Serasin Feuermagier - Teil 3 - Lanning C. Bel - E-Book

Serasin Feuermagier - Teil 3 E-Book

Lanning C. Bel

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2013 novum publishing gmbh

2. Auflage

ISBN Printausgabe: 978-3-99003-309-8

ISBN e-book: 978-3-99026-304-4

Lektorat: Sarah Schroepf

Umschlagfoto: Lanning C. Bel

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Innenabbildungen: Lanning C. Bel (1)

www.novumverlag.com

Widmung

Gewidmet ist diese Geschichte allen,

die geholfen haben,

und ebenso jenen, die nicht daran geglaubt haben.

Landkarte

Teil 3

1

Ein kleiner, kaum wahrnehmbarer Schatten glitt im Mondlicht an der Wand entlang zum schmalen Geländer, welches das große Flachdach umgab. Lautlos kroch er durch den Buschring, der den Turmbewohnern an sonnigen Tagen so angenehmen Schatten spendete. Kein Ast bewegte sich, nicht einmal der am Boden verstreute Sand knirschte unter seinen Fußsohlen. Hinter dem Strauch stieg er ebenso lautlos auf die Brüstung und als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, stand die Gestalt auf dem schmalen Balken des Geländers, das eigentlich dazu gedacht war zu verhindern, aus einer Höhe von sieben Stockwerken auf die steinige Straße zu stürzen.

Die kalte Brise zwischen den hohen Pyramidentüren erwachte unverhofft und frischte die warme, beinahe stickige Nacht auf. Dieser dürftige Windzug kam neben seiner erfrischenden Wirkung auch sehr gelegen, die Blätter raschelten und übertönten so die ohnehin beinahe unhörbare Landung der Gestalt, welche mit einem unmenschlich weiten Sprung auf das gegenüberliegende Turmdach geschnellt war. Selbst die darauffolgenden breiteren Schluchten zwischen den Türmen, in denen zuunterst eine zweispurige Karrenstraße und die Hochgassen für die Fußgänger verliefen, waren anscheinend keine Hindernisse für diesen nächtlichen Wanderer. Einige Dächer weiter wurde es hingegen kniffliger. Gezwungenermaßen vorsichtiger setzte die Gestalt einen Fuß vor den nächsten, um keine der unzähligen Ölamphoren umzustoßen, die auf jenem Dach gelagert wurden, und überquerte so, trotzdem kein bisschen langsamer, dieses und die zwei darauffolgenden Flachdächer, auf denen ebenfalls Amphoren in jeglicher Größe und Form standen. Hinter dem letzten jener drei Türme gab es keinen weiteren, auf den man hätte springen können, und dennoch sprang der nächtliche Besucher ohne Zögern Kopf voran hinunter und betrachtete, nicht wirklich inte­ressiert, sondern aus reiner Gewohnheit, mehr über die Bewohner der Stadt herauszufinden, die vorbeifliegenden Stockwerke.

Auf dem ersten Balkon, der vorbeizischte, stand ein kleiner Glastisch auf einem eisernen Kranichfuß mit zwei zum Tisch passenden, bequem aussehenden Stühlen, welche dezent daneben platziert worden waren und einen gewissen Sinn für Geschmack verrieten. Ansonsten gab es nur noch etliche kleinere Pflänzchen in verschiedenen Töpfen, welche schön sortiert waren, aber irgendwie nicht zum Tisch passten. Doch insgesamt keine schlechte, wenn auch eine etwas ungewöhnliche Einrichtung für Angehörige dieser minderen Rasse.

In dem darunterliegenden Stockwerk war der Balkon ein Stückchen breiter, jedoch durch eine Wand in zwei Teile getrennt. Hier gab es ebenfalls einen Tisch, umsäumt von Stühlen, welche eher dem Geschmack der Menschen entsprachen, doch sonst kaum was hergaben, des Weiteren stand in einer Ecke eine buschige Bambuspflanze, welche in einem beachtlichen Topf vor sich hinwucherte. Kurz gesagt, nach dem vorherigen Anblick eine klare Enttäuschung.

Im folgenden Balkon gab esnoch eine Wand mehr und in den verbliebenen Teilen waren es einzig Stühle, kein Tisch und kein einziges Pflänzchen mehr. Langsam war der Anblick eindeutig nicht mehr sehenswert und die Gestalt schloss seelenruhig die Augen, währenddem der Boden in erschreckendem Tempo näher kam.

Fünf der sieben Stockwerke waren bereits an ihm vorbeigeflogen, bevor der Schwebezauber seinen fallenden Körper auffing und sanft auf das Giebeldach eines kleineren Hauses jenseits der Straße absetzte. Nachdenklich blickte der Wanderer zurück, der Wald aus Türmen ragte Unheil verkündend hinter ihm in den Himmel und verdeckte fast das ganze Giebeldach, auf dem er gerade stand, mit seinen dunklen Schatten.

Diese endeten wenige Fingerbreit vor seinen Zehenspitzen und verschlangen bis dorthin alles und hüllten es in wohltuende, für Menschenaugen beinahe undurchdringliche Schatten, sodass man außerhalb, im hellen Mondlicht stehend, nur erahnen konnte, was dort drinnen in der Finsternis vor sich ging.

Warum genau der Wanderer zurückgeschaut hatte, war zuerst nicht ganz klar, doch irgendeinen Grund hatte es gegeben, da keine seiner unbewussten Bewegungen überflüssig war. Forschend musterte er jedes Stockwerk und jedes Fenster der umliegenden Häuser und Türme, wobei er nicht wusste, wonach er Ausschau hielt bis er das Gesuchte gefunden hatte.

Halb hinter dem Vorhang eines Fensters versteckt, spähte ein schemenloses, graues Gesicht in die Nacht hinaus und ihm direkt in sein Antlitz. Keine Gesichtszüge waren von dem Mann sichtbar, da er, wie alle seines Ordens, seit seinem Eintritt Tag und Nacht eine gewellte Eisenmaske trug.

Einen Augenblick später war er verschwunden, nur der unstetig baumelnde, rote Vorhang war noch zu sehen. Bewegungslos blieb der Dunkelelf ruhig atmend an derselben Stelle auf dem Giebeldach stehen und starrte zu jener Türe hinüber, aus der wie erahnt der maskierte Prokurator wenige Sekunden später gestürmt kam. Außer der eigentümlichen gewellten Maske trug der stolze Prokurator auch seine graue, geschuppte Rüstung, die im fahlen Mondlicht schimmerte. Komischerweise führte er aber keine Waffe bei sich und versuchte gar nicht, zum Dunkelelfen aufs Dach zu gelangen, sondern verlangsamte seine Schritte sogar selbstsicher.

Einmal, außerhalb des Hauses, blieb der Ritter mitten auf dem Hof endgültig stehen und begann sofort einen Zauber zu weben, mit dem der Dunkelelf zweifellos beseitigt werden sollte. Nach etlichen, in der Luft aneinandergereihten Runen, der Zauber war beinahe vollendet, erstarrte der Prokurator und blickte sein Werk ungläubig an, welches plötzlich in sich zusammenfiel. Seine Zeichen verloren an Kontur und verschwammen dann zusehends, bis nichts mehr von ihnen übrig war, außer einem völlig harmlosen milchigen Nebel. Fassungslos suchte der Mann nach seinem verblichenen Zauber und schaute schließlich zum Dach und seinem lächelnden Gegner hinauf. Immer noch bewegungslos verharrte der nächtliche Wanderer auf dem Dach. Was für einfache Wesen diese Menschen doch waren. Sein ganzes magisches Arsenal verdankte dieser Prokurator seiner verzauberten Rüstung und den darin eingeschmiedeten Runen, ohne die er kaum einen Zauber zustande bringen würde. Zumindest das Schin, welches er für seine primitive Magie zu brauchen gedachte, war sein eigenes, doch viel mehr leistete er selbst beim besten Willen nicht. Denn im Grunde erledigte seine Rüstung fast alles, sie sog sogar das wenige Schin, das sein Körper abgab, auf und speicherte es für ihn, und nur deswegen war es dem Prokurator überhaupt möglich, die Schinmengen für seinen Lähmungszauber aufzubringen, den er gerade eben hatte vollenden wollen. Eigentlich war es ungerecht, die Formel war des Prokurators alleiniges Werk, das musste man ihm schon lassen. Wie viel Zeit der arme Mann wohl gebraucht hatte, um das Weben selbst mit der Rüstung zu erlernen? Mit dem mangelnden Talent war sicher ein mehrjähriges Training nötig gewesen. Und ausgerechnet solch ein Kerl wollte alleine gegen ihn bestehen? Möglicherweise war er einfach überheblich und dachte ernsthaft, gut genug zu sein. Oder er handelte überlegt, einem so jungen Dunkelelfen wäre er sicherlich für kurze Zeit gewachsen, und wenn er vorhin im Haus bereits Hilfe herbeigerufen hatte, musste er auch nicht lange gegen seinen mächtigeren Gegner bestehen. Weil sich in ungefähr einer Minute das Blatt zu seinen Gunsten wenden würde, denn selbst der Talentierteste dieser spitzohrigen Bastarde, wie die Umbra netterweise von den Prokuratoren genannt wurden, würde gegen zehn von ihnen verlieren. Aber an alles hatte der listige Prokurator nicht gedacht. Noch war seine Verstärkung nicht da. Noch war das Schicksal des nächtlichen Wanderers nicht besiegelt, dem von Anfang an klar gewesen war, dass er leider nicht auf dieses vielversprechende Spielchen eingehen durfte.

Seine Verachtung für solch leicht durchschaubare Listen klar in den Augen leuchtend, wandte er sich ab und huschte über den Dachgiebel, rutschte auf der anderen Seite ungebremst hinunter und sprang am Ende des Ziegeldaches über die Straße auf das nächste, gegenüberliegende Dach. Leider hatte er in dieser Nacht für lange Spielereien keine Zeit, denn sein heutiges Ziel war die Akademie, welche noch weit in der Ferne auf dem höchsten der drei Stadthügel thronte. Bis er bei diesem einigermaßen geschmackvollen Gebäude sein würde, waren bei seinem momentanen Marschtempo mindestens noch zwei Stunden nötig. Kurz gesagt, es wäre die vierte Stunde der Nacht und der Tag wäre nicht mehr sehr fern.

Zwar fürchtete er sich nicht vor dem Tageslicht, doch beim Morgengrauen würde, wie an jedem Tag in der Woche, in der stark bevölkerten Stadt der Tagesbetrieb aufgenommen werden, und sobald das geschah, musste er wieder außerhalb der Akademie und mindestens auf dem Rückweg sein, sonst würde man ihn unweigerlich bemerken. Das durfte auf keinen Fall geschehen.

Doch so eine wundervoll vielversprechende Gelegenheit für eine kleine, unterhaltsame Verfolgungsjagd mochte er keineswegs ungenutzt verstreichen lassen, das war einfach nicht seine Art. Ein hinterhältiges Lächeln auf den Lippen, löste er im Vorbeigehen absichtlich einen Ziegel vom Hausdach und ließ ihn haarscharf neben den nächsten, wachehaltenden Soldaten hi­nunterfallen, sodass diese hinaufschauten und ihn zufälligerweise sahen. Ihr Geschrei würde die Prokuratoren anlocken und sie erneut auf seine verloren geglaubte Spur bringen … selbstverständlich hatten sie keine Chance, aber das wussten die Kerle ja nicht.

Mit seiner Schätzung wegen der Zeit lag er sehr richtig, wenige Minuten vor dem letzten Drittel der warmen Sommernacht sprang er vom Hauptplatz zwischen den verschiedenen, zusammenhängenden Gebäuden der Akademie auf einen der überdachten Korridore und von dort aus war es nicht mehr sehr weit bis zum Bibliotheksgebäude, auf dessen Kuppeldach sich das eigentliche Ziel seiner Reise befand.

Auf dem Dach gab es einen großen Park, von dem man über die ganze Stadt blicken konnte. Und in diesem Park befand sich eine kleine Arena, in der die endlosen Treffen der Allianzabgeordneten normalerweise während des Tages abgehalten wurden. In der Nacht hingegen waren dieser Ort und der rundherum angelegte Park menschenleer, wenn er einmal drinnen war, würde ihn bei den vielen Verstecken im Park selbst im hellen Tageslicht niemand entdecken, geschweige denn schnappen. Die eigentliche Schwierigkeit bestand darin, überhaupt irgendwie hinauf und hinein in den Park zu gelangen, eigentlich sollte das unmöglich sein, denn die fähigsten Magier der bekannten Welt hatten alles unternommen, damit niemand es schaffen konnte, doch selbst diese Tatsache bereitete ihm keinerlei Kopfzerbrechen, da er alles, was für sein Vorhaben von Nöten war, vorbereitet und in die Wege geleitet hatte.

Durch das Innere der Kuppel in diesen Park zu gelangen war unmöglich, da man auf diesem Weg nur durch eine schwebende Marmorplattform zum Ziel kam. Und genau hier lag das Problem, die Drachenkönige die angeblich dieses Ding erbaut hatten, waren nicht dumm gewesen: Um unerwünschten Besuchern von vornherein keine Möglichkeit zu bieten, konnte man die Steinplattform lediglich von oben hinunterlassen. Nur jemanden anzustiften, einem Dunkelelfen zum Herzen der Allianz gegen die Dunkelelfen Zutritt zu gewähren war in dieser doch relativ kurzen Zeit unmöglich gewesen, oder besser gesagt, sein Plan war sicherer, da der Verräter im Nachhinein nicht entlarvt werden konnte und es nicht annähernd so aufwendig gewesen war.

Deshalb wählte der Dunkelelf einen anderen Weg, von dem eigentlich behauptet wurde, dass dieser noch unmöglicher sei, um unbefugt in den Park einzutreten.

Mit einigen geschickten Sätzen kletterte er an einem Fensterrahmen hoch, fast bis zum oberen Ende der senkrechten Seitenwände des Bibliotheksgebäudes. Von dort aus war es nicht leichter, weiter hochzukommen, doch auf diesem Weg gelangte man am schnellsten und unauffälligsten aufs Dach. Flink griff er über den Fenstergiebel hinweg, packte den kunstvollen Marmorrahmen mit beiden Händen und stieß sich mit aller Kraft vom magisch verstärkten Fenster ab. Einige schreckhafte Sekunden lang hielt er sich weder am Rahmen noch sonst wo fest und griff, bevor er zurück zum Boden stürzte, in die handbreite Lücke zwischen der Wand und der vergoldeten Kuppel, welche als Regenrinne diente, und zog sich daran hoch. So war er bereits auf dem Dach und das allein sollte eigentlich schon ein Ding der Unmöglichkeit sein. Diese Menschen hatten schlichtweg keine Ahnung, was unmöglich und was bloß sehr schwer war. Beinahe ohne Unterbrechung ging sein Vormarsch ins kleine Heiligtum der Allianz weiter.

Von unten sah die gewaltige Kuppel wie eine einzige, goldene Halbkugel aus, bestand in Wirklichkeit jedoch nur aus einzelnen zusammengefügten Goldplatten, von denen einige bei der Regenrinne endeten. Mit Abertausenden von Nägeln waren die Goldplatten ans Dach geheftet worden und hielten sogar den stärksten Stürmen stand. Einem spitzen Dolch, welcher jeden Nagel einzeln herauszog, waren sie jedoch nicht gewachsen. Nachdem er recht unbequem eng an die Kuppel gepresst, während es hinter ihm mehr als zwanzig Meter in die Tiefe ging, einige davon entfernt hatte, griff er unter das gelöste Goldblech und fand, wonach er gesucht hatte. Von außen sah das Dach zwar massiv aus, war in Wirklichkeit jedoch hohl und wurde von acht mehr oder weniger großen Trägern gehalten. Ansonsten bildete lediglich ein simples Holzgerüst das imposante Dach. Direkt unterhalb der von ihm angehobenen Goldplatten ertastete der Dunkelelf das unterste dieser Holzgestelle, an dem auch die Tapete der Bibliotheksdecke befestigt war und angeblich einen bezaubernden Anblick bieten sollte, aber um diese anzuschauen, war er nicht gekommen, sosehr sie auch von aller Munde gepriesen wurde. Sein Vorhaben für die Nacht war schließlich viel wichtiger, als eine kunstvoll bemalte und mit Illusionszaubern versehene Decke anzustarren.

Zwischen der Goldfolie und der Stoffdecke gab es gerade mal einen ungefähr vier Handbreit großen Hohlraum und in diesem kroch er senkrecht in die Höhe, wobei er die kleinen Querstreben des Gerüsts als Leitersprossen nutzte. Nach gut drei Minuten ungehinderten und vor allem unbemerkten Kletterns kam ihm der schützende, fast unsichtbare Schild des Parks in die Quere. Hauptsächlich wegen diesem wurde gesagt, dass niemand eindringen konnte, da der eine Kombination aus Glas- und Nebelschild war und daher selbst gewaltige Treffer wegsteckte und anschließend innert Kürze die paar wenigen Kratzer, die er schlimmstenfalls erhalten hatte, sofort regenerierte.

Für fast alle Eindringlinge wäre zumindest hier nun endgültig Endstation, denn nur ganz wenige Wesen, wahrscheinlich konnte man sie an einer Hand abzählen, konnten durch einen solchen Schild dringen. Zu den wenigen Auserkorenen gehörte der Dunkelelf jedoch nicht, obwohl er es gerne wäre, dafür zählte jemand anderes zu den wenigen und dieser hatte selbstverständlich einwandfreie Arbeit geleistet. Auf dem Schild hatte der einen komplizierten Ring aus Runen gemalt, worauf ein kaum fassgroßes Loch entstanden war. Beim Anblick dieses Kunststücks überraschte sich der nächtliche Wanderer selbst, indem er glaubte ein wenig Neid zu verspüren, was eigentlich sehr verständlich wäre, denn selbst bei einem viel einfacheren Schildzauber wäre es ihm schwergefallen, ein solches Loch hinzukriegen, trotzdem überraschte ihn diese Empfindung, die er vor vielen, vielen unzähligen Jahren, inzwischen vielleicht schon Jahrhunderten, zum letzten Mal verspürt hatte.

Und obwohl jeder Magier innegehalten hätte, um das Meisterwerk mit den Augen zu verschlingen, widmete ihm der Dunkelelf jedoch keinen weiteren Blick, denn er kannte die Formeln bereits und hatte im Übrigen auch erwartet, genau diesen Zauber an exakt dieser Stelle anzutreffen. Wie selbstverständlich kroch er hindurch und machte sich sogleich daran, eine Goldplatte zu lösen. So weit oben, wie er sich befand, war das Dach schon beinahe waagrecht, sodass er sich nicht mehr festhalten, sondern nur noch bequem liegen musste, um nicht zwischen dem Holzgerüst und der Bibliotheksdecke hindurchzufallen. Nach wenigen qualvollen Nägeln war eine der kleinen Ecken der Platte endlich lose, danach ging alles viel schneller voran. Genau wie bei einem vergoldeten Sarg drückte er das Goldblech zur Seite und kletterte hinaus an die frische Luft.

Endlich draußen und in der Parkanlage angekommen, zog er die Goldfolie an ihren ursprünglichen Platz zurück und drückte die Nägel wieder in ihre Löcher, damit niemand auf die Schnelle sehen würde, dass jemand an der Stelle eingedrungen war. Unbekümmert, weil ihn sein sechster Sinn gewarnt hätte, falls ihn jemand inzwischen entdeckt hatte, drehte sich der Dunkelelf um und sprang über das abgrenzende Steingeländer auf den Fußweg, der in schwungvollen Schleifen um den Park herumführte, und atmete genüsslich die Luft des Erfolges ein paar Mal ein.

Obwohl das der berüchtigtste Ort in der ganzen Stadt war, barg die kleine Verschnaufpause für ihn als Einbrecher fast keine Gefahr, denn so weit drinnen gab es sicherlich keine Wachen, weil eben angeblich niemand unberechtigt hineingelangen konnte. Und da dieser spezielle Teil der Stadt lediglich den Allianzabgeordneten vorbehalten war und diese Privilegierten zu jener Uhrzeit ihren wohlverdienten Schönheitsschlaf hielten, gab es sozusagen niemanden, der seinen Siegeszug noch aufhalten könnte. Gemütlich und selbstzufrieden lief er den Weg, den er in- und auswendig kannte und welcher zum Zentrum des kreisrunden Parks führte, entlang und summte dabei leise vor sich hin. Sein lang ersehntes Ziel sozusagen vor Augen, konnte er einfach nicht anders, die ganze Mühe zahlte sich nach all den Jahren endlich aus.

Fünf, im Vergleich zu den bisherigen, außerordentlich bequemen Wegminuten später kam er an das berühmte Versammlungsgebäude, welches im Zentrum des Parks stand und ebenfalls kreisrund war. Unter dem roten Stoffdach führten acht Treppen mit genau acht Treppenabsätzen an je acht Stufen zum Grund der Arena hinunter. In der Mitte der Konferenzhalle plätscherte ein seichter Springbrunnen vor sich hin und schimmerte pechschwarz. An dessen Rand sitzend, grinste der Dunkelelf höhnisch, sein Plan war reibungslos aufgegangen.

Er lehnte seinen Kopf zufrieden in den Nacken und schloss seine Augen. Jetzt war er im Herz der Allianz und … und … was wollte er eigentlich an dem Ort? Sein Puls beschleunigte und seine Augen weiteten sich vor Schrecken. Wie war er überhaupt erst hinaufgelangt?

In Panik drehte sich Serasin um die eigene Achse, ein Schweißfilm überzog seine Stirn und er atmete zusehends schneller. Oreg war ihm hoffentlich wohlgesinnt und würde ihm eine rettende Idee schicken sonst würde man ihn bei Tagesanbruch entdecken und für dieses Verbrechen zweifelsohne hinrichten. Dem Wahnsinn nahe, raufte er sich die Haare und trotzdem wollte ihm keine Antwort auf eine seiner Fragen einfallen. Irgendeinen Ausweg von diesem verfluchten Ort musste es doch geben. Natürlich gab es da den Weg, auf dem er eingedrungen war, aber den gleichen zurückzugehen, war schlichtweg unmöglich. Irgendeine dämonische Hand musste ihn geführt haben, als er quer durch die Stadt gehetzt war. Wie ging das überhaupt? So Wände hinaufzuklettern lag überhaupt nicht im Bereich seiner Fähigkeiten. Leise fluchte er vor sich hin und führte ein leises Selbstgespräch, etwas, das er gewöhnlich nie tat, aber schließlich war das keine normale Situation, da durfte er schon ein Auge zudrücken. Hauptsache, es half ihm einigermaßen, wieder einen klaren Kopf zu kriegen.

„Mist! Bei den Göttern, das kann doch nicht wahr sein … Moment! Es ist eben nicht wahr, ich träume noch! Genau so ist es, ich muss nur noch aufwachen und das wird bestimmt erst geschehen, wenn sie mich entdecken und ich in Panik geflohen bin und mich in einer ausweglosen Situation befinde. Was für ein seltsamer Albtraum … Da kann ich mir doch gleich die ganze Mühe und die sinnlose Hetzjagd sparen.“

Eine andere, komischerweise sehr bekannte Präsenz tauchte plötzlich aus dem Nichts auf und mischte sich in sein Selbstgespräch ein.

„Hihihi … hallo!“

Erschrocken sprang Serasin auf und blickte hinter sich, von wo die Stimme gerade hinter seinem Ohr ertönt war.

„Wer ist …“, begann er, führte seine Frage aber nicht zu Ende, denn ihm war plötzlich sternenklar, wer das war. „Zoki! Was soll das? Warum musst du immer so komische Träume benutzen, um mit mir zu reden? Kannst du nicht einfach sagen: „Hallo, da bin ich!“ Ohne das ganze Drumherum?“

„Nein, außerdem kann ich in dem Fall jetzt gar nichts dafür. Außerdem ist … nein, wenn ich das sage, würdest du mir nicht mehr zuhören … So! Nun, du hast mich doch hoffentlich nicht vergessen?“

„Nein, habe ich nicht.“

Wie hätte er das auch gekonnt? Sie hatte ihn vor dem Tod gerettet und war keine Person, die man so schnell vergaß.

„Aber meinen Auftrag hast du nicht als beachtenswert betrachtet, oder? Du hast nämlich kein bisschen nach ihnen gesucht.“

„Wen denn?“

„Den Weggeschlossenen.“

Damit lag sie gar nicht einmal so falsch, ihre kleine, geforderte Wiedergutmachung hatte er bei dem ganzen Drunter und Drüber in den letzten Wochen tatsächlich vollkommen verschwitzt.

„Oh, ich hatte sehr viel um die Ohren …“, seufzte er und erntete für diese dümmliche Erklärung sogar leichtes Verständnis.

„Ich verstehe und sowieso wusste ich schon im Vorhinein, dass es so kommen würde …“, säuselte sie und erwischte ihn eiskalt.

„Woher …“

„Gut!“, unterbrach sie ihn. „Also wirst du dafür ab jetzt umso mehr nach ihnen suchen.“

„Ich kann nicht, ich muss meinem neuen Herrn dienen. Außerdem, warum sagst du mir nicht, wer du bist und woher du immer alles weißt?“

„Hihi …, das ist süß, wie du mich unberechtigterweise anklagst! Du kennst doch bereits meinen Namen …“

„Na und? Wenn du erwartest, dass mir plötzlich ein Licht aufgeht und ich weiß, wer du bist, hast du dich geschnitten!“

„Habe ich gar nicht“, ihr belustigter Ton war bei der Antwort einfach nicht zu überhören. „Außerdem …“, äffte sie seinen Tonfall von vorhin nach, „weißt du mit meinem Namen ohnehin schon viel mehr als die meisten anderen.“

„Warum verrätst du mir überhaupt deinen Namen, wenn du alles andere geheim halten willst?“

„Damit du mich irgendwie ansprechen kannst, natürlich“, erklärte sie und für kurze Zeit war er damit zufrieden, bis ihm auffiel, dass sie ihn schon wieder fast um den Finger gewickelt hatte.

„Moment, du hast gar nicht gesagt, woher du weißt …“

„Was du wissen willst und was du machst? Das werde ich selbstverständlich auch nicht. Apropos, wenn wir gerade beim Frage-und-Antwort-Spielchen sind, können wir gleich noch eine Runde einläuten. Du kennst die Grundregeln bereits, jetzt gibt es bloß noch ein paar klitzekleine Änderungen. Ich gebe dir lediglich eine Antwort und du erledigst den Auftrag, den ich dir gegeben habe.“

Das wurde dem Dunkelelfen eindeutig zu bunt.

„Was bildest du dir eigentlich ein? Ich kenne dich nicht und mir fällt kein einziger Grund ein, warum ich weiterhin tun sollte, was du von mir willst!“

„Oh, werde nicht so dreist, sonst verlier ich noch meine gute Laune. Im Übrigen gibt es sogar ganze vier Gründe, warum du uns helfen solltest.“

„Was soll das ‚uns‘? Wer seid ihr? Und was für vier Gründe sollen das gefälligst sein?“

„Ach, ganz ruhig! Werde nicht zu laut, sonst weckst du noch jemanden auf.“ Nachdem ihr Gesprächspartner ein bisschen ruhiger geworden war, fuhr sie gelassen wie bis anhin fort: „Puh! Manchmal stellst du dich wirklich dumm an, mit ‚uns‘ meine ich natürlich dich und mich.“

„Warum …“

„Mmm … du nervst mich!“, unterbrach sie genervt und fügte den Grund gleich mit an: „Jetzt hast du mein schönes Spiel kaputt gemacht. Egal, nun lass mich einfach einmal ausreden und dann sind wir auch bald fertig …“

„Ich möchte gar nicht erst darauf eingehen!“

Plötzlich wurde ihr Ton anders, streng und bestimmt, und ließ keine Unterbrechung, Widerrede oder die kleinste Hinterfragung zu.

„Pst! Ich rede jetzt! Nun, du wirst darauf eingehen müssen, du stehst in meiner Schuld. Dazu kommt noch, dass du dabei auch dir hilfst, das ist der erste Grund. Die drei anderen sind drei Lebensschulden, die du bei mir begleichen musst.“

„Du hast mich nur einmal gerettet!“

Ihre Freundlichkeit verschwand bis auf das letzte Körnchen aus ihrer Stimme und eine kleine Wolke aus Nebel, der schwarz wie die Nacht war, entstand über dem Brunnen. Blitze zuckten darin herum und tauchten die Arena in unheimliches Licht. Gleichzeitig kam ein starker Wind auf, der die Wolke in einen Wirbel verwandelte, welcher langsam der Wasseroberfläche entgegenwuchs und sogar das Wasser aufsog, bis der Brunnen komplett leer war.

„So! Jetzt habe ich wirklich genug! Es waren drei Mal, die mich fast den Kragen gekostet hätten! Außerdem wird es dir uneinsichtigem Sturkopf wirklich auch zugutekommen, wenn du mir hilfst“, sagte sie, sie schrie eindeutig nicht, trotzdem hatte er das Gefühl, sein Trommelfell würde jeden Moment platzen, da ihre beißenden Worte direkt in seinem Kopf erschallten.

So plötzlich, wie der schwarze Wirbel entstanden war, wurde er wieder ruhiger und verpuffte ins Nichts. Ganz gelassen, als wäre sie eine andere Person, fuhr sie fort: „Frage sie einfach nach dem spielenden Licht.“

„Ähm, kann ich dich noch etwas fragen?“, wagte Serasin nur noch zu flüstern.

„Klar, was?“, erwiderte sie und wirkte fast beleidigt, dass er um Erlaubnis gefragt hatte.

„Kann ich mit dieser Sache meine Schuld begleichen?“, unwillkürlich einen weiteren Wutausbruch für die anmaßende Frage befürchtend, zuckte er bei ihrer Stimme zusammen, obwohl diese immer noch freundlich, sogar beinahe mütterlich war.

„Nicht so ängstlich, junger Dunkelelf. Ja, sicher kannst du das!“

„Könnte ich nicht noch einen Tipp haben, wie ich diese Weggeschlossenen finden kann?“

„Nun, da an diesem Ort die Regeln großzügiger sind, will ich mal nicht so sein. Also erstens, suche nach den ‚Kindern der Nacht‘. Sie werden dir sehr gerne weiterhelfen. Zweitens, damit Bündnisse erst entstehen, braucht es, bei egal welchen Differenzen, mindestens ein gemeinsames Ziel, das man vereint verfolgen kann. Gut, mehr liegt nicht drin, jetzt muss ich gehen. Diese Nacht ist schon sehr weit fortgeschritten und schließlich bin ich nicht die Einzige, die mit dir reden will.“

„Aber …“

„Kein Aber! Vergiss es nicht wieder, sonst wird es sehr schlimme Folgen haben, das verspreche ich dir. Bis bald!“, verabschiedete sie sich und so plötzlich, wie sie aufgetaucht war, verschwand ihre deutlich spürbare Präsenz auch und ließ einen vollkommen verwirrten Dunkelelfen zurück, der nachdenklich auf dem Brunnenrand saß und zu den menschenleeren Tribünen hinaufstarrte. Was für ein wirklich seltsamer Traum, nach dem letzten Gespräch mit dieser Zoki waren die wirrsten Sachen vorgefallen und erst dann war er schließlich erwacht. Jetzt hingegen geschah rein gar nichts. Der Himmel war so sternenklar wie zuvor und die angenehme Brise sorgte immer noch für Auflockerung der recht unangenehmen, in dem Jahr außerordentlich früh aufkommenden stickig warmen Nachtluft. Kein Drache erschien, ebenfalls keine Naim oder sonst wer Seltsames. Eigentlich sollte er zufrieden sein, diesmal nicht schweißgebadet aufwachen zu müssen, trotzdem fühlte er seltsamerweise irgendwie eine gewisse Enttäuschung über den ereignislosen Verlauf der Dinge. So konnte es doch nicht zu Ende gehen. Einerseits, weil es so wenig zu Zoki passen wollte und weil sie erwähnt hatte, dass es noch jemanden gab, der mit ihm reden wollte. Andererseits könnte die ganze Warterei auch eines ihrer Spielchen sein, das inzwischen nicht mehr lustig, sondern lächerlich und vor allem ziemlich langweilig wurde.

Langsam wurde Serasin ungeduldig, der Traum war bisher schon sehr seltsam gewesen, doch diese Pause machte das Ganze noch absurder. Mitten im „Heiligtum“ der Allianz saß er und wartete auf etwas, das einfach nicht eintraf. Vielleicht würde erst etwas geschehen, wenn er sich wieder außerhalb der Arena befand. Doch selbst da blies ihm lediglich die kühle Nachtbrise höhnisch ins Gesicht. Auf derselben Treppe, welche der Dunkelelf zum Brunnen hinter sich genommen hatte, hatte er die Arena wieder verlassen und da nichts geschehen war, folgte er einfach blindlings einem der vielen Wege in den Park hinein.

Nach wenigen Minuten des ziellosen Umherwanderns in dem sorgfältig angelegten Park blieb er plötzlich stehen und lauschte misstrauisch den Geräuschen. Und tatsächlich, da war es erneut, das leise Aufsetzen eines Fußes vor ihm auf dem schmalen Kiesweg, diesmal schon einiges näher. Endlich würde sein Traum weitergehen, diese Person würde nun in ihn hineinlaufen, fliehen und er könnte endlich aufwachen.

Aber bevor diese überhaupt in Sichtweite kam, kletterte der Dunkelelf aus einer Eingebung heraus auf einen niedrigen Ast einer nahe stehenden Eiche und wartete auf das Herannahen des Unbekannten. Irgendwie gefiel ihm dieser Traum zusehends mehr, vor allem bei dem Gedanken, dass alles an dem Ort auch der Wirklichkeit entsprechen könnte, wie im Wald in Nolpe, denn in dem Fall wollte er sich noch etwas umsehen, weil er es sonst nie zu Gesicht kriegen würde.

Wenige Sekunden später erschien kein geringerer als Pedja unter ihm und verschwand darauf wieder aus seinem Blickfeld in Richtung der Arena. Warum auch nicht? Schließlich wusste Serasin, dass der junge Felide in diesem Park sein könnte. Vielleicht hätte er ihm doch über den Weg laufen sollen? Gerade wollte er hinunterspringen und das Verpasste scheinbar nachholen, als ihn eine fremde Stimme zurechtwies.

„Lass das gefälligst! Ich will dich nicht umsonst durch die ganze Stadt geführt haben. Komm schon hierher, ich habe schon lange, lange, sehr lange gewartet, dich wiederzusehen, und um das möchte ich nicht wegen einem deiner legendären, spontanen Einfälle gebracht werden“, sagte die säuselnde, entfernt weiblich klingende Stimme in einer unwiderstehlichen Art und erinnerte ihn leicht an Zoki. Gleichzeitig war er sich hundertprozentig sicher, sich nicht schon wieder mit dieser verspielten, launenhaften Gestalt zu unterhalten, obwohl solche verwirrenden Spielchen, im Nachhinein betrachtet, ihr ähnlich sahen.

„Wo?“, fragte er ungewollt vernehmbar.

„Nicht so laut. Du bist nicht der Einzige im Park. Geh den Weg etwa zwanzig Schritt weiter, dort macht er einen kleinen Knick und an der Stelle marschierst du einfach geradeaus weiter, dann wirst du mich schon finden …“

Ihr letzter Satz wurde vom wehenden Wind fortgetragen, sodass Serasin angestrengt lauschen musste, um ihn überhaupt noch aufzuschnappen. Obgleich ihm diese Stimme sehr sonderbar erschien, wollte er dennoch wissen, wem sie gehörte und auch warum sie ihm tief in seinem Innern bekannt vorkam.

Tatsächlich machte der Weg wie angekündigt nach einigen Metern eine Biegung und führte wieder zur Arena zurück, und genau wie von der Stimme empfohlen, lief er nun über den Pfad hinaus und bahnte sich einen Weg durch die dichte, säuberlich getrimmte Hecke, die ihm so vorkam, als wäre sie absichtlich an der Stelle angepflanzt worden, damit eben niemand dorthin lief, wohin er gerade unterwegs war. Diese unbegründete Befürchtung gefiel ihm nicht im Mindesten und hinterließ auch noch einen bitteren Beigeschmack auf seiner Zunge, der stärker wurde, je weiter er lief, und das wollte ihm noch weniger gefallen.

Etwa zwei Meter weiter hörten sämtliche Bäume, Büsche und Gestrüppe auf und eine weite Fläche aus unbearbeitetem Berggestein breitete sich vor ihm aus. Jenseits dieser Landschaft gab es eine schneebedeckte Bergspitze, die durch den Boden in den Park stieß obwohl sich wenige Meter unterhalb des Parks eigentlich die Bibliothek befand und sie nicht hoch genug waren, dass es um diese Jahreszeit schneien dürfte. Kleine Sträucher, einzelne Grashalme und einige Rankenpflanzen überwucherten die Gebirgsebene und ließen einen tatsächlich glauben, man befände sich nicht in einer Meereshafenstadt, sondern mehrere Tausend Meter über dem Meer, mitten in einem Gebirge. Etwas unterhalb der Spitze gähnte dunkel eine gewaltige Öffnung, die zweifellos ins Gestein geschlagen worden war, und darum herum zierte ein schmuckloser Torbogen den Eingang zu der rabenschwarzen Höhle.

Unbekümmert lief Serasin hinein, schließlich war das ein Traum, von dem er höchstens mit rasendem Herzschlag erwachen konnte, außerdem war Dunkelheit für ihn außer in Träumen noch nie ein Problem gewesen, doch für alles gab es ein zweites Mal. Bereits nach wenigen Metern war es stockfinster und selbst mit seiner besonderen Sehkraft konnte er nichts mehr erkennen.

Bisher war ihm das nur ein einziges Mal im Leben passiert, nämlich als er im dritten Untergeschoss eines Weinkellers seines Herrn seine Kerze umgestoßen hatte, doch diesmal war es eindeutig anders, eigentlich müsste durch den Eingang genügend Licht hineinfallen, sodass er etwas erkennen sollte. Spontan kamen ihm dazu zwei Erklärungen in den Sinn, die beide gut möglich wären. Entweder war das wegen irgendeines Zaubers so oder in seinem Traum …

„Es ist wegen eines Zaubers“, beantwortete die Stimme seine Frage.

„Warum kannst du meine Gedanken lesen? Ich habe sie doch abgeschottet.“

„Hmm … das meinst du doch nicht ernst, oder?“, fragte sie hörbar irritiert.

„Sicher, warum?“, entgegnete er wahrheitsgemäß und spürte deutlich ihre Enttäuschung.

„Wirklich schade, dann muss ich noch länger warten, dabei habe ich schon so lange ausgeharrt. Na ja, komm doch etwas näher.“

„Ich kann nichts sehen. Wo bist du?“

„Puh!“

Ein starker, warmer Windstoß kam ihm entgegen und fegte seine Haare nach hinten. Angst kroch in ihm hoch, als er begriff, dass es kein normaler Windstoß gewesen war. Was für ein Wesen befand sich mit ihm in dieser Höhle? Wenn der Wind der Atem des Tieres war, musste es geradezu gewaltig sein. Dazu beherrschte es noch Magie, welche verhinderte, dass er es sah, viel schlimmer konnte es überhaupt nicht mehr kommen.

„Oh, das könnte es. Ich könnte dir die Beine abbeißen und dich zu den Wachen kriechen lassen, während ich genüsslich an dir knabbere.“

Der Dunkelelf schluckte einmal unwillkürlich leer und bewegte sich möglichst unauffällig rückwärts, in Richtung des Ausgangs der Höhle. Kalter Schweiß klebte seine durchnässten Kleider an seine Haut und verursachte ein höchst unangenehmes Gefühl, das ihn im Gegensatz zu der schrecklichenAngst verständlicherweise kaum störte.

„Komm schon! Flüchten macht uns das Ganze nur noch schwerer“, selbstverständlich hörte er nicht auf sie, obwohl es sinnlos war. „Lass das! Es hätte sowieso keinen Sinn. Komm her!“

„Nein!“ So schnell, wie es ihm möglich war, drehte Serasin sich um und rannte auf den Ausgang zu. Eine Wand überholte ihn und krachte wenige Zentimeter vor seiner Nase auf den Boden. Im selben Augenblick bemerkte er, dass es keine Wand, sondern ein riesiger, mit Dornen versehener Schwanz war.

„Es hat wirklich keinen Sinn“, beschwor sie ihn und er glaubte sogar etwas Mitleid in ihrer sonst sehr streng wirkenden Stimme zu vernehmen.

Plötzlich wirkte ein extrem starker Druck von allen Seiten auf ihn ein und erlaubte es ihm nicht, nur einen einzigen Finger zu rühren. Erneut flog eine warme Atemwelle an ihm vorbei, und ein leichtes Kribbeln eines nahen Geistes, der ihn streifte, kroch an seinem Rücken hoch. Für scheinbar unendlich andauernde Augenblicke bekam er am ganzen Körper Gänsehaut, dann war es endlich vorbei und Serasin konnte sich wieder bewegen.

„Mmm … dann gibt es zu deinem Pech nichts zu sagen. Tschüss …“, dröhnte das Monster. Im gleichen Moment packte aus dem Nichts heraus eine Klauenhand seinen Körper und drückte zu, gleichzeitig machte sich eine sonderbare Leere in seinem Kopf breit und Serasin dachte, nun wäre sein Tod endgültig gekommen, doch sein letzter Gedanke war keine Reue, sondern Enttäuschung.

In der nächsten Sekunde spürte er einen nicht gerade sanften Fußtritt gegen seine für solche Gewalt doch recht empfindliche Seite und er vernahm eine keineswegs sehr freundliche Stimme.

„He! Wach auf, wir sind wegen dir schon wieder zu spät dran“, schnauzte ihn jemand an.

„Was?“, Serasin schreckte aus seinem keineswegs friedlichen Traum hoch und starrte in ein ihm unbekanntes Gesicht eines schwarzhaarigen Jungen.

„Wir sind spät dran. Steh schon auf!“, und etwas leiser eher zu sich, aber absichtlich laut genug, dass der Dunkelelf ihn hören konnte, fügte er hinzu: „Warum muss ausgerechnet ich mit diesem Neuling beauftragt werden? Der bedeutet nichts als Ärger …“

„Kennen wir uns?“

„Natürlich, was für eine dumme Frage! Das Frühstück gibt es in wenigen Minuten und wir müssen noch ziemlich weit in den Wald hinein.“

Endlich fiel ihm wieder ein, wo er überhaupt war. Er befand sich auf dem Gut der Weber außerhalb der Stadt Harrun. Wer der Junge war, wollte ihm trotzdem nicht einfallen.

Währenddem er seine Jacke anzog und mit seinem Begleiter das Grundstück verließ, starrte ihn der Junge die ganze Zeit an und er versuchte dessen Blick zu ignorieren, sich zu erinnern, was zusehends weniger klappen wollte.

„Was?“, knurrte Serasin gereizt, nachdem er dessen irritierend neugierige Blicke einige Sekunden lang erfolgreich ignoriert hatte.

„Nichts“, sagte der schwarzhaarige Junge und besaß auch noch die Frechheit, ihn dabei anzulächeln.

„Spiel doch den Dummen! Warum starrst du mich die ganze Zeit an? Sag schon!“, fauchte Serasin ein wenig aggressiver zurück, als er beabsichtigt hatte, denn obwohl er es nicht absichtlich tat, nahm er diesem Kerl die Art in welcher er geweckt worden war immer noch übel und war dementsprechend leicht gereizt, vor allem wenn der andere sich dazu so dumm anstellte.

„Na gut, wenn du darauf bestehst. Bist du ein Dunkelelf?“

„Kenn ich dich?“, meinte Serasin spöttisch.

„Du bist also ein Dunkelelf!“, schlussfolgerte der Junge, nickte selbstsicher und lief davon, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. In dem Punkt war er dem Mädchen vom Vortag, das er in seinen Gedanken in Elesia umgetauft hatte, sogar ziemlich ähnlich. Wie auch sie schlug der Junge ein sehr hohes Tempo an und lief die Straße und die Grundstücksmauer entlang und schließlich in den Forstwald hinein, während der Dunkelelf verzweifelt versuchte, mit ihm Schritt zu halten.

„Wolltest du mit dem Kommentar vorhin andeuten, dass ich dich kenne?“, keuchte er nach Luft schnappend, als er ihn endlich eingeholt hatte.

„Ja! Natürlich, bist du dumm? Oder leidest du an Gedächtnisschwund? Es grenzt fast an ein Wunder, dass du noch deinen eigenen Namen weißt …“, beim Anblick der ratlosen Miene seines schnaufenden Begleiters gab der Junge, die Augen verdrehend, nach und erklärte, was seiner Meinung nach eigentlich offensichtlich war: „Gestern bist du mit mir bereits zum Anwesen gekommen … Ist bei dir endlich der Kupferling gefallen?“

„Nein, ist er nicht. Außerdem kann das schlecht möglich sein, gestern bin ich mit einem Mädchen hergekommen.“

„Eben, mit mir. Hast es schließlich doch begriffen!“

Dieser Junge hatte offensichtlich nicht mehr alle Tassen im Schrank oder er spielte absichtlich den Idioten, um ihn aufzuziehen. Deshalb beschloss Serasin, es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen.

„Sicher!“, sagte er und nickte mit einem offensichtlich falschen Lächeln auf den Lippen.

„So, was kannst du denn sonst so gut neben dem Ding mit dem Schattenansaugen?“, fragte der Junge und erwischte ihn damit eiskalt.

„Ähm … wie … wie meinst du das?“, stammelte der Dunkelelf verwirrt zurück.

„Hat er dir nicht gesagt, wofür er dich braucht?“

„Wer hat mir was sagen sollen?“

Er bückte sich zu ihm hinüber und flüsterte Serasin ins Ohr.

„Tegan, der Erzmagier.“

„Warum flüsterst du plötzlich?“

„Wir dürfen seinen Namen eigentlich gar nicht erwähnen, verstanden?“, schrie er ihn an.

„Klar, ging bei dem Lärm auch nicht anders!“, bestätigte er und versuchte, mit seinem Finger das fürchterliche Fiepen in seinem Ohr abzuschütteln. „War ja nur eine Frage.“

„Also, was kannst du?“, kam dieselbe Frage erneut und diesmal war es eindeutig, was der Junge wissen wollte.

„Nun, ich bin ein nicht talentloser Kinet“, offenbarte er und konnte seinen Stolz nicht ganz verbergen, obwohl ebender ihm auch einen bitteren Beigeschmack auf der Zunge hinterließ, vor allem in Erinnerung an die drei Straßenräuber, die seiner Begabung zum Opfer gefallen waren.

„So? Gut für dich. Mein Talent muss ich ja nicht vorstellen, das kennst du bereits.“

„Sooo? Was denn?“

„Hallooo! Denk doch ein bisschen nach!“, er schlug Serasin gegen den Hinterkopf. „Ich habe dich gestern wirklich begleitet, du glaubst es mir immer noch nicht, oder?“

„Echt?“

Der Schwarzhaarige nickte stolz.

„Du kannst dich in ein Mädchen verwandeln?“

„Ich kann mich exzellent verkleiden, du Trottel!“

„Wegen dem braucht er dich? Wofür ist das denn …“

„Für einfach alles! Ich könnte den König von einem Land spielen und nicht einmal dessen Mutter oder Frau würde es bemerken! Aber jetzt leg gefälligst einen Zahn zu, sonst kommen wir wirklich zu spät und ich muss dann bis zum Abend hungern.“

„Und ich?“

Mit einem breiten Grinsen, von dem man nicht sagen konnte, ob er es ernst meinte oder nicht, versicherte er: „Falls das passiert, wirst du nicht hungern müssen, denn ich werde dich vorher umbringen.“

Glücklicherweise musste Serasin nicht herausfinden, wie ernst der Junge es gemeint hatte, denn sie kamen gerade rechtzeitig beim Treffpunkt an. Wenn der Dunkelelf es nicht besser wüsste, würde er die Gruppe von Männern und Frauen wirklich für Förster halten, die ihrer täglichen Arbeit im Wald nachgingen, beim näheren Hinsehen vor allem an den scharf beobachtenden Augen und den ernsten Mienen, obwohl sie offensichtlich gerade eine Pause hatten, war ihre Verkleidung für einen guten Beobachter durchaus durchschaubar.

Als sie zur kleinen, ungeduldig wartenden Gruppe stießen, lud gerade ein Kutscher kleine Pakete von einem Eselkarren ab und verteilte diese an sämtliche Anwesenden. Serasin erntete wie von den meisten Menschen misstrauische Blicke, dann wendeten die anderen sich wieder von ihm ab und gingen nicht weiter auf ihn ein, wohl weil sie sich in stummer Übereinkunft geeinigt hatten, dass er ein Elf war. Trotzdem war einzig der Kutscher nicht so abweisend und sprach ihn an. Dafür erntete dieser gleich ein paar missbilligende Blicke, denn nicht jeder sah es gerne, wenn man einen hochnäsigen Elfen wie ihresgleichen behandelte.

„Du bist wohl ein Neuer, hier ist dein Mittagspaket. Mach dich auf etwas gefasst. Am Abend wirst du jeden deiner Muskeln spüren“, und die letzten paar Worte betonte er besonders: „Selbst wenn du ein gut trainierter Elf sein solltest“, und mit diesem offensichtlichen Seitenhieb machte er seine Sünde, den Neuling angesprochen zu haben, bei den anderen sofort wieder wett. Trotzdem bedankte sich Serasin bei dem Mann und schenkte ihm ein wissendes Lächeln, das den Armen verwirrt um erklärenden Beistand bei den andern suchen ließ, welche ihm jedoch keinen gewährten. Schließlich musste Strafe für das Brechen eines ungeschriebenen Gruppengesetzeses sein. Fortuna war an diesem Morgen allem Anschein nach nicht mit ihm, da er in eine höchst unangenehme Gruppe hineingeraten war.

„Komm mit, wir gehen, heute müssen wir noch einige Bäume kleinkriegen“, sagte der Junge, der ihn abgeholt hatte.

„Holz? Aber wir … autsch! Was sollte das?“, begann ein Junge mit roten Haaren und bekam dafür eine Kopfnuss, offenbar war das eine sehr beliebte Art der Bestrafung.

„Womit sollen wir uns sonst beschäftigen?“, knurrte eine kleine Blonde den jungen Mann an, dem gerade eine Kopfnuss verpasst worden war an, kniff ihm dabei freundschaftlich in die Schulter und starrte ihn gleichzeitig, wie alle andern, ziemlich bedrohlich an, sodass Serasin erneut an die Drohung des Schwarzhaarigen denken musste und ernsthaft zweifelte, ob seine Vermutung, dass die Drohung ein makabrer Scherz sei, der richtige gewesen war.

„Oh, stimmt, womit sollten wir uns sonst den lieben langen Tag beschäftigen?“, fragte der junge Mann so unschuldig, dass es wiederum bei jedem Misstrauen erwecken musste. Der Hellste war der Rotschopf offenbar nicht gerade.

„Na ja, wir könnten auch …“, begann Serasin scherzhaft und kriegte dafür keine Kopfnuss, aber einen ausgewachsenen Schlag gegen die Brust, was er nun wirklich nicht verdient hatte. Er hätte sich niemals verplappert, einerseits war er keineswegs so dumm und andererseits wäre es nicht sehr gut gewesen, gleich am Anfang solchen Mist zu bauen. Die anderen warfen ihm nun trotzdem wieder eindeutige Blicke zu, diesmal waren sie nicht abweisend, sondern wütend, aber selbst eine Erklärung hätte in der Situation nichts geholfen, höchstens die Meinung der anderen über ihn noch weiter verschlechtert, weswegen er es vorzog, lieber nichts zu sagen, einfach zuzuhören und mitzumachen.

„In dem Fall, einen schönen Tag noch euch allen, bis morgen.“

Nachdem der Kutscher mit seinem Karren einige Steinwürfe entfernt war und sie sicher weder hören noch sehen konnte, liefen sie, um den Schein zu wahren, gemeinsam, mit den Äxten und ein paar Sägen bewaffnet, in den Wald hinein. Schweigend, wie bei einer Beerdigung, marschierten sie eine geschlagene Viertelstunde einfach geradeaus. Schließlich kam mitten im Wald ein kleiner viereckiger See in Sicht, welcher eindeutig von Menschenhand erschaffen worden war, denn nirgends führte ein Bach oder ein Fluss zu ihm und sein Ufer war mit feinem weißen Sand versehen, der das kristallklare Wasser filterte und ganz sicher nicht in den Wald gehörte. An dessen Ufer angekommen, hielten sie aber nicht an, sondern wateten nacheinander ins seichte Wasser hinein und schwammen, als sie nicht mehr stehen konnten, geordnet bis in dessen Mitte.

So langsam ging dem Dunkelelfen diese ganze Schwimmerei gegen den Strich, gegen das abkühlende Bad selbst hatte er nichts, doch danach in den nassen Kleidern herumlaufen zu müssen, war ein anderes Thema, vor allem wenn man keine frischen zum Anziehen dabeihatte. Mitten im See hielten sie an und warteten. Nach etwa zwei Minuten tauchte einer von ihnen zum Grund und löste dort Schrauben von einem Gitter. Mehrere Male tauchte er auf und verschwand gleich wieder unter Wasser, bis alle Schrauben gelöst waren. Inzwischen fragte Serasin einen, der neben ihm im Wasser schwamm und den er aufgrund des erwidernden Blicks als den freundlichsten einschätzte: „Was wird das eigentlich?“

„Du bist doch der Neue! Ich heiße Dareas.“

„Kestan.“

„So, was wir hier machen? Nun, das möchtest wohl du gerne wissen! Dieses Gitter versperrt den Weg zu den Wasserröhren, die in die Stadt führen. Das Wasser, in dem wir jetzt schwimmen, brauchen die Menschen im inneren Ring, um ihre Pflanzen und Brunnen zu versorgen, und wir werden in diesen Wasserröhren in die Stadt tauchen. Hol auf alle Fälle genug Luft, bevor duunter Wasser gehst. Die Strömung in den Röhren ist stark, aber der Weg ist weit und es dauert dementsprechend lange. Nach etwa einer Minute wirst du sehr unsanft gegen ein Gitter gedrückt werden. Dort musst du einfach nur nach oben schwimmen. Gleich darüber ist ein Reinigungsschacht, den wir hinaufklettern werden Aber beeil dich, denn hinter dir werde ich kommen und ich bin ein richtiger Prachtkerl, der auch etwas wiegt und dir sonst gegen den Rücken krachen wird.“

„Das ist Wahnsinn! Warum gebrauchen wir nicht einfach die Straße, um in die Stadt zu gelangen?“

„Das ist ein Befehl von irgendjemandem, der in der Futterkette über uns steht. Wir würden sonst die Aufmerksamkeit der Stadtwache und schlimmer noch der Prokuratoren erregen. Dank unseren netten Dingern am Rücken fallen wir ihnen auf wie rote Flecken auf einer weißen Wand.“

„Weißt du denn, wofür sie gut sind?“

„Ne, es gibt aber Gerüchte …“, flüsterte er verschwörerisch.

„Welche denn?“

„Sie sollen zum Beispiel verhindern, dass jemand unsere Gedanken lesen oder mit Gewalt an sie kommen kann, und falls wir gefangen werden, können sie uns damit sofort töten und die grässliche Folter ersparen.“

„Wofür brauchen wir denn so was?“

„Man hat dir anscheinend ebenfalls nicht gesagt, wofür sie uns befreit haben. Ich habe aber so meine Vermutungen, jeder von uns hat besondere Fähigkeiten. Anscheinend wollen sie eine Armee aufstellen. Dafür gibt es gleich mehrere starke Hinweise, zum Beispiel, bevor ich in diese Sache verwickelt wurde, habe ich von Gerüchten gehört, dass sämtliche mächtigen Magiergilden die Stadt eifrig nach neuen Mitgliedern durchforsten. Einigen anderen Gerüchten zufolge soll in Nolpe Krieg ausgebrochen sein. Wenn man nun diese beiden heißen Gerüchte kombiniert, wurden wir nur gerettet, um für die Webergilde in einem Krieg in diesem Land am Ende der Welt draufzugehen.“

„Na? Hat unser Gerüchteguru einen Anhänger gefunden? Hör nicht auf ihn, Junge, der plappert nur Quatsch“, meinte ein anderer, der gelauscht hatte und plötzlich um einiges freundlicher war.

„Es ist kein Quatsch, denk einfach nur logisch, es ist …“

„Ruhe, ihr drei!“, schrie ein Dritter dazwischen. „Die Strömung wird bald wieder einsetzen. Dann müssen wir uns beeilen, um alle durchzukommen.“

Trotz des Verbotes tuschelte Serasin seinem Nachbar eine weitere Frage zu, die ihn brennend interessierte, vor allem wegen seiner bedrohten Gesundheit, die bei ständig nassen Kleidern sicherlich nicht lange in bestem Zustand bleiben würde: „He, Dareas, müssen wir denn jeden Tag in diesen Röhren schwimmen gehen?“ „Nee, zum Glück nicht, nur jeden sechsten Tag, um unsere Erfolge festzuhalten und neue Aufgaben zu kriegen.“

„Gut.“

„Gut? Ha! Freu dich nicht zu früh, wir müssen nämlich auf genau gleichem Weg auch wieder aus der Stadt hinaus, bloß wird es kein sauberes Wasser und sehr kalt sein.“

„Oh, Oreg, warum wir?“

„Das ist sehr leicht, die Mitglieder der Gilde können schwerlich zu uns raus, das wäre zu auffällig, außerdem sind sie dafür viel zu bequem, schließlich sind sie Magier und wir nur dummes Fußvolk.“

„Warum genau heuern die nicht auf gewöhnliche Art neue Leute an?“

„Dazu habe ich auch …“

„… von einem Gerücht gehört, oder?“

„Komm schon! Willst du es nun wissen oder nicht?“

„’tschuldigung, sag mal.“

„Eben, dann unterbrich mich gefälligst nicht, also nach dem, was ich gehört habe, wollen sie nicht, dass die anderen Gilden davon erfahren, weil sie es ihnen sonst gleichtun würden. Genau, wenn wir schon einmal dabei sind, wie lange wirst du ihnen dienen?“

„Keine Ahnung, so lange wie möglich.“

„Hahaha …“, alle um den Dunkelelfen herum lachten plötzlich lauthals, obwohl er seiner Meinung nach überhaupt nichts Unterhaltsames oder Lustiges gesagt hatte.

„Der war gut!“, prustete der Jüngling namens Dareas, nachdem er sich wieder einigermaßen von seinem Lachanfall erholt hatte. „Wie lange musst du nun?“

„Er hat einfach gesagt, die nächsten Jahre …“

„… und du hast nicht mit ihm verhandelt? Ich muss ganze sieben und dann bin ich frei.“

„He! Ihr zwei Schwafeltanten, es geht los, ihr zwei Plappermäuler geht gleich zuerst, damit wir euer Gequatsche nicht länger ertragen müssen. Hopp! Hopp! Geht endlich!“

An Widerrede war, schon alleine wegen seines Tonfalls, nicht zu denken. Nach einem tiefen Atemzug, den er nicht bloß wegen des kommenden Tauchgangs machte, tauchte Serasin zu der Öffnung am Seegrund hinunter und streckte vorsichtig den Kopf hinein. Sofort erfasste heftiger Sog seinen Schädel und klatschte ihn gegen die Seitenwand, danach wurde sein ganzer Körper trotz seiner verzweifelten Gegenwehr in die breite Röhre hineingesogen.

Dort war es stockfinster und das Wasser zu allem Überfluss auch einiges kälter als das ohnehin schon kühle Seewasser. Selbst mit seinen vor Schreck und Schmerz weit aufgerissenen Augen erkannte der Dunkelelf nicht, wohin es ihn trieb. Er schaffte es nicht einmal zu sagen, wo oben war, so stark wurde er von den Wassermassen umhergewirbelt. Nachdem einige quälende Sekunden verstrichen waren, kam selbstverständlich Angst in ihm hoch, es dauerte einfach schon viel zu lange. Wenn das Netz gerissen war, was allemal gut sein konnte, und er an ihm vorbeigetaucht war. Dann würde er ziellos weitergezogen werden, bis er schlussendlich in diesem finsteren Wasser ersticken würde. Ertrinken war kein sehr angenehmer Tod, zumindest stellte er sich es nicht besonders angenehm vor, herausfinden wollte er es jedenfalls nie.

All seiner Panikmacherei zum Trotz wurde ihm die Luft wirklich langsam knapp und dieses verfluchte Netz wollte und wollte einfach nicht kommen. Lange, viel länger als vermutet, trieb er in dem kalten Wasser, bis er endlich gegen das Netz stieß, dabei prellte er seine Schulter, trotzdem war er froh darum. Und gleichzeitig hätte er am liebsten losgeflucht, doch dafür reichte seine Luft nicht. Endlich drehte sich nicht mehr alles, trotzdem wollte sich sein Orientierungssinn einfach nicht wieder einstellen. Seine Angst wurde zu einer Panik, in der er verzweifelt an dem Netz entlangschwamm, bis er mit seinem Kopf gegen die Röhrenwand prallte.

Luft!

Er brauchte unbedingt Luft!

Je mehr seine Kraft zur Neige ging, umso verzweifelter kroch er möglichst schnell an der Wand entlang, die kein Ende zu haben schien, und tastete nach dem besagten Schacht, in den sie steigen mussten. Nach unzählig vielen Metern, die er ans Netz gedrückt zurücklegte, war er sich sicher, schon eine ganze Runde hinter sich gebracht zu haben. Anfangs dachte er, es liege an seinem fehlenden Orientierungssinn, doch selbst in dem Fall hätte er spätestens vor Vollendung der Runde den besagten Schacht ertasten müssen.

Wenn diese verfluchte Finsternis nicht wäre, hätte er kein Problem, diesen vermaledeiten Schacht zu finden. Wieder wollte er fluchen, doch diesmal nicht über seine Lage, sondern wegen seiner Dummheit.

Keine Sekunde später leuchtete seine Hand auf und erlosch gleich darauf wieder, seine Konzentration hatte wegen dem, was er gesehen hatte, nachgelassen.

Irgendetwas stimmte hinten und vorne nicht, denn er befand sich nicht mehr in einer Röhre, sondern in einem riesigen Raum mit massiven steinernen Wänden. Das Netz, an welches er gedrückt wurde, deckte bloß einen Abfluss ab. Doch das war nicht der Grund für seine Panik, außer ihm waren noch alle anderen der Gruppe in diesem Raum und suchten verzweifelt nach einem Ausgang, den es nicht gab. Seine letzte Kraft einsetzend, leuchtete seine Hand wieder auf und tauchte den Raum in ein weißes Licht. Lange Schatten der Umherschwimmenden wurden an die gegenüberliegende Wand geworfen. Wie Goldfische in einem Glas schwammen sie in dem Wasserreservoir umher. Der entscheidende Unterschied zwischen ihnen und den Goldfischen war, dass diese im Gegensatz zu ihnen unter Wasser atmen konnten. Deshalb zappelten schon einige seiner Kameraden wild umher und verbrauchten dabei das letzte Quäntchen ihrer kostbaren Luft, die sie so dringend benötigten. Wenige Momente später floss kein Wasser mehr durch den Abfluss und Serasin konnte endlich vom Netz wegkommen.

Einige von den anderen schwammen wegen des Lichts zu ihm hin, andere waren vernünftiger und suchten eifrig die Wände nach einer Fluchtmöglichkeit ab, während einer von ihnen bereits leblos an der Decke hing. Ihnen allen würde es auch nicht besser ergehen, wenn sich nicht schleunigst etwas an ihrer Lage änderte.

Dort unten unbeachtet und vergessen zu sterben, kam für Serasin gar nicht infrage, eigentlich wollte er überhaupt nicht sterben und deswegen schwamm der Dunkelelf zum Rohr, aus dem sie alle in den Raum gespült worden waren. Seine Bewegungen wurden zusehends langsamer und noch kraftloser, während er durch den vermaledeit langen Raum schwamm.

Nach einer Ewigkeit kam er endlich und völlig am Ende seiner Kräfte bei der Röhre an und schwamm in ihr mit dem Mut eines Verzweifelten den Weg zurück. Mit der Zeit verschwand seine Überzeugung, dass er überhaupt eine Chance hatte, und mit der Überzeugung verpuffte auch seine Kraft, mit der er um sein Leben kämpfte.

Reglos schwebte sein Körper zur Decke der Röhre und prallte sanft mit ihr zusammen. Das letzte bisschen Luft entwich ihm und nur noch auf den Steinboden starrend, wartete er auf das Unvermeidliche. Eine andere Gestalt schwamm an ihm vorbei und war bald aus seinem Lichtkegel verschwunden, doch das kümmerte ihn nicht. Es würde nicht mehr lange dauern und seine Lebensgeister würden nicht mehr reichen, um das Licht aufrechtzuerhalten, und er würde von allen verlassen alleine in der Finsternis ersticken. Vielleicht war es gut so, schließlich hätte er bereits vor einiger Zeit an der Seite seines Meisters sterben sollen.

Nachdenklich starrte er das flackernde Licht an und ein plötzlicher Lebensfunke erweckte ihn wieder aus seiner Starre. Solange er noch Kraft hatte, um das Licht aufrechtzuerhalten, würde er gefälligst nicht klein beigeben, sondern kämpfen, noch war er kein alter Mann, der sich dem Tod einfach so hingeben durfte. Keine Ahnung, was er sich dabei gedacht hatte aufzugeben, obwohl noch eine Chance für ihn bestand, lebend aus dieser Sache rauszukommen. Mit wieder kraftvolleren Zügen schwamm er die Röhre entlang, weit konnte es zu diesem Schacht gar nicht sein. Höchstens zehn Meter, vielleicht zwanzig, aber sicherlich nichts, das nicht im Bereich des Möglichen lag. In seinem Kopf gab es nur noch einen Gedanken, um jeden Preis musste er weitermachen. Jetzt schon zu sterben, kam für ihn nicht mehr infrage. Es gab noch so viel, das er tun wollte, sobald er von all seinen Pflichten gegenüber anderen befreit war, und das wollte er um nichts in der Welt versäumen.

Unermüdlich schwamm er die Röhre entlang und staunte über seine schnellen Armbewegungen, obwohl seine Situation fast hoffnungslos war, freute er sich. Wieder hatte er einen großen Schritt nach vorne gemacht, sein Ki war sprunghaft stärker geworden. Jetzt endlich glaubte er Byenna, dass er ein Talent in diesem Element hatte.

Wenige Sekunden nach seinem Aufgeben war er schon mehr als zwanzig Meter weit geschwommen und hoffte nur noch, dass ihm genügend Kraft blieb, um an diese verdammte Luke zu gelangen.

Wenige Augenblicke später konnte er in seiner hellen Lichtkugel den Ring erkennen, in dem eigentlich ein Netz gespannt sein sollte. Vom feinen Netz jedoch war nichts mehr zu erkennen, irgendetwas Schweres musste es mitgerissen haben, denn nur feine Metallstoppel ragten gähnend an dem Rahmen hängend ins kristallklare Wasser hinein und erfüllten ihren vorgesehenen Zweck sicherlich nicht.

Gerade einen Meter von dem fehlenden Netz entfernt, setzte die bisher ausgebliebene Strömung ein und drückte ihn erneut in Richtung der Wasserkammer. Bei dem Willen der Götter durfte das nicht sein, er musste unbedingt zur Luke und auf keinen Fall wieder in diese kalte Steinkammer gelangen, die den anderen als feuchtes Grab diente. Verzweifelt versuchte er, den Ring zu erreichen, wurde jedoch gnadenlos von der Strömung mit- und von seinem Ziel fortgerissen.

Wenige Sekunden später wurde er abermals gegen das Netz am Ende der Steinhalle gedrückt und er bewegte sich nicht mehr, nicht dass er schon wieder aufgegeben hatte, aber gegen diese starke Strömung ankämpfen zu wollen, war schlichtweg sinnlos und einfach kräfteaufreibend, er beschloss zu warten und hoffte, nicht vorher seinen Lebensatem auszuhauchen.

Mit ausgestreckten Armen und Beinen lehnte er sich an das Netz und beobachtete die bereits leblosen Körper der anderen, wie sie im Raum zu ihm hinschwebten. Langsam kamen sie näher und offenbarten ihm in seinem Licht ihre leblosen Gesichter. Einige waren verzerrt, andere waren friedlich, als ob sie schlafen würden.

„Genau …“, dachte er, „hier zu sterben wäre gar nicht so schlimm. Eigentlich wäre es bloß schade und ein bisschen lächerlich, aber ansonsten …“

Zunehmend trübte sich seine Sicht und zurück blieb lediglich verschwommenes Licht und die fürchterlich langen Schatten. Ein lebloser Körper prallte mit ihm zusammen und drückte ihn stärker gegen das Netz. Seine Lungen brannten erneut und die Kräfte ließen erneut nach. Sein letztes Aufbäumen hatte doch nichts genützt, zumindest hatte er es versucht.

„Nein!“, ermahnte er sich selbst in Gedanken. „Noch bin ich nicht tot und dieses Mal wird kein Wunder kommen und mich retten. Dieses Mal muss ich mir selber helfen … helfen … Luft … Luft … Luft … Luft … Luft … Luft … Luft …“

Er wollte denken, einen Ausweg suchen, einen Plan zurechtlegen, konnte er aber nicht. All seine Gedanken und Sinne kreisten allein um diese Sache, die er bisher als das Selbstverständlichste der Welt angesehen hatte …

Ohne Luft würde er nicht bis zum nächsten Anhalten der Strömung durchhalten, daran hatte er nun nicht die geringsten Zweifel. Die überwundene Grenze seines Geistes hatte ihm keine zusätzliche Kraft gegeben, sondern ihm nur erlaubt, all seine verbliebenen Reserven zu verbrauchen. Leider hatte es wenig geholfen, elendig ersticken war offenbar das von den Göttern für ihn bestimmte Schicksal. In diesem Moment hätte er liebend gern jeden Preis gezahlt, um noch einmal seine Lungen mit Luft zu füllen, und im nächsten hätte er sich wegen seiner Torheit am liebsten schlagen wollen.

Serasin Lächeln war schwächlich, doch es breitete sich auf seinem ganzen Gesicht aus, er konnte einen schwachen Luftstrom erzeugen, schließlich war Wind das favorisierte Element seines Schins.

Mit einer Hand deckte er seine Nase und den Mund ab und zwang sein Schin, sich dort in Luft zu verwandeln. Augenblicklich füllte sich sein Mund mit Luft, welche sofort in seine gequälten leeren Lungen strömte.

Es war schlichtweg das Herrlichste, das er bisher in seinem Leben gefühlt hatte. Die süße Luft in seinen Lungen gab ihm erneut Kraft und Hoffnung zum Überleben. Vorsichtig atmete er durch die Nase aus und füllte seine Lungen daraufhin sofort wieder. Wirklich, es war das höchste der Gefühle.

So selbstzufrieden, wie in jenem Augenblick war er noch selten gewesen. Dieser geniale Einfall hatte ihm schlichtweg das Leben gerettet und nun konnte er geduldig warten, bis die Strömung erneut aussetzte.

Kaum war das geschehen, schwamm er erneut die Zuflussröhre hoch. Um schneller zu sein, hielt er erneut die Luft an und schwamm um sein Leben, zwar konnte er sich noch ein Weilchen mit Luft versorgen, doch sein Schin würde nicht für sehr lange ausreichen, außerdem spürte er bereits die zunehmende Mattigkeit in seinen Fingern, was ein eindeutiges Zeichen war, dass sein Schin und damit sein Leben bald zu Ende sein würde. Besorgt war er deswegen noch nicht, da er das Gefühl bei den Übungen der Heilerin und seinen eigenen schon ein paar Mal kennengelernt hatte. Trotzdem war das ein Warnzeichen, spätestens wenn das Gefühl bei den Ellbogen angekommen war, musste er aufhören, sonst konnte ihn das im dümmsten Fall das Leben kosten. Was Pedja in seinem Eifer, eine Sylphe anzulächeln, fast geschafft hätte.

Bereits sein zweiter Versuch war von Erfolg gekrönt. Ächzend und stöhnend zog er sich hinter dem zerstörten Netz auf die kleine Plattform in dem luftgefüllten Schacht, in den sie eigentlich von Anfang an hätten gelangen sollen. Kraftlos hielt er seinen Kopf über den Rand und schaffte es nicht mehr, seinen restlichen Körper hochzuziehen. Seine Arme und Beine waren taub vom kalten Wasser und ließen sich nicht mehr bewegen. Müde schloss er die Augen.

Plötzlich hievte ihn jemand an seinen Armen hoch und stellte ihn ganz auf die Plattform.

„He! Hörst du mich?“

„Ja“, brummte der Dunkelelf kraftlos.

„Wie geht es den anderen?“

Von Schmerzen gepeinigt, fasste Serasin sich an die Stirn und versuchte, seine Augen zu öffnen. Der Junge oder besser gesagt das Mädchen von gestern stand vor ihm und hielt ihn nun mit beiden Händen gepackt.

„Denen ist nicht mehr zu helfen … sind ertrunken, wie die Ratten …“, war alles, was er zustande brachte.

„Oh! In dem Fall können wir ja weiter.“

Eine solche Antwort hatte er nicht erwartet, außerdem hatte er immer noch kein Gefühl in seinen Gliedmaßen und versuchte deswegen, ein wenig Zeit zu schinden.

„Wie heißt du denn?“

„P… das tut doch gar nichts zur Sache! Steh auf!“

„Kann nicht, meine Beine haben keine Gefühle.“

„Mit etwas Bewegung wirst du sie schneller spüren. Komm jetzt, wir sind spät dran.“

Mit seinen üblichen zügigen Bewegungen rannte der schwarzhaarige Junge zur Leiter, währenddem Serasin erst langsam wieder Kontrolle über seine Beine erlangte. Was ihm zu seinem Erstaunen relativ rasch gelang.