Shit Happens - Emma Smith - E-Book

Shit Happens E-Book

Emma Smith

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Beschreibung

Er kam zurück, weil er dachte es wäre vorbei. Sie wollte nichts weiter als in Ruhe leben. Beide sollten sich irren. Rave war zwei Jahre lang verschwunden. Und jetzt taucht er einfach so auf, als wäre nie etwas gewesen. Aber wenn er mich mit diesen tiefblauen Augen anschaut, wird die Erinnerung wieder wach - die Erinnerung an diese eine Nacht, in der er seine eigene Frau opferte, um mich zu retten. Werde ich jetzt den Mut finden, ihn zu fragen, warum er sich damals für mich entschieden hat? Ich bin zurückgekehrt, weil ich dachte, es wäre Zeit für einen Neuanfang. Aber ich kann der Vergangenheit nicht entfliehen. Prue ist immer noch da. Die Frau, für die ich schon einmal alles riskierte, steckt erneut in Schwierigkeiten. Sie ist völlig verrückt, hat keine Angst vor mir und kann einfach nicht aufhören zu reden. Und doch kann ich die Frage in ihren Augen sehen: Warum sie? Warum hatte ich meine eigene Frau getötet, um sie zu retten? Die Antwort würde ihr wahrscheinlich nicht gefallen, denn es ist eine Antwort, vor der selbst ich mich fürchte. Der Roman ist in sich abgeschlossen. Extrabonus: Eine Leseprobe zum unabhängigen und ebenfalls in sich abgeschlossenen zweiten Teil.

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Seitenzahl: 283

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Shit Happens

BUT KILLERS ARE HOT

NY-MAFIA 1

EMMA SMITH

Inhalt

Für Anja

Prolog

Rave

Kapitel 1

Kapitel 2

Prue

Rave

Prue

Kapitel 3

Kapitel 4

Prue

Rave

Kapitel 5

Rave

Kapitel 6

Rave

Kapitel 7

Prue

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Prue

Rave

Kapitel 11

Kapitel 12

Prue

Kapitel 13

Prue

Kapitel 14

Rave

Epilog

Leseprobe zu Teil 2

Danksagung

Über den Autor

Impressum:

jasmin Schürmann

c/o Autorenbetreuung/Caroline Minn

(Impressumservice)

Kapellenstraße 3

54451 Irsch

[email protected]

Lektorat/Korrektorat: Katrin Schäfer

2. Korrektorat: Anna Werner

Cover/Umschlaggestaltung: Sabrina Dahlenburg

Für Anja

Irgendwie gehören dir meine Mafiatypen ja auch ...

Prolog

vor zwei Jahren

Prue

Es war nie meine Absicht, zu der Art Menschen zu gehören, die eine Geschichte erzählen zu haben. Denn meistens waren es wirklich irre Storys.

Und ja, da ich jetzt eine zu erzählen hatte, war sie natürlich auch irre. Zumindest dann, wenn versuchter Mord auch in den nächsten Jahren noch immer nicht in Ordnung war.

Es begann alles im Sommer vor zwei Jahren.

Ich arbeitete seit ein paar Monaten in einer Bar. Nun ja, es war keine gewöhnliche Bar. Sie gehörte einem Typen, der als »Don Giovanni« Brooklyns bekannt war.

Es war selbst bei den Cops bekannt, dass sich im Grunde ganze Mafiafamilien hier breitgemacht und New York City in Teile gespalten hatten. Der Norden gehörte den Russen, der Osten ... ach, was wusste ich denn schon? Wir waren hier im Süden und dass hier seit Jahren der Italiener herrschte, war, wie gesagt, kein Geheimnis.

Ich war 22 und absolut nicht im Stande meine Miete pünktlich zu bezahlen, weil meine Mutter mir zwei Wochen vor Collegeantritt verriet, dass der hochdotierte Collegefond nun nicht mehr existierte und sie auch nie einen einzigen Cent an Collegegebühren gezahlt hatte. Seitdem hielt ich mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.

Der Job hinter der Bar war gut bezahlt und mir gefiel es trotz der rauen Leute dort sehr gut.

Aber das sollte sich ändern. Wie gesagt, ich sprach ja davon, dass es Sommer war. Meine Schicht begann um 22 Uhr, und wie immer war ich früher da, um alles vorzubereiten.

»Ein Scotch, Süße«, bat mich Philippe, der jeden Abend kam. Er wirkte rein äußerlich wie der perfekte Gentleman. Und trug immer diese völlig übertriebenen und wie geleckten wirkenden italienischen Schuhe. Hatte ich schon erwähnt, dass er auch nur italienische Anzüge trug und nur einen italienischen Friseur an seine Haare ließ? Gut, diese schauten wirklich gut gepflegt aus, aber hallo?

Ich musste wohl wirklich nicht noch erklären, für wen Philippe arbeitete, oder? Richtig. Don Giovanni.

»Kommt sofort.«

Ich griff mir instinktiv die richtige Flasche und kippte ihm den Alkohol ein.

Neben ihm tauchte sein Begleiter auf. Wie hieß er noch?

»Ich will das Gleiche, aber dalli.«

Philippes Blick fand meinen. Er wirkte amüsiert. Klar, er wusste ja auch, wie man sich vernünftig einen Drink bestellen konnte.

»Und ich bin es gewohnt, dass man mit mir vernünftig spricht. Ich heiße Prue und Kids, die was wollen, die kriegen ...«

»Meine Fresse«, kommentierte Philippes Begleiter genervt, doch dieser stieß ihn als Warnung einfach an.

»Kann ich bitte das Gleiche haben wie er?«

»Geht doch«, grinste ich und schenkte auch ihm ein. Philippes Begleiter verzog sich ziemlich schnell. Er hatte sich in eine Ecke verdrückt und sprach mit irgendeiner Tussi. Philippe sah ihm nach.

»Diese Bengel werden es nie lernen«, kommentierte er dessen Verhalten.

Ich zuckte mit der Schulter.

»Kann ja nicht jeder so ...« Ich wurde unterbrochen, weil die Stimmung sich hier drinnen um gefühlt 180 Grad drehte. Da wusste ich, dass diese Begrüßung nur für einen gedacht war. Rave.

Da die Bar sich nun mal mitten in Don Giovannis Gebiet befand und ihm nun mal auch gehörte, tauchten hier ständig seine Leute auf. Philippe gehörte zu ihm, genauso wie Rave. Sie alle trugen meist unauffällige Farben. Schwarz oder grau. Aber an Rave sahen sie deutlich besser aus. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, musste ich mir das eingestehen. Wie machte er das?

Lag es an seinen Haaren, die sogar ohne Schaumfestiger oder Haarspray immer perfekt auf seinem schönen Kopf saßen? Ja, denn das war auch so ein Problem. Der Kopf dazu. Raves Gesichtszüge wirkten kantig und rau. Er war nie perfekt rasiert, aber das passte auch nicht zu ihm. Genau so stellte man sich den bösen Buben vor. Den man vor seinen Eltern versteckte. Immerhin würden sie ja so selbst miterleben, wie versaut ihre eigene Tochter wäre.

Okay, ich driftete wieder ab.

Rave lächelte, also es war eher ein verhaltenes Lächeln.

Er nickte dem ein oder anderen zu. Heute trug er einen langen schwarzen Mantel. Darunter befanden sich so einige Waffen, wie ich wusste. Die Kerle hier waren alle bewaffnet.

Lässig wie immer setzte er sich an den anderen Teil der Bar. Dort bediente ihn meine Kollegin Stacy. Wie so oft bemerkte ich, wie alle ihn von der Seite musterten. Mit Vorsicht, als würden sie nie ganz wissen, ob er nicht gleich bereit war, jemanden anzugreifen.

Ich kümmerte mich wieder um meinen eigentlichen Job und bediente die Gäste.

»Wie heißt du noch mal, Süße?«, sprach mich einer der Gäste an.

»Prue«, antwortete ich und wartete auf ...

»Wo hast du die anderen deiner süßen Hexenschwestern gelassen?«

... genau das!

»Die habe ich heute allein auf dem Friedhof gelassen, um die Leiche auszubuddeln, bevor wir gemeinsam den Mond anheulen. Du weißt schon, die Arbeit geht vor dem Vergnügen«, antwortete ich und bekam genau die Reaktion, die ich erhofft hatte. Der Typ verzog sich mürrisch. Was hatte er erwartet? Dass ich den hundertsten Charmed-Witz aufgrund meines Namens lustig finden würde?

Ich arbeitete in einer verfluchten Bar in Brooklyn! Wenn man da keine zweite, dritte und vierte Haut entwickelte, würde man nur als Frischfleisch enden. Und ich hatte absolut keine Lust auf den Mist. Deswegen befand sich auch immer eine nicht registrierte 45er in meiner Tasche.

»Prue, wir haben keinen Gin mehr. Kannst du mal nach hinten ins Lager und ...«, bat mich Stacy, die gerade hin- und her rannte, weil mehrere Bestellungen auf einmal bei ihr eintrudelten.

»Sicher.«

Auch wenn dieser Job nicht gerade das war, was sich eine junge Frau, die noch Träume und Wünsche besaß, vorstellen konnte, mochte ich Stacy. Sie war Anfang 30, schlief mit einem dieser Mafiatypen namens Roger und hoffte nach fünfjähriger Affäre mit ihm, dass er sie hier rausholen würde. Ich wollte ihren Traum nicht zerplatzen lassen, deswegen hörte ich mir vor und nach Schichtende oft ihr Gejammer an. Aber hey, sie ließ meine verrückten Träume, endlich aufs College gehen zu können, auch nicht zerplatzen. Wir machten uns beide etwas vor, wussten es, aber ignorierten es. Eine tolle Ausgangslage, oder?

Ich ging ein paar Meter durch den Flur, um rechts ins Lager zu laufen. Hier befanden sich zig Kisten mit Flaschen. Seufzend begann ich die Schrift zu lesen, auch wenn es schwierig war, da die Glühbirne seit Wochen darauf wartete ausgetauscht zu werden.

»Ah, da seid ihr ja.« Obwohl ich es hätte besser wissen sollen, fiel mir erst auf, als ich die Kiste packte, dass da ja noch eine kleine Information war, die mich heute Mittag erreicht hatte. »Ach, Scheiße.«

Ich stellte die schwere Kiste wieder hin.

»Ich darf Sie beglückwünschen, Miss Hiller. Sie sind schwanger,« hörte ich immer noch die Stimme meines Gynäkologen in meinem Kopf.

Erst jetzt fiel mir auf, wie groß die Verdrängung war. Ich träumte noch immer vom College und wollte gerade ein Karton mit über 15 Liter heben. Kopfschüttelnd stand ich nun hier. Und schwanger wohlgemerkt.

Warum zum Teufel musste ich es auch vor vier Wochen so knallen lassen? Schwanger mit 22 war ja schon heftig. Aber schwanger von einem One-Night-Stand übertraf den Scheiß ja noch mal mehr!

»Kann ich helfen?«

Die Stimme, die Person, der einsame Lagerraum. Ich quiekte erschrocken auf, als ich mich zu Rave umdrehte. Er stand vor mir und war absolut unbeeindruckt, dass er mich gerade fast zu Tode erschreckt hatte.

Ja gut, das ist ja anscheinend auch irgendwie sein Job.

»Stacy wartet auf die Flaschen«, antwortete er mit ruhiger Stimme.

Wir hatten immer mal kurze Worte miteinander gewechselt, wenn er hier war. Aber bisher waren wir nie allein gewesen. Oder besser, ich war noch nie allein gewesen mit einem Typen, der offensichtlich für die Mafia arbeitete.

Es war dunkel hier, aber man konnte dank des Lichts aus der Bar, einiges erkennen. Da ich immer nur hinter dem Tresen stand, wenn er kam, wusste ich erst jetzt wirklich, dass er knapp zehn Zentimeter größer war als ich.

Mit meinen 1,75 m konnte man mich nicht als klein bezeichnen, aber dass er so viel größer war, gefiel mir.

»Die Flaschen«, betonte er noch mal, als wäre ich total begriffsstutzig.

»Oh, klar.«

Ich drehte mich um, würde mich am liebsten selbst ohrfeigen für meine verzögerte Reaktion, als mein Körper schon wieder schwächelte. Oh, nicht doch!

Der Schwindel hatte vor ein paar Tagen begonnen, sodass ich mich heute entschlossen hatte, meine nicht existierende Krankenversicherung zu ignorieren und zum Arzt zu gehen. Tja, es war wohl ein typisches Gesetz, dass der Anfang einer Schwangerschaft auch bedeutete, nicht mehr Herr des eigenen Körpers zu sein.

Ich schwankte leicht, weil sich wieder alles drehte.

»Shit, was machst du?«

Mein Körper gehörte mir gerade wirklich nicht, aber zwei Hände stützten mich, als ich zur Seite an die Wand fiel.

Mit Vorsicht setzte ich mich auf einen der leeren Kästen, die dort standen.

»Du fühlst dich warm an? Hast du eine Grippe oder sowas?«

Erst jetzt bemerkte ich, wie er meine Stirn fühlte. Er hatte sich zu mir herunter gekniet. Ich konnte sehen, wie er mich anschaute. Aber wirklich mehr konnte ich nicht erkennen, dank der Finsternis hier drin.

»Ist nichts Ernstes«, murmelte ich verlegen. Ihm zu erzählen, was ich erst vor wenigen Stunden erfahren hatte, würde ich ihm und mir nicht antun.

»Fahr am besten nach Hause, Prue.«

Das war das erste Mal, dass er meinen Namen ausgesprochen hatte. Mir war nicht mal ganz klar, dass er diesen überhaupt kannte. Ich arbeitete noch nicht lang hier, und so viele Worte wie gerade, hatten wir noch nie miteinander gewechselt.

»Mir geht es gleich wieder besser«, antwortete ich ihm.

Einen Augenblick schien er abzuwarten, dann stand er wieder auf und griff sich die Kiste voll mit Gin-Flaschen.

»Gut, aber ich bin nicht die ganze Nacht über da und kann dich vor einem Sturz bewahren«, konterte er leicht arrogant. Okay, es klang nicht leicht arrogant. Er war ganz einfach arrogant. Als hätte ich seinen Schutz so nötig!

»Du hörst dich selbst gerne reden, oder?«, schnaubte ich, auch wenn ich wusste, dass er, wenn er hier war, genau das eben nicht tat.

Er stand jetzt direkt am Türrahmen. Das Licht schien über seine Klamotten. Seinen Mantel hatte er nicht abgenommen und trotzdem konnte ich sie sehen. Seine Waffe.

»Noch nie Widerworte gehört?«, fragte ich und verzog vor Schwindel den Mund. Hoffentlich konnte er es nicht sehen.

»Ehrlich gesagt nur recht wenige«, antwortete er und hörte sich wirklich ziemlich überrascht an.

»Tja, solange du nicht mit deiner Glock herumfuchtelst oder mir eine verpasst, wird sich das auch nicht ändern«, antwortete ich ehrlich und stützte mich auf meinen Knien ab.

Ich spürte seinen Blick auf mir ruhen.

»Ist noch was?«, hakte ich nach und versuchte ruhig ein- und auszuatmen. Wenn ich hier jetzt kotzen würde, wäre das nicht nur peinlich. Es wäre die totale Katastrophe!

»Frag Philippe, wenn du weiter Kisten tragen sollst. Er wird dir helf ...«

Plötzlich drehte er sich um. Ich konnte nicht erkennen, wer da mit ihm sprach. Aber jemand flüsterte ihm etwas zu.

»Scheiße«, kam von Rave, dann lief er los.

Was war das denn jetzt für ein Abgang?

Rave

Rave

Philippe folgte mir, als ich den Karton auf den Tresen stellte, Stacys Dankeschön, weil ich Nachschub besorgt hatte, ignorierte ich und rannte hinaus.

Rasch schaute ich mich um. Wo war sie?

»Bist du sicher, dass sie es war?«, hakte ich nach, während Philippe sich auch umsah.

»Ich bin mir sicher, Rave. Sie war es!«

Quietschende Reifen übertönten seine Stimme, und wir drehten uns alle zum Geräusch um.

Tatsächlich. Der dunkelblaue Mercedes raste an uns vorbei. Mit meiner Frau darin.

»Die Kleine ist fast ohnmächtig geworden«, erklärte ich ihm, und schon bekam ich Philippes zweifelnden Gesichtsausdruck geschenkt.

»Sie hat die Grippe oder so was. Ich habe die Kiste für sie getragen. Aber wer weiß, was bei Joanna da wieder ...« Ich schüttelte den Kopf und sah wieder zu ihm. »Und du bist dir sicher, dass sie ...« Ich brachte nicht mal den Satz zu Ende.

Philippe hatte Joanna dabei gesehen, wie sie mich und Prue im Lagerraum vorfand. Dann war sie hinausgestürmt und er hatte mir Bescheid gegeben.

Philippe nickte absolut ernst. »Wenn ich sie eher gesehen hätte, hätte ich sie aufgehalten.«

Ich fuhr mir frustriert durchs Haar.

»Wenn du meinst, sie könnte sich etwas antun, dann ...«

»Natürlich könnte sie. Sie steht seit Monaten völlig neben sich«, antwortete ich genervt und schaute immer noch in die Richtung, in die sie gefahren war.

»Und sie ist anscheinend aus der Klinik entlassen worden«, stellte Philippe fest.

Mein Blick traf seinen. Er wusste ganz genau, dass das sicherlich nicht im Bereich des Möglichen war. Ihr behandelnder Arzt stand ständig mit mir in Kontakt.

Joanna entwickelte vor knapp einem Jahr viele psychische Symptome, die nur Rückschlüsse auf eine Krankheit zuließen: Schizophrenie.

Es fing beim Frühstück an. Sie bezichtigte die Haushälterin, dass sie ihre heiß geliebten pochierten Eier vergiftet hätte. Mittags war es dann meist die Vorspeisensuppe, abends war es dann der Wein. Als sie begann, regelmäßig mit dem Wellensittich über die ganzen Verschwörungen zu reden, brachte ich sie zum Arzt. Seitdem ging es bergab mit ihr.

Jetzt befand sie sich seit Monaten in der Klinik und schien heute abgehauen zu sein. Nicht mal dieser verdammte Arzt, der angeblich in Harvard seinen Doktor gemacht hatte, bekam etwas davon mit. Er hätte mich sonst längst angerufen.

»Ich suche sie!«, sprach ich und zückte mein Handy. Ich würde schon herausfinden, wo sie sich befand.

»Soll ich ...«, bot sich Philippe an, aber ich winkte ab.

»Bleib du hier. Prue braucht vielleicht Hilfe bei den Kisten«, sprach ich und bekam von ihm ein Stirnrunzeln geschenkt.

Auch wenn ich ihm jetzt etwas dazu sagen könnte, tat ich es nicht. Es gab gerade Wichtigeres als eine Kellnerin namens Prue, die anscheinend wusste, welche Waffen ich unter meinem Mantel trug und keine Angst deswegen hatte. Die Verblüffung darüber konnte ich immer noch nicht ganz verwinden.

Prue

»Keine Widerrede, ich bring den Müll raus, du kannst schon abhauen«, rief ich Stacy zu, als sie das Licht in der Bar ausschaltete und ich den Müllsack ergriff.

»Ehrlich?«, rief sie mir zögerlich nach.

»Mach schon, dass du abhaust. Du hast heute den widerlichen Willy übernommen. Das ist mein Dank an dich.«

Der widerliche Willy kam jeden Tag hier rein, gaffte auf unsere Titten, roch ständig nach Urin, machte wirklich die schlechtesten sexistischsten Anmachsprüche diesseits des Hudsons und gab dazu nie Trinkgeld. Heute hatte Stacy sich geopfert, morgen durfte ich wieder ran.

»Okay, dann bis morgen«, rief sie mir zu und verschwand durch den Haupteingang.

»Alles klar«, rief ich ihr nach, griff nach dem zweiten vollen Müllsack und verließ durch den Hinterausgang die Bar, um die Tüten in den Container zu legen.

Es war bereits nach vier Uhr in der Nacht. Der letzte Gast wurde von uns gegen kurz nach halb vier rausgeschmissen. Diesmal mussten wir Davide nicht rufen. Wenn es Probleme gab, dann brauchten wir ihn, und er schien immer einen guten Riecher diesbezüglich zu haben. Er saß meistens vor der Tür, spielte Karten und flirtete herum, aber er wusste ganz genau, was hier passierte. Wenn er nicht da war, rief man ihn an. So funktionierte die Mafia.

Bis zu den Containern waren es vielleicht zehn Meter. Eine Straßenlaterne sorgte für genug Licht. Ich warf den ersten Müllsack mit Schwung in den Container und seufzte.

Wie lange würde ich den Job wohl noch machen können? Normalerweise war ich ein Nachtmensch, schlief wenig, aber gut. Die Schichten in der Bar machten mir nichts aus, aber seit dieser verfluchten Schwangerschaft fühlte ich mich nicht wie ich selbst. Ich war müde und ausgelaugt. Ruhe war jetzt das einzige, was ich mir wünschte.

Ich setzte gerade an, den zweiten Sack zu werfen, als ich Schritte hörte. Waren das Absätze, die ich hörte? Ich drehte mich um, und starrte in die Mündung einer Glock 21. Jepp, ich starrte die Waffe an. Es war eine Glock 21! Die kannte ich nur, weil ich mich damals fast für eine entschieden hätte.

Ich dachte, ich hätte das mit dem Schwindel hinter mir, aber wenn man kurz davor stand seine Hirnmasse zu verlieren, weil jemand ein paar Löcher in meinen Kopf schießen wollte, war selbst meinem Kreislauf klar, dass das nicht gut enden konnte.

Die Frau, die mich gerade bedrohte, trug eine dünne Jacke und schien ein weißes Nachthemd darunter zu tragen. Ich starrte auf ihre mindestens zehn Zentimeter hohen Absätze, mit denen sie herumlief. Aber Hauptsache die High Heels, oder was? Allein ihr ganzer Aufzug war schon völlig verrückt. Das Ende dieser Szene beunruhigte mich deswegen umso mehr.

»Du Schlampe!«, schrie sie mich an.

Okay, das wäre nicht das erste Mal, dass mich so jemand nannte. Wenn ich aber nicht aufpasste, wäre es sicher das letzte Mal. Dann ist aus die Maus ...

Ich hob zitternd die Hände hoch. Vielleicht würde sie das etwas besänftigen.

»Ich ... kenne Sie nicht, Miss. Aber normalerweise stellt man sich erst vor, bevor man ...«

»Du fickst meinen Mann!«

O-Okay, dieses Gespräch drehte sich langsam in eine Richtung, in der ich ihr überhaupt nicht mehr folgen konnte. Wenn Davide nicht diese heiße Blondine vorhin abgeschleppt hätte, wäre der auch verdammt noch mal hier und würde seinen Job erledigen!

»Ich hab euch gesehen! Du hast ihn im Lager dieses billigen Schuppens gefickt!« Sie zuckte mit der Waffe kurz in die Richtung der Bar.

Verwirrt sah ich sie an.

»Von wem reden Sie?«

Hatte es Stacy mal da drin getrieben? Wenn ja, dann musste sie mich verwechseln.

»Joanna!«

Rave kam aus der Dunkelheit des Parkplatzes auf uns zu. Auch er

war bewaffnet, nur zielte er auf sie.

»Baby?« Diese Irre namens Joanna sah sich um, bis sie ihn erblickte. Natürlich hielt sie die Waffe immer noch auf mich gerichtet.

»Nimm die Waffe runter!«, befahl er, ohne sie aus den Augen zu lassen.

»Du hast sie gefickt. Du willst sie! Ich habe euch gesehen!«

»Moment mal«, mischte ich mich jetzt ein, aber das erschreckte sie so sehr, dass sie urplötzlich abdrückte und die Tonne hinter mir traf.

Ich zuckte erschrocken zusammen und hielt meinen Bauch automatisch fest.

»Du irrst dich, Joanna. Du bildest dir etwas ein, das nicht existiert«, sprach er und ich nickte zur Bestätigung wie ein Roboter. Immer wieder.

»Nein! Du lügst. Deswegen kommst du mich nicht mehr besuchen. Du liebst mich nicht mehr!«, brüllte sie und fixierte wieder mich.

Panisch drückte ich mich an die Mülltonne. Ich kam hier nicht weg! Meine eigene Waffe lag in meiner Tasche, die in der Bar lag. Da liegt sie gut!

»Joanna, nicht!«, rief er und ich schloss die Augen.

Jetzt war es vorbei!

In den ganzen Filmen sprachen die Leute immer davon, dass das ganze Leben an einem vorbeizog, wenn man den Tod vor Augen hatte. Bei mir war das nicht so. Ich hatte nur einen Gedanken: So schlecht war mein Leben nicht, und es deswegen beenden, wollte ich auf keinen Fall!

Ich erzitterte, als der Schuss fiel. Stirnrunzelnd öffnete ich die Augen und sah an mir herunter.

Kein Blut. Kein Loch. Kein Schmerz.

Ich hob den Kopf, um diese Irre anzusehen, aber die lag auf dem Boden. Wie jetzt?

Ihr Gesicht lag mir zugewandt. Das Loch in ihrem Kopf machte allzu deutlich, wer hier nicht mehr atmete.

Rave kam auf uns zu. Er hielt die Waffe gesenkt.

»Rave!« Philippe kam angerannt und sah sich die Situation genau an.

»Shit. Alles in Ordnung, Mann?«

Philippes Frage beantwortete Rave nicht. Er starrte zu Joanna.

»Du musst gehen, Rave. Sofort!«, sprach Philippe, nachdem er ihn einen kurzen Moment in Ruhe ließ.

»Ich ... ich weiß«, murmelte er und fuhr sich durch sein Haar, dann schaute er zu mir. Völlig ausdruckslos sah er mich an. Dann drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit.

Jetzt kam Philippe auf mich zu. »Alles okay, Prue?«

»Keine Ahnung, ist es normal, dass ich einfach dankbar bin, dass das nicht meine Hirnmasse ist?«, fragte ich und versuchte mich wie so oft an einem Witz. Dass meine Stimme dabei leicht zitterte, bekam er natürlich mit.

Philippe entspannte sich etwas. »Es ist normal.«

»Mmh«, bekam ich gerade so heraus und starrte zu der Leiche. Oh Gott, meine erste Leiche, die ich sehe. Aber das war nur möglich, weil Rave mich gerettet hatte. »Er hat offensichtlich seine Freundin getötet, um mich zu retten.«

Philippe sah sich um, griff sich dann die Waffe, schaute nach der Munition und schüttelte dann den Kopf. »Sie hätte dich getötet, wenn er nicht abgedrückt hätte. Und Joanna war nicht seine Freundin, sie war seine Frau.«

»Was?«, fragte ich völlig entsetzt.

Er hatte seine eigene Frau umgebracht? Für mich?

Philippe begann Joannas Handgelenk zu ergreifen.

»Ich muss die Leiche hier wegschaffen und ...« Plötzlich erstarrte er, als er mich ansah. Was war jetzt? »Prue! Du bist doch verletzt!«

»Wo?«, fragte ich nach und schaute wieder herunter. Diesmal sah ich das Blut ... es floss an meinen Beinen entlang.

KapitelEins

Brooklyn/Williamsburg

Zwei Jahre später:

Matteo

Es war echt zum Verzweifeln. Jeden Sonntag führte Don den Scheiß hier durch. Okay, er hieß eigentlich nicht Don oder Don Giovanni, wie sie ihn hier alle nannten. Aber so hielt man sich die Leute vom Leib.

Wir saßen in seinem übertriebenen Saal, den er sich hier in dieser 20- Zimmer-Villa gebaut hatte, aber hey ... wenn mir das hier irgendwann gehörte, dann wäre das der Partysaal. Ich konnte mir den Scheiß gut vorstellen.

Wie immer waren ich, Anthony und noch ein paar Idioten, die sich was auf diese Verabredung einbildeten, dabei.

»Also, was machen die Geschäfte?«, fragte mein Vater. Er war in den letzten Jahren gesprächiger und leider auch viel zu weich geworden.

»Die Zahlen sind alle zufriedenstellend, Boss«, antwortete Anthony und überreichte ihm eine Mappe mit all den Einnahmen unserer Geschäftsstellen.

Wie immer, ignorierte er die Mappe und stocherte weiter in seinem gekochten Ei herum.

»Va bene. Jetzt frühstückst du bitte. Marcella hat sich die viele Mühe nicht umsonst gemacht.«

Ich verdrehte die Augen, und alle fingen wie bescheuert an zu essen.

Auch ich wollte gerade Kaffee nehmen, da sah ich im Flur Philippe.

»Was zum Teufel macht er hier?«, rief ich wütend.

Don drehte sich um, und sah auch Philippe, der gerade mit Marcella sprach.

»Wag es ja nicht, figlio mio«, fuhr mein Vater mich an. Jetzt war ich auf einmal wieder »sein Junge.«

»Was macht der hier, Vater?«

»Er ist Gast in meinem Haus. Du weißt schon, dass er für mich arbeitet, oder?«

Ja, aber dieser Scheißkerl tauchte hier selten auf, und das wusste mein Vater auch.

»Buongiorno«, rief er fröhlich und viel zu breit grinsend in die Runde und setzte sich mir dann gegenüber.

»Schön, dass du hier bist«, begrüßte mein Vater ihn und nickte ihm zu.

»Ich bin gerne hier, Don. Come stai?«

Ich verdrehte die Augen. Dieser Bastard schleimte schon, bevor ich den ersten Kaffee hatte.

»Du kennst das ja, man wird nicht jünger«, antwortete Vater ihm seufzend, nachdem er gefragt hatte, wie es ihm ging.

»Du sagst es, Don«, lachte Philippe und griff sich die Kaffeekanne, die ich mir nehmen wollte. Stronzo! »Mein Hausarzt meinte letztens, ich wäre jetzt in einem Alter, in dem ich meinen Hintern untersuchen sollte.«

Alle am Tisch lachten, ich jedoch fand daran nichts witzig. Aber das war nun mal Philippe. »Wie geht es Rave?«, fragte ich und alle starrten mich an, als hätte ich mal wieder jemanden erwähnt, den ich nicht erwähnen sollte.

Philippe rührte seinen Kaffee um, nachdem er Milch hineingegeben hatte. Man konnte seine Anspannung spüren.

»Was soll das, Matteo?«, fragte Don.

Ich ignorierte ihn, starrte weiter Raves besten Kumpel an.

»Er arbeitet. So wie dein Vater darum gebeten hat. Du kennst das vielleicht nicht, aber Rave hält sein Wort.«

»Du!« Ich stand auf und wäre ihm über den Tisch an seine Gurgel gegangen, aber da hatte Vater schon auf den Tisch geschlagen.

»Padre ...«, begann ich auf italienisch, damit er mich ausreden ließ.

»Stai zitto!«, brüllte er. »Setz dich, Matteo! In diesem Haus wird es kein Blutvergießen geben. Und schon gar nicht zwischen der Familie.«

Ständig nannte er seine Mitarbeiter »Familie.« Der alte Mann verlor langsam den Verstand. Ich war sein einziger Sohn! Ich, verdammt!

»Und was ist mit Joanna? Hast du sie etwa völlig vergessen?«, brüllte ich ihn an.

Vaters Kiefer mahlte. »Was mit Joanna passiert ist, war tragisch. Eine wirklich schlimme Sache.«

»Eine Sache, die doch mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet«, erklärte ich ihm und zeigte anklagend auf Philippe. »Rave hat sich sofort verdrückt, als man sie tot aufgefunden hat.«

»Sie war seine Frau!«, antwortete Philippe ihm mit ruhiger Stimme. »Selbst ein Mann wie Rave muss trauern.«

»Si«, antwortete Vater ihm und wirkte wieder mal so verständnisvoll. Er verglich hoffentlich nicht Mutters frühen Tod mit dem von Joanna!

»Ich krieg echt das Kotzen«, schnaubte ich.

»Matteo, keiner zwingt dich hierzubleiben«, fuhr Vater mich an.

Natürlich! Wieder war ich das Problem!

Ich schmiss die Serviette auf meinen Teller und ließ die Idioten mit ihrem verfickten Frühstück allein zurück.

Jedes Mal, wenn Philippe sich hertraute, wurde er von meinem Vater begrüßt, als wäre er sein Sohn und nicht ich!

Seitdem das mit Joanna war, ihre Leiche urplötzlich im Central Park gefunden wurde und Rave dann im Süden Aufträge annahm, traute ich keinem dieser Scheißer einen Zentimeter mehr über den Weg.

Prue

»Ich sage dir, dieser Professor lebt nur für eine Sache: Uns fertig zu machen«, erklärte ich meiner Freundin, während wir über den Campus der New York University liefen.

Mein Kurs war vorüber und Catherine, genannt Cat, lief mit mir Richtung U-Bahn-Station.

»Er will, dass wir zuhören«, stellte sie fest.

»Oh bitte, als wenn du nicht Brad Hickers angestarrt hast. Der Typ ist heiß!«

Ich grinste, während Cat mich neugierig musterte. »Was?«

»Du erwähnst immer, wie heiß du ihn findest, fragst aber nicht nach ...«

Ich winkte ab. »Hab keine Zeit für so etwas.«

»Und auch das sagst du ständig!«

Ich zuckte mit der Schulter, als wir kurz davor waren, dass sich unsere Wege trennten.

Auch wenn ich sie total gern hatte, diese ständige Fragerei war nervig. War es heutzutage so unnormal, wenn man Single war? Jeder stritt ab Sex and the City gesehen zu haben, und trotzdem war die Serie so erfolgreich!

In meinen Augen hatte Kim Cattrall einen Emmy verdient. Aber mich fragte ja keiner.

»Ich merke schon, bevor die Semesterferien beginnen, willst du mir noch mal eine Packung 'Such dir endlich einen Kerl' verabreichen«, rief ich ihr nach, weil ich nach links ging, statt wie Cat nach rechts. Sie lebte in der Bronx, also fast zwanzig Meilen von Brooklyn entfernt.

»Ich kann es ja mal versuchen«, rief sie zurück.

Ich grinste. »Ich bin geimpft!«

Sie lachte, winkte zum Abschied und ich ging dann auch weiter.

Die Fahrt von der Uni bis nach Hause dauerte circa eine halbe Stunde. Da wir Juni hatten, war das Wetter schön und somit brutzelte man auch gut in der U-Bahn.

In mein Wohnhaus kam ich schweißnass an, aber hey, ich kam wenigstens an.

Mein Apartment befand sich in der ersten Etage. Auch wenn das hier jetzt nicht die beste Gegend war, bezahlte ich mich nicht dumm und dämlich. Wer brauchte schon saubere Parks, piekfeine Hausflure oder Nachbarn, die nicht tagtäglich illegale Substanzen verkauften, um über die Runden zu kommen.

»Hey, Nachbarin!«

Am liebsten hätte ich vor Frust geschrien, weil ich wieder nicht davongekommen war.

Seit einigen Monaten überlegte ich nämlich tatsächlich umzuziehen. Nein, nicht weil die Junkies störten, dafür besaß ich einen Baseballschläger und meine 45er. Sie war es!

Ich drehte mich um und lächelte. Vor mir stand Stephanie. Hornbrille, Vogelnest auf dem Kopf, zerschlissene Klamotten. Stephanie halt.

Wir lebten Tür an Tür und sie hörte mich immer, also wirklich immer, die Treppen hochkommen.

»Hi, Stephanie.«

Wie immer ignorierte sie meine Worte, denn schon hatte sie mir einen Teller voll mit Muffins vor die Nase gehalten.

»Ich habe gebacken. Für dich!«

»Ähm ...«

Abwartend schaute sie mich an.

»Dir ist schon klar, wenn ich das alles esse, passe ich bald nicht mehr durch meine Tür«, erklärte ich ihr.

Aber wie so oft, bewegte sie sich kein Stück. Also nahm ich seufzend einen Muffin. Einer wäre kein Problem, sprach ich mein persönliches Mantra.

Sobald ich mir einen gegriffen hatte, lächelte sie, nickte mir zu und verschwand dann wieder in ihrem Apartment.

»Und mir sagte man, dass ich merkwürdig bin. Jau«, sprach ich mit mir selbst und schloss endlich meine Haustür auf.

Meine Wohnung bestand aus zwei Zimmern. Das Wohnzimmer und die kleine Kochnische sowie mein Schlafzimmer mit dem kleinen Bad. Aber es reichte mir. Ich sah auf meine Uhr. Es waren noch knapp drei Stunden bis Schichtbeginn.

Seufzend ließ ich mich auf meine kleine Couch fallen. Ich hatte noch genug Zeit, um mal wieder zu faulenzen.

Aber so in die Stille hinein ... dachte ich natürlich wieder über die Dinge nach, die mir eigentlich keine Sorgen machen sollten. Das taten sie aber.

Ich blickte auf meine Uhr, die ihre Arbeit tat. Das Geräusch des Sekundenzeigers beruhigte mich.

Fast auf den Tag genau waren es zwei Jahre.

Ich streichelte meinen Bauch und ergab mich meinen Gedanken.

Er oder Sie wäre jetzt vermutlich schon am Laufen. Es würde mich wahnsinnig machen, das stand außer Frage. Kleinkinder sind anstrengend.

Ein lächerlicher Gedanke. Es war nicht so, und fertig!

KapitelZwei

Rave

Joanna Crawford

geliebte Ehefrau und Tochter

geboren 12. April 1988

gestorben 30. Juni 2016

Der Grabstein verhöhnte mich. Sie verhöhnte mich. Zu Recht.

Ach was, du bist auch mal da?

Wo warst du?

Bei der Beerdigung bist du nicht aufgetaucht. Besucht wurde ich von dir auch nicht, und jetzt stehst du hier und hast ein schlechtes Gewissen? Zwei Jahre später?

Das Grab war gepflegt worden. So wie ich es angewiesen hatte. Es lagen immer frische Blumen auf ihrem Stein.

Seufzend fuhr ich mir durch mein viel zu langes Haar.

»Es tut mir leid.«

Eine Windböe zog sich durch den Friedhof, als würde sie antworten.

Du hast mich doch erschossen, also reicht eine Entschuldigung nicht aus. Du bist ein Mistkerl, Rave! Ein Mistkerl!

Mehrmals sog ich den Geruch von frischgemähten Rasen ein.

Mein Handy klingelte, das ich in meine Jeanshose gesteckt hatte.

Ich nahm ab, ohne zu sehen, wer dran war. Es kannten nur wenige diese Nummer.

»Sorry, Rave, ich hatte zu tun. Was gibt es?«, fragte Philippe an der anderen Leitung.

»Ich bin zurück.«

Stille.

»Du bist in New York?«

»Ja«, war meine kurze Antwort und ich drehte mich weg, um nicht weiter auf ihren Grabstein zu starren.

»Ähm ... okay. Weiß Don Bescheid? Egal, wo pennst du? Du kannst gerne bei mir ...«

»Ich brauche dringend einen Drink, Philippe. Lass uns ...«

»Sicher, wir treffen uns im Tina‘s?«, fragte er und wirkte ziemlich nervös. Was war los mit ihm?

»Ich dachte eher ans Roberto.«

Wieder Stille.

»Ist das dein Ernst?«

»Würde ich es sonst nennen? Also in einer Stunde im Roberto.« Ich legte auf, bevor er noch etwas dazu sagen konnte.

Es musste ja irgendwie weitergehen. Dann würden wir mit dieser verfluchten Bar beginnen. Was sollte schon passieren? Die kleine Kellnerin war fort, Joanna unter der Erde ... seufzend fuhr ich mir wieder durch mein Haar. Eine Angewohnheit, die ich nie losgeworden war. Das machte ich immer, wenn ich nicht weiter wusste.

Prue

»Ich geh mal eben pinkeln«, rief ich Stacy zu, die nur die Hand hob, um mir zu sagen, dass sie mich verstanden hatte.

»Hey, Prue!«, rief mir Willy zu, der am Tresen saß und schon angeschwipst war.

»Willy«, grüßte ich ihn und winkte ihm nur schnell zu. Bloß hier weg!

Mein Nacken schmerzte leicht, als ich zur Personaltoilette ging.

»Prue! Warte mal!«, rief mir Philippe zu und kam wortwörtlich auf mich zugerannt.

»Hi. Was gibts?«

Philippe war nach der ganzen Geschichte damals irgendwie zu einem echten Freund geworden. Ja, er wusste mehr über mich, als so manch einer.

Das war so typisch für mich. Wenn ich schon kaum Freunde hatte, wurde ein Mitarbeiter der Mafia einer meiner engsten Vertrauten. Philippe war halt da, als ich verdauen musste, dass ich zwar den Angriff einer Irren überlebt hatte, aber mein Baby eben nicht ... Auch wenn er normalerweise etwas zu erledigen hatte - wie zum Beispiel die Leiche beseitigen -, blieb er bei mir im Krankenhaus.

»Ähm ... ich habe mit Don geredet, er findet, dass mehr Stunden abgebaut werden sollen. Du verstehst schon, Überstundenabbau und so weiter. Er will, dass alle auch mal ein paar Stunden Freizeit genießen können.«

»Wow. Das ist dem großen Don aufgefallen?«, fragte ich zweifelnd.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte an dem Türrahmen zur Toilette, und ja, er wirkte etwas nervös. Und Philippe war nie nervös. Die letzten zwei Jahre war er zwar auch immer noch dieser Mafia-Killer, aber er war auch mein witziger Freund geworden. Jetzt wirkte er allerdings, als würde er gerade ganz woanders sein wollen.

»Jepp, ist ihm aufgefallen. Du hast heute also frei.«

»Ich habe frei?«, fragte ich ungläubig. »Bezahlt?«

Philippe nickte hastig. »Klar.«

»Wenn unser Boss schon so gut drauf ist, was ist mit einer Gehaltserhöhung?«

»Übertreib es nicht«, antwortete er genervt.

»Bezahltem Urlaub?«, versuchte ich es noch einmal.

»Prue!«

»Okay okay. Ich gebe mich mit einem freien Abend zufrieden. Darf ich jetzt?«

»Darfst du was?«, fragte er nach.

»Ich muss pinkeln. Warum sonst sollte ich vor der Toilette stehen!«

»Ach so, klar. Aber dann haust du bitte ab. Du gehst doch, oder?«, hakte er nach. Wo war der lockere Philippe hin?