch passende didaktische Gestaltungselemente veranschaulicht. Beispiele, Unterrichtskonzepte, Anregungen für die Praxis, Arbeitsblätter, Checklisten und Reflexionsfragen helfen der Leserin und dem Leser dabei, sich tiefer mit den Inhalten auseinanderzusetzen.

Inhalte und Aufbau des Buches

Die Kernanliegen dieses Buches werden in sieben Kapiteln behandelt. Nach der Einführung (Kap.1) und Hinweisen zur Aktualität und Relevanz des Themas (Kap. 2) erfolgt in Kapitel 3 die Klärung zentraler Begriffe: Was bedeutet selbstgesteuertes Lernen? Mit Kapitel 4 beginnen die Ausführungen zur Förderung von Selbststeuerung. Wie kann selbstgesteuertes Lernen im Unterricht unterstützt werden? In Kapitel 4 finden sich außerdem zahlreiche Hinweise auf innovative Lernumgebungen sowie besondere Aufgaben der Lehrperson, etwa bezogen auf problemlösendes sowie prozessorientiertes Lernen. Kapitel 5 illustriert ausgewählte und praktisch bewährte Initiativen zu den Schwerpunkten der Förderung: direkte, indirekte und kombinierte Hilfen. Beispiele zur Unterstützung dieser Kerndimensionen vertiefen das Thema zum Beispiel für den Unterricht im Gymnasium. Das Hauptaugenmerk liegt auf wissenschaftlich erforschten und praktisch wirksamen Förderansätzen. In Kapitel 6 kommen bewährte Maßnahmen und [12]Instrumente zur Anregung von Kerndimensionen der Selbststeuerung, etwa der Motivation und der Metakognition, zur Sprache. Alle Konzepte gelten als zentrale Elemente der personinternen Selbstregulation, und es sind Aufgaben und Zielgrößen für die Lehrperson. Fragen wie die folgenden rücken in den Fokus: Mit welchen Verfahren können Lehrerinnen und Lehrer Motivation sowie Metakognition unterstützen? Gibt es spezifische Instrumente für den Fachunterricht? In Kapitel 7 folgen Überlegungen zur aktuellen Schul- und Unterrichtsentwicklung. Welche Berührungspunkte bestehen zwischen schulinternen Veränderungen und dem selbstgesteuerten Lernen? Können Elemente der Selbststeuerung als Kriterien einer erfolgreichen Schul- sowie Unterrichtsentwicklung betrachtet werden? Abschließend erhalten Sie als Leser*innen eine komplette Übersicht von allen beschriebenen Methoden zur Förderung von selbstgesteuertem Lernen. Auch die erläuterten Förderansätze werden noch einmal aufgelistet.

[13]2 Warum ist selbstgesteuertes Lernen relevant?

Das Thema »selbstgesteuertes Lernen« genießt derzeit eine hohe Wertschätzung. Im Folgenden werden kurz die Gründe erörtert, warum dies so ist. Zugleich finden sich in diesem Kapitel Argumente für die Aktualität und Dringlichkeit der Diskussion und Anwendung selbststeuerungsoffener Unterrichtsformen. Welche Rahmenbedingungen sind hierfür relevant? Welche Rolle spielen gesellschaftliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Entwicklungen in diesem Zusammenhang?

Wissensexplosion und Wissensveraltung

In vielen beruflichen Bereichen führen gesellschaftliche, technische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Veränderungen zu einer raschen Erneuerung bzw. Veraltung schulisch oder beruflich relevanten Wissens. Dies führt zusammengenommen zu einem großen Trainingsbedarf, der durch Lehr-Lernformen, die nach dem Schulklassenmodell funktionieren, kaum mehr zu decken ist (Konrad, 2022).

Wenn Inhaltswissen schnell veraltet, dann ist es eine wichtige Aufgabe aller Schulen, auch für die Entwicklung solcher Fähigkeiten und Fertigkeiten Sorge zu tragen, die weiteres Lernen ermöglichen (Konrad & Traub, 2011). Das 4K-Modell, das in Kapitel 5.4 (S. 105 ff.) genauer vorgestellt wird, greift diesen Gedanken auf. Die vier »K« bezeichnen vier Fähigkeiten mit diesem Anfangsbuchstaben: Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und Kollaboration. [14]Es sind Bausteine, die zu einem Lernen beitragen sollen, das die Anforderungen des 21. Jahrhunderts (im Beruf, im Leben und als Bürger) erfolgreich meistern kann (Muuss-Merholz, 2021).

Informations- und Kommunikationstechnik

Auch die Entwicklung der Informations- und Kommunkationstechnik hat der Diskussion um selbstgesteuertes Lernen großen Auftrieb gegeben (Konrad, 2019), da nun Technologien – Stichworte: Smartphone, Tablet, Cloud – zur Verfügung stehen, die ein großes Potenzial für die Unterstützung selbstgesteuerten Lernens haben. Durch ihre Möglichkeit, orts- und zeitflexibles Lernen zu organisieren, schaffen sie häufig überhaupt erst die Voraussetzung für selbstgesteuertes Lernen (Zylka, 2021). Andererseits ist selbstgesteuertes Lernen auch ein Schlüssel für den Einsatz innovativer (digitaler) Techniken. Es reicht nicht, ein Fach Digitalisierung in den Schulen einzurichten, in dem technisch-kreatives Wissen vermittelt wird. Es reicht auch nicht, Laptops ins Klassenzimmer zu bringen, die schöpferische Potenziale der Schüler*innen wecken können. Wichtig ist vor allen Dingen, dass verantwortliche Betreuer das sture Auswendiglernen in einzelnen Fächern unbedingt reduzieren und das Denken in Zusammenhängen fachübergreifend massiv ausweiten. Steve Jobs (einer der Gründer des Computerherstellers Apple) sprach 2005 von connecting dots: die Fähigkeit, Erlerntes kreativ miteinander zu verknüpfen und digital umzusetzen. Diese Fähigkeit ist eine Stärke und ein Treiber menschlicher Innovationskraft.

[15]Wissenschaftsinterne Perspektivenwechsel

Das Interesse am selbstgesteuerten Lernen ist auch eine Folge des Perspektivenwechsels vom Lehren zum Lernen (»Lehren macht nicht Lernen«; Konrad, 2021) innerhalb der Pädagogik und der Pädagogischen Psychologie. Moderne pädagogisch-psychologische Theorien heben die aktive, konstruktive Rolle des Individuums beim Lernen hervor und diskutieren es nicht mehr nur in Abhängigkeit vom Lehrerverhalten und von Unterrichtsbedingungen (Friedrich, 2002). Nach einer kognitiven Wende in den 1960er und 1970er Jahren dominieren aktuell gemäßigt konstruktivistische Ideen, die die Lehrperson dazu ermutigen, Vorzüge der Konstruktion und der Instruktion miteinander zu kombinieren (Konrad, 2022). Zwei grundlegende Veränderungen ereignen sich parallel: Zum einen gewinnt das Lernen gegenüber dem Lehren die Oberhand, zum anderen rücken Experten verschiedener Fachgebiete die Individualität des Menschen klar in den Vordergrund. Unterschiedliche Talente, Persönlichkeiten und Vorlieben – die oftmals evolutionsbiologisch begründet sind – gewinnen an Bedeutung.

Selbststeuerung als globales Bildungsziel

Bemerkenswert sind auch die Vorstellungen bedeutender internationaler Organisationen (z. B. UNESCO; The United Nations Educational, Sports and Cultural Organization), die einige »21st century skills« (als Ziele) hervorheben. Die Hälfte dieser Skills benennen innere Kompetenzen: »Selbst-Bewusstheit, Selbst-Regulation, Soziale/Interpersonale Skills, [16]Teamwork Skills, Zuhören, Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit zum Zusammenarbeiten« (Care et al. 2017, S. 12, zit. nach Altner, 2021, S. 154). Wie die erwähnten »4 Ks« werden diese selbstbezogenen Kompetenzen oder das Lernen des Selbst derzeit verstärkt in pädagogischen Lehr-Lernarrangements gefördert und stehen im Fokus der vorliegenden Abhandlung. Vertreter aus Wirtschaft und Bildung sehen darin die Voraussetzung für die Bewältigung komplexer und dynamischer Situationen.

Bildungsgerechtigkeit und Homeschooling

In Deutschland haben alle Menschen die gleichen Chancen. Ein simpler Satz, der aber nicht trivial ist. Denn die Realität sieht anders aus. Während sich Kinder aus privilegierten Familien kaum Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen müssen, stehen andere vor unüberwindbaren Hürden.

Die Unterschiedlichkeit der Bildungschancen für Lernende ist ein Problem, das bereits seit geraumer Zeit besteht und in vielen internationalen Studien (z. B. PISA) angemahnt wurde. Um Bildungsgerechtigkeit herzustellen, gilt es unterschiedlichen Lernpräferenzen gerecht zu werden. Darüber hinaus werden Konzepte benötigt, die für das selbstgesteuerte Lernen typisch sind. Schüler*innen, die ihre Aktivitäten selbstgesteuert und damit selbstverantwortlich erledigen können, haben in außergewöhnlichen Lebensphasen (z. B. in Zeiten des Homeschooling) Vorteile. Sie verfügen über ein klares Zeitmanagement und weisen eine höhere Lernmotivation auf.

[17]Zwischenfazit und erste Konsequenzen

Keines der hier vorgestellten Argumente für selbstgesteuertes Lernen ist völlig neu. Tatsächlich wurden die meisten bereits in den 1960er und 1970er Jahren vorgetragen. Was die derzeitige Diskussion um das selbstgesteuerte Lernen von früheren Debatten unterscheidet, betrifft vor allen Dingen zwei Begebenheiten:

(1)

Erstens existiert derzeit ein starker Druck »von außen«. Gesellschaft, Politik und Wirtschaft fordern von der allgemeinbildenden Schule, sich für selbstgesteuertes Lernen zu öffnen.

(2)

Zweitens hat sich die technologische Situation grundlegend geändert: Die heute verfügbaren digitalen Technologien eröffnen Lehrkräften, Bildungsplanern, Instruktionsdesignern und Medienentwicklern ungeahnte Möglichkeiten. Für viele Verantwortliche in Wissenschaft und Praxis ist diese Perspektive entscheidend für die Zukunft eines modernen (leistungsfähigen) Bildungssystems und die Qualität des darin angebotenen Unterrichts.

Nachdem die Aktualität und Bedeutung des Themas hervorgehoben wurde, steht nun eine inhaltliche Präzisierung an. Was bedeutet selbstgesteuertes Lernen?

[18]3 Was bedeutet selbstgesteuertes Lernen?

Im Fokus des Kapitels steht die Klärung zentraler Begriffe. Selbstgesteuertes Lernen erfreut sich aktuell einer enormen Beliebtheit. Gleichzeitig ist es konzeptionell vage. Warum gilt Selbststeuerung als »fuzzy« Begriff? In welchen Theorien ist selbstgesteuertes Lernen verankert?

3.1 Kernkonzepte und Definition(en)

In der Beantwortung der Frage, was selbstgesteuertes Lernen genau bedeutet, gehen die Ausführungen weit auseinander. Klar ist: Selbstgesteuertes Lernen ist mehr als Freiarbeit und vordergründige Schülerbeschäftigung mittels eng gestrickter Arbeitsblätter oder üppig bestückter Lerntheken.

Selbstgesteuertes Lernen begegnet uns in Form diverser Begriffe. Die Rede ist von »selbstgesteuert«, »selbstreguliert« und »selbstorganisiert« ebenso wie von »selbstständig« oder »eigenständig«. Grund für diese Bandbreite sind verschiedene Perspektiven und Forschungsprogramme sowie -traditionen.

Definition: Selbstgesteuertes Lernen

Konrad & Traub (2011) begreifen selbstgesteuertes Lernen als eine Lernform, »bei der die Lernenden im Hinblick auf vorgegebene (fremd- wie selbstbestimmte) Ziele und in Abhängigkeit von der Art ihrer Lernmotivation sowie den Anforderungen der aktuellen [19]Lernsituation eine oder mehrere Selbststeuerungsmaßnahmen ergreifen und dadurch den Fortgang des Lernprozesses selbst überwachen, regulieren und bewerten« (Konrad & Traub, 2011, S. 2 f.).

»Der selbstgesteuert Lernende muss in der Lage sein, sich selbst zu motivieren, seine Lernbedürfnisse zu erkennen, sein Lernziel zu bestimmen, sein Lernen zu planen, zur Realisation seiner Ziele die optimalen Lernstrategien anzuwenden und die Ergebnisse (weitgehend) selbst zu bewerten.« (Konrad, 2000, S. 76)

Selbstgesteuertes Lernen umfasst reflektiertes Können und Wollen, Selbstlernkompetenz und Selbstlernbereitschaft. Anzumerken ist ferner, dass selbstgesteuertes Lernen nicht so sehr auf den Aufbau expliziten Wissens als vielmehr auf die Denkweise, das Mindset des Individuums abzielt. Auch steht nicht notwendigerweise das individuelle Lernen im Fokus. Diese Einschätzung deckt sich mit dem Anliegen zahlreicher Bildungseinrichtungen, die bestrebt sind, Schüler*innen sowie Studierende mittels selbstgesteuerten Lernens zu kreativen Problemlösern und sozial kompetenten Teamarbeitern zu machen. Selbststeuerung schließt also das Lernen mit anderen keineswegs aus (Muuss-Merholz, 2021, S. 12).

Selbstgesteuertes Lernen heißt vor allem, dass ich selbst (individuell oder kooperativ) lernen kann und nicht nur belehrt werde. Darüber hinaus geht es um selbstdiszipliniertes, selbstüberwachtes und selbstkorrigierendes Lernen. Wenn ich komplexe Aufgaben bearbeiten und dabei mein Lernen reflektieren und gestalten kann, wenn ich also [20]immer auch das Lernen lerne, dann geschieht selbstgesteuertes Lernen.

In diesem Buch werden drei Kernkonzepte vorrangig betrachtet (siehe Abb. 1): (1) Selbstregulation, (2) erlebte Selbststeuerung und (3) Lernumwelt.

Abb. 1: Was sind die Kernelemente des selbstgesteuerten Lernens?

Zum Nachdenken: Welche Rolle spielen die genannten Dimensionen in Ihrem Unterricht?

a) Kognitive Strategien

b) Metakognitive Regulationsstrategien

c) Motivationale Überzeugungen

d) Emotionale Regulation oder Kontrolle.

Wo und wie können Sie diese Dimensionen in Ihrem Unterricht beobachten und beeinflussen?

[21]Was bedeutet Selbstregulation?
Definition: Selbstreguliertes Lernen

Selbstreguliertes Lernen wird als Kernelement des selbstgesteuerten Lernens betrachtet. Der grundlegende Mechanismus der Selbstregulation ist ein Ist-Soll-Wert-Vergleich. Mit Hilfe von Selbstbeobachtung (Self-Monitoring) wird der aktuelle Zustand (Ist-Wert) festgestellt. Im Anschluss daran erfolgt die Selbstbewertung (Ist-Soll-Vergleich). Falls es Diskrepanzen gibt, ergreift die Person Maßnahmen, um sich dem Zielzustand anzunähern (Self-Regulation).

Vertreter der sozial-kognitiven Lerntheorien unterscheiden drei Kernelemente der Selbstregulation.

Verhaltensbezogene Selbstregulation: Die verhaltensbezogene Selbstregulation beinhaltet die Selbstüberwachung und die strategische Anpassung des Leistungsprozesses. Beispiel: Hans erkennt, dass die Art, wie er Vokabeln lernt, nicht zielführend ist und ändert seine Strategie.