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Der Sommer. Die Zeit des großen, wunderbaren Leichtsinns. Die Seele baumelt. Das Leben leuchtet zitronengelb. Die Tage sind unendlich und voller Möglichkeiten. Eine Sammlung von ungewöhnlichen Kurzgeschichten über die schönste Zeit des Jahres. Geschichten, die im Westberlin der 80er spielen, auf Bali, in New Orleans.... Geschichten über Menschen, die sich neu erfinden, sich verlieben, sich erinnern und sich lieben. Ein Buch über den Sommer - für den Sommer.
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2022
Seven Songs of Summer
Knud Hammerschmidt, Jahrgang ´63, lebt in München und schreibt aus Leidenschaft. Das Literatur-Magazin Lesering.de bezeichnete ihn mal als polyglotten Allrounder und Weltenbummler. Sein Lieblingsthema sind Menschen unterwegs. 2020 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Das Lächeln am Rand der Welt“. Nebenbei betätigt er sich als Hörbuchsprecher. Seiner liebsten Jahreszeit, dem Sommer, widmet er dieses Buch mit außergewöhnlichen Geschichten aus großen, zitronengelben Sommern.
Seven Songs of Summer
Für Azizam
„Wir lagen auf der Wiese und baumelten mit der Seele“Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm
“Shall I Compare Thee to a Summer’s Day?”William Shakespeare, Sonett 18
© 2021 Knud Hammerschmidt
Autor: Knud Hammerschmidt
Coverfoto & Design: Foruzan Hammerschmidt
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN:
978-3-347-32812-9 (Paperback)
978-3-347-32813-6 (Hardcover)
978-3-347-32814-3 (e-Book)
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Surfer Girl
Club Tropicana ´87
Besame Mucho
Lovely day ´87
Friday on my Mind
Summertime ´93
Azzurro
Bonustrack: Sonett #1
Surfer Girl (Beach Boys)
Anton Czerwinski hätte den Rest seines Lebens so verbringen können wie bisher auch. Ereignislos, durchschnittlich und bieder. Wenn sein Friseur nicht hätte nießen müssen. Das Nießen kam ohne Vorwarnung. Czerwinskis Friseur, ein gestandener Mann von einem Meter sechzig, der sich vehement gegen die Bezeichnung Coiffeur und jegliche Modetrends seiner Branche zur Wehr gesetzt hatte, verriss den elektrischen Haarschneider. Czerwinski trug die Haare kurz, seinem biederen Leben angemessen. Und er hatte das, was man eine sehr hohe Stirn nennt. Oder, wenn man es bevorzugte, die Dinge beim Namen zu nennen, eine Halbglatze. Jetzt, nach dem Nießen, hatte die Halbglatze eine nicht zu übersehende Lücke. Anton Czerwinski galt als friedlicher, in sich ruhender Mensch, aber heute hatte er nicht seinen besten Tag. Er blickte schockiert in den Spiegel, riss sich den Umhang herunter, bedachte seinen Friseur mit einem Blick tiefster Verachtung, griff nach seiner Windjacke und der Schiebermütze und stürmte hinaus auf die Straße. Nach zehn Metern blieb er stehen und rauchte eine Zigarette. Schluss, aus, das war’s, dachte er. Ich such mir sofort einen neuen Friseur. Mit diesem revolutionären Gedanken im Kopf bog er in die Bahnhofstrasse ein, die bekannt war für eine ansehnliche Auswahl an Friseursalons. Er verlangsamte seine Schritte und blickte durch verschiedene Schaufenster. Einen Laden mit dem Namen Cut ´n ´Go, der von vorwiegend jungen Männern mit Backsteinfrisuren und Hipsterbärten bevölkert war, schloss er umgehend aus. Auch ein Salon mit türkisfarbenem Design und Hirschgeweihdekoration fand vor seinen Augen keine Gnade. Hinzu kam, dass der Salon den Namen „Hairgottsakra“ trug. Zweihundert Meter weiter wurde er fündig. Der Salon „Manuela, Coiffeur - Damen und Herren“, machte ihm einen soliden Eindruck. Eine sonnenstudiogebräunte Mittvierzigerin, vermutlich Manuela, mit einem „frechen“ Kurzhaarschnitt in zweieinhalb Farbnuancen und einem offenherzigen Dekolleté begrüßte ihn und nahm ihm seine Jacke ab. Dabei lächelte sie ihn freundlich an und verströmte einen sommerlichen Duft, der bestimmt teuer gewesen war. „Oh, oh…ich seh´ schon“, sagte sie. Dann drehte sie sich um und rief in Richtung eines Vorhangs „Jassemin, kommse mal?“ Der Vorhang glitt beiseite und Yasemin kam dazu. Nun betrachteten beide das Malheur auf Czerwinskis Kopf. Sie blickten auf seine lädierte Halbglatze wie ein Automechaniker in einen verrußten Motorraum. „Hmm“, sagte Yasemin. „Kannsse nix anderes machen“, sagte Manuela. „Aber ich seh da auch Chancen drin“, sagte Yasemin. „Und mit ´n bissken Stilberatung kann dat wat werden“, ergänzte Manuela. Dann strahlte sie Anton an, wie ein Flutlicht auf Schalke, und erklärte ihm, was sie mit ihm vorhatte. Anton Czerwinski war nicht das, was man einen attraktiven Mann nennt. Aber er hatte ein gewisses Potential, das die Coiffeurin Manuela an ihm wahrgenommen hatte. Czerwinskis Leben war bislang verlaufen wie ein begradigter, durch Schleusen regulierter Nebenarm eines mäßig bekannten Flusses. Selbst als Teenager galt er als langweilig, so sehr er sich auch bemühte, es nicht zu sein. Aber er war schüchtern und wenig selbstbewusst. Wie bei allen sich selbst erfüllenden Prophezeiungen, entwickelte er sich zu einem biederen, zurückhaltenden Menschen. Das Beste, was seine Kollegen über ihn sagen konnten, war, dass er zuverlässig und ehrlich war. Er galt als anerkannter Fachmann in seinem Bereich und hatte eine natürliche Begabung für Zahlen. Wenn sich die Kollegen mal privat trafen, auf ein Bier, machte sich niemand die Mühe ihn zu fragen. Er war zwar eine Institution, aber eher wie ein altehrwürdiges Möbel, das im Eingangsbereich der Firma herumsteht. Wäre es eines Tages nicht mehr da, würden die Meisten das gar nicht merken. Elisabeth Kaminski aus der Buchhaltung hatte ihn mal als frühvergreist bezeichnet. Er führte ein stilles, geregeltes Leben. Er las viel, vorwiegend Klassiker, Krimis und Historienromane, guckte regelmäßig Tatort, ging zweimal in der Woche schwimmen und machte einmal im Jahr eine Städtereise. Letztes Jahr war er in Krakau gewesen.
Außerdem war er Eigentümer eines High-End Plattenspielers und einer dazugehörigen umfangreichen Vinyl Sammlung, die von seltenen Klassikaufnahmen über Jazz bis hin zum kompletten Oeuvre der Beatles, Bob Dylans und der Stones reichte. Sein guter Musikgeschmack war eine der Eigenschaften, die fast niemand an ihm kannte. Czerwinski blickte die Friseurin fragend-skeptisch an und ergab sich. Nun gut, warum auch nicht, dachte er sich. Außerdem schien sie ihm nett zu sein. Ihr Dekolleté und ihre fürsorgliche Art gaben ihm den Rest. Eine knappe Stunde später blickte er sich ungläubig im Spiegel an. Er trug jetzt Glatze.
Komplett, glatt und glänzend. Absurderweise wirkte er dadurch zehn Jahre jünger als zuvor. Seine Augenbrauen hatte man ihm gestutzt und leicht gefärbt. „Und wenn sie sich noch einen flotten Dreitagebart wachsen lassen und ein bissken Farbe in die Garderobe bringen, rennen ihnen die Frauen die Bude ein!“ Manuela betrachtete ihr Werk zufrieden. Guck mal an, dachte sie sich. Ist zwar kein Prinz, aber ein Frosch is´ er auch nicht mehr. Da eine gepflegte Glatze regelmäßig einer Rasur bedarf, wurde Anton Czerwinski zum Stammkunden in Manuelas Coiffeur Salon. Nach kurzer Zeit duzte man sich. Unmerklich ging eine Veränderung in ihm vor. Er entwickelte eine gesunde Eitelkeit und begann auf sich und sein Erscheinungsbild zu achten. Da er in modischer Hinsicht vollkommen unbedarft war, begleitete Manuela ihn an einem schönen Montagnachmittag zum Einkauf. Sie war ein herzensguter Mensch und verstand etwas von Mode. Also plante sie den Einkaufsbummel strategisch wie ein römischer Feldherr. Anton kam das Ganze am Ende eher vor, wie der Raubzug einer Wikingerhorde, aber er verfügte nun über eine Garderobe, in der er sich sehen lassen konnte. Die Farbe Beige war rigoros aus seinem Kleiderschrank verbannt worden und hatte eine Reise zum Altkleidercontainer angetreten. Als er, nach dem Einkauf, seine neue Garderobe sichtete und ordnete, merkte er, dass er still vor sich hinlächelte. Er bereitete sich sein Abendessen zu und griff nach einem Buch. Ihm war nach einer leichten, aber intelligenten Lektüre. Mark Twains Bummel durch Europa hatte er schon ewig nicht mehr gelesen und schien ihm genau das richtige zu sein. Irgendwann stieß er auf einen Satz, der ihn nachdenklich machte. „Das, was jemand von sich selbst denkt, bestimmt sein Schicksal.“ Er legte das Buch beiseite, schenkte sich ein Glas Rotwein ein und dachte nach. Zwischendurch stand er auf und legte Mendelssohns italienische Symphonie auf. Die Musik schuf eine heitere Stimmung, die sein Denken beflügelte. Als er um kurz nach Mitternacht zu Bett ging, dachte er immer noch nach. Am nächsten Morgen meldete er sich krank. Dann ging er zum Bäcker. Statt der üblichen zwei Vollkornbrötchen kaufte er zwei Buttercroissants. Er deckte seinen Frühstückstisch liebevoll und achtsam auf dem Balkon. Dann frühstückte er mit Genuss und fragte sich, warum er nicht schon längst mal Croissants gekauft hatte. Sie schmeckten himmlisch.
Anschließend dachte er wieder nach. Zwischendurch stand er auf, holte ein Notizbuch, er legte Beethovens Pastorale auf, dann holte er den Laptop und machte einen langen Ausflug in die Weiten des Internet. Als Beethoven geendet hatte, fand er, es sei an der Zeit für Bob Dylan und einen Kaffee. The times-they are achanging. Absolut richtig, Bob, dachte er. Czerwinski war ein analytischer Mensch, seine romantische Seite konnte man getrost als verkümmert bezeichnen. Aber sie war noch vorhanden. So wie ein hartnäckiger, kleiner Kaktus auf der Küchenfensterbank einer Studenten-WG. Grau, trocken und unscheinbar. Er hatte sich sogar der Mutter der Romantik, der Musik, von der analytischen Seite her genähert. Statt die Musik einfach durch sich hindurchfließen zu lassen, hatte er sie analysiert und in ihre Bestandteile zerlegt. So wie des Künstlers hässlicher, kleiner Schwager, der Kritiker, es tat. Aber jetzt floss die Musik durch ihn hindurch. Panta rhei – alles fließt, ging ihm das klassische Zitat durch den Kopf. Er verbrachte Stunden auf dem Balkon und im Internet. Als er endlich den Laptop zuklappte, lehnte er sich zurück und lächelte. Er verspürte Aufregung und ein wenig Angst. Aber es gab kein Zurück. Über diesen Schatten würde er springen. Dann ging er zum Kühlschrank, inspizierte den Inhalt und beschloss sich eine Pizza zu bestellen. Während er wartete, gönnte er sich ein Glas Wein. Morgen würde er Dr. Blum anrufen. Er machte sich eine Notiz. In den Buchladen musste er auch noch. Am nächsten Tag schaute er bei seinem Hausarzt vorbei, ließ sich für die ganze Woche krankschreiben und verspürte dabei zum ersten Mal, seit vielen Jahren, ein befriedigendes Gefühl anstatt eines schlechten Gewissens. Verdammte preußische Tugenden, dachte er. Er wusste nicht, wie lange sein, ihm anerzogenes, Pflichtbewusstsein noch im Koma liegen würde, aber er würde es genießen, so lange es ging. Im Buchladen fand er ziemlich schnell, was er suchte. Während er an einer Frittenbude eine Currywurst aß, fiel ihm auf, dass er jetzt wirklich gern jemand von seinen Plänen erzählt hätte. Außer Manuela und Yasemin fiel ihm niemand ein. „Traurig“, dachte eine Stimme in seinem Kopf. Selbst schuld, antwortete eine andere. Zuhause, auf dem Balkon, trank er ein Pils, was er um diese Uhrzeit noch nie getan hatte. Ihm wurde klar, dass es mit einmaligem Nachdenken nicht getan war. Er war ja keine Maschine, bei der man ein paar Schrauben neu justierte und dann lief es wieder. Er begriff, dass jede Erkenntnis eine weitere nach sich zog und dass das nicht immer angenehm sein würde. Sechsundvierzig, dachte er. Dreiviertel des Lebens verschwendet,verschlafen, vergeudet. Für was? Für wen? Die Erwartungen der anderen? Die Gesellschaft? Für falsch verstandene Wertvorstellungen? Er spürte eine leichte Wut in sich aufsteigen, einen Zorn auf sich selbst. Hinter ihm, im Wohnzimmer, stand eine ganze Wand voll mit wichtigen, guten, klugen, wertvollen Büchern. Er hatte sie alle gelesen. Und wenn er aus ihnen gelernt hatte, dann nur theoretisch. Keinen von den ganzen klugen Gedanken hatte er umgesetzt. Er öffnete eine weitere Flasche Pilsener. Es wurde Zeit, dass er an seinem eigenen Buch schrieb. Zwei Wochen später saß er an Bord eines Airbus 380 und bewunderte, mit der ihm eigenen Zurückhaltung, die Schönheit der mandeläugigen Flugbegleiterin, die ihm gerade einen Singapore Gin Sling servierte. Sie trug, wie ihre Kolleginnen, eine Uniform, die mit ihrem Batikmuster und dem Schnitt an einen Sarong erinnerte. Ein eleganter Pagenschnitt umrahmte ein zierliches Gesicht mit hohen, geschwungenen Wangenknochen und dicht umwimperten dunklen Augen. Anton Czerwinski hatte noch nie leibhaftig eine so schöne Frau gesehen. Sein verschrumpeltes, kleines Herz klopfte automatisch ein wenig schneller. Ihr freundliches Lächeln und die Aufmerksamkeit, die sie ihren Passagieren entgegenbrachte, glichen die einschüchternde Schönheit etwas aus, wie er zu seiner Erleichterung bemerkte. Fünfzehn Stunden später, mit einem kurzen Zwischenstopp in Singapur, landete der Airbus auf dem Flughafen von Denpasar, Bali. In diesen fünfzehn Stunden hatte er zwei erstaunlich gute Bordmenüs gegessen, zwei Hollywood Blockbuster und einen, in jeglicher Hinsicht, abenteuerlichen Bollywood Action Kracher gesehen und ein wenig geschlafen. Dass die schöne Flugbegleiterin ihm fürsorglich, die, im Halbschlaf verrutschte, Decke zurechtzupfte, zählte zu seinen persönlichen Höhepunkten dieses Tages. Als er das klimatisierte Flughafengebäude verließ, prallte er gegen eine Wand aus feuchter, warmer Luft, die ein unfassbar intensives Duftgemisch mit sich brachte. Es roch nach Nelken, Tabak, Abgasen, Blumen, exotischen Gewürzen, Holzkohle, verbranntem Gummi und Meeresluft. Sein Fahrer, der ihn zu seinem Hotel in Candi Dasa bringen sollte, stand schmunzelnd neben ihm. Er kannte diesen Gesichtsausdruck. So schauten sie alle, wenn sie zum ersten Mal balinesischen Boden betraten. Der Fahrer schnippte den Rest der Nelkenzigarette weg, die er geraucht hatte und verstaute Antons Gepäck im Kofferraum einer kleinen, blauen Limousine. Während der Fahrt machte der Fahrer Czerwinski mit einigen Eigenheiten der lokalen Mentalität vertraut. Anton kannte Taxifahrer die schwiegen, solche die plauderten wie ein Friseur, die Sorte, die minutenlang über Politik im Allgemeinen und Merkel im Besonderen schimpfte, die Ex-Akademiker und die, die wirkten, als trügen sie alle Last der Welt auf ihren Schultern. Einen Fahrer, der IHN befragte, sich nach dem woher und wohin erkundigte, ja sogar seinen Namen wissen wollte und ob er Kinder und wie viele habe, war ihm noch nicht untergekommen. Er wusste noch nicht, dass im Indonesischen die Frage nach dem Befinden direkt übersetzt so viel bedeutete wie „Was gibt´s neues?“ Aber, er hatte sich eingelesen vor dem Abflug. Reiseführer, Bildbände und Geschichte. Insofern war er nur leicht überrascht von dem freundlichen Interesse, dass ihm, in einem sanft klingenden, melodischen und grammatikbefreiten Englisch entgegengebrachte wurde. Dennoch es ist nun einmal etwas anderes, über etwas zu lesen oder es tatsächlich zu erleben. Das Hotel stellte sich als Bungalowanlage im balinesischen Stil heraus. In der Mitte der kleinen Anlage schimmerte ein beleuchteter Pool, der von mythologischen Statuen gesäumt war. Zu den einzelnen Bungalows führten Pfade aus dunklem Holz und zwischen den Gebäuden wuchsen tropische Pflanzen. Der Empfang war ebenso höflich und herzlich, wie auch rücksichtsvoll. Die Prozedur des Check-In wurde verkürzt und die Meldeformalitäten auf den nächsten Tag verschoben. Es war acht Uhr abends Ortszeit und man sah ihm seine Müdigkeit an. Czerwinski aß im Bistro des Hotels noch ein Nasi Goreng, trank ein Bintang Bier dazu und schlief anschließend bis zum frühen Morgen durch.
Er erwachte bereits früh, frisch und ausgeruht. Anders als bei Städtereisen würde er es ruhig angehen. Also ließ er sich Zeit. Er schwamm ein paar Runden im noch menschenleeren Pool, frühstückte ausgiebig, trank noch einen Kaffee auf der Terrasse und erkundete dann den Ort. Die erste Urlaubswoche widmete er dem Sightseeing. Wayan, der Fahrer, kutschierte ihn zuverlässig zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und schönsten Stränden. Er besichtigte Ubud und meditierte im Tempel Pura Besakih, er bewunderte die Erhabenheit des heiligen Berges Agung und kraxelte auf dem Mount Batur umher. Er schlenderte durch Tempel, Paläste und die alte Königsstadt Singarajah, gruselte sich ein wenig vor den Bewohnern des Fledermaustempels, kaufte handgeschöpftes Salz direkt am Meer und war hingerissen von der Schönheit des Wassertempels Tirta Empul. Bei einem erstklassigen Kaffee, oberhalb der Reisterrassen, träumte er vor sich hin, er durchstreifte die Märkte von Sukawati und schnorchelte am White Sand Beach. Überall, wo er hinkam, brachte man ihm ein lächelndes, freundliches Interesse entgegen. Er bemühte sich ein paar Sätze und Floskeln auf Indonesisch zu lernen, was ihm leichter fiel, als er gedacht hatte. Bali gefiel ihm. Es war die Schönheit der Insel, die Freundlichkeit, das Lächeln und die zurückhaltende Unbefangenheit der Menschen, die ihm so gut gefielen. Sein eigenes schüchternes Wesen fühlte sich von der balinesischen Mentalität sehr angesprochen. Er begriff, dass Zurückhaltung und Offenheit durchaus Hand in Hand gehen konnten, ohne sich zu widersprechen. Wie es seiner Natur entsprach, machte er sich auch zu dieser Erkenntnis ein paar Notizen. Ein paar Tage später lag er am Strand von Legian, im Südwesten der Insel. Von seinem Bungalow aus, der Teil einer kleinen Anlage an der Jalan Double Six war, waren es nur wenige Schritte bis zum Meer. Der indische Ozean hier war anders als im Osten. Die Wellen rollten unablässig an den Strand und konnten, bevor die Low-Tide nachmittags einsetzte, eine beeindruckende Höhe erreichen. Fasziniert beobachtete er die Surfer. Die Wellen brachen rund hundert Meter vor dem Strand, dort, wo man gerade noch so stehen konnte. Auf Zehenspitzen. Dahinter rollten die Wellen glatt und ungebrochen heran. Dunkelblau und schimmernd wie Glas, bevor sie sich weißschäumend auftürmten, brachen und als blauweiße Gischt das flache Wasser erreichten. Dort hinten, weit hinter dem Point of break, warteten die erfahrenen Surfer auf ihre Welle. Manche von ihnen waren so gut, dass sie minutenlang an einer Welle entlangsurften, bevor sie elegant zum Strand getragen wurden. Agus, der Strandliegenverleiher, schlenderte vorbei und hielt ihm ein Bier entgegen. „Bintangtime“, sagte er und grinste aus schiefen Zähnen. Sie saßen nebeneinander, tranken gemeinsam und rauchten. „Das würde ich auch gern können“, sagte Anton und deutete auf den Ozean. „Probier’s doch. Macht Spaß. Hier am Strand ist es gut für Anfänger. Gute Wellen, die dich unterstützen.“ Anton nickte. Kurz darauf paddelte er, auf einem Brett, das länger war als er selbst, den Wellen entgegen. Er stellte fest, dass es nicht so leicht war den Point of break zu erreichen. Die brechenden Wellen, die ihm entgegenkamen, warfen ihn immer wieder zurück. Trotzdem befand er sich nach einiger Zeit auf einer Höhe mit anderen Surfern, die geduldig auf ihren Brettern saßen oder lagen und auf eine passende Welle warteten. Er beobachtete sie und versuchte durch Zusehen zu lernen. Nach wenigen Minuten stellte er beunruhigt fest, dass eine Strömung ihn auf den Ozean hinauszuziehen schien. Hinter ihm rollte eine Welle heran. So wie er es beobachtet hatte, legte er sich flach auf sein Brett und paddelte. Die Welle nahm ihn ein Stück mit und dann glitt er wieder zurück. So also nicht,